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von Göler (Hrsg.) / Bernd Nenninger / § 488

§ 488 Vertragstypische Pflichten beim Darlehensvertrag

(1) Durch den Darlehensvertrag wird der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuzahlen.

(2) Die vereinbarten Zinsen sind, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, nach dem Ablauf je eines Jahres und, wenn das Darlehen vor dem Ablauf eines Jahres zurückzuzahlen ist, bei der Rückzahlung zu entrichten.

(3) Ist für die Rückzahlung des Darlehens eine Zeit nicht bestimmt, so hängt die Fälligkeit davon ab, dass der Darlehensgeber oder der Darlehensnehmer kündigt. Die Kündigungsfrist beträgt drei Monate. Sind Zinsen nicht geschuldet, so ist der Darlehensnehmer auch ohne Kündigung zur Rückzahlung berechtigt.

Für den Rechtsverkehr

(für Nichtjuristen)

zum Expertenteil (für Juristen)

Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle

Expertenhinweise

(für Juristen)

1) Definitionen

1.    Begriff des Darlehens

1a) Darlehensvertrag als zentraler Begriff des Darlehensrechts

aa) Vor 2002 kannte das BGB nur die §§ 407 bis 410 BGB a.F. zum Darlehensrecht. Das Verbraucherkreditgesetz regelte Verbraucherdarlehen als Sonderregelung zum BGB. Zum 01. Januar 2002 integrierte der Gesetzgeber das Verbraucherkreditrecht in das BGB und vermeidet seitdem konsequent den Begriff „Kreditvertrag“. Dennoch verwenden sowohl Juristen als auch Laien nach wie vor häufig noch den Begriff „Kreditvertrag“.

Der Begriff „Kreditvertrag“ hat auch keine rechtliche Bedeutung mehr. Er wird nur noch als Oberbegriff für Verträge verwendet, in denen ein „Kreditgeber“ als Gläubiger einen „Kreditnehmer“ als Schuldner einen Vermögensvorteil auf Zeit überlässt, den der Kreditnehmer nach Maßgabe der getroffenen Vereinbarungen später erstattet.

bb) Grundbegriff des Darlehensrechts ist nunmehr der „Darlehensvertrag“.

Ein Darlehensvertrag ist ein Vertrag, durch den sich der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in vereinbarter Höhe zur Verfügung zu stellen (§ 488 Abs. 1 S. 1 BGB), während sich der Darlehensnehmer verpflichtet, den vereinbarten Zins zu zahlen und den erhaltenen Betrag zurückzuzahlen (§ 488 Abs. 1 S. 2 BGB).

2b) Gesetzgebungssystematik

Die Systematik des Gesetzes ist vergleichsweise klar.

Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Darlehensverträgen:

(1)   Darlehen (§§ 488 bis 490 BGB):

Unternehmerdarlehen (§§ 488 bis 490 BGB) - Unternehmerdarlehen sind Darlehensverträge, bei denen sowohl der Darlehensgeber als auch Darlehensnehmer Unternehmer i.S.d. § 14 BGB sind.

Privatdarlehen - Privatdarlehen sind Darlehen, wenn der Darlehensgeber nicht Unternehmer ist. Ohne Bedeutung ist insoweit, ob der Darlehensnehmer Unternehmer ist. Auch für Privatdarlehen gelten nur die §§ 488 bis 490 BGB.

(2)    Verbraucherdarlehen (§§ 488 bis 505 d BGB)

Verbraucherdarlehen sind entgeltliche Darlehensverträge zwischen einem Unternehmer als Darlehensgeber und einem Verbraucher als Darlehensnehmer. Nur für sie gelten über die §§ 488 bis 490 BGB hinaus die §§ 491 bis 505 d BGB.

Verbraucherdarlehen sind immer entgeltlich.

Die Verbrauchereigenschaft (§ 13 BGB) ist für jeden Darlehensvertrag konkret und nicht etwa abstrakt zu bestimmen.

Beispiel:

Ein Handwerker, der sein Gewerbe als nicht im Handelsregister eingetragener Einzelunternehmer betreibt, schließt am selben Tag zwei Darlehensverträge mit derselben Bank ab. Mit dem einen Darlehensvertrag finanziert er einen LKW, den er für seinen Handwerksbetrieb benötigt. Mit dem anderen Darlehensvertrag finanziert er das selbst bewohnte Einfamilienhaus, das er am Tag vorher gekauft hat.

Dieser Handwerker – ein und dieselbe Person – ist an ein und demselben Tag für das erste Darlehen Unternehmer, sodass die §§ 491 ff. BGB nicht gelten, hinsichtlich des anderen Vertrages (selbst bewohntes Einfamilienhaus) Verbraucher, sodass diese Vorschriften gelten.

2.    Bedeutung

3Darlehen gehören zu den wichtigsten Erscheinungsformen menschlichen Wirtschaftens und überhaupt menschlicher Existenz. Ohne ein geordnetes Bankwesen und eine Ordnung der wirtschaftlichen und rechtlichen Parameter der Darlehenswirtschaft wäre die menschliche Zivilisation vermutlich weniger weit entwickelt. Auf der anderen Seite verleiht die wirtschaftlich überragende Stellung bedeutender Darlehensgeber diesen eine faktische, auch politische Macht, von der manche meinen, sie erreiche die politische Macht von Regierungen. Die Regulierung des Rechts des Darlehens durch Aufsichtsrecht und Verbraucherschutzrecht ist daher von zentraler Bedeutung für die Rechtsordnung eines jeden Staates und jeder Gemeinschaft.

 3.    Abgrenzung

4a) Erscheinungsformen

Darlehen gibt es in den unterschiedlichsten Erscheinungsformen. Manche Gestaltungsformen sind nicht ohne weiteres als Darlehen erkennbar. So sind die Geldeinlagen von Kunden bei Kreditinstituten rechtlich unregelmäßige Verwahrungen (§ 700 BGB): es gilt Sachdarlehensrecht, § 701 Abs. 1 S. 1 BGB.

5b) Abgrenzung zum Sachdarlehen

Nach der Neuregelung im Jahr 2001 gelten die §§ 607 bis 609 BGB nur noch für den Sachdarlehensvertrag. Dies betrifft Darlehensverträge über vertretbare Sachen (§ 91 BGB). Pfandflaschen sind ein Beispiel für diesen Vertragstyp.

6c) Weitere besondere Darlehenstypen

aa) Das BGB kennt noch den Begriff der Finanzierungshilfe (§§ 506 bis 508 sowie 515 BGB) und den Ratenlieferungsvertrag (§ 510 BGB) im Zusammenhang mit Darlehen.

bb) Das Recht des Immobiliar-Verbraucherdarlehens (Legaldefinition: § 491 Abs. 3 BGB) sieht Sondervorschriften für Verbraucherdarlehen vor, die zur Finanzierung von Immobilien dienen.

cc) Das Verbraucherkreditrecht kennt einzelne Vorschriften zu unentgeltlichen Darlehen, nämlich § 514 BGB und § 515 BGB zur unentgeltlichen Finanzierung. Der unentgeltliche (also zinslose) Darlehensvertrag ist kein gegenseitiger Vertrag. Die Vereinbarung der Zinslosigkeit schließt § 488 Abs. 1 S. 2 BGB aus. Somit stehen die Verpflichtungen von Darlehensgeber und Darlehensnehmer nicht in einem Gegenseitigkeitsverhältnis, sodass § 320 BGB nicht gilt, auch nicht für die vereinbarte Bestellung einer Sicherheit (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, Vorbemerkung vor § 488 Rdn. 2 a.E.).

dd) Die Abgrenzung eines Darlehens zur Gesellschaft ist im Fall einer partiarischen Beteiligung im Einzelfall schwierig.

4.    Wesentlicher Regelungsinhalt der Norm

7Die Vorschrift regelt die vertragstypischen Pflichten von Darlehensgeber und Darlehensnehmer bei jeder Form von Gelddarlehen. Sie gilt also sowohl für Unternehmerdarlehen als auch für Verbraucherkredite, sowohl für Bankdarlehen als auch für private Darlehen. Sachdarlehen sind jedoch in den §§ 607 bis 609 BGB geregelt.

5.    Form des Darlehensvertrags

8Darlehen sind grundsätzlich formfrei. Vorgeschrieben ist jedoch die Schriftform, wenn Darlehensnehmer ein Verbraucher und Darlehensgeber ein Unternehmer ist, §§ 491 Abs. 1 bis 3, 492 Abs. 1 BGB.

6.    Pflichten des Darlehensgebers

9a) Hauptpflicht des Darlehensgebers

Die Hauptpflicht des Darlehensgebers liegt darin, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zum vereinbarten Zeitpunkt zur Verfügung zu stellen.

Die Auszahlung der Darlehensvaluta an Dritte ist Erfüllung, wenn die Vertragsbeteiligten dies vereinbart haben (vgl. BGH in NJW 2010, 1144 mwN).

b) Nebenpflichten des Darlehensgebers

Nebenpflichten des Darlehensgebers bestehen nur im Einzelfall.

10aa)    Fehlerhafte Aufklärung
(1)    Grundsatz: Keine Aufklärungspflicht

Der Darlehensnehmer trägt die Risiken für den Kredit, insbesondere das Verwendungsrisiko und das Risiko der Rückzahlung. Die Bank ist im Normalfall nicht verpflichtet, den Darlehensnehmer über Gefahren und Risiken des Darlehens und seiner Verwendung aufzuklären (ständige Rechtsprechung: BGH in ZIP 1999, 374; BGH in NJW 1997, 1361. Kredit zur Finanzierung von Wertpapierspekulationen: BGH in NJW 1996, 603; BGHZ 159, 294; BGHZ 146, 235 [239]); OLG Düsseldorf in NJW-RR 1997, 426).

Dies leuchtet ohne Weiteres ein. Ansonsten müsste die Bank zahlreiche Kreditanfragen ablehnen. Die Finanzierung einer Urlaubsreise durch einen Kredit ist unvernünftig. Dies dürfte auch für den kreditfinanzierten Erwerb eines TV-Gerätes gelten, solange der „Familienfernseher“ noch funktionsfähig ist und ausgetauscht werden soll. Wenn die Bank für den Kunden entscheiden müsste, was für diesen gut ist, wäre die Privatautonomie außer Kraft gesetzt.

Eine Bank ist zwar gemäß § 18 KWG aufsichtsrechtlich (öffentlich-rechtlich) verpflichtet, die Kreditwürdigkeit und Leistungsfähigkeit eines Darlehensnehmers zu prüfen. Eine zivilrechtliche Pflicht gegenüber dem Darlehensnehmer besteht nicht. Dieser kennt seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse selbst am besten (BVerfG, Urteil vom 23. Juni 2010 – Az.: 2 BvR 2559/08 = BVerfGE 126, 170 = BVerfG in NJW 2010, 3209; OLG Frankfurt in WM 1997, 337). Auch der Verstoß gegen eigene Beleihungsrichtlinien der Bank führt nicht zu einer Aufklärungspflicht der Bank, denn diese Beleihungsrichtlinien dienen nicht dem Schutz des Darlehensnehmers (OLG Stuttgart, Urteil vom 30. September 2002 – Az.: 6 U 57/02; OLG München in ZIP 2000, 2295 [2300]; OLG Braunschweig in WM 1998, 1223).

(2)    Vier Ausnahmen

Eine Aufklärungspflicht trifft die Bank im Zusammenhang mit der Darlehensgewährung nur in sehr eng begrenzten Ausnahmefällen. Die Rechtsprechung ist ausgesprochen zurückhaltend. Es gibt zwar eine gewisse Anzahl von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und der Oberlandesgerichte, in denen das Gericht eine Aufklärungspflicht der Bank erwogen hat, soweit ersichtlich ist die Anzahl höchst- und obergerichtlicher Entscheidungen, die diese Pflicht dann auch bejahen, einstellig geblieben.

Man unterscheidet vier Fallgruppen: 

  • Konkreter Wissensvorsprung der Bank

Wenn die Bank einen konkreten Wissensvorsprung vor dem Darlehensnehmer hat und diesen Wissensvorsprung auch erkennen kann, muss sie über ihr „überlegenes“ Wissen aufklären (BGH in NJW-RR 2008, 1226; BGHZ 168, 1; BGH in ZIP 1999, 574; BGH in NJW 1998, 305; BGH in NJW 1997, 1360; LG Köln, Urteil vom 28. Februar 2013 – Az.: 15 O 576/11; LG Frankfurt a.M., Urteil vom 13. Dezember 2012 – Az.: 30 O 95/12; OLG Frankfurt am Main, Urteil 27. Januar 2014, Az.: 23 U 17/13; OLG München in ZIP 2010, 1744; in WM 2012, 168; OLG Karlsruhe in WM 2008, 1870; OLG Hamm in WM 1998, 1290).

Naturgemäß muss der Darlehensnehmer darlegen und beweisen können, dass die Bank ein solch „überlegenes“ Wissen auch tatsächlich hatte. Die Bank ist nicht verpflichtet, sich einen Wissensvorsprung durch gezielte Auswertung von Unterlagen oder durch eigenständige Recherche zu verschaffen. Für die Annahme eines Aufklärungspflichten auslösenden Wissensvorsprungs ist es allerdings ausreichend, wenn die Tatsachen sich nach der Lage des Falles aufdrängen mussten (OLG Karlsruhe in WM 2008, 1870: konkrete Kenntnis von der Verschmutzung des Bodens eines zu verkaufenden Grundstücks; OLG Hamm in WM 1998, 1290; OLG Braunschweig in WM 1998, 1223).

Ein Wissensvorsprung der Bank darüber, dass der vom Erwerber zu zahlende Kaufpreis in keinem angemessenen Verhältnis zum Wert des zu erwerbenden Objekts steht, begründet grundsätzlich keine Aufklärungspflicht. Eine solche kommt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur ausnahmsweise in Betracht, wenn die Bank bei einem Vergleich von Kaufpreis und Wert des Objekts von einer sittenwidrigen Übervorteilung des Kunden durch den Vertragspartner ausgehen muss (BGH in NJW-RR 2014, 653; BGH in ZIP 2008, 1324; BGH in ZIP 2014, 118; OLG Saarbrücken, Urteil vom 24. April 2008 – Az.: 8 U 65/07-24; OLG Frankfurt a.M in WM 2014, 1089; BGH in NJW 2004, 154 mwN; BGH in WM 2004, 172; BGH in NJW 2003, 2529; BGH in NJOZ 2003, 3231). Nicht jedes, auch nicht jedes auffällige Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung führt zur Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann von einem besonders groben Missverhältnis, das eine Vermutung für die subjektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit begründet, vielmehr erst ausgegangen werden, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung (ständige Rechtsprechung: BGH in ZIP 2008, 686; BGHZ 146, 298, 302 ff. = BGH in NJW 2001, 1127; OLG Frankfurt a.M. in WM 2014, 1089; BGH, Urteil vom 23. Oktober 2007 – Az.: XI ZR 167/05 = WM 2008, 154 [156]; BGH in WM 2005, 823 [830]; BGH in WM 2004, 1221 [1225]; BGH in NJW 2004, 154 jeweils mwN; WM 2004, 172 = ZIP 2004, 209; BGH in NJW 2003, 2529; BGH in NJOZ 2003, 3231). Eine Überteuerung von z.B. rund 75% genügt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die Feststellung der Sittenwidrigkeit allein nicht (BGH in NJW 2008, 1585; BGH in NJW 2003, 2088; BGH in NJW 2003, 2529).

  • Schaffen eines Gefährdungstatbestandes

Eine Aufklärungspflicht gegenüber dem Darlehensnehmer trifft die Bank auch dann, wenn die Bank selbst einen über die allgemeinen Kreditrisiken hinausgehenden speziellen Gefährdungstatbestand für den Kunden geschaffen oder zumindest dessen Entstehen begünstigt hat (BGH in NJW 2008, 2572; BGH in NJW 2007, 2396; BGH in ZIP 1999, 374; OLG Karlsruhe, Urteil vom 10. Dezember 2007 – Az.: 17 U 85/07; OLG Stuttgart in ZIP 1999, 529; OLG Karlsruhe in NJW-RR 1999, 124; OLG Hamm in WM 1998, 1230; BGH in NJW 1997, 1361; OLG Düsseldorf in NJW-RR 1997, 426).

Eine solche Gefährdung liegt vor, wenn die Bank das eigene wirtschaftliche Wagnis auf den Kunden verlagert und diesen bewusst mit einem Risiko belastet, das über die mit den zu finanzierenden Vorhaben normalerweise verbundenen Risiken hinausgeht (BGH in ZIP 1999, 74).

Dies ist dann zu bejahen, wenn ein unerfahrener Kunde seine Ersparnisse anlegen will und die Bank ihn dazu verleitet, mit einem variabel verzinslichen Kredit in Aktien zu spekulieren und diese Spekulation nur bei steigenden Kursen und stabilen oder fallenden Kreditzinsen erfolgreich sein kann (BGH in NJW 2000, 3558; BGH in NJW 1997, 1361; BGHZ 165, 213). 

  • Überschreitung der Kreditgeberrolle

Nach jüngster (aber gefestigter) Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 168, 1, 22 ff.; BGHZ 173, 23; vgl. auch BGHZ 186, 96;  BGH in WM 2007, 114 [115]; BGH in BKR 2008, 254 [256]; BGH in ZIP 2007, 414 [418]; BGH in WM 2007, 1257 [1260]; OLG Celle, Beschluss vom 22. Dezember 2003 – Az.: 3 W 63/03) können sich Darlehensnehmer unter erleichterten Voraussetzungen auf einen konkreten Wissensvorsprung der finanzierenden Bank berufen. Diese erleichterte Zurechnung hat zwei Voraussetzungen:

Die kreditgewährende Bank muss mit dem Verkäufer oder Vertreiber des finanzierten Objekts institutionalisiert Zusammenwirken. Außerdem müssen Vermittler, Verkäufer oder Fonds-Initiatoren bzw. das Fondsprospekt den Anleger über das Anlageprojekt arglistig getäuscht haben (vgl. OLG Karlsruhe in WM 2008, 1870). Die Kenntnis der Bank von einer solchen arglistigen Täuschung wird widerleglich vermutet, wenn Verkäufer oder Fonds-Initiatoren, die von ihnen beauftragten Vermittler und die finanzierende Bank in institutionalisierter Art und Weise zusammenwirken. Dies ist der Fall, wenn auch die Finanzierung der Kapitalanlage vom Verkäufer oder Vermittler, sei es auch nur über einen von ihm benannten besonderen Finanzierungsvermittler, angeboten wurde. Weiterhin muss die Unrichtigkeit der Angaben des Verkäufers, Fonds-Initiators oder der für sie tätigen Vermittler bzw. des Verkaufs oder Fondsprospekts nach den Umständen des Falles objektiv evident sein. 

  • Schwerwiegender Interessenkonflikt

Insbesondere wenn eine Bank sowohl den Bauträger als auch den kaufenden Kunden finanziert und sich dabei in schwerwiegende Interessenkonflikte verstrickt, besteht eine Aufklärungspflicht. Es gibt eine Anzahl von Fällen, in denen die Bank dem Kunden des „schwankenden“ Bauträgers Vollfinanzierungen von Eigentumswohnungen ermöglicht hat, auch wenn diese Kunden jedenfalls für eine Vollfinanzierung nicht kreditwürdig waren. Auf diese Weise entging die Bank Verlusten durch die Insolvenz des Bauträgers noch während der Bauphase und verlagerte das Risiko von einem „schwachen“ Unternehmen auf eine ganze Anzahl von „Schultern“ (BGH, Beschluss vom 05. April 2011 – Az.: XI ZR 365/09 = BGH in NJW-RR 2011, 1064; in ZIP 2011, 901; OLG Karlsruhe in WM 2014, 556; OLG Stuttgart in ZIP 1999, 529; OLG Hamm in WM 1998, 1290).

11bb) Fehlerhafte Beratung

Im Geschäftsverkehr muss sich grundsätzlich jeder selbst vergewissern, ob ein Vertrag für ihn von Vorteil ist; keine Aufklärungspflicht besteht damit auch bei Bankgeschäften. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn der Bankkunde aufklärungsbedürftig ist (BGH in NJW 1982, 2815 [2816]; OLG Dresden in WM 2014, 687; Baumbach/Hopt, HGB, § 347 Rdn. 23). Die Rechtspflicht zur Raterteilung ist umso weitgehender, je geringer die Sachkunde des Kunden und je schwieriger das Geschäft ist. Die Raterteilung ist eine Holschuld – unaufgefordert braucht sich keine Bank mit Aufklärungen beim Kunden zu melden, es sei denn, es stehen komplizierte Bankgeschäfte zum Abschluss an (Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 6 Rdn. 30). Grundsätzlich muss eine Bank daher nicht ungefragt überprüfen, ob die gewählte Kreditart zweckmäßig ist (BGH in NJW 2007, 2396; BGH in NJW 1991, 832; BGH in NJW 1989, 1667; Nobbe, Bankrecht, Rdn. 463; Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Auflage, Rdn. 114). Etwas anderes kann gelten, wenn ihr ein offenkundig besonders unerfahrener Kunde in einer unvernünftigen Weise gegenübertritt (BGH in NJW 1989, 1667 [1668]; OLG Düsseldorf in WM 1996, 1810).

Wenn allerdings der Darlehensnehmer und die Bank einen Beratungsvertrag abschließen, muss die Bank für den Kunden den für ihn langfristig „günstigsten“ Kredit bzw. verschiedene Alternativen vorschlagen.

Ein Beratungsvertrag kann auch stillschweigend zustande kommen (BGHZ 196, 370; BGHZ 74, 103; BGH in NJW-RR 2004, 308; BGH in WM 1987, 495; dergl. in WM 1993, 1455; Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 43 Rdn. 6).

Ein stillschweigender Beratungsvertrag ist immer dann gegeben, wenn Auskünfte erteilt werden, die für den Kunden erkennbar von erheblicher Bedeutung sind und die dieser zur Grundlage wesentlicher Entschlüsse oder Maßnahmen machen will. Insbesondere gilt dies dann, wenn der Auskunftgeber sachkundig ist oder wenn bei ihm ein eigenes wirtschaftliches Interesse im Spiel ist. Unerheblich ist, ob sonstige vertragliche Verhältnisse vorliegen (Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 43, Rdn. 6). In Fällen wie diesen kommt typischerweise durch konkludentes Verhalten ein Beratungsvertrag formlos zustande, wenn die Bank an den Kunden herantritt, um über die Anlage eines Geldbetrages und/oder eine Umfinanzierung zu beraten und die Bank dann ein Beratungsgespräch aufnimmt (BGHZ 189, 13; BGHZ 123, 126 ff.; BGHZ 100, 117, 118 ff.; BGH in WM 2000, 1441; BGH in NJW 2005, 820; BGH in WM 1993, 1455; BGH in MDR 1979, 748; OLG Düsseldorf, Urteil vom 23. November 2007 – Az.: 16 U 170/06; KG, Urteil vom 27. Juli 2007 – Az.: 13 U 36/06; LG Köln, Urteil vom 28. Februar 2013 – Az.: 15 O 576/11).

Der Bundesgerichtshof hat bereits mehrfach Fälle entschieden, in denen ein Verbraucher anstatt eines Ratenkredits einen mit einer Lebensversicherung verbundenen Festkredit erhalten hatte, ohne über die speziellen Risiken dieser Vertragsverbindung aufgeklärt worden zu sein (BGH in NJW-RR 2011, 1140; BGH in NJW-RR 2008, 1149; BGH in NJW 2007, 2396; BGH in WM 1991, 181; BGH in WM 1990, 918; BGH in WM 1989, 665). Hiernach ist eine Bank nach Treu und Glauben verpflichtet, über spezifische Vor- und Nachteile einer angebotenen Darlehensform aufzuklären, soweit der Anschein besonderer Vorteile für den Darlehensnehmer geweckt wird, ihn aber in Wahrheit in schwer durchschaubarer Weise überdurchschnittlich belasten (BGH in WM 2000, 2540 = BGH in NJW 2001, 358 BGH in WM 1991, 181; OLG Hamm, Urteil vom 27. Januar 2003 – Az.: 5 U 178/01; OLG München in WM 2002, 1297 [1299]).

Der Bundesgerichtshof hat mehrfach entschieden, dass eine Bank jedenfalls dann über die Nachteile und Risiken einer Finanzierung durch ein Vorausdarlehen in Kombination mit Bausparverträgen oder eines endfälligen Darlehens mit Tilgungsersatz in Form einer Lebensversicherung beraten muss, wenn sie von sich aus diese Kombination anstelle eines Annuitätendarlehens vorschlägt. In diesen Fällen ist die Bank zum Ersatz der durch die gewählte Finanzierung entstandenen Mehrkosten verpflichtet (BGHZ 168, 1 ff.; BGHZ 111, 117 [120]; BGH in NJW 2007, 2396; BGH in NJW 2003, 2529; BGH in WM 1989, 665 [666]; OLG München in WM 2002, 1297 [1299] sowie Leitsatz OLG Köln in WM 2000, 127 [129]; OLG Stuttgart, Urteil vom 27. Mai 2002 – Az.: 6 U 52/02; Dumler, Bankenhaftung bei Immobilienerwerb, S. 20). Fraglich ist, ob hierzu auch der Hinweis gehört, dass bei dieser Kombination, anders als beim Tilgungsdarlehen, die Prämie nicht den gesamten ursprünglichen Darlehensbetrag mit Sicherheit zu 100 Prozent abdecken kann (so aber Dumler, a.a.O., S. 29).

7.    Pflichten des Darlehensnehmers

12a) Hauptpflichten des Darlehensnehmers

Die Hauptpflichten des Darlehensnehmers sind die Rückzahlung des ausgezahlten Darlehens und die Zahlung der vereinbarten Zinsen. Die Abnahme der Darlehensvaluta ist bei verzinslichen Darlehen ebenfalls regelmäßig Hauptpflicht (vgl. BGH in NJW 1991, 1817 [1818]; Palandt/Weidenkaff, BGB, § 488 Rdn. 8, 16). Nimmt der Darlehensnehmer die Darlehensvaluta nicht ab, ist er dem Darlehensgeber zur Zahlung des Schadensersatzes („Nichtabnahmeentschädigung“) verpflichtet (BGH in NJW 2001, 509).

13aa) Pflicht zur Rückzahlung

Voraussetzung der Rückzahlung sind die Auszahlung des vereinbarten Geldbetrages durch den Darlehensgeber und die Fälligkeit der Rückzahlungsverpflichtung.

Die wichtigsten Umstände, die die Fälligkeit der Rückzahlung begründen, sind Ende der Laufzeit, Kündigung und Aufhebungsvertrag.

Eine bestimmte Laufzeit des Darlehens ist im Darlehensvertrag zu vereinbaren. Sie kann kalendermäßig vereinbart sein, aber auch in einer Bedingung liegen (z.B. bei einer Besserungsklausel: Fälligkeit bei Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Darlehensnehmers).

Ein Aufhebungsvertrag zwischen den Vertragsbeteiligten eines Darlehensvertrages ist jederzeit bei bestimmter wie unbestimmter Laufzeit möglich. Sie kann mit oder ohne Vorfälligkeitsentschädigung geschehen.

Die Kündigung des Darlehens richtet sich nach §§ 488 Abs. 3, 489 und 490 BGB.

14bb)    Zinszahlung

Weitere Hauptpflicht des Darlehensnehmers ist die Zinszahlung.

Bei einem Darlehen wird Verzinslichkeit unterstellt. Der Darlehensgeber muss daher die Verzinslichkeit weder darlegen noch beweisen (Palandt/Weidenkaff, BGB, § 488 Rdn. 28; PWW/Kessal-Wulf, BGB, § 488 Rdn. 6; Jauernig/Berger, BGB, § 488 Rdn. 19). Die Gegenansicht (OLG Oldenburg in ZIP 2013, 1760; MüKo/Berger, BGB, § 488 Rdn. 149) kann nicht überzeugen.

Ist ein bestimmter Zinssatz nicht vereinbart, gilt der gesetzliche Zins (§§ 246 BGB, 352 HGB). Die Zinspflicht entsteht im Zweifel mit der Auszahlung. Zinsen sind fällig nach Maßgabe der Vereinbarung der Vertragsbeteiligten. Haben sie keine Vereinbarung getroffen, gilt der Grundsatz jährlicher Fälligkeit, bei kürzerer Laufzeit sind die Zinsen bei Rückzahlung fällig (Palandt/Weidenkaff, BGB, § 488 Rdnr. 14).

Ist Unverzinslichkeit gewünscht, ist diese ausdrücklich zu vereinbaren oder muss zumindest durch Auslegung ermittelt werden können (MüKo/Berger, BGB, § 488 Rdn. 161; Palandt/Weidenkaff, BGB, § 488 Rdn. 14).

15b) Nebenpflichten des Darlehensnehmers

Regelmäßig sehen Darlehensverträge die Stellung von Sicherheiten durch den Darlehensnehmer vor. Dann bedarf es, insbesondere bei abstrakten Sicherheiten, einer Sicherungszweckerklärung, die festlegt, für welche Forderung die Sicherheit bestellt ist.

Die rechtlichen Parameter von Sicherungszweckerklärungen sind am Beispiel der Grundschuld erläutert.

Eine Grundschuld ist eine nicht akzessorische Sicherheit. Die Sicherungsabrede verknüpft die Grundschuld schuldrechtlich mit der Forderung. Liegt daher keine Sicherungszweckerklärung vor, aus der sich ergibt, dass die bestellte Grundschuld die fällige Forderung der Bank sichert, besteht die Sicherheit der Bank nicht. Der Sicherungsgeber hat einen Rückgewähranspruch.

16aa) Formelle Mängel der Sicherungszweckerklärung

Das Haustürwiderrufsrecht findet Anwendung (BGHZ 131, 1 ff.; BGHZ 131, 55; OLG Koblenz, Urteil vom 06. Februar 2001 – Az.: 3 U 316/00; OLG Stuttgart, Urteil vom 28. Januar 2009 – Az.: 9 U 19/08). Der Berater muss daher immer prüfen, ob der Eigentümer die Sicherungszweckerklärung in einer Haustürsituation unterzeichnet hat.

Dabei ist zu beachten, dass es durchaus umstritten und – soweit ersichtlich – gerichtlich noch nicht entschieden ist, ob der Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft, der an seinem Arbeitsplatz eine Sicherungszweckerklärung unterzeichnet, mit der er private Sicherheiten für Verbindlichkeiten der von ihm vertretenen Kapitalgesellschaft hingibt, dem Schutz des Haustürwiderrufsrechtes unterliegt. Es gibt gute Gründe, dies zu bejahen. Dies entscheidet sich bei der Auslegung des Begriffs „Arbeitsplatz“ im Sinne dieser Vorschriften. Der Begriff ist weit auszulegen. Er erstreckt sich auf das gesamte Betriebsgelände oder Betriebsgebäude, an dem der Kunde sich bewegt und nicht mit außerbetrieblichen Vertragsverhandlungen rechnet (für alle Soergel/Wolf, § 1 HWiG Rdn. 16 mwN). Sogar der Freiberufler und Betriebsinhaber ist an seiner Arbeitsstelle vom Schutzbereich des Haustürwiderrufgesetzes umfasst (OLG Hamm, Urteil vom 06. November 2003 – Az.: 5 U 37/01; OLG Düsseldorf in BB 1999, 1784; LG München I in MDR 1996, 37, 38; Erman/Klingsporn, BGB, § 1 HWiG Rdn. 11). Was für den Betriebs- oder Praxisinhaber gilt, muss für den angestellten Nur-Geschäftsführer ganz besonders gelten.

Das Verbraucherkreditgesetz ist auf die Grundschuldsicherungsabrede nicht anwendbar (OLG Düsseldorf, Urteil vom 08. Mai 2006 – Az.: 1 U 176/05; BGHZ 165, 43; BGH in NJW 2000, 3496; BGH in NJW 1997, 1442).

Die Sicherungszweckerklärung bedarf faktisch der Schriftform, jedenfalls im Bankenverkehr. Dies ergibt sich aus § 154 Abs. 2 BGB. Die Norm spricht zwar von einer „Beurkundung“ des beabsichtigten Vertrags. Es ist jedoch unstreitig, dass es sich bei § 154 Abs. 2 BGB um eine Parallelvorschrift zu § 125 S. 2 BGB handelt und die Vorschrift gilt auch, wenn die Parteien Schriftform vereinbart haben. „Beurkundung“ im Sinne des § 154 Abs. 2 BGB ist auch die Errichtung einer privatschriftlichen Urkunde (Palandt/Ellenberger, BGB, § 154 Rdn. 4; Staudinger/Bork, BGB, § 154 Rdn. 12).

Alle Banken haben ein eigenes Formular entwickelt, das die Sicherungszweckvereinbarung enthält. Ohne Vorlage dieses Formulars zahlt die Bank gewöhnlich kein Darlehen aus.

Dies bedeutet, dass die Beteiligten des Sicherungsvertrages in aller Regel konkludent Schriftform (und somit „Beurkundung“ im Sinne des § 154 Abs. 2 BGB) vereinbaren. Nach allgemeiner Meinung ist eine solche Vereinbarung bei gewichtigen und langfristigen Verträgen widerleglich zu vermuten. Der Bundesgerichtshof hat deshalb wiederholt entschieden, dass bei Sicherungsabtretungen über die Bestellung einer Grundschuld die widerlegliche Vermutung besteht, dass § 154 Abs. 2 BGB gilt (BGHZ 109, 197 [200]; BGH in WM 1993, 267; OLG Düsseldorf in BauR 2012, 822; OLG Oldenburg, Urteil vom 03. März 1993 – Az.: 4 U 63/92). Die Bank hat daher darzulegen und unter Beweis zu stellen, warum gerade im Streitfall ausnahmsweise keine schriftliche Sicherungszweckvereinbarung vereinbart gewesen sein soll, wenn die Unterschrift unter der  Sicherungszweckerklärung z.B. gefälscht ist. Ansonsten ist mangels korrespondierender schriftlicher Willenserklärungen eine konkludente oder mündliche Sicherungszweckvereinbarung gemäß § 154 Abs. 2 BGB wegen fehlender „Beurkundung“ formunwirksam und damit nichtig (BGHZ 109, 197 [200]).

17bb) „Weite“ Sicherungszweckerklärung

Die Auslegung des Sicherungszwecks einer Grundschuld auf alle gegenwärtigen und künftigen eigenen Verbindlichkeiten des Sicherungsgebers gegenüber der Bank aus der bankmäßigen Geschäftsbeziehung (sogenannte „weite“ Sicherungszweckerklärung) ist möglich. Insbesondere verstößt eine entsprechende Formularklausel nicht gegen § 3 AGBGB a.F., jetzt § 305 c BGB, (BGH in NJW 2003, 61; BGH in NJW 2001, 1417; BGH in NJW 1997, 2320; OLG Saarbrücken, Urteil vom 03. August 2004 – Az.: 4 U 627/03).

18Eine formularmäßige Erweiterung des Sicherungszwecks einer Grundschuld über den Anlass der Sicherungsabrede hinaus auf gegenwärtige und künftige Verbindlichkeiten eines Dritten ist dagegen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 109, 197; BGHZ 102, 152; BGH in ZIP 1995, 1244 [1247] grundsätzlich überraschend (§ 305 c BGB; § 3 AGBG a.F.). Mit einer Ausweitung der Sicherungsabrede über den konkreten Anlass hinaus braucht der Kreditsicherungsgeber nicht zu rechnen. Dies gilt auch dann, wenn der Schuldner der Ehegatte des Sicherungsgebers ist (BGHZ 131, 55; OLG Saarbrücken, Urteil vom 03. August 2004 – Az.: 4 U 627/03; BGH in NJW 2003, 61; BGH in WM 1999, 685; BGH in WM 1998, 443; BGH in NJW 1997, 2677). Außerdem gilt dies in Fällen der Kreditgewährung an einen Mitgesellschafter (OLG Karlsruhe in WM 1999, 589). In diesem Fall wurde der Kredit zum Zwecke der Vorfinanzierung des Kaufpreises eines durch die beiden Mitgesellschafter erworbenen Grundstücks gewährt. Der Gedanke, dass die Sicherungsabrede auch sämtliche gegenwärtigen und zukünftigen privaten Verbindlichkeiten des Mitgesellschafters einbezog, liegt daher naturgemäß fern. Im Falle eines gemeinschaftlichen Grundstückserwerbs mit dem Ziel der gewinnbringenden Weiterveräußerung ist keine Veranlassung des anderen Mitgesellschafters ersichtlich, zugunsten der Tilgung privater Schulden des Mitgesellschafters auf jegliche Teilhabe am erzielten Gewinn zu verzichten.

19Die Logik hinter dieser ständigen Rechtsprechung erschließt sich am besten aus der Begründung der Entscheidung BGHZ 83, 56:

„Derjenige, der zur Sicherung eines fremden und zudem zweckgebundenen zinsvergünstigten Darlehen an seinem eigenen Grundstück eine Grundschuld zugunsten des Darlehensgebers bestellt, braucht billigerweise nicht damit zu rechnen, daß ohne besondere und mit ihm ausgehandelte Vereinbarung die Grundschuld als Sicherheit für alle zukünftigen Forderungen aus laufender Geschäftsverbindung zwischen dem Darlehensschuldner und dem Darlehensgläubiger dient. Eine solche Ausweitung des Sicherungszweckes liegt außerhalb des durch den Anlass des Geschäfts bestimmten Rahmens. (…) Die künftige Inanspruchnahme des Klägers wäre von seiner Kenntnis und seinem Einfluss völlig unabhängig. Er könnte nicht verhindern, daß die Beklagte den Schuldnern irgendwelche neue Darlehen gewährt, Wechsel erwirbt, sich Forderungen gegen die Schuldner abtreten lässt usw. und dafür auf unabsehbare Zeit die Grundschuld als Sicherheit in Anspruch nimmt“.

Mit anderen Worten: Niemand, der eine Sicherheit für den konkreten Kredit („Anlass“) eines Dritten hingibt, rechnet damit, dass auch nach Rückzahlung der Schuld dieser Dritte die Sicherheit für eine völlig andere Schuld, die mit dem Anlasskredit nichts zu tun hat, „verhaften“ kann, ohne dass der Drittsicherungsgeber daran mitwirkt oder dies überhaupt nur weiß.

20Der überraschende Charakter der Sicherungsabrede entfällt, wenn Sicherungsgeber und persönlicher Schuldner so eng verbunden sind, dass das Risiko künftiger von der Sicherungsgrundschuld erfasster Verbindlichkeiten für den Versicherungsgeber vermeidbar und berechenbar ist oder wenn der Sicherungsgeber im Rahmen der Vertragsverhandlungen auf die Erweiterung der dinglichen Haftung individuell hingewiesen worden ist (OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 12. März 2007 – Az.: 23 U 89/06; OLG Saarbrücken, Urteil vom 30. August 2004 – Az.: 4 U 627/03; BGH in NJW 2001, 1417; OLG Düsseldorf in WM 1998, 1875; BGH in NJW 1997, 2677; BGH in NJW-RR 1995, 1257). An der Berechenbarkeit und Vermeidbarkeit fehlt es z.B., wenn (im vorgenannten Fall der Mitgesellschafter) für einen Mitgesellschafter die rechtliche oder tatsächliche Möglichkeit fehlt, bezüglich der beim anderen Mitgesellschafter bestehenden privaten Verbindlichkeiten Einfluss zu nehmen (OLG Karlsruhe, a.a.O.).

21Der Überraschungseffekt wird dagegen nicht schon dadurch beseitigt, dass vom Sicherungsgeber eine zusätzliche Formularerklärung unterschrieben wird, die auf der Erweiterung der Sicherungsabrede hinweist. Es ist ein individueller Hinweis notwendig, der die Gewähr bietet, dass der Sicherungsgeber sich bewusst wird, in welch unbeschränktem Maße er sich verpflichtet (BGHZ 131, 55; BGH in NJW-RR 2004, 780; OLG Koblenz, Urteil vom 06. Februar 2001 – Az.: 3 U 316/00). Hinsichtlich des individuellen Hinweises gelten strenge Anforderungen. Das OLG Karlsruhe (a.a.O.) hat hierzu wie folgt ausgeführt: Die gegebenen Hinweise müssen nach der Rechtsprechung im Falle einer über den eigentlichen Sicherungszweck hinausgehenden Erstreckung der Sicherungsabrede die Gewähr dafür bieten, dass der Sicherungsgeber sie in ihrer vollen Tragweite erfasst. Insoweit reicht z.B. die Aussage des Sicherungsgebers, er kenne sich bei Grundstückskäufen und deren Abwicklung aus, nicht aus. Aus dieser Erklärung ist vielmehr der Schluss zu ziehen, dass der Sicherungsgeber die Tragweite nicht erkannt hat, sondern annahm, es gehe – wie üblich – um die Absicherung des dem Mitgesellschafter für das konkret vorgenommene Grundstücksgeschäft seitens der Bank gewährten Kredits. In diesem Fall wäre ein ganz konkreter und auf den Fall bezogener Hinweis zu erteilen gewesen, dass es nicht nur um die Absicherung des Kredits, sondern auch die gegenwärtigen und künftigen privaten Schulden des anderen Mitgesellschafters ging.

22Der Verstoß gegen § 305 c BGB (früher § 3 AGBG a.F.) hat zur Folge, dass die weitere Sicherungszweckerklärung nicht Vertragsinhalt wird. An ihre Stelle tritt eine beschränkte Abrede, nach der nur das Darlehen gesichert werden soll, dessen Gewährung Anlass der Vereinbarung war, § 6 Abs. 1 AGBG, jetzt § 306 BGB (BGHZ 131, 55; OLG Koblenz, Urteil vom 06. Februar 2001 – Az.: 3 U 316/00).

Diese geltungserhaltende Reduktion einer AGBG verstößt gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB und ist dogmatisch nicht zu begründen. Sie hat allein rechtspolitische und wirtschaftliche Hintergründe. Die Vorgängerinstanz ist dogmatisch richtig von einer Gesamtnichtigkeit der Klausel ausgegangen. Die Rechtsprechung ist jedoch dem Bundesgerichtshof gefolgt.

Ein Verstoß gegen § 3 AGBG (jetzt § 305 c BGB) führt in der Regel auch zu einem Verstoß gegen § 9 AGBG (jetzt § 307 Abs. 1, 2 BGB) in diesem Zusammenhang. Umgekehrt gilt, dass dem Sicherungsgeber auch § 9 AGBG (jetzt § 307 Abs. 1, 2 BGB) nicht hilft, wenn die formularmäßige Erweiterung der Zweckerklärung nicht überraschend ist (BGHZ 131, 55; BGH in NJW 1997, 2677; BGH in NJW-RR 1996, 673; OLG Frankfurt, Urteil vom 12. März 2007 – Az.: 23 U 89/06).

23Die Anlassrechtsprechung gilt nicht, soweit der geschäftsführende Gesellschafter eine private Sicherheit für eine Verbindlichkeit der von ihm vertretenen Gesellschaft hingibt. Insoweit gelten dieselben Grundsätze wie bei der Bürgschaft (OLG Stuttgart, Urteil vom 27. Mai 2002 – Az.: 6 U 52/02; OLG Köln in MDR 2001, 1428).

24cc) Finanzielle Überforderung usw.

Die Grundschuld ist eine Realsicherheit. Der Drittsicherungsgeber haftet grundsätzlich (Ausnahmen sogleich im nächsten Abschnitt) nur mit der hingegebenen Sicherheit, nicht darüber hinaus mit seinem sonstigen Vermögen. Das Risiko, dass die Sicherheit nicht die gesicherte Schuld abdeckt, trägt daher der Darlehensgeber. Deswegen kann denknotwendig eine Grundschuld nie zu einer finanziellen Überforderung des Sicherungsgebers führen, denn er gibt nur das hin, was er hat und nichts darüber hinaus. Die Grundsätze der Unwirksamkeit von Personalsicherheiten (Bürgschaft, Schuldbeitritt) sind daher nicht auf die Grundschuld übertragbar.

25dd) Übernahme der persönlichen Haftung

Die formularmäßige Übernahme der persönlichen Haftung in Höhe des Grundschuldbetrages durch die persönlichen Schuldner verstößt nach ständiger Rechtsprechung nicht gegen § 3 AGBG (jetzt § 305 c BGB), § 9 AGBG (jetzt § 307 Abs. 1, 2 BGB) oder § 11 Nr. 15 AGBG (jetzt § 309 Nr. 12 BGB); (BGHZ 114, 9, 12 ff.; 99, 274, 283 ff.; BGH, Urteile: vom 30. März 2010 – Az.: XI ZR 200/09 = BGHZ 185, 133; vom 22. Mai 2007 – XI ZR 338/05 = BGH in BauR 2007, 1787; vom 22. November 2006 – XI ZR 226/04 = BGH in NJW-RR 2006, 490; vom 27. September 2005 – XI ZR 79/04; vom 22. Oktober 2003 – IV ZR 398/02 = BGH in NJW 2004, 59; vom 28. Oktober 2003 – XI ZR 263/02 = BGH in NJW 2004, 158, BGH in NJW 1987, 904 [906]; 1973, 1194; 1964, 1123; 1957, 17; vom 22. Oktober 2003 – Az.: IV ZR 33/ 03 = BGH in NJW 2004, 62; vom 26. November 2002 – XI ZR 10/00 = BGH in NJW 2003, 885; vom 9. Juli 1991 – XI ZR 72/90 = BGH in NJW 1991, 2559; OLG Köln in ZIP 1999, 355; OLG Hamm in WM 1998, 1230; OLG Braunschweig in WM 1998, 1223).

Bestellt dagegen ein Grundstückseigentümer – vereinbarungsgemäß – eine Grundschuld zur Sicherung von Forderungen der Bank gegen einen Dritten, so verstößt eine in dem Grundschuldbestellungsformular enthaltene Klausel, durch die der Eigentümer auch die persönliche Haftung für die gesicherten Forderungen übernimmt, gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG, jetzt § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB (BGHZ 114, 9; Beck’sches Notarhandbuch/Amann, A XI Rdn. 21) und gegen § 3 ABGB, jetzt § 305 c BGB (Gaberdiel, Kreditsicherung durch Grundschulden, Rdn. 6.6.4; Amann, ebenda).

Dies gilt in vergleichbaren Fällen: Wer gemeinsam mit einem anderen eine Grundschuld zugunsten einer bestimmten Bank zusammen mit einer persönlichen Haftungsübernahme gegenüber dieser bestellt bzw. begründet, rechnet nicht damit, insbesondere nicht, wenn die Schuld gegenüber dieser Bank zurückgezahlt ist, dass der andere Gläubiger gegenüber einer anderen Bank eine andere Schuld begründen können soll, ohne dass der Schuldner, der die ursprüngliche Schuld beglichen hat, hieran überhaupt noch mitwirken muss. Die Sach- und Interessenlage ist mit den von dem Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen identisch (ebenso LG Köln, Urteil vom 06. Mai 2008 – Az. 3 O 284/07).

26ee) Verpflichtung der Bank zur Freigabe der Grundschuld/Hypothek

Unter besonderen Umständen kann eine Bank verpflichtet werden, Sicherheiten freizugeben, wenn die Notwendigkeit dieses Verhaltens überdeutlich und augenscheinlich gewesen ist, die Bank aber die Augen davor verschlossen hat (OLG Köln in WM 1995, 1801 [1804]). Sowohl aus dem Darlehensvertrag, als auch aus dem der jeweiligen Grundschuldbestellung zugrunde liegenden Sicherungsvertrag ergeben sich nebenvertragliche Schutz- und Treuepflichten. Gerade die Geschäftsbeziehung zu einem Kreditinstitut beruht auf gegenseitigem Vertrauen und beiderseitiger Abhängigkeit, so dass eine gesteigerte Sorgfaltspflicht der daran Beteiligten besteht. Im Bereich der Sicherheitenverwertung und Zwangsvollstreckung muss die Bank das Verbot rücksichtslosen Vorgehens beachten. Ein rücksichtsloses Vorgehen kann das Bemühen um einen freihändigen Verkauf zunichte machen und eine Ersatzpflicht der handelnden Bank auslösen (OLG Köln a.a.O.). Nach dem Oberlandesgericht  Schleswig (Beschluss vom 23. Februar 2011 – Az.: 5 W 8/11 = OLG Schleswig in ZIP 2011, 1254) macht sich eine Bank schadenersatzpflichtig, wenn sie die Erteilung der Löschungsbewilligung für die zu ihren Gunsten eingetragenen Grundschulden von der Zahlung einer sog. "Lästigkeitsprämie" abhängig macht. Das Oberlandesgericht Schleswig  (a.a.O.) führte aus, einer Bank werde – als nebenvertragliche Treuepflicht – lediglich auferlegt, bestehende Sicherheiten freizugeben, wenn eine bessere Verwertung nicht möglich erscheine, aber eine Verschlechterung des möglichen Ertrags sicher (im zur Entscheidung vorgelegten Rechtsstreit gab es einen Kaufinteressenten) zu erwarten sei.

Das Oberlandesgericht Nürnberg hat mit seinem Urteil vom 19. November 2013 – Az.: 4 U 994/13 (OLG Nürnberg in ZIP 2013, 2471) entschieden, dass ein Insolvenzverwalter von einem Gläubiger die Löschung einer zu seinen Gunsten auf einem Grundstück des Schuldners eingetragenen nachrangigen Zwangssicherungshypothek verlangen könne, wenn das Grundstück durch vorrangige Grundpfandrechte derart wertausschöpfend belastet sei, dass eine Verwertung offensichtlich nicht zu einer auch nur teilweisen Befriedigung dieses Gläubigers führen könne und das Grundstück nur durch die Löschungsbewilligung im Insolvenzverfahren wirtschaftlich sinnvoll verwertbar sei. Dies gälte auch dann, wenn zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger keine rechtsgeschäftlichen Beziehungen bestünden.

Das Oberlandesgericht begründete seine Ansicht damit, dass die Verweigerung der Löschung rechtsmissbräuchlich wäre, da die Zwangssicherungshypothek offensichtlich wertlos sei und die Verweigerung der Löschung der wertlosen Sicherung einer wirtschaftlich sinnvollen Verwertung des Sicherungsgutes im Wege stehe.

Durch den Vollstreckungseingriff entstünde zwischen dem Vollstreckungsgläubiger und dem Vollstreckungsschuldner eine gesetzliche Sonderbeziehung privatrechtlicher Art, die den Gläubiger verpflichte, auch die Interessen des Schuldners zu wahren (vgl. BGH in NJW 2005, 1121). Selbst zwischen dem Vollstreckungsgläubiger und einem Drittberechtigten könne sich aus der Gestaltung des Vollstreckungsrechts eine solche gesetzliche Sonderbeziehung privatrechtlicher Art ergeben, die aus der Rücksichtnahmepflichten des Gläubigers gegenüber dem Dritten folgten (vgl. BGH in NJW 1972, 1048 und Festhaltung in BGH in NJW 1985, 3080).

Die aus der Sonderbeziehung folgende Pflicht, auf die Interessen des Schuldners Rücksicht zu nehmen, führe bei der gebotenen wertenden Betrachtungsweise dazu, dass der Gläubiger sein wertloses Sicherungsrecht aufgeben müsse, um dem Insolvenzverwalter dadurch Gelegenheit zu einer wirtschaftlich sinnvollen Verwertung des Schuldnervermögens und dadurch zu einem möglichst weitreichenden Abbau der Verbindlichkeiten des Schuldners zu geben.

Der Bundesgerichtshof hat diese Entscheidung aufgehoben (BGH in NJW-RR 2015, 850 ff.) Die Begründung ist kaum haltbar, das Ergebnis fast unerträglich. Der nachrangige (Nicht-Bank-) Gläubiger dürfte zwar nicht zum Nachteil des Eigentümers (somit des Insolvenzverwalters) eine Zahlung aus dem Kaufpreis verlangen, wohl aber zum Nachteil der vorrangigen Gläubiger. Der Bundesgerichtshof (IX. Senat) übersieht u.a., dass beim Scheitern des freihändigen Verkaufs sehr wohl auch die Masse geschädigt wird, denn in der Zwangsversteigerung erhält der Insolvenzverwalter keine Verwertungspauschale.

8.    Abtretung der Ansprüche des Darlehensgebers

27Die Abtretung der Ansprüche aus dem Darlehensvertrag ist grundsätzlich zulässig.

Banken treten die Ansprüche aus Darlehensverträgen häufig an Dritte, meist andere Banken ab. Soweit die Sicherheiten für diese Darlehen nicht ohnehin per Gesetz übergehen, treten die Banken diese Sicherheiten ebenfalls mit ab. Die Gründe für solche Abtretungen sind vielfältig. Solche Geschäfte dienen den Banken zur Refinanzierung oder zur Bereinigung von Portfolien, manchmal auch zur Verbesserung der Eigenkapitalquote oder zum Abstoßen von Geschäftszweigen im Zuge einer geänderten Geschäftspolitik. Diese Vorgänge sind an und für sich nicht zu beanstanden.

Leider haben im letzten Jahrzehnt Banken solche Abtretungen in großem Umfang rücksichtslos durchgeführt, was zu erheblichen Missbräuchen geführt hat. Insbesondere haben sie in zahlreichen Fällen nur die Rechte aus den Verträgen abgetreten, nicht aber die Pflichten. Dies führte dazu, dass die Erwerber der Forderungen schlicht und einfach „Kasse machten“. Manche haben selbst bei störungsfreien Kreditverträgen, bei denen der Schuldner nie auch nur einen Euro schuldig geblieben ist, die Darlehen gekündigt und die Zwangsversteigerung ohne jede Warnung begonnen.

Dies hat dazu geführt, dass Gerichte, teilweise mit untauglichen Mitteln, versucht haben, diesem Missbrauch Einhalt zu gebieten.

28Das Oberlandgericht Frankfurt hat am 25. Mai 2004 in einer einstweiligen Verfügungssache (OLG Frankfurt in NJW 2004, 3266) entschieden, dass solche Abtretungen gegen das Bankgeheimnis verstoßen und unwirksam sind. Das Landgericht Hamburg hat am 09. Juli 2008 (LG Hamburg in NJW 2008, 2784) entschieden, dass die Unterwerfungserklärungen aufgrund einer abwägende Interessenlage im Einzelfall unwirksam sein können.

29Die Rechtslage dürfte spätestens mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 30. März 2010 – Az.: XI ZR 200/09 (BGHZ 185, 133) - geklärt sein.

30Notar und Rechtspfleger haben bei der Umschreibung der Vollstreckungsklausel (somit sozusagen bei der Erstellung des Titels für den neuen Gläubiger) auch die schuldrechtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen. Weiß der Notar bzw. der Rechtspfleger, dass die schuldrechtlichen Verhältnisse die Umschreibung des Titels nicht gestatten, darf er nicht umschreiben. Er muss sich sogar vergewissern, dass bestimmte schuldrechtliche Rechte und Pflichten mit übertragen sind.

31Die Pressemitteilung des Bundesgerichtshofes zu dieser Entscheidung hat dies auf den Punkt gebracht:

 „Nach dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofs hat künftig bereits im Klauselerteilungsverfahren die für die Titelumschreibung zuständige Stelle (Rechtspfleger, Notar) von Amts wegen zu prüfen, ob der neue Grundschuldinhaber den Eintritt in den Sicherungsvertrag nach den Maßgaben des § 727 Abs. 1 ZPO nachgewiesen hat.“

32Bereits das Oberlandesgericht Karlsruhe (WM 2001, 1803 [1804]) hatte entschieden, dass im Einzelfall die Abtretung der Ansprüche aus einem Darlehen durch eine Bank treuwidrig ist und ein Sonderkündigungsrecht für den betroffenen Bankkunden begründen kann. Einwendungen gegen die Wirksamkeit der Abtretung bzw. die Wirksamkeit der Zwangsvollstreckungsunterwerfungen an sich kann der Schuldner nicht führen. Er kann jedoch immer alle Einwendungen aus dem ursprünglichen Darlehen und Sicherungsvertrag auch gegen den neuen Gläubiger führen, unabhängig davon, ob der neue Gläubiger in diese Pflichten eingetreten ist oder nicht. 

9.    Kündigung nach § 488 Abs. 3 BGB

33§ 488 Abs. 3 BGB sieht ein Recht des Darlehensgebers und Darlehensnehmers zur ordentlichen Kündigung vor. Die Norm gilt nur für Darlehensverträge mit unbestimmter Laufzeit. Unerheblich ist, ob die Vertragsbeteiligten einen festen oder variablen Zinssatz vereinbart haben. Die Kündigungsfrist beträgt drei Monate. Sind Zinsen nicht geschuldet, kann der Darlehensnehmer jederzeit auch ohne Kündigung die Darlehensvaluta ganz oder teilweise zurückzahlen. 

10.  Inkurs: Mithaftung und Schuldbeitritt

34a) Abgrenzung zum Darlehnsvertrag

Es ist strikt zwischen echten Mitdarlehensnehmern und bloßen Mithaftenden zu unterscheiden. Mitdarlehensnehmer ist nur, wer ein eigenes Interesse an der Kreditgewährung hat und über die Auszahlung und Verwendung der Darlehensvaluta mitentscheiden darf. Mithaftender ist, wer der Bank nicht als gleichberechtigter Darlehensnehmer gegenüber steht, sondern für einen Kredit lediglich ein Sicherungsmittel zur Verfügung hat. Die Bezeichnung im Darlehensvertrag ist ohne jegliche rechtliche Bedeutung (BGH in NJW-RR 2013, 1258; BGH in NJW-RR 2004, 337; BGH in NJW 1999, 135; BGH in NJW 1999, 135; Nobbe, Bankrecht, Rdn. 1329).

35b) Formvorschriften und Widerrufsmöglichkeiten

Soweit das Verbraucherkreditgesetz nicht anzuwenden ist, ist ein Schuldbeitritt grundsätzlich formfrei. Er kann jedoch der Formvorschrift des Hauptvertrages unterliegen, wenn diese „mit Rücksicht auf den Leistungsgegenstand aufgestellt ist“ (BGH in NJW 1998, 1939).

Das Verbraucherkreditgesetz ist auf den Schuldbeitritt analog anwendbar und zwar auch dann, wenn nur der Beitretende, nicht aber der Kreditnehmer Verbraucher ist (BGHZ 165, 43; BGHZ 134, 94; BGHZ 133, 220 [223]; BGHZ 133, 71, 77 [78]; BGH in NJW 2000, 3496; BGH in NJW 1997, 1442; OLG Düsseldorf, Urteil vom 08. Mai 2006 – Az.: 1 U 176/05). Der Verwendungszweck des Kredits hat lediglich Bedeutung für die Verbrauchereigenschaft des Kreditnehmers nicht für den Mithaftenden (BGH wie vor). Wenn die Mithaftungserklärung nicht den Anforderungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Verbraucherkreditgesetzes entspricht, ist der Schuldbeitritt gemäß § 6 Abs. 1 Verbraucherkreditgesetz (jetzt § 494 Abs. 1 BGB) analog nichtig (OLG Düsseldorf, Urteil vom 08. Mai 2006 – Az.: 1 U 176/05; BGHZ 165, 43; OLG Dresden; Urteil vom 19. Januar 2001 – Az.: 8 U 1341/00; BGH in NJW 1997, 1443; BGH in NJW 1997, 3169).

Eine Heilung nach § 6 Abs. 2 Verbraucherkreditgesetz (jetzt § 494 Abs. 2 BGB) durch Auszahlung der Darlehensvaluta findet im Verhältnis zum Beitretenden nicht statt. Dies gilt auch für „bloße Mithaftende“ (BGH in NJW 2008, 2992; BGH in NJW 1997, 654; BGH in NJW 1997, 1443).

Der Schuldbeitretende hat ein eigenes Widerrufsrecht mit eigener Frist (BGHZ 165, 43; BGHZ 144, 370; BGHZ 133, 220; BGH in NJW-RR 2007, 1673).

Die Wirksamkeit des Widerrufs des Beitretenden ist nicht von der Rückzahlung des Darlehens binnen der Frist des § 7 Abs. 3 VerbrKrG (jetzt § 495 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 346 Abs. 1 BGB) abhängig (BGH in NJW 1997, 3169; BGH in NJW 1997, 654; OLG Dresden, Urteil vom 19. Januar 2001 – Az.: 8 U 1341/00).

36c) Aufklärungs- und Warnpflichten

Der Gläubiger einer Darlehensschuld muss den zur Mithaftung bereiten Dritten grundsätzlich nicht über das betreffende Risiko aufklären. Eine Aufklärungspflicht kann bestehen, wenn der Gläubiger erkennt, dass der Mithaftende sich über die Tragbarkeit seiner Erklärung irrt, insbesondere wenn er davon ausgehen muss, dass der zur Mithaft bereite Dritte nicht hinreichend informiert ist und die Verhältnisse nicht durchschaut. Bei einer Mithaftübernahme für Verbindlichkeiten des Ehegatten kann nach Ansicht des Bundesgerichtshofs ein solcher Ausnahmefall nicht vorliegen (NJW-RR 2006, 847; BGH in NJW 1996, 1206).

37d) Materiell-Rechtliche Unwirksamkeitsgründe

38Es gelten ähnliche Grundsätze wie bei der Bürgschaft. Der betroffene Mithaftende muss krass überfordert sein. Dann ist die Mithaftung auch ohne Hinzutreten besonderer Umstände sittenwidrig (BGHZ 135, 166: Übernahme der unbeschränkten Mithaftung durch eine 34 Jahre alte vermögenslose Ehefrau und Mutter zweier 15 und 17 Jahre alten Kinder mit einem Monats-Nettoeinkommen von circa 1.200,00 DM als Verkäuferin auf ein Existenzgründungsdarlehen ihres Ehemannes über DM 154.000,00).

Eine krasse finanzielle Forderung liegt auf der Hand, wenn der pfändbare Teil des Einkommens eines vermögenslosen Mithaftenden nicht einmal die laufenden Zinsen des Kredits abdeckt (OLG Köln in MDR 1995, 1135; Nobbe, Bankrecht, Rdn. 1362 ff.) Soweit dingliche Sicherheiten vorhanden sind, ist die krasse finanzielle Überforderung am nicht dinglich gesicherten Rest zu beurteilen (OLG Köln ebenda; Nobbe ebenda).

Nichts ändert an dieser Rechtslage das Ziel, spätere Vermögensverschiebungen vom Kreditnehmer auf den Ehepartner vorzubeugen. Dies kann durch entsprechende vertragliche Regelungen ebenso verhindert werden (BGHZ 135, 66; BGHZ 134, 42; BGH in NJW 2000, 1185; BGH in NJW 1997, 3169).

Ebenso wenig macht es einen Unterschied aus, ob es sich um ein privatrechtliches oder ein öffentlich rechtliches Darlehen (z. B. Existenzgründungsdarlehen) handelt (BGHZ 134, 42; BGH in NJW 1999, 2584; BGH in NJW 1997, 1773). Weiterhin ist unerheblich, ob der Mithaftende aus der Kreditgewährung mittelbare Vorteile zieht (BGH in NJW 1997, 257).

39Ist der Mithaftende bloß „einfach“ finanziell überfordert, müssen besondere zusätzliche Umstände hinzutreten, um die Sittenwidrigkeit zu begründen. Dies kann eine Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des finanziell überforderten Mithaftenden sein (BGH in NJW-RR 2013, 1258; BGH in NJW-RR 2004, 337; BGH in NJW 1999, 135; BGH in NJW 1997, 1773). Ein solcher Fall liegt klassischer Weise vor, wenn der Bankmitarbeiter bei der Unterzeichnung der Mithaftungserklärung diese als „reine Formsache“ bezeichnet (BGHZ 120, 272 [277]; BGH in NJW-RR 2013, 1258; BGH in NJW-RR 2004, 337; BGH in NJW 1999, 135). Auch die Ausnutzung der geschäftlichen Unerfahrenheit des Mithaftenden oder einer seelischen Zwangslage des Mithaftenden kann zur Sittenwidrigkeit des Schuldbeitritts führen (BGH in NJW 2000, 1185; BGH in NJW 1997, 1773).

40Hinsichtlich der Sicherungszweckerklärung gelten dieselben Grundsätze wie bei der Bürgschaft (BGHZ 132, 6 [9]; BGH in NJW 2003, 61; BGH in NJW 1997, 2677; BGH in NJW 1996, 249; Nobbe, Bankrecht, Rdn. 1366 ff.); ebenso gelten die Grundsätze, dass die weite Sicherungszweckerklärung nicht unwirksam ist, wenn der Mithaftende selbst in der Lage war, eine Erweiterung der Verbindlichkeit zu verhindern (OLG Hamm in WM 1999, 586; Nobbe, Bankrecht, Rdn. 1368).

11. Exkurs zum Widerrufsrecht

41Der Bundesgerichtshof hat am 22. November 2016 (Az XI ZR 434/15)https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=77441&pos=0&anz=1 entschieden, unter welchen Voraussetzungen der Darlehensgeber einen Verbraucher als Darlehensnehmer klar und verständlich über den Beginn der Widerrufsfrist informiert.

Der Bundesgerichtshof hat die Formulierung, die Widerrufsfrist beginne „nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hat“ für klar und verständlich gehalten, auch was den Beginn der Widerrufsfrist betraf.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe (Urteil vom 25. August 2015 - Az 17 U 179/14) hatte die Revision zugelassen. Es hatte – auch mit dieser Begründung – die Berufung des Verbrauchers zurückgewiesen, nachdem bereits das Landgericht Heidelberg die Klage des Verbrauchers abgewiesen hatte. Der Bundesgerichtshof hat aus anderem Grund die Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe aufgehoben. Die beklagte Bank (eine Sparkasse) hatte im Immobiliendarlehensvertrag keine Angaben zu der für sie zuständigen Aufsichtsbehörde gemacht, obwohl sie diese als zusätzliche – im Streitfall gesetzlich nicht vorgesehene – Pflichtangabe in ihre Widerrufsinformation aufgenommen hatte. Allerdings hatte die Sparkasse auch den Verwirkungseinwand geführt. Deswegen war der Bundesgerichtshof daran gehindert, selbst zu entscheiden. Er hat vielmehr die Sache aufgehoben und an das Oberlandesgericht Karlsruhe zurückverwiesen.

Der Bundesgerichtshof hatte im schriftlichen Verfahren entschieden, was sehr selten vorkommt. Dies ist nur der Fall, wenn der Bundesgerichtshof eine Sache für absolut eindeutig hält. Dies war die fehlende Angabe der Aufsichtsbehörde. Der Bundesgerichtshof – weil es auch nicht entscheidungserheblich war – hat die Sache dem Europäischen Gerichtshof nicht zur Entscheidung vorgelegt. Letztlich war die Frage, ob der allgemeine Verweis auf § 492 Abs. 2 BGB eine ausreichende Belehrung über den Beginn der Widerrufsfrist ist, gar nicht entscheidungserheblich. Der Bundesgerichtshof hat sich hierzu - ohne dies in dem von ihm entschiedenen Fall zwingend tun zu müssen- festgelegt. Er wollte damit diese Rechtsfrage offenbar bei der ersten sich bietenden Gelegenheit klären, da sich die Oberlandesgerichte in dieser Frage bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs sehr uneinig waren.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs brachte aber die von ihm beabsichtigte Klärung der Rechtslage nur teilweise.

Bis zum 26. März 2020 war die aktuelle Rechtslage wie folgt: 

Gehen die von der Bank konkret ausgewählten Beispiele über die Pflichtangaben bei Abschluss eines Immobiliardarlehensvertrages hinaus, ist die Widerrufsinformation deshalb nicht unwirksam. Vielmehr haben die Parteien das Anlaufen der Widerrufsfrist gültig von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig gemacht (BGH, Urteil vom 22. November 2016, Az.: XI ZR 434/15)https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=77441&pos=0&anz=1.

Einige Widerrufsinformationen führen als Beispiele für Pflichtangaben „Angaben zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrags“ und „Angabe der zuständigen Aufsichtsbehörde“ an. Bei Immobiliarverbraucherdarlehen handelt es sich hierbei nicht um notwendige Pflichtangaben gem. § 492 Abs. 2 BGB. Diese fehlerhafte Abbildung des Inhalts des § 492 Abs. 2 BGB ist darauf zurückzuführen, dass einige Banken – in dem Bestreben, dem gesetzgeberischen Willen zu entsprechen – die Beispielsangaben aus dem Regierungsentwurf (BT-Drucks. 17/1394, S. 8) übernommen haben. 

Die dortige Auflistung von für bestimmte Vertragstypen irrelevanten „Pflichtangaben“ korrigierte der Rechtsausschuss des Bundestages später, was einige Banken jedoch nicht mehr mitvollzogen haben.

Durch die beispielhafte Auflistung von „Pflichtangaben“, bei denen es sich tatsächlich nicht um Pflichtangaben im technischen Sinne handelte, haben die Parteien einverständlich und wirksam die bei Immobiliardarlehensverträgen entbehrlichen Angaben nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 3 und 5 EGBGB a.F. zu zusätzlichen Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist gemacht (BGH, Urteil vom 22. November 2016, Az.: XI ZR 434/15)https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=77441&pos=0&anz=1 .

Die Angaben zu der für die Bank zuständigen Aufsichtsbehörde und zu dem einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrags können auch in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank erteilt werden. Diese müssen allerdings wirksam in den Darlehensvertrag einbezogen worden sein. Insoweit hat der Bundesgerichtshof es bislang dahinstehen lassen, ob es Bedingung einer für das Anlaufen der Widerrufsfrist nach § 495 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2b BGB a.F. erforderlichen vertragsgemäßen Information ist, dass die „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ zumindest an das Vertragsformular angeheftet werden, oder ob die vom XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs im Bereich des Mietrechts entwickelten Grundsätze (BGH, Urteile vom 24. September 1997, Az.: XII ZR 234/95https://www.juralib.de/entscheidungen/bgh-xii-zr-234/95-24.09.1997, BGHZ 136, 357 [359 ff.] und vom 18. Dezember 2002, Az.: XII ZR 253/01http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=25423&pos=0&anz=1, in NJW 2003, 1248 f. mwN), wonach für die Wahrung der Schriftform die zweifelsfreie Bezugnahme der Haupturkunde auf die Anlage genügt, auf § 492 BGB übertragbar sind (BGH, Urteil vom 04. Juli 2017, Az.: XI ZR 741/16http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=79235&pos=0&anz=1). Im vom Bundesgerichtshof zu entscheidenden Fall hatte die beklagte Bank mittels der Wendung über der Unterschriftszeile der Darlehensnehmer, die „beigeheften Allgemeinen Bedingungen für Kredite und Darlehen“ seien „Bestandteil dieses Vertrags“, eine Anheftung selbst zur Bedingung für eine ordnungsgemäße Unterrichtung der Darlehensnehmer gemacht. An dieser Vorgabe musste sich die beklagte Bank messen lassen.

41aAm 17. Januar 2019 hat das Landgericht Saarbrücken - das sich insoweit mutig gegen den Bundesgerichtshof stellte –die Rechtsfrage, ob die sog. „Kaskadenverweisung“ auf § 492 Abs. 2 BGB die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Belehrung zum Beginn der Widerrufsfrist darstellt, dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt (Az 1 O 164/18, BKR 2019, 190 ff.).                                                                               

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat am 26. März 2020 entschieden (Az C-66/19http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=224723&pageIndex=0&doclang=DE&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=106495), dass die verwendete Klausel europarechtswidrig ist, und zwar selbst dann, wenn die Bank in der Widerrufsbelehrung einzelne Beispiele für die Pflichtangaben macht.

Der Europäische Gerichtshof wendet sich gegen diese „Kaskadenbelehrung“. Aus § 492 Abs. 2 BGB ergibt sich nämlich nicht, welche Pflichtangaben überhaupt in der Widerrufsbelehrung enthalten sein müssen. Dies muss sich der Verbraucher mühsam über Ketten von Gesetzesverweisen zusammensuchen. Selbst für einen erfahrenen Bankrechtler war dies mit erheblichem Aufwand verbunden. Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass dies intransparent und für den Verbraucher nicht zumutbar ist. 

Üblicherweise wartet der Europäische Gerichtshof die Schlussanträge der Generalanwälte ab (und folgt ihnen fast immer). In diesem Fall hat er, was nach Artikel 99 der Verfahrensordnung des Europäischen Gerichtshofs nur ganz ausnahmsweise zulässig ist, die Anhörung der Generalanwaltschaft nicht abgewartet. Daraus lässt sich schließen, dass diese Rechtsfrage für den Europäischen Gerichtshof außergewöhnlich klar war.

Zahlreiche Stimmen behaupten nunmehr, dass mit der Entscheidung des EuGH sehr viele, möglichweise die meisten Verbraucherdarlehensverträge widerruflich sind, wenn sie ab dem 30. Juli 2010 abgeschlossen wurden. Dies soll gelten für Autokredite oder sogar zahlreiche Leasingverträge, aber auch für die Finanzierung von Immobilien (für diese aber nur bis 20. März 2016, danach verwendeten die Banken im Normalfall wegen einer Gesetzesänderung die Kaskadenverweisung nicht mehr).

42Diesem Ergebnis stellt sich das Oberlandesgericht Stuttgart entgegen (Beschluss vom 04. Februar 2019, Az.: 6 U 88/18). Es argumentiert wie folgt: Der deutsche Gesetzgeber hat in der Anlage 6 EGBGB a.F. ein Belehrungsmuster mit Gesetzesrang geschaffen. Es ist ausgeschlossen, dass er ein Muster schaffen wollte, das gegen das Gesetz verstößt. Zwar ermächtigt das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV den EuGH, Auslegungsregeln für gesetzliche Vorschriften vorzugeben, die das Unionsrecht berühren. Eine Auslegung des deutschen Gesetzes contra legem zu Gunsten des Unionsrechts sei jedoch nicht möglich, da Rechtsgrundlage der Entscheidung des EuGH keine Verordnung ist (die unmittelbar Rechtswirkungen für die Bürger der Europäischen Union begründet), sondern nur eine Richtlinie. Hat die Bank die Musterwiderrufsinformation unverändert und korrekt ausgefüllt verwendet (entsprechend der Ausfüllhinweise), greift die vom Gesetzgeber angeordnete Gesetzlichkeitsfiktion. Wäre die Begründung des Oberlandesgerichtes Stuttgart richtig, dann würde dies Amtshaftungsansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland begründen (so ausdrücklich das OLG Stuttgart in Rdn. 20; ebenso Hölldampf in BKR 2019, 192 (194]). Die Entscheidung des OLG Stuttgarts ist sehr kritisch zu sehen. Zunächst ist sie bis auf die hier zitierte Passage fast vollständig durch den EuGH widerlegt. Dabei benutzte das Oberlandesgericht Stuttgart, die Ansicht des LG Saarbrücken sei „nicht nachvollziehbar“, die Richtigkeit der Kaskadenverweisung „offensichtlich“, dies alles sei „zweifellos“. Dementsprechend sollte man die Entscheidung des OLG Stuttgarts (das zuletzt mehrfach in Banksachen spektakulär aufgehoben wurde, vgl. Urteil vom 19.01.2016, Az. XI ZR 103/15http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=74211&pos=0&anz=1), keinesfalls überbewerten. Es ist bereits zweifelhaft, ob der Gesetzgeber wirklich, wie vom OLG Stuttgart unterstellt, den Bestand der Musterbelehrung auch für den Fall wollte, dass sie nicht richtlinienkonform ist und lieber Amtshaftungsansprüche in Kauf nimmt, als den Auslegungsspielraum für eine richtlinienkonforme Auslegung zu eröffnen. Einen weiteren Gesichtspunkt hat das Oberlandesgericht Stuttgart völlig übersehen. Der EuGH erkennt in bestimmten Fällen eine unmittelbare Wirkung von Richtlinien an, um die Rechte der Einzelnen zu schützen. So hat der EuGH in seiner Rechtsprechung festgelegt, dass eine Richtlinie eine unmittelbare Wirkung hat, wenn ihre Bestimmungen uneingeschränkt und hinreichend klar und eindeutig sind und wenn das EU-Land die Richtlinie nicht fristgerecht umgesetzt hat (Urteil vom 4. Dezember 1974 in der Rechtssache Van Duynhttps://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:61974CJ0041&from=DE). Die ganze Verfahrens- und Ausdrucksweise des EuGH in der Entscheidung vom 26. März 2020 lässt den Schluss zu, dass der EuGH die Richtlinie für hinreichend klar und eindeutig hält. Dann wäre das Urteil des OLG Stuttgart bedeutungslos. Dennoch: Die Entscheidung des OLG Stuttgarts (ergangen über ein Jahr vor der Entscheidung des EuGH) ist jedenfalls in der Welt und bietet den betroffenen Kreditinstituten eine letzte Verteidigungslinie.

Hat die Bank allerdings die Musterwiderrufsinformation einer eigenen Bearbeitung unterzogen (z.B. in dem Klammerzusatz nach dem Hinweis auf § 492 Abs. 2 BGB andere als die von der Musterwiderrufsinformation vorgesehenen Beispiele für Pflichtangaben aufgenommen), dürfte ein Widerruf auch nach der Ansicht des OLG Stuttgart Erfolg haben. In diesen Fällen greift die Gesetzlichkeitsfiktion nicht mit der Folge, dass sich der Darlehensnehmer auf die durch den EuGH in vorgenanntem Urteil festgestellte Fehlerhaftigkeit der Kaskadenbelehrung berufen und seine auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung noch widerrufen kann.

43Die Rechtsfolgen des Widerrufs sind wie folgt:

Fazit: Am 22. November 2016 hat der Bundesgerichtshof die Tür für den so genannten „Widerrufsjoker“ wieder ein wenig geöffnet, nachdem der Gesetzgeber diese verschlossen hatte. Der Europäische Gerichtshof hat diese Tür „Widerrufsjoker“ am 26. März 2020 wieder sehr weit geöffnet. Dem steht die Entscheidung des OLG Stuttgarts entgegen. Allerdings ist diese Entscheidung zweifelhaft und führt, selbst wenn der Bundesgerichtshof sie bestätigen sollte, nur dazu, dass die Bundesrepublik Deutschland den eigentlich bestehenden und nur wegen der fehlerhaften Musterbelehrung nicht durchsetzbaren Erstattungsanspruch ersetzen müsste. Die betroffenen Darlehnsnehmer können die Darlehn zu niedrigeren Zinssätzen umfinanzieren, müssen keine Vorfälligkeitsentschädigung zahlen und erhalten oft noch einen Teil der gezahlten Zinsen im wirtschaftlichen Ergebnis erstattet, wenn der Widerruf vor Gericht erfolgreich ist, also ein Gericht dem OLG Stuttgart nicht folgt. Grundsätzlich sollte im Prozess der Bundesrepublik Deutschland der Streit verkündet werden, denn sie haftet subsidiär für den Schaden, wenn ein Gericht dem OLG Stuttgart folgen sollte. Allerdings ist zu beachten, dass Umfinanzierungen in Zeiten der Corona-Krise rein zeitlich erschwert sind. Die Banken haben im Moment nur eingeschränkte Kapazitäten frei, um Darlehensanträge zu bearbeiten. Auf Grund der Entscheidung des EuGH dürften Banken sehr vergleichsbereit sein. Deswegen liegt es nahe, ein Vergleichsangebot einer Bank ernsthaft zu prüfen, wenn es 50 % des Erstattungsanspruches übersteigt.

Ergänzung vom 12.05.2020: 

Der Bundesgerichtshof hat am 31. März 2020 (Az XI ZR 581/18)  in einem obiter dictum - und damit nicht rechtsverbindlich - erklärt, die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 26. März 2020 gelte nicht für Immobiliarverbraucherdarlehn. Dies steht jedoch ersichtlich im Widerspruch zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 26. März 2020 (dort Rdnrn. 28 f.). Der Ansatz des Bundesgerichtshofs ist richtig: Auf grundpfandrechtlich besicherte Immobiliardarlehensverträge ist die Verbraucherkreditrichtlinie nach ihrem Art. 2 Abs. 2 Buchst. a und c nicht anzuwenden.

Aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 26.3.2020 lässt sich schlussfolgern, dass sämtliche Verbraucherdarlehen weitgehend widerruflich sind und es insbesondere auch keine Gesetzlichkeitsfiktion gibt (Az.C-66/19). Dies gelte auch für grundpfandrechtlich gesicherte Kreditverträge, so der EuGH wörtlich: "Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass die Richtlinie 2008/48 nach ihrem Art. 2 Abs. 2 Buchst. a nicht für grundpfandrechtlich gesicherte Kreditverträge gelte. Der deutsche Gesetzgeber habe jedoch von der im zehnten Erwägungsgrund dieser Richtlinie vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, die in der Richtlinie vorgesehenen Bestimmungen auf nicht in den Geltungsbereich der Richtlinie fallende Bereiche wie die für solche Verträge geltende Regelung anzuwenden. Unter diesen Umständen ist es der Ansicht, dass die Auslegung der Bestimmungen dieser Richtlinie für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits erforderlich sei und dass der Gerichtshof für diese Auslegung in der vorliegenden Rechtssache zuständig sei. Hierfür beruft es sich auf das Urteil vom 17. Juli 1997, Giloy (C‑130/95, EU:C:1997:372)." (EuGH, Urteil vom 26.03.2020, Rn. 18 http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=224723&pageIndex=0&doclang=DE&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=106495). 

Der Europäische Gerichtshof schreibt weiter wörtlich:

„28 Der Gerichtshof hat wiederholt seine Zuständigkeit für die Entscheidung über Vorabentscheidungsersuchen bejaht, die Unionsvorschriften in Fällen betrafen, in denen der betreffende Sachverhalt nicht unter das Unionsrecht und daher allein in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fiel, aber diese Unionsvorschriften aufgrund eines Verweises im nationalen Recht auf ihren Inhalt galten (Urteil vom 12. Juli 2012, SC Volksbank România, C‑602/10, EU:C:2012:443, Rn. 86 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29 Dabei hat er namentlich betont, dass dann, wenn sich nationale Rechtsvorschriften zur Regelung von Sachverhalten, die nicht in den Geltungsbereich des betreffenden Unionsrechtsakts fallen, nach den in diesem Rechtsakt getroffenen Regelungen richten, ein klares Interesse der Union daran besteht, dass die aus diesem Unionsrechtsakt übernommenen Bestimmungen einheitlich ausgelegt werden, um künftige Auslegungsunterschiede zu verhindern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Oktober 2017, Solar Electric Martinique, C‑303/16, EU:C:2017:773, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).“

Dies hat der Bundesgerichtshof übersehen. Die Logik des Europäischen Gerichtshofes ist zwingend. Soweit ein und derselbe Rechtsbegriff einmal in einem Kontext, der der Anwendung der Richtlinie unterliegt, und an anderer Stelle in einem Kontext, der außerhalb ihres Anwendungsbereiches liegt, verwendet wird, ist er einheitlich auszulegen. Es ist deshalb sehr wahrscheinlich, dass der Europäische Gerichtshof dieser Begründung des Gerichtshofes nicht folgen wird, zumal der Bundesgerichtshof zwar die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 26. März 2020 in seinem Beschluss vom 31. März 2020 an anderer Stelle (an der BGH und EuGH einer Meinung sind) zitiert, aber sie dort unerwähnt  lässt, wo er sich gegen diese Entscheidung wendet. 

Der EuGH hat am 08.05.2020 klargestellt, dass sein Urteil für nationale Gerichte bindend ist und dies in einer eigenen Pressemeldung mitgeteilt, die in der Schlussfolgerung der Bindungswirkung von EuGH-Urteilen genauso auf den Bereich der Verbraucherdarlehen Anwendung finden dürfte: https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2020-05/cp200058de.pdf


Fußnoten