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von Göler (Hrsg.) / Caspar Lücke / § 31a
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§ 31a Haftung von Organmitgliedern und besonderen Vertretern

(1) Sind Organmitglieder oder besondere Vertreter unentgeltlich tätig oder erhalten sie für ihre Tätigkeit eine Vergütung, die 840 Euro jährlich nicht übersteigt, haften sie dem Verein für einen bei der Wahrnehmung ihrer Pflichten verursachten Schaden nur bei Vorliegen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Satz 1 gilt auch für die Haftung gegenüber den Mitgliedern des Vereins. Ist streitig, ob ein Organmitglied oder ein besonderer Vertreter einen Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat, trägt der Verein oder das Vereinsmitglied die Beweislast.

(2) Sind Organmitglieder oder besondere Vertreter nach Absatz 1 Satz 1 einem anderen zum Ersatz eines Schadens verpflichtet, den sie bei der Wahrnehmung ihrer Pflichten verursacht haben, so können sie von dem Verein die Befreiung von der Verbindlichkeit verlangen. Satz 1 gilt nicht, wenn der Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht wurde.

Für den Rechtsverkehr

(für Nichtjuristen)

zum Expertenteil (für Juristen)

Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle

Mit der Einführung des § 31a BGB hat der Gesetzgeber die ehrenamtliche Tätigkeit und damit das freiwillige und regelmäßig unentgeltliche Engagement in Vereinen gestärkt und geschützt. Die Regelung stellt klar, dass Organmitglieder und besondere Vertreter (§ 30 BGB) dem Verein nur für die Schäden haften, die sie bei der Wahrnehmung ihrer dem Verein gegenüber bestehenden Pflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht haben. Diese Haftungsprivilegierung gilt auch, wenn eine Vergütung für die Tätigkeit gewährt wird, die einen Betrag von jährlich höchstens EUR 820,00 nicht übersteigt.

Expertenhinweise

(für Juristen)

1) Allgemeines

1§ 31a BGB wurde durch das Gesetz zur Begrenzung der Haftung von ehrenamtlich tätigen Vereinsvorständen vom 28.09.2009 (BGBl I 2009, 3161) eingeführt und trat am 03.10.2009 in Kraft. In der Folge wurde insbesondere die Obergrenze der Vergütung in § 31a I 1 BGB von ursprünglich EUR 500,00 mit dem Gesetz zur Stärkung des Ehrenamts vom 21.03.

2) Definitionen

a) Organmitglieder und Besondere Vertreter

6Die bis zum 28.03.2013 gültige Regelung zu § 31a BGB erfasste lediglich die Vorstandsmitglieder des Vereins. Dieses führte in der Praxis zur Frage, ob die Vorschrift auch auf andere Vereinsorgane zumindest entsprechend anwendbar sei.Münchner Kommentar zum BGB, 9. Aufl. (2021); § 31a Rn. 3  Mit der zum 29.03.

3) Abgrenzungen, Kasuistik

16Die Haftungsprivilegierung des § 31a BGB gilt für jeden Verein, egal welchen Zweck er verfolgt, und ob dieser gemeinnützig ist oder nicht.BT-Dr 16/10120 vom 13.08.2008Damit gilt die Privilegierung auch für den wirtschaftlichen Verein und über den Verweis in § 86 BGB grundsätzlich auch für Stiftungen.

Beim nicht rechtfähigen Verein - in der Praxis auch als nicht eingetragener Verein bezeichnet - verweist § 54 BGB auf die Anwendung der Vorschriften über die Gesellschaft bürgerlichen Rechts und damit auf die §§ 705 ff. BGB. Vor diesem Hintergrund wird teilweise die Auffassung vertreten, dass die Privilegierung des § 31a BGB auf den nicht eingetragenen Verein nicht anwendbar sei.Pieper, WM 2011, 2213

Durch das zum 01.01.2024 in Kraft tretende Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG) erfährt auch der § 54 BGB eine umfassende Änderung. § 54 I 1 BGB n. F. verweist auf die Anwendbarkeit der §§ 24 bis 53 BGB. Durch diesen Verweis wird klargestellt, dass die Haftungsprivilegierung des § 31a BGB ab dem 01.01.2024 auch für den nicht eingetragenen Verein gilt.

Fraglich ist, ob das Haftungsprivileg des § 31a BGB auch auf ehrenamtlich tätige Organmitglieder einer AG oder GmbH Anwendung findet. Der Verein ist die Grundform der juristischen Person und damit der AG und GmbH. Folglich gelten nach allgemeiner Auffassung die Regelungen über den Verein auch für die AG und die GmbH, wenn deren Spezialgesetze keine Regelung treffen.Noack, GmbHR, 2010, R 81

Bereits die Begründung des Gesetzes zur Begrenzung der Haftung von ehrenamtlich tätigen Vereinsvorständen – durch dieses Gesetzt wurde auch § 31a BGB eingeführt - hebt den Gegensatz zur GmbH hervor und betont, dass nur Vorstandsmitglieder von Vereinen und keine anderen privaten Ämter erfasst werden.BT-Dr 16/10120 vom 13.08.2008

Zudem sind die Vorschriften zur Haftung des Vorstands (§ 93 AktG) bzw. des Aufsichtsrats (§ 116 AktG) einer AG bzw. für den Geschäftsführer einer GmbH (§ 43 GmbHG) lex specialis zu § 31a BGB, so dass eine analoge Anwendung der Haftungsprivilegierung des § 31a BGB auf ehrenamtlich tätige Organmitglieder bei der AG bzw. GmbH ausscheidet.

Bei der eingetragenen Genossenschaft (eG), auch diese Rechtform ist durch ein sehr starkes ehrenamtliches Engagement geprägt, hat der Gesetzgeber mit dem am 22.07.2017 in Kraft getretenen Gesetz zur Erleichterung unternehmerischer Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement und zum Bürokratieabbau bei Genossenschaften auf Grundlage des Rechtsgedankens des § 31a I 1 BGB Haftungserleichterungen für die ehrenamtliche Organtätigkeit bei der eG geschaffen.BT-Dr 18/11506 vom 13.03.2017 Eine vollständige Übertagung wurde mit dem Verweis, dass es sich bei Genossenschaften um Formkaufleute handelt (§ 17 II 2 GenG), als nicht angemessen abgelehnt.BT-Dr 18/11506 vom 13.03.2017

Anders als beim Verein wurde bei der eG für die dort ehrenamtlich tätigen Organmitglieder keine starre Obergrenze eingeführt, bis zu deren Erreichen eine für die Amtstätigkeit gewährte Vergütung als unschädlich für den Erhalt des Haftungsprivilegs anzusehen ist. 

Vielmehr muss nach § 34 II 3 GenG die Tatsache, dass ein Vorstandsmitglied der eG im Wesentlichen unentgeltlich tätig ist, bei der Beurteilung seiner Sorgfalt zu seinen Gunsten berücksichtigt werden. Die Ermittlung der „wesentlichen Unentgeltlichkeit“ erfolgt auf Grundlage sachgerechter Kriterien wie z. B. die Höhe der jährlichen Vergütung des ehrenamtlichen Vorstandsmitglieds in Relation zur Größe der eG und zu den unter Umständen zusätzlich für die eG tätigen hauptamtlichen Vorstandsmitglieder oder der Umfang der Tätigkeit insbesondere auf Grundlage der Dauer und Häufigkeit der Vorstandssitzungen, aber auch dem Umfang der Tätigkeit des ehrenamtlichen Vorstandsmitglieds, seiner zeitlichen Einbindung und der Komplexität seiner Tätigkeit für die eG.Holthaus/Lehnhoff ( in Lang/Weidmüller, GenG, 40. Auflage (2021), § 34 Rn. 95eErgänzend wird man mit Verweis auf die in § 31a I 1 BGB geregelten Obergrenze argumentieren können, dass eine einem ehrenamtlich tätigen Vorstandsmitglied einer eG gewährte Vergütung, die geringer/gleich der im BGB geregelten Obergrenze ist, als im Wesentlichen unentgeltlich einzuordnen ist.Holthaus/Lehnhoff (o. Fußn. 30) Über den Verweis in § 41 GenG gilt diese Privilegierung auch für ehrenamtliche Aufsichtsratsmitglieder der eG.

4) Zusammenfassung der Rechtsprechung

17BGH, Urteil vom 05.02.1974 - VI ZR 195/72
BGH, Urteil vom 14.12.1987 - II ZR 53/87
BAG, Urteil vom 12.11.1998 - 8 AZR 221–97
OLG Nürnberg, Beschluss vom 13.11.2015 AZ 12 W 1845/15
OLG Koblenz, Urteil vom 03.01.2018 - 10 U 893/16

5) Literaturstimmen

18Ehlers, NJW 2011, 2690
Pieper, WM 2011, 2211
Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein 21. Aufl. (2021)
Leuering/Keßler, NJW-Spezial 2017, S. 335

6) Prozessuales

19Ist streitig, ob ein Organmitglied oder ein besonderer Vertreter (§ 30 BGB) einen Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat, trägt der Verein oder das Vereinsmitglied die Beweislast (§ 31a I 3 BGB). Das bedeutet, dass der Anspruchsteller, also derjenige, der gegenüber dem Organmitglied oder dem besonderen Vertreters (§ 30 BGB) einen Schaden geltend macht, beweisen muss, dass das Haftungsprivileg des § 31a I 2 BGB nicht greift.OLG Koblenz, Urteil vom 03.01.2018 - 10 U 893/16 Das bedeutet, dass es dem Verein obliegt zu beweisen, dass die Pflichtverletzung eines ehrenamtlich oder gegen geringe Vergütung tätigen Organmitglieds oder besonderen Vertreter (§ 30 BGB) vorsätzlich oder grob fahrlässig erfolgte.Leuering/Keßler, NJW-Spezial 2017, S. 335

7) Anmerkungen

20Die gesetzliche Haftungsprivilegierung des § 31a BGB für Organmitglieder und besondere Vertreter (§ 30 BGB) schafft einen sachgerechten Schutz für ehrenamtliches Engagement in Vereinen. Es trägt dem Willen des Gesetzgebers Rechnung, dass das Risiko der Haftung bei den Organmitgliedern liegt, die für ihre Amtstätigkeit für den Verein von diesem eine dem Aufwand, das zeitlichen Engagement und die Arbeitskraft berücksichtigende Vergütung erhalten. Wenn man den Schutz des Ehrenamtes im Verein vor einer haftungsrechtlichen Inanspruchnahme im Innenverhältnis ausweiten möchte, kann eine Regelung in die Satzung des Vereins aufgenommen werden, durch die über das Haftungsprivileg des § 31a I 1 BGB hinaus auch die Haftung für grobe Fahrlässigkeit bei der Amtstätigkeit des Organmitglieds und den besonderen Vertreter (§ 30 BGB) ausgeschlossen wird.


Fußnoten