Schliessen
von Göler (Hrsg.) / Heiko Ormanschick / § 543

§ 543 Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

(1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn

  • 1. dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen wird,
  • 2. der Mieter die Rechte des Vermieters dadurch in erheblichem Maße verletzt, dass er die Mietsache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt erheblich gefährdet oder sie unbefugt einem Dritten überlässt oder
  • 3. der Mieter
    • a) für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder
    • b) in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.

Im Falle des Satzes 1 Nr. 3 ist die Kündigung ausgeschlossen, wenn der Vermieter vorher befriedigt wird. Sie wird unwirksam, wenn sich der Mieter von seiner Schuld durch Aufrechnung befreien konnte und unverzüglich nach der Kündigung die Aufrechnung erklärt.

(3) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag, so ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten angemessenen Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Dies gilt nicht, wenn

1. eine Frist oder Abmahnung offensichtlich keinen Erfolg verspricht,

2. die sofortige Kündigung aus besonderen Gründen unter Abwägung der    

   beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist oder

3. der Mieter mit der Entrichtung der Miete im Sinne des Absatzes 2 Nr. 3 in

    Verzug ist.

(4) Auf das dem Mieter nach Absatz 2 Nr. 1 zustehende Kündigungsrecht sind die §§ 536b und 536d entsprechend anzuwenden. Ist streitig, ob der Vermieter den Gebrauch der Mietsache rechtzeitig gewährt oder die Abhilfe vor Ablauf der hierzu bestimmten Frist bewirkt hat, so trifft ihn die Beweislast.

Für den Rechtsverkehr

(für Nichtjuristen)

zum Expertenteil (für Juristen)

Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle

Die Regelung in § 543 I BGB enthält den allgemeinen Grundsatz, dass jede Partei das Mietverhältnis aus wichtigem Grund fristlos kündigen kann. Mit dieser Vorschrift wurde die bisherige Rechtslage zur Kündigung aus wichtigem Grund einschließlich der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung gesetzlich festgeschrieben (BGH, Urteil vom 09.03.2005 – VIII ZR 394/03,http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=889431ee45a989b7c62e49def8be36f4&nr=32829&pos=0&anz=1  BGH, ZMR 2005, 688). Die Regelung ist als Auffangtatbestand für die in § 543 II, § 569 I und II BGB nicht ausdrücklich geregelten Fälle anzusehen (Schmidt-Futterer, Mietrecht, 11. Aufl., § 543 BGB, Rz. 4).

Die Vorschriften des § 543 II Nr. 1-3 BGB und des § 569 I und II BGB enthalten gesetzlich typisierte Fälle der Unzumutbarkeit (BGH, Urteil vom 29.04.2009 – VIII ZR 142/08,http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=c3c004893737dd37ac7ccdc1e730ac40&nr=48015&pos=0&anz=1, BGH, ZMR 2009, 681). Diese Kündigungstatbestände sind vorrangig zu prüfen. Wenn einer der Tatbestände des § 543 II BGB vorliegt, ist eine Kündigung aus wichtigem Grund möglich. Die in § 543 I BGB genannten Voraussetzungen, wie etwa die Zumutbarkeit der Vertragsfortsetzung, müssen in diesem Falle nicht zusätzlich vorliegen. 

1a) Kündigung aus wichtigem Grund nach § 543 I BGB (Generalklausel)

Dieses Kündigungsrecht gilt für beide Parteien des Mietvertrages. Voraussetzung für eine auf diese Vorschrift gestützte Kündigung ist die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses, die aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer wertenden Betrachtung festzustellen ist. Mit Urteil vom 09.11.2016 (VIII ZR 73/16) hat der BGH klargestellt, dass zu den bei der Gesamtabwägung zu berücksichtigenden Umständen des Einzelfalls ohne Weiteres auch schwerwiegende persönliche Härtegründe auf Seiten des Mieters gehören. Die Abwägung auf bestimmte Gesichtspunkte zu beschränken und deren Berücksichtigung auf das Vollstreckungsverfahren zu verschieben, verbiete die eindeutige gesetzliche Regelung (BGH, a. a. O.). Die Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung oder die Zerrüttung des Mietverhältnisses ist für sich allein kein Kündigungsgrund. Erforderlich ist darüber hinaus, dass der Kündigungsgegner konkrete Pflichtverletzungen begangen hat. Stehen auf einer Mietvertragsseite mehrere Personen, reicht es aus, wenn nur eine von ihnen sich entsprechend vertragswidrig verhalten hat. Ein Verschulden des Kündigungsempfängers ist nicht zwingend erforderlich (BGH, Urteil vom 08.12.2004 – VIII ZR 218/03,http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=f37322a8852d7a58d05cce30f4d1366e&nr=31449&pos=0&anz=1, BGH, ZMR 2005, 183), bleibt aber nach wie vor ein gewichtiges Indiz: Aus der Hervorhebung des Gesetzgebers in § 543 I Satz 2 BGB („insbesondere eines Verschuldens“) folgt, dass an eine außerordentliche fristlose Kündigung ohne Verschulden strenge Anforderungen an die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses zu stellen sind (Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 9. Aufl., § 543 Rz. 4). Mit den Anforderungen einer auf Zahlungsverzug gestützten außerordentlichen fristlosen Kündigung ohne Verschulden des Mieters befasste sich der BGH mit Urteil vom 29.06.2016 - VIII ZR 173/15: Ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung i. S. d. § 543 I S. 2 BGB kann auch - unabhängig von einem etwaigen Verschulden des Mieters - allein in der objektiven Pflichtverletzung unpünktlicher Mietzahlungen und den für den Vermieter daraus folgenden negativen Auswirkungen liegen, wenn die Gesamtabwägung ergibt, dass eine Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Vermieter unzumutbar ist. Bei der - dem Tatrichter obliegenden - Abwägung kann von Bedeutung sein, ob zahlreiche Verspätungen aufgetreten sind, diese jeweils einen erheblichen Zeitraum und erhebliche Beträge betreffen oder der Vermieter in besonderem Maße auf den pünktlichen Erhalt der Miete angewiesen ist, beispielsweise weil er daraus seinen Lebensunterhalt bestreitet oder hiermit Kredite bedienen muss. Zudem kann es eine Rolle spielen, ob das Mietverhältnis abgesehen von den unpünktlichen Zahlungen bisher störungsfrei verlaufen ist oder kurze Zeit vorher bereits eine berechtigte fristlose Kündigung ausgesprochen worden ist, die erst durch eine Zahlung innerhalb der Schonfrist während des Räumungsprozesses unwirksam geworden ist. http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=75391&pos=16&anz=575 

2b) Kündigung wegen Nichtgewährung oder Entziehung des Gebrauchs (§ 543 II Nr. 1 BGB)

Dieses Kündigungsrecht eröffnet sich einem Mieter immer dann, wenn diesem das Mietobjekt nicht, nicht rechtzeitig, nicht vollständig oder nicht mangelfrei übergeben wird. Ferner dann, wenn Mängel bei Abschluss des Mietvertrages vorhanden sind, nach Abschluss des Mietvertrags entstehen oder wenn nachträglich der Gebrauch ganz oder teilweise entzogen wird. Es ist keine weitere Voraussetzung, dass der vertragswidrige Zustand so erheblich ist, dass dem Mieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann (BGH, Urteil vom 18.10.2006 – XII ZR 33/04,http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=38511fa6e98c458cf7fcc190995718a9&nr=38045&pos=0&anz=1  BGH, ZMR 2007, 98).

Nur bei erheblichen Mängeln kann eine teilweise Nichtgewährung des vertraglich geschuldeten Gebrauchs angenommen werden (BGH, Urteil vom 04.05.2005 – XII ZR 254/01,http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=2918a64a2f139a13afa180a0ef82b07b&nr=32939&pos=0&anz=1  BGH, ZMR 2005, 612; OLG Hamburg, ZMR 2005, 856). Das Bestehen bloßer Bagatellmängel ohne eine erhebliche Gebrauchsbeeinträchtigung begründet ein  Kündigungsrecht nach § 543 II Satz 1 Nr. 1 BGB also nicht.

Das Kündigungsrecht ist auch nicht eröffnet, wenn der Mieter bei Vertragsabschluss den Mangel kannte oder grob fahrlässig nicht kannte, es sei denn, der Vermieter hat den Mangel arglistig verschwiegen (§ 543 IV Satz 1 BGB). Ebenso wenig ist der Mieter zur Kündigung berechtigt, wenn er die Störung des vertragsgemäßen Gebrauchs selbst zu vertreten hat (BGH, Urteil vom 10.11.2004 – XII ZR 71/01,http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=2da7a5878ed74ebbcc01eeea901eb907&nr=31058&pos=0&anz=1  BGH, ZMR 2005, 120). 

3c) Kündigung wegen Gefährdung der Mietsache oder wegen unbefugter Überlassung an Dritte (§ 543 II Nr. 2 BGB)

Diese Vorschrift eröffnet dem Vermieter ein außerordentliches Kündigungsrecht, wenn der Mieter die Mietsache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt erheblich gefährdet oder diese unbefugt einem Dritten überlässt. Alle anderen Fälle vertragswidrigen Gebrauchs können ggf. eine außerordentliche Kündigung nach der Generalklausel des § 543 I BGB begründen.

Für den Vermieter besteht das außerordentliche Kündigungsrecht, wenn der Mieter die Mietsache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt erheblich gefährdet. Der bloße vertragswidrige Gebrauch der Mietsache, ohne dass diese selbst gefährdet ist, begründet das Kündigungsrecht nach § 543 II Nr. 2 BGB nicht. Die Sorgfaltspflichtverletzung erfordert eine erhebliche Gefährdung der Mietsache. Voraussetzung hierfür ist eine Substanzgefährdung der Mietsache mit der Folge, dass der Eintritt eines Schadens unmittelbar drohtLG Berlin, ZMR 2011, 873.

Für Sorgfaltspflichtverletzungen von Familienangehörigen, von Erfüllungsgehilfen oder von in die Wohnung aufgenommenen Dritten hat der Mieter einzustehen.

Der Vermieter kann dem Mieter ferner dann außerordentlich kündigen, wenn der Mieter die Rechte des Vermieters dadurch in erheblichem Maße verletzt, dass er die Mietsache unbefugt einem Dritten überlässt. Demzufolge müssen also zwei Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sein:

Die unbefugte Gebrauchsüberlassung durch den Mieter einerseits und die dadurch bedingte erhebliche Rechtsverletzung andererseits. Zur Gebrauchsüberlassung zählen die Untervermietung der gemieteten Räume oder eines Teils der gemieteten Räume, die unentgeltliche Überlassung einzelner Räume oder der gesamten Sache an einen Dritten, die Aufnahme eines Dritten in die Wohnung mit dem Ziel, dort eine Wohngemeinschaft zu begründen. Zur Aufnahme von Besuchern nur für vorübergehende Zeit oder zu einer dauernden Aufnahme eines Ehegatten und der Kinder ist der Mieter demgegenüber berechtigt (jedenfalls soweit keine Überbelegung eintritt).

Die Gebrauchsüberlassung ist unbefugt, wenn sie ohne Erlaubnis des Vermieters erfolgt ist. Ohne Vorliegen der Untermieterlaubnis ist eine Gebrauchsüberlassung vertragswidrig. Allerdings fehlt es in aller Regel an einer erheblichen Verletzung der Rechte des Vermieters immer dann, wenn der Mieter einen Anspruch auf Erteilung der Untermieterlaubnis hat (BGH, Urteil vom 02.02.2011 – VIII ZR 74/10,http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=e6905b35e7aba7e0fa7ae2d30d58f272&nr=55228&pos=0&anz=1  BGH, ZMR 2011, 453).

Die entgeltliche Überlassung einer zuvor über "airbnb" angebotenen Mietwohnung an Touristen kann die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses rechtfertigen. Mahnt der Vermieter den Mieter wegen unerlaubter Gebrauchsüberlassung ab, ist eine fristlose Kündigung des Mietverhältnisses i. d. R. auch dann gerechtfertigt, wenn der Mieter nach erfolgter Abmahnung ein über "airbnb" geschaltetes Angebot zur entgeltlichen Gebrauchsüberlassung der Wohnung aufrechterhält, selbst wenn es in der Folge nicht mehr zu einer vertragswidrigen Gebrauchsüberlassung kommt. LG Berlin, WuM 2015, 156

4d) Kündigung wegen Zahlungsverzugs nach § 543 II Nr. 3 BGB

Der Vermieter ist zur außerordentlichen fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs berechtigt, wenn einer der drei nachfolgenden Kündigungstatbestände erfüllt ist:

  1. Wenn sich der Mieter für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete in Verzug befindet (§ 543 II S. 1 Nr. 3 lit. a Alt 1 BGB),
  2. Wenn sich der Mieter für zwei aufeinanderfolgende Termine mit der Entrichtung eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug befindet. Nach § 569 III Nr. 1 BGB gilt ein rückständiger Teil der Miete nur dann als nicht unerheblich, wenn er die Miete für einen Monat übersteigt. Das Kündigungsrecht entsteht also, wenn ein Verzug für mindestens zwei Termine vorliegt und der Gesamtrückstand den Betrag von einer Monatsmiete zuzüglich mindestens 0,01 € erreicht. Bei dieser Kündigungsvariante ist zugleich erforderlich, dass die beiden letzten Verzugstermine aufeinander folgen.
  3. Wenn der Mieter in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht (§ 543 II S. 1 Nr. 3 lit b BGB). Allein von Bedeutung ist die Höhe des Rückstands. Es ist nicht erforderlich, dass der Rückstand über zwei Monate hinweg fortwährt.

Nach Auffassung des BGH kommt es für die Abgrenzung der zwei letztgenannten Kündigungstatbestände darauf an, ob der Rückstand ausschließlich auf zwei aufeinander folgenden oder aus mehr als zwei aufeinander folgenden Zahlungsterminen herrührt. Im erstgenannten Fall kann der Vermieter kündigen, wenn der Rückstand eine Monatsmiete übersteigt, § 543 II S. 1 Nr. 3 lit. a Alt 2 BGB, im zweitgenannten Fall nur dann, wenn ein Rückstand von zwei Monatsmieten besteht, § 543 II S. 1 Nr. 3 lit. b BGB (BGH, Urteil vom 23.07.2008 – XII ZR 134/06,http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=55bb3687e2d214467d19edd3b1cf9664&nr=45201&pos=0&anz=1  BGH, ZMR 2009, 19).

Achtung: Das Corona-Virus hat nun auch das Mietrecht erreicht. Der Gesetzgeber hat im Schnellverfahren das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht beschlossen. Dieses Gesetz ist am 01.04.2020 in Kraft getreten. Für das Miet- und Pachtrecht wurde in Art. 240 § 2 Abs. 1 EGBGB ein Sonderkündigungsschutz eingeführt. Hiernach gilt: "Der Vermieter kann ein Mietverhältnis über Grundstücke oder über Räume nicht allein aus dem Grund kündigen, dass der Mieter im Zeitraum vom 01.04.2020 bis zum 30.06.2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht leistet, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie beruht. Der Zusammenhang zwischen Covid-19-Pandemie und Nichtleistung ist glaubhaft zu machen. Sonstige Kündigungsrechte bleiben unberührt." § 4 des Art. 240 EGBGB ermächtigt die Bundesregierung dazu, den Zeitraum, für den der Kündigungsschutz gilt, bis zum 30.09.2020 zu verlängern, wenn zu erwarten ist, dass das soziale Leben, die wirtschaftliche Tätigkeit einer Vielzahl von Unternehmen oder die Erwerbstätigkeit einer Vielzahl von Menschen durch die Corona-Krise auch bei Auslaufen der ursprünglich in Kraft getretenen Maßnahmen weiterhin in erheblichem Maße beeinträchtig werden.

Übrigens: Die Kündigungsbeschränkungen greifen bis zum 30.06.2022! Dieses eröffnet sich aus Art. 240 § 2 Abs. 4 EGBGB. Hieraus folgt, dass im Hinblick auf durch die Corona-Pandemie bedingten Zahlungsrückstände im vorgenannten Zeitraum erst nach dem 30.06.2022 gekündigt werden darf - sofern die Rückstände nicht bereits zuvor getilgt wurden. Eine vor dem 30.06.2022 ausgebrachte Kündigungserklärung wegen dieser Zahlungsrückstände ist unwirksam.

5e) Zahlungsverzug und Zeitpunkt der Kündigung

Der die Kündigung begründende Zahlungsverzug muss im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung nicht mehr (vollständig) vorliegen. Es reicht aus, dass der Kündigungstatbestand vor Abgabe der Kündigungserklärung verwirklicht war. Das Kündigungsrecht erlischt erst dann (wieder), wenn der Vermieter vor der Kündigung vollständig befriedigt wurde.LG Flensburg, ZMR 2014, 984 unter Hinweis auf Schmidt/Futterer, Mietrecht, 8. Auflage, § 543 Rz. 115 

6f) Heilung des Zahlungsverzugs nach § 543 II S. 2 und S. 3 BGB

Bis zu ihrem Zugang kann der Mieter die Kündigung abwehren, indem er einen vollständigen Ausgleich des Zahlungsrückstands bewirkt. Teilzahlungen genügen auch dann nicht, wenn der offene Restbetrag gering ist. Nach Zugang der Kündigung kann der Mieter (nur) bei Wohnraummietverhältnissen den Verzug noch bis zwei Monate nach Rechtshängigkeit eines Räumungsrechtsstreits heilen (vgl. § 569 III Nr. 2 BGB).

Hat ein Vermieter allerdings gleichzeitig außerordentlich fristlos und hilfsweise fristgemäß gekündigt, nimmt eine Schonfristzahlung gem. § 569 III Nr. 2 BGB nur der fristlosen Kündigung, nicht jedoch zugleich auch der fristgemäßen Kündigung die Wirksamkeit (BGH, Urteil vom 16.02.2005 – VIII ZR 6/04,http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=858ae69d01c49b2be7ee11774068368d&nr=32077&pos=0&anz=1  BGH, ZMR 2005, 356). 

7g) Abhilfefrist und Abmahnung nach § 543 III BGB

Die auf eine Vertragspflichtverletzung gestützte Kündigung ist grundsätzlich nur dann zulässig, wenn ihr eine Abmahnung oder die Setzung einer Abhilfefrist vorausgegangen ist. Eine solche Abmahnung zielt darauf, der anderen Vertragspartei ihr Fehlverhalten vor Augen zu führen und dieses Verhalten abzustellen, da anderenfalls Konsequenzen drohen.

Vor der auf eine Kündigung wegen Zahlungsverzuges gem. § 543 II Nr. 3 BGB gestützten Kündigung ist eine Abmahnung nicht erforderlich. Ständige unpünktliche Mietzahlungen unterfallen dem Kündigungsrecht aus wichtigem Grund nach § 543 II Nr. 3 BGB jedoch nicht.

Inhaltlich müssen Abhilfefristsetzung und Abmahnung hinreichend konkret bestimmt sein, damit der Adressat der Erklärung unzweifelhaft erkennen kann, welches vertragswidrige Verhalten konkret beanstandet wird und er sich danach richten kann. Etwa zu beseitigende Mängel müssen genau bezeichnet werden.

Die Abhilfefrist bzw. Abmahnung sind nur dann entbehrlich, wenn diese offensichtlich keinen Erfolg versprechen, z.B. bei ernsthafter und endgültiger Abhilfeverweigerung oder wenn wegen der Schwere der Pflichtverletzung die sofortige Kündigung unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist. Kriterien, anhand derer die umfassende Interessenabwägung erfolgen muss, sind Schwere und Folgen der Vertragsverletzung sowie das Maß des Verschuldens.

8h) Kündigungsausschluss nach § 543 IV S. 1 BGB

Das Kündigungsrecht wegen Nichtgewährung des Gebrauchs bzw. Gebrauchsentziehung nach § 543 II Nr. 1 BGB kann ausgeschlossen sein, wenn der Mieter den Mangel kannte (§ 536b BGB) oder ein wirksamer vertraglicher Haftungsausschluss vereinbart wurde (§ 536d BGB).

Expertenhinweise

(für Juristen)

1) Allgemeines

Einzelfragen

9Bei einer auf Zahlungsverzug gestützten Kündigung richtet sich der Verzug des Mieters nach §§ 286 ff. BGB. Eine Mahnung ist nicht erforderlich, da der Leistungszeitpunkt entweder aus dem Gesetz§ 556b I BGB  oder aus den mietvertraglichen Vereinbarungen folgt.§ 286 II Nr. 1 BGB

Gemäß § 556 b Abs. 1 BGB ist die Miete zu Beginn, spätestens bis zum 3.

2) Literaturstimmen

15Die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung im Mietrecht nach Miet- und Schuldrechtsreform erörtert HäubleinZMR 2005, 1 . Kritisch befasst sich Streyl mit den Kündigungsanforderungen in der neueren Rechtsprechung des BGHWuM 2013, 454 . In einer Anmerkung zum Urteil des BGH vom 10.10.2012VIII ZR 107/12  setzt sich Hinz mit der Rückstandshöhe und Verzugsdauer bei der ordentlichen Kündigung wegen Zahlungsverzugs auseinanderZMR 2013, 96 . Mit den konkreten Tatbestandsvoraussetzungen Zahlungsverzug und Verschulden beschäftigt sich LorenzWuM 2013, 202 . Die neue gesetzliche Kündigungsregelung wegen Verzugs mit der Mietsicherheitsleistung analysieren WiekWuM 2013, 195  und KarabulutWuM 2014, 186 . Kritisch äußert sich KniepZMR 2009, 510  zur Problematik der Gesundheitsgefahren durch Mobilfunkanlagen (Elektrosmog) und die dazu ergangene Rechtsprechung. Mit der Kündigung wegen Zahlungsverzugs befasst sich aktuell BlankWuM 2015, 3.

3) Prozessuales

16Der Kündigende trägt grundsätzlich die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen des wichtigen Grundes, der Kündigungsgegner für den Ausschluss oder das Erlöschen des Kündigungsrechts. Es gelten Ausnahmen:

Die Beweislast für den wichtigen Grund bei einer Mieterkündigung gemäß § 543 II S. 1 Nr. 1 BGB trägt der Vermieter im Hinblick auf die rechtzeitige Gebrauchsgewährung§ 543 IV S. 2 BGB  und für die Unerheblichkeit der Gebrauchsbehinderung. Die Beweislast für Verschulden richtet sich nach Verantwortungsbereichen, auch bei der Kündigung aus sonstigem wichtigen Grund. Ebenso für die Schadensverursachung bei Kündigung gem. § 543 II S. 1 Nr. 2 BGB. Für den Ausschluss und das Erlöschen des Kündigungsrechts trägt der Vermieter die Beweislast bei einer Mieterkündigung gem. § 543 II S. 1 Nr. 1 BGB für das Verschulden des Mangels durch den Mieter. Der Mieter trägt die Beweislast bei einer Vermieterkündigung gem. § 543 II S. 1 Nr. 3 BGB für eine Erfüllung vor Zugang der Kündigung§ 543 II S. 2 BGB  und dann auch für den Zugangszeitpunkt, für die Aufrechnung§ 543 II S. 3 BGB  und für die Erfüllung in der Schonfrist§ 569 III Nr. 2 S. 1 BGB . Der Vermieter wiederum trägt die Beweislast bei seiner Kündigung gem. § 543 II S. 1 Nr. 3 BGB für den Ausschluss der Schonfrist§ 569 III S. 2 Nr. 2 BGB . Der Vermieter trägt die Beweislast für die Höhe der vertraglich geschuldeten Miete. Behauptet der Mieter, dass er zur Minderung berechtigt sei, muss er beweisen, dass die Mietsache mängelbehaftet ist und dass er den Mangel angezeigt hat. Im Übrigen muss der Mieter darlegen und beweisen, dass die Leistung in Folge eines Umstands unterblieben ist, den er nicht zu vertreten hat§ 286 IV BGB . Er muss auch darlegen und beweisen, wann und wie er erfüllt hat.


Fußnoten