§ 2038 Gemeinschaftliche Verwaltung des Nachlasses
(1) Die Verwaltung des Nachlasses steht den Erben gemeinschaftlich zu. Jeder Miterbe ist den anderen gegenüber verpflichtet, zu Maßregeln mitzuwirken, die zur ordnungsmäßigen Verwaltung erforderlich sind; die zur Erhaltung notwendigen Maßregeln kann jeder Miterbe ohne Mitwirkung der anderen treffen.
(2) Die Vorschriften der §§ 743, 745, 746, 748 finden Anwendung. Die Teilung der Früchte erfolgt erst bei der Auseinandersetzung. Ist die Auseinandersetzung auf längere Zeit als ein Jahr ausgeschlossen, so kann jeder Miterbe am Schluss jedes Jahres die Teilung des Reinertrags verlangen.
Für den Rechtsverkehr
(für Nichtjuristen)
zum Expertenteil (für Juristen)
Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle
1Überblick
Regelungsgegenstand des
2Im Kern betreffen alle wesentlichen Streitigkeiten folgende Punkte/ Fragestellungen:
- Wann findet
§ 2038 BGB Anwendung? Sind Maßnahmen der Erben noch der Verwaltung des Nachlasses zuzurechnen oder handelt es sich bei den Maßnahmen der Erben bereits um eine (Teil-)Auseinandersetzung des Nachlasses? Die (Teil-) Auseinandersetzung unterliegt nicht mehr dem Regelungsbereich des§ 2038 BGB . So einfach die Abgrenzung theoretisch erscheint, so schwierig wird diese in der Praxis. - Wer entscheidet, ob eine Verwaltungsmaßnahme durchzuführen ist, und wie und in welcher Form wird ein wirksamer Beschluss der Erbengemeinschaft herbeigeführt?
- Wer wird durch das Verwaltungshandeln verpflichtet? Die Erbengemeinschaft? Die Erben? Auch die überstimmten Erben? Wer vertritt und führt den Beschluss für die Erbengemeinschaft nach außen durch (also Vertretung nach außen)?
- Können aufgrund eines wirksamen gefassten Beschlusses und mit Vertretungsmacht für den Nachlass auch Verfügungen über den Nachlass getroffen werden (z.B. Kündigung von Verträgen, Übereignung von Nachlassgegenständen, Einziehung von Forderungen etc.); mit anderen Worten, welche Reichweite hat
§ 2040 BGB ? - In vielen Fällen verauslagen einzelne Miterben Kosten für das Verwaltungshandeln zunächst aus eigenen privaten Mitteln. Unter welchen Voraussetzungen müssen sich die anderen Miterben an diesen Kosten beteiligen? Gilt dies auch für überstimmte Miterben? Gilt dies auch, wenn kein wirksamer Beschluss vorliegt, aber Aufwendungen nachweislich für den Nachlass getätigt wurden? Welche rechtlichen Rückgriffsansprüche bestehen?
- Typisches Problem: Was ist, wenn von mehreren Miterben ein Miterbe die im Nachlass befindliche Immobilie (Haus, Garage, Garten etc.) bewohnt oder allein nutzt? Können die anderen Miterben dann von dem allein nutzenden Miterben Ersatz für diese Nutzung verlangen? Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen? Dieses Problem wird bei der Kommentierung von
§ 2039 BGB exemplarisch behandelt werden.
31. Was ist noch Verwaltungsmaßnahme? Was ist schon (Teil-) Auseinandersetzung?
Zentral ist zunächst die Einordnung einer Handlung als Maßnahme der Verwaltung. Von
Der Begriff der Verwaltung selbst ist gesetzlich nicht definiert und stark rechtsprechungsgeprägt, wird jedoch weit verstanden und ausgelegt. Er erfasst alle Maßnahmen zur Verwahrung, Sicherung, Erhaltung und Vermehrung des Nachlasses sowie zur Gewinnung der Nutzungen und Bestreitung der laufenden Verbindlichkeiten.BGH, Urteil vom 11. November 2009 – XII ZR 210/05. Auch Verfügungen über Nachlassgegenstände können Verwaltungsmaßnahmen sein.vgl. BGH, Urteil vom 28. September 2005 – IV ZR 82/04; BGH, Urteil vom 11. November 2009 – XII ZR 210/05. Kurz und prägnant ausgedrückt: Verwaltung kann alles sein, was den Status Quo des Erblasservermögens sichert, wie es im Zeitpunkt des Erbfalls bestanden hat; Verwaltungshandeln ist daher in erster Linie Bewahrungshandeln.So sehr treffend und anschaulich (fast wortgleich) formuliert bei Ann, Die Erbengemeinschaft, S.14.
Demgegenüber sind Maßnahmen der Auseinandersetzung auf die Auflösung des Nachlasses ausgerichtet.Vgl. BGH, Urteil vom 28. September 2005 – IV ZR 82/04; Burandt/Rojahn/Flechtner, Erbrecht,
Teilweise wird vertreten, Maßnahmen, welche die Erbauseinandersetzung lediglich vorbereitenSo andeutungsweise in BGH, Urteil vom 28. September 2005 – IV ZR 82/04 – Rn.14, zitiert nach Juris; vgl. zu dieser Problematik auch die lesenswerte Entscheidung des Kammergerichts mit Urteil vom 01. August 2012 – 21 U 169/10 –, in dem das Kammergericht eine Teilungsversteigerung für unzulässig erachtete, da Intention der betriebenen Teilungsversteigerung nicht die Erbauseinandersetzung gewesen sein soll; vgl. hierzu auch Fleischer, ErbR 2014, 212. noch der Verwaltung des Nachlasses gemäß
42. Wer entscheidet über eine Verwaltungsmaßnahme?
a) Arten der Verwaltung
Die Norm des
Es werden drei Arten der Verwaltung unterschieden:
Die ordnungsgemäße Verwaltung, die außerordentliche Verwaltung und die Notgeschäftsführung.
Für Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung reicht eine Stimmenmehrheit aus (Mehrheitsprinzip), z.B. zur Vermietung von Wohnungen in einem im Nachlass befindlichen Mehrfamilienhaus. Außerordentliche Verwaltungsmaßnahmen erfordern die Zustimmung aller Miterben (Einstimmigkeit), z.B. der Abriss des im Nachlass befindlichen Mehrfamilienhauses. Notwendige Verwaltungsmaßnahmen kann jeder Miterbe alleine treffen (Notgeschäftsführung), z.B. Reparatur des sturmbeschädigten Daches des Mehrfamilienhauses. Die Grenzen sind auch hier nicht immer klar definiert, die Bereiche gehen teilweise ineinander über. Die Art der Verwaltung ist regelmäßig anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen: Musste das Dach als Eilmaßnahme abgedichtet werden, um konkret erwartbare Beschädigungen an Gebäude und Eigentum durch eindringendes Wasser zu vermeiden, handelt es sich um eine Notgeschäftsführung. Hätte hingegen wegen einer ohnehin bestehenden Trockenperiode hierüber noch durch die Miterben befunden werden können, dann gilt – jedenfalls bei der Eingehung erheblicher Verpflichtungen – das Mehrheitsprinzip.BGH, Urteil vom 08. Mai 1952 – IV ZR 208/51; OLG Hamm, Beschluss vom 13. November 1984 – 14 W 200/84.
5b) Herbeiführung der einer Verwaltungsmaßnahme zugrundeliegenden Beschlussfassung der Erbengemeinschaft
Das Recht der Erbengemeinschaft nach §
63. Wer wird durch das Verwaltungshandeln verpflichtet?
Das Recht der Erbengemeinschaft trifft – anders als im Vereins- und Gesellschaftsrecht – keine Unterscheidung zwischen der Geschäftsführung im Innenverhältnis der Miterben zueinander und der Vertretung im Außenverhältnis gegenüber Dritten. Es stellt sich daher die Frage, mit wem der Vertrag zustande kommt, wenn nur einer oder mehrere der Miterben beispielsweise einen Handwerker beauftragen. Wären dann alle Miterben aus dem Werkvertrag mit dem Handwerker verpflichtet? Da das Gesetz zwischen Innen- und Außenverhältnis im Erbrecht keine Unterscheidung trifft, erfasst der Begriff der Verwaltung und das jeweils daran gekoppelte Abstimmungserfordernis (Einstimmigkeit, Mehrheitsprinzip oder Notgeschäftsführung durch Miterben) sowohl die Beschlussfassung, über die eine Maßnahme legitimiert wird, als auch deren Ausführung nach außen. Mit anderen Worten: Deckt das Abstimmungsergebnis das jeweilige Abstimmungserfordernis, werden durch die Maßnahme (z.B. Beauftragung eines Dachdeckers) alle Miterben verpflichtet, jedenfalls dann, wenn der Handelnde sein Handeln für den Nachlass nach außen hin deutlich macht. Es besteht ein Gleichlauf zwischen der Geschäftsführungsbefugnis im Innenverhältnis und der Vertretungsmacht von tätig werdenden Miterben im Außenverhältnis.HK-BGB/Thomas Hoeren, BGB,
74. Verfügungsgeschäfte als Verwaltungsmaßnahmen, z.B. Kündigung von Verträgen, Übereignung von Nachlassgegenständen, Einziehung von Forderungen
Abgrenzungsschwierigkeiten bzw. Überschneidungen entstehen bei Verwaltungsmaßnahmen vielfach zu
85. Rückgriffsansprüche von Miterben für die Verauslagung von Kosten aus dem Verwaltungshandeln
Typische Streitfälle vor Gericht betreffen die Frage, wer die Kosten infolge des Handelns von Miterben bzw. eines ermächtigten Dritten zu tragen hat. Welcher der Miterben muss sich im Innenverhältnis der Miterben untereinander an den entstandenen Kosten (z.B. Sanierungskosten, Kosten eines verloren gegangenen Prozesses, Kosten einer Kreditierung etc.) beteiligen? Dies ist der für die Praxis wohl häufigste Anwendungsbereich des
Sind kumulativ alle Voraussetzungen des
Expertenhinweise
(für Juristen)
1) Allgemeines
9Die Vorschrift des
2) Definitionen
10a) Begriff der Nachlassverwaltung / Abgrenzung zur Auseinandersetzung
Die Anwendbarkeit des
11Abzugrenzen ist die Verwaltung im Sinne der
12Praxistipp: Um späteren Beweisschwierigkeiten zu begegnen, bietet es sich an, die mit der Maßnahme verfolgte Intention bereits in dem die Verwaltungsmaßnahme legitimierenden Beschluss der Erbengemeinschaft deutlich hervorzuheben.
13Typische Beispiele für Verwaltungsmaßnahmen sind: Reparaturen und AusbautenOLG Düsseldorf MDR 1947, 289, Inbesitznahme und BesitzausübungBGH, Urteil vom 20. Mai 1987 – IVa ZR 42/86, Vermietung und Verpachtung von Nachlassgegenständen, Einziehung von NachlassforderungenBGH, Urteil vom 18. November 1966 – IV ZR 235/65; BGH, Urteil vom 19. September 2012 – XII ZR 151/10, Kündigung von Rechtsverhältnissenvgl. BGH, Urteil vom 28. April 2006 – LwZR 10/05; BGH, Urteil vom 11. November 2009 – XII ZR 210/05; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 24. August 2011 – 13 U 56/10; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 18. September 2014 – 3 U 82/13, Begleichung laufender Nachlassverbindlichkeiten, aber auch die Anmietung von Lagern, die Sanierung und Modernisierung von Gebäuden, die Auslösung von verpfändeten Nachlassgegenständen. Das Anwendungsfeld ist weit und facettenreich.
14b) Arten der Verwaltung / Mitwirkungserfordernisse
15aa) Außerordentliche Verwaltung
Außerordentliche Verwaltungsmaßnahmen erfordern die Zustimmung aller Miterben. Hierunter fallen nach einem Ausschlussprinzip alle Maßnahmen, die weder zur ordnungsgemäßen Verwaltung gehören, noch Notgeschäftsführung sind. In der Praxis ist die gemeinschaftliche Verwaltung – auch wenn das Gesetz diese in
16Diskutiert wird die Frage, ob eine wesentliche Veränderung des Nachlasses vorliegt, immer wieder bei der Veräußerung von Grundbesitz, der in den Nachlass fällt.vgl. BGH, Urteil vom 28. September 2005 – IV ZR 82/04; OLG München, Urteil vom 19. Oktober 2006 – 8 U 1729/06 Der Bundesgerichtshof hat in einem Fall der Veräußerung eines Ferienhauses keine wesentliche Veränderung des Nachlasses gesehen, sondern lediglich eine von
17Maßnahmen außerordentlicher Verwaltung sind z.B. die Fortführung eines Handelsgeschäfts wegen der damit verbundenen persönlichen Haftung aller Erben gemäß
18bb) Ordnungsgemäße Verwaltung
Für Maßnahmen innerhalb der ordnungsgemäßen Verwaltung genügt gemäß
19Problem: Ist zusätzlich das Kriterium der „Erforderlichkeit der Maßnahme“ notwendig?
Umstritten ist, ob zusätzlich zu dem Kriterium der Ordnungsgemäßheit der Verwaltungsmaßnahme als weitere selbstständige Voraussetzung die Erforderlichkeit der Maßnahme erfüllt sein muss. Der Streit entsteht dadurch, dass es einerseits
Die Auslegung des Gesetzes – und dies, meinen wir, ist der richtige Ansatz – gibt jedoch her, zwischen Mitwirkungspflicht des einzelnen Miterben einerseits, und der Handlungs- bzw. Verpflichtungsberechtigung der Mehrheit der Miterben andererseits zu unterscheiden. Das heißt, die Erbengemeinschaft kann mit der Mehrheit ihrer Stimmen beschließen (
Will man jedoch, entgegen der hier vertretenen Auffassung, bereits für die Beschlussfassung selbst das Merkmal der Erforderlichkeit aufstellen, dann wird man den Begriff der Erforderlichkeit zumindest weiter als den der Notwendigkeit verstehen müssen, z.B. im Sinne von für den Nachlass interessengerecht oder vorteilhaft.
Praxistipp: Solange dies in der obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht verbindlich geklärt ist, sollte immer auch zur Voraussetzung der Erforderlichkeit vorgetragen werden.Vgl. hierzu auch Wendt, ErbR 2015, 196, 197. Genaue Vorgaben gibt es hierzu nicht. Die Tatsachen, die die Ordnungsgemäßheit der Verwaltungsmaßnahme tragen, werden in der Regel dann jedoch auch diejenigen sein, die die Erforderlichkeit der Maßregel stützen müssen.
20Beispiele für Maßnahmen ordnungsgemäßer Verwaltung sind Reparatur- und Ausbauarbeiten, Benutzungsregelung für Nachlassgegenstände,BGH, Urteil vom 24. Juni 1968 – III ZR 109/65 Begleichung laufender Verbindlichkeiten,OLG Celle, Urteil vom 30. Januar 2003 – 6 U 106/02 Abschluss und Kündigung von Mietverhältnissen,BGH, Urteil vom 19. September 2012 - XII ZR 151/10; BGH, Urteil vom 11. November 2009 - XII ZR 210/05Einziehung einer Nachlassforderung,BGH, Urteil vom 19. September 2012 - XII 151/10 ausnahmsweise die Errichtung eines gemeinsamen Kontos der Erbengemeinschaft,BGH, Urteil vom 19. September 2012 - XII ZR 151/10 u.U. Veräußerung eines Grundstücks, soweit darin keine wesentliche Veränderung zu sehen ist.BGH, Urteil vom 28. September 2005 - IV ZR 82/04
21cc) Notwendige Verwaltung
Nach
22Beispiele für notwendige Verwaltungsmaßnahmen sind unaufschiebbare Reparaturmaßnahmen an einem Haus,BGH, Urteil vom 08. Mai 1952 – IV ZR 208/51 die Anfechtungsklage gegen den Gesellschafterbeschluss einer GmbH,BGH, Urteil vom 12. Juni 1989 – II ZR 246/88 die Anfechtung eines die Erbengemeinschaft rechtswidrig belastenden Verwaltungsaktes einschließlich der Klage dagegenBVerwG, Beschluss vom 20. Oktober 1997 – 7 B 248/97 und sonstige fristgebundene Klagen, wenn nur durch sie ein zum Nachlass gehörendes Recht erhalten werden kann.vgl. zur Gemeinschaft, dort gestützt auf den
23dd) Beschlussfassung (Innenverhältnis)
Das Gesetz verzichtet im Gegensatz zu anderen Gesamthandsgemeinschaften wie der GbR, der OHG oder der KG auf eine Unterscheidung zwischen der das Innenverhältnis betreffenden Führung der Geschäfte (z.B. durch die Gesellschafter, vgl.
Maßnahmen der ordnungsgemäßen und außerordentlichen Verwaltung, die gemäß
24(1) Beschlussfassung bei Maßnahmen der 'Ordnungsgemäßen Verwaltung'
Für Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung ist gemäß
Für das Verfahren zum Zustandekommen eines Beschlusses der Erbengemeinschaft, insbesondere hinsichtlich der äußeren Form, sieht das Gesetz keine speziellen Regelungen vor. Die für den Verein geltenden Regelungen der §
Dies greift zu kurz und vermag nicht zu überzeugen. Auch wenn es an konkreten Regelungen hinsichtlich der Beschlussfassung fehlt, so hat doch jeder Miterbe einen Anspruch auf angemessene Teilhabe an der Willensbildung und dem Willensbildungsprozess. Jeder Miterbe muss die Gelegenheit haben, sich angemessen zu informieren, abweichende Ansichten zu vertreten und zu begründen und hierdurch den Willensbildungsprozess ggf. maßgeblich zu beeinflussen. Die überwiegende Auffassung in Literatur und Rechtsprechungvgl. BGH, Urteil vom 29. März 1971 – III ZR 255/68 m.w.N. gesteht den Miterben zwar auch ein Anhörungsrecht vgl. die Nachweise bei Muscheler, ZEV 1997, 169, 173; anders dann aber Muscheler selbst in ZEV 1997, 222, 231, wonach die Nichtanhörung als Verfahrensverstoß stets relevant zur Unwirksamkeit des Mehrheitsbeschlusses führen soll. zu, knüpft hieran jedoch mit Blick auf die Wirksamkeit des Beschlusses keine nennenswerten Konsequenzen. Nach der überwiegenden Auffassung soll die Unterlassung der Anhörung eines Miterben nicht zur Ungültigkeit des Mehrheitsbeschlusses führen; ein Verstoß könne lediglich Schadensersatzansprüche auslösen. Dieser Ansatz widerspricht jedoch jedem Leitbild eines kollektiven Willensbildungsprozesses. Die kollektive Willensbildung erschöpft sich gerade nicht in einer einfachen Stimmenabgabe, sondern ist maßgeblich durch einen (ggf. regen) Informationsaustausch, durch Interaktion und Argumentation geprägt, in dessen Rahmen der Willensentschluss und die Entscheidung, in eine bestimmte Richtung zu votieren, typischerweise erst heranreift.Vgl. OLG Dresden, Urteil vom 1. April 2004 – 7 U 1160/03 – dort zur Umgehung des Willensbildungsprozesses in der Erbengemeinschaft durch einen Regress über die Vorschriften der GoA; das OLG ist in diesem Verfahren unserer Argumentation gefolgt; ebenso LG Berlin, Urteil vom 29. Juni 2006 – 23 O 708/04
Die Argumente, die pauschal von der herrschenden Meinung genannt werden, Rechtssicherheit und Verkehrsschutz (der Verkehr sei schutzwürdig, da er regelmäßig keinen Einblick in die inneren Angelegenheiten der Erbengemeinschaft und das Zustandekommen des Mehrheitsbeschlusses habevgl. BGH, Urteil vom 29. März 1971 – III ZR 255/68 m.w.N.) überzeugen nicht, und zwar aus zwei Gründen:
Zum einen ist der Rechtsverkehr nicht schutzlos gestellt, da er bei Handeln einzelner Miterben auf Grundlage eines unwirksamen Beschlusses hinreichend über die Vorschrift des
Zum anderen besteht ein schutzwürdiges Vertrauen des Vertragspartners immer erst dann, wenn ein hinreichender Rechtsschein ordnungsgemäßen Handelns gesetzt ist, auf dessen Richtigkeit der Verkehr vertrauen kann und darf. Fehlt es an einem Rechtsscheinträger bzw. an einem zurechenbar gesetzten Rechtsschein ordnungsgemäßen Handelns, besteht auch keine Veranlassung, den Schutz des Rechtsverkehrs über den des übergangenen Miterben zu stellen. Mit anderen Worten ist der Verkehr ausreichend durch die anerkannten Rechtsscheinfälle geschützt.Vgl. hierzu auch MüKo/Schmidt,
Im Übrigen kann das Bestehen einer Anhörungspflicht bzw. eines Anhörungsrechts auch dem Grundansatz des
Ein unwirksamer Beschluss entfaltet im Innenverhältnis keine Bindungswirkung und darf nicht ausgeführt werden.Vgl. Muscheler, ZEV 1997, 222, 231 Er verleiht im AußenverhältnisZum Außenverhältnis gleich unter Rn. 28 nach hiesiger Auffassung gerade keine Vertretungsmacht.Vgl. auch Muscheler, ZEV 1997, 222, 231; MüKo/Schmidt,
25(2) Beschlussfassung zu Maßnahmen der 'Außerordentliche Verwaltung'
Auch im Rahmen der außerordentlichen Verwaltung ist im Innenverhältnis zunächst ein wirksamer Beschluss der Erben erforderlich. Dieser setzt jedoch Einstimmigkeit der Erben voraus. Hinsichtlich des Zustandekommens und der Wirksamkeit des Beschlusses gelten die Ausführungen zur ordnungsgemäßen Verwaltung entsprechend. Wird Einstimmigkeit nicht erzielt, ist der Beschluss nach einhelliger Auffassung nichtig und kann nicht Grundlage für ein Handeln nach außen sein.Palandt/Weidlich,
26(3) Keine Beschlussfassung erforderlich bei Maßnahmen der 'Notwendigen Verwaltung'
Das Recht des Miterben, nach
27ee) Prozessuales
Die Unwirksamkeit eines Beschlusses kann, unabhängig davon, woraus diese folgt, nach allgemeiner Auffassung durch Feststellungsklage gemäß
Die Klage ist gegen sämtliche Miterben zu richten, da ein Fall der notwendigen Streitgenossenschaft gemäß
28c) Außenverhältnis - Verpflichteter, Berechtigter
aa) Rechtsträger
Aus den die Verwaltungsmaßnahmen betreffenden Geschäften werden nur die einzelnen Miterben berechtigt und verpflichtet, nicht die Erbengemeinschaft als Personenmehrheit. Die Erbengemeinschaft hat in ihrer Gesamtheit keine eigene Rechtspersönlichkeit; sie ist selbst nicht (teil-) rechtsfähig und nicht parteifähig.st. Rspr. BGH, Urteil vom 21. Dezember 1988 – VIII ZR 277/87; Urteil vom 11. September 2002 – XII ZR 187/00; Beschluss vom 16. März 2004 - VIII ZB 114/03; Beschluss vom 17. Oktober 2006 – VIII ZB 94/05; Staudinger/Werner, BGB,
Zwar hat der Bundesgerichtshof für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts – auch diese ist Personenmehrheit mit gesamthänderisch gebundenen Vermögen wie die Erbengemeinschaft – mit seinem Urteil vom 29. Januar 2001BGH, Urteil vom 29. Januar 2001 – II ZR 331/00 anerkannt, dass die am Markt auftretende Außen-GbR in entsprechender Anwendung des Rechts der OHG (
Anders kann dies durchaus dann gesehen werden, wenn in den Nachlass ein Unternehmen fällt und die Miterben dies zu Erwerbszwecken dauerhaft fortführen.So auch Karsten Schmidt, NJW 1985, 2785, 2788 Bereits in den fünfziger Jahren hat der Bundesgerichtshof für den Fall der Fortführung eines ererbten Handelsunternehmens durch die Miterben – dort über einen Zeitraum von 17 Jahren – anerkannt, dass zumindest im Innenverhältnis der Miterben untereinander das Recht der OHG in entsprechender Anwendung heranzuziehen sei.Vgl. BGH, Urteil vom 21. Mai 1955 – IV ZR 7/55 Begründet hat er dies damit, dass sich durch die Fortführung des Unternehmens zu Erwerbszwecken das Wesen der Erbengemeinschaft als Abwicklungsgemeinschaft ändere. Das Verhältnis der Erben zueinander nehme durch die Fortführung des Unternehmens einen überwiegend gesellschaftsrechtlichen Charakter an.Vgl. BGH, Urteil vom 21. Mai 1955 – IV ZR 7/55 Dem ist zuzustimmen, denn die Gesamthand ist jedenfalls mit Blick auf das Unternehmen dann nicht mehr auf Abwicklung und Auseinandersetzung ausgerichtet, sondern auf eine dauerhafte Tätigkeit am Markt. Insoweit ist die Erbengemeinschaft dann doch mit einer unternehmenstragenden Personengesellschaft (GbR oder OHG) vergleichbar. Eine entsprechende Anwendung der für die Außen-GbR oder OHG geltenden Rechtssätze erscheint daher für diesen Fall auch für das Außenrecht der Erbengemeinschaft gerechtfertigt; zumindest mit Blick auf die Rechts- und Parteifähigkeit sowie auf die Handlungsorganisation, insbesondere die Vertretung. Dies dürfte vor allem auch mit Blick auf
Zumindest für den Fall der Fortführung von ererbten Unternehmen durch die Miterben erscheint es daher vorzugswürdig, das Handeln bestimmende Innen- und Außenrecht der werbenden Personengesellschaften – bei Kleingewerbe das Recht der Außen-GbR und bei Handelsgewerbe das Recht der OHG – auch auf die Erbengemeinschaft anzuwenden und dieser dann insoweit auch die Rechtsfähigkeit zuzusprechen. Soweit dem entgegengehalten wird, dass es den Erben unbenommen bliebe, eine Gesellschaft zu gründenVgl. Muscheler, Erbrecht, Bd. II, Rn. 3855, greift dies zu kurz. Zum einen dürfte dies bei Streitpunkten unter den Miterben über die Ausgestaltung – trotz der für die einzelnen Miterben ggf. wegen
29bb) Stellvertretung
Sind Rechtsträger nur die einzelnen Miterben und gerade nicht die Erbengemeinschaft mit einer eigenen Handlungsorganisation bzw. vertretungsberechtigten Organen, stellt sich die Frage, wie die Erben aus Verwaltungsmaßnahmen konkret berechtigt und verpflichtet werden können. Fehlt es an der Rechtsfähigkeit der Erbengemeinschaft, müssen es die Erben selbst sein, die handeln bzw. für die gehandelt wird. Es bedarf für die Rechtswirksamkeit der für die Miterben getätigten Geschäfte einer gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht.Vgl. Muscheler, Erbrecht, Bd. II, Rn. 3860
Es ist daher anerkannt, dass
30(1) Stellvertretung bei Maßnahmen der 'Ordnungsgemäßen Verwaltung'
Ein wirksamer Mehrheitsbeschluss der Miterben wirkt danach auch im Außenverhältnis und berechtigt zur Ausführung des Beschlusses auch ohne Mitwirkung der übrigen bzw. der überstimmten Miterben, und zwar auch mit Wirkung für und gegen die überstimmten Miterben.BGH, Urteil vom 29. März 1971 – III ZR 255/68; MüKo/Gergen,
Wegen des in
Praxistipp: Bei der Vertretung und für den Abschluss von Verträgen sollte zwingend darauf geachtet werden, dass für den Vertragspartner deutlich wird, dass das Handeln für die Erben mit Blick auf den Nachlass erfolgt und ein Einstehen mit dem Privatvermögen nicht gewollt ist.
Wird dies versäumt, besteht die Gefahr, dass Eigenverbindlichkeiten der handelnden Miterben entstehen, für die sie auch mit ihrem eigenen privaten Vermögen – und nicht nur mit dem Nachlassvermögen – einstehen müssen. Die Miterben haften demgegenüber nicht mit ihrem Eigenvermögen, wenn sie erkennbar nur für den Nachlass als Sondervermögen handeln und der Vertragspartner darauf eingeht.BGH, Urteil vom 25.03.1968 - II ZR 99/65 Dafür, dass eine Beschränkung erfolgt ist, tragen die Miterben im Streitfall die Beweislast.MüKo/Gergen,
Nach vereinzelter Auffassung sei es sogar ausreichend, und eine alle Miterben bindende Nachlassverbindlichkeit entstünde auch dann, wenn der Handelnde nicht offenlegt, dass er für den „Nachlass“ handle bzw. für die anderen Miterben. Allein durch das Handeln eines Einzelnen entstehe eine Nachlassverbindlichkeit aller Miterben, wenn das Rechtsgeschäft vom Standpunkt eines sorgfältigen Verwalters in ordnungsmäßiger Verwaltung des Nachlasses eingegangen seimissverständlich insoweit BGH, Urteil vom 10. Februar 1960 – V ZR 39/58 –, in dem auf das Erfordernis der Offenkundigkeit nicht eingegangen ist; sowie RG, Urteil vom 26. März 1917 – IV 398/16 –, wonach es nicht „entscheidend darauf ankommt, ob die Verbindlichkeit ausdrücklich für den Nachlass übernommen ist oder die Beziehung zum Nachlass dem Geschäftsgegner erkennbar gemacht ist“. oder ein entsprechender Mehrheitsbeschluss vorliege.MüKo/Gergen,
Denkbar ist, das Offenkundigkeitserfordernis in Anlehnung an die Grundsätze des unternehmensbezogenen GeschäftsVgl. hierzu etwa Karsten Schmidt, NJW 1985, 2785, 2789 für den Fall der unternehmenstragenden Erbengemeinschaft. oder den Grundsätzen des Geschäfts für den, den es angeht, zu lockern oder ganz darauf zu verzichten. Der mit dem Offenkundigkeitsprinzip bezweckte Schutz des Rechtsverkehrs würde von einer solchen Lockerung nicht tangiert werden, denn im Ergebnis haften gegenüber dem Nachlassgläubiger dann neben dem Handelnden zusätzlich noch die übrigen Miterben bzw. der ganze Nachlass. Der Verkehr erhält also weitere Schuldner dazu. Will man mit dieser Begründung auf die Offenlegung verzichten, wird man dann aber zumindest fordern müssen, dass zum Schutz der Miterben eine den Handelnden legitimierende Handlungskompetenz bzw. Vertretungsmacht (z.B. ein Mehrheitsbeschluss gemäß
31(2) Stellvertretung bei Maßnahmen der 'Außerordentliche Verwaltung'
Im Außenverhältnis ist im Rahmen der außerordentlichen Verwaltung ein einvernehmliches Auftreten erforderlich.MüKo/Gergen,
32(3) Stellvertretung bei Maßnahmen der 'Notwendigen Verwaltung'
Das Notverwaltungsrecht berechtigt den einzelnen Miterben nach außen zur Vertretung auch der anderen Miterben.BeckOK BGB/Ilse Lohmann BGB
Art und Umfang der einzelnen Maßnahmen sind dabei von dem Standpunkt eines vernünftig und wirtschaftlich denkenden Beurteilers aus zu entscheiden. Abzustellen ist dabei auf den Zeitpunkt, in dem die Handlung vorgenommen werden soll oder vorgenommen ist.BGH, Urteil vom 08. Mai 1952 – IV ZR 208/51 Dabei sind die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse zu berücksichtigen. Zu berücksichtigen ist ferner, ob und in welchem Umfang die erforderlichen Mittel aus dem Nachlass zur Verfügung gestellt werden können.BGH, Urteil vom 08. Mai 1952 – IV ZR 208/51; MüKo/Gergen,
Die von dem handelnden Miterben begründeten Verpflichtungen sind in der Regel sowohl Eigenverbindlichkeiten als auch Nachlassverbindlichkeiten. Zur Vermeidung einer Haftung mit dem eigenen Vermögen hat der einzelne Miterbe jedoch die Möglichkeit, die Haftung durch ausdrückliche oder stillschweigende Ausschlussvereinbarung auf den Nachlass zu beschränken.Vgl. BeckOK BGB/Ilse Lohmann BGB
33cc) Prozessuales
Gemäß
Auch sonst kann die Mitwirkungspflicht im Klageweg erzwungen werden.Vgl. LG Gießen, Urteil vom 12. Dezember 2012 – 1 S 384/11: Zustimmung zur Einrichtung eines Kontos für die Erbengemeinschaft; Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 12. Juli 2007 – 8 U 515/06: Erklärung der Auflassung; OLG Koblenz, Versäumnisurteil vom 22. Juli 2010 – 5 U 505/10: Genehmigung einer Grundstücksveräußerung; Den Anspruch auf Mitwirkung kann gemäß
So hatte sich das OLG DüsseldorfVgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 16. Februar 2018 – I-7 U 59/16. mit der Haftung die Mitwirkung verweigernden Miterben am freihändigen Verkauf von Nachlassimmobilien zu beschäftigen. Grund war die Rückführung fälliger grundpfandrechtlich gesicherter Kreditverbindlichkeiten des Erblassers. Deren Bedienung – ordnungsgemäße Nachlassverwaltung ist eben auch die Rückführung fälliger Nachlassverbindlichkeiten – war mit Mitteln der Erbschaft nur aus der Veräußerung von Nachlassimmobilien zu erreichen. Die Mitwirkung an der Veräußerung einzelner Nachlassimmobilien – in diesem Fall zwei von zehn Immobilien – hatten jedoch einzelne Miterben verweigert bzw. unterlassen. Losgelöst davon, dass der grundbuchrechtliche Vollzug nur durch die Miterben gemeinschaftlich erfolgen kannVgl. unten Kommentierung von
Ein weiterer Schaden war dadurch angelegt, dass mit einem anderen Gläubiger durch Verweigerung der Zustimmung zu einer Überweisung kein günstiger Vergleich geschlossen werden konnte, dessen Zahlbetrag weit unter der Nachlassverbindlichkeit lag.
Haftungsgrundlage war für beide Fälle
Da die Mitwirkungspflicht nur unter den Miterben besteht, hat ein Dritter keinen unmittelbar gegen den Miterben durchsetzbaren Anspruch auf Erfüllung der Mitwirkungspflicht aus
34d) Verfügungen – Verhältnis von § 2038 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB zu § 2040 Abs. 1 BGB
Im Rahmen des Regelungsbereichs von
Nach traditioneller Auffassung geht
Gerade mit Blick auf diese Schutzrichtung zeigt sich jedoch bei genauerer Betrachtung, dass ein Konflikt zu
„Deshalb ist es ebenfalls zweifelhaft, ob die von dem überwiegenden Teil des Schrifttums und von dem Bundesgerichtshof vertretene Ansicht zutrifft, auch Verfügungen im Rahmen ordnungsmäßiger Nachlassverwaltung müssten immer von sämtlichen Miterben gemeinschaftlich vorgenommen werden. Auch sie berücksichtigt nicht ausreichend den mit der Vorschrift des
Dieser Rechtsprechungswechsel erklärt sich vor allem aus dem Schutzzweck des
„Daraus folgt, dass Kündigungen, die dem Interesse des einzelnen Miterben an der Werterhaltung des Nachlasses nicht gerecht werden, mithin zu einer Entwertung des Nachlasses führen, keine ordnungsgemäße Verwaltung darstellen können (vgl. auch Soergel/M. Wolf aaO
Eine Verfügung, die den Nachlass entwertet, ist nicht Maßregel der ordnungsgemäßen Verwaltung und andersherum ist eine Verfügung, die der Verwahrung, Sicherung, Erhaltung oder Vermehrung sowie zur Gewinnung der Nutzung oder der Bedienung von Nachlassverbindlichkeiten dient, keine die Miterben beeinträchtigende Verfügung. Ist die Verfügung nicht von
Zu diesem Hauptansatz, warum
Zum einen bietet die Auffassung, wonach
Zum anderen sind die überstimmten Minderheitserben weiterhin geschützt, denn es bleibt ihnen auch nach Vornahme der Verfügung belassen, die Wirksamkeit des Mehrheitsbeschlusses gerichtlich (z.B. durch Feststellungsklage gemäß
35Aktuell wird man jedoch noch zu beachten haben, dass sich die voraufgezeigte Tendenz in der ober- und bundesgerichtlichen Rechtsprechung noch nicht in Gänze durchgesetzt hat. Bejaht wurde dies bisher vor allem für Kündigungen von DauerschuldverhältnissenVgl. BGH, Urteil vom 28. April 2006 – LwZR 10/05 – Kündigung eines Pachtverhältnisses; BGH, Urteil vom 11. November 2009 – XII ZR 210/05 – Kündigung eines Mietverhältnisses; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 24. August 2011 – 13 U 56/10 – Kündigung eine Girovertrages bzw. Sparkontos; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 18. September 2014 – 3 U 82/13 – Kündigung eines Darlehens; bestätigt durch BGH, Beschluss vom 03.12.2014 – IV ZA 22/14; und die Einziehung von NachlassforderungenBGH, Urteil vom 19. September 2012 – XII ZR 151/10. Ob diese Rechtsprechung auch auf Fälle der Veräußerung von Nachlassgegenständen ausgeweitet wird, bleibt abzuwarten. Denn tragendes weiteres Argument für den Rechtsprechungswechsel ist bisher immer auch, dass nicht einzusehen sei, warum die Mehrheit der Erben über
Praxistipp: Es dürfte heute gefestigte Rechtsprechung sein, dass die Ausübung von Gestaltungsrechten durch Mehrheitsbeschluss wirksam ist und nicht mehr dem Einstimmigkeitserfordernis des
Soweit ersichtlich, bestehen für eine Übertragung dieser Rechtsprechung auf „echte“ Verfügungsgeschäfte derzeit kontroverse Auffassungen.
36Jedenfalls für den Fall der Löschung von Grundpfandrechten hat das OLG Hamm in einem Beschluss vom 5. Februar 201415 W 1/14 die Anwendung des
Diese Rechtsprechung dürfte für andere grundbuchrechtliche Vorgänge (Bestellung von Grundpfandrechten, Veräußerung von Grundstücken, etc.) in gleichem Maße Geltung beanspruchen.
Diese Sicht der Dinge wird durch einen weiteren Beschuss des OLG München vom 3. August 2018Vgl. OLG München, Beschluss vom 3. August 2018 – 34 Wx 196/18. gestützt, mit dem vor allem die praktischen Problem deutlich werden, die materielle Rechtslage mit öffentlichen Urkunden abzubilden, wie es
- weder durch die notarielle Urkunde selbst erbracht, wenn nicht sämtliche Miterben daran beteiligt sind. Die notarielle Urkunde vermag nichts dafür herzugeben, dass der Handelnde mit Bindung für sämtliche Mitglieder der Erbengemeinschaft die Auflassung erklärt hat,
- noch kann die Urkunde Nachweis darüber erbringen, dass es sich bei der Abveräußerung um eine ordnungsgemäße Mehrheitsverwaltung handelt, die durch
§ 2038 Abs. 2 i.V.m.§ 745 Abs. 1 BGB gedeckt sind. Behauptungen oder rechtliche Bewertungen der Beteiligten in einer Urkunde ersetzen den Nachweis, dass die Voraussetzungen tatsächlich vorliegen, gerade nicht. Mögen diese Behauptungen, es habe eine Beschlussfassung gegeben, und die Einschätzung, es liege ein Fall der Mehrheitsverwaltung vor, auch Eingang in eine notarielle Urkunde finden, sind es eben trotzdem nur Behauptungen und rechtliche Einschätzungen der Beteiligten. Der Nachweis, dass die Voraussetzungen erfüllt sind, ist hierdurch jedenfalls nicht liquide erbracht. - Ähnlich verhält es sich mit verfahrensfremden Genehmigungsgegenständen, die in öffentliche Urkunden Eingang gefunden haben. Eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung gibt nur Auskunft darüber, dass die Genehmigung erfolgt ist. Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen kann nur entnommen werden, dass auf Grundlage eines ggf. in einer notariellen Urkunde titulierten Zahlungsanspruchs die Zwangsvollstreckung betrieben wird, für die Auflassung eines Grundstücks kann dem indessen nichts entnommen werden.
- Auch privatschriftliche Beschlussfassungen, die im Nachgang notariell beglaubigt sind, vermögen keine Auskunft und Nachweis über deren Zustandekommen und die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Mehrheitsverwaltung geben.
Kurzum: Die Voraussetzungen und die Erfüllung der Anforderungen der ordnungsgemäßen Mehrheitsverwaltung gemäß
Anmerkung: Ob dies bei einer sogenannten Tatsachenbeurkundung durch einen Notar ggf. anders gesehen wird, kann an der Stelle nicht letztverbindlich gesagt werden. Dafür spricht jedoch einiges, da dann lediglich noch der rechtliche Schluss unter die protokollierten Tatsachen fehlt und dieser – meinen wir – kann auch von einem Grundbuchamt erwartet werden.
37e) Aufwendungsersatzansprüche und Kostenersatz für Verwaltungshandeln von Miterben; Regress
Der Rückgriff der Miterben untereinander für getätigte Verwaltungsmaßnahmen und von ihnen verauslagter Kosten ist vielfältig und hängt im Einzelfall davon ab, ob das Handeln im Innen- wie im Außenverhältnis von
- der handelnde Miterbe ist im Innenverhältnis durch einen Mehrheits- bzw. gemeinschaftlichen Beschluss aller Miterben oder nach
§ 2038 Abs. 1 S. 2 HS. 2 BGB (Notverwaltung) legitimiert und handelt nach außen ausdrücklich für alle Miterben; - der handelnde Miterbe ist im Innenverhältnis legitimiert, tritt nach außen aber allein auf;
- der handelnde Miterbe überschreitet seine Befugnis im Innenverhältnis bzw. holt nicht die erforderliche Zustimmung der übrigen Miterben ein.
38aa) Voraussetzungen des § 2038 BGB im Innen- und Außenverhältnis erfüllt
Verauslagt einer der Miterben Kosten für den Nachlass oder wird einer der Miterben in Anspruch genommen und bedient den Nachlassgläubiger, kann er grundsätzlich bei den übrigen Miterben gemäß ihrer Erbquote Regress nehmen.Vgl. OLG Oldenburg, Urteil vom 05. Mai 2009 – 12 U 3/09; Palandt/Weidlich,
39(1) Anspruch aus § 2038 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 748 BGB (Gemeinschaftsrecht)
Sind die Voraussetzungen des
Lasten sind die auf Sachen bzw. Rechten der Nachlassmasse liegenden Verpflichtungen zur Leistung, die aus der Sache oder dem Recht zu entrichten sind und den Nutzungswert mindern.Palandt/Ellenberger,
Die kostenverursachende Maßnahme muss gerechtfertigt sein, das heißt gemäß dem jeweiligen Stimmenerfordernis bewilligt oder notwendig gewesen sein (
Für die nicht von
Zu beachten ist auch, dass
40(2) Ansprüche aus § 426 Abs. 1 und § 426 Abs. 2 BGB (Gesamtschuldverhältnis)
Sind alle Miterben durch eine Verwaltungsmaßnahme infolge wirksamer Stellvertretung verpflichtet, dann haften alle Miterben grundsätzlich als Gesamtschuldner (vgl.
Der Rückgriff nach den Regeln der Gesamtschuld ist nicht wegen eines ggf. auch bestehenden Anspruchs nach
Vor Zahlung hat der in Anspruch genommene Miterbe gegen die übrigen Miterben Anspruch auf Mitwirkung der Bedienung der Nachlassverbindlichkeiten aus dem Nachlass.Palandt/Weidlich, BGB,
41(3) Anspruch aus § 670 BGB (Auftragsvertrag oder andere Verträge) oder Geschäftsführung ohne Auftrag
Selbstverständlich ist auch denkbar, dass zwischen dem handelnden Miterben und den übrigen – jedenfalls zustimmenden – Miterben ein Vertragsverhältnis, z.B. ein Auftragsvertrag begründet wird.Vgl. hierzu etwa – ohne jedoch konkrete Anspruchsgrundlagen zu benennen – BGH, Urteil vom 9. Oktober 1991 – XII ZR 2/90; OLG Brandenburg, Beschluss vom 28. August 2000 – 9 W 18/00 Dies wird man sogar regelmäßig konkludent mit der Ermächtigung des einzelnen Miterben zur Ausführung der einzelnen Maßnahme etwa im Zusammenhang mit der Beschlussfassung im Innenverhältnis annehmen können.
Ein vertraglicher Rückgriffsanspruch dürfte jedoch gegen die Miterben, die ihre Zustimmung nicht erteilt oder verweigert haben, von vornherein ausscheiden. Es fehlt insoweit an der im Verhältnis zu ihnen vertragsbegründenden Willenserklärung. Dies gilt auch dann, wenn die im Außenverhältnis von
42bb) Alleiniges Handeln eines Miterben auf Grundlage des § 2038 BGB (ohne Vertretung im Außenverhältnis für die übrigen Miterben)
Übernehmen die handelnden Miterben im eigenen Namen eine Haftung persönlich und verpflichten die übrigen Miterben im Außenverhältnis nicht mit, so haben die handelnden Miterben ebenfalls Rückgriffsansprüche, soweit sie sich im Rahmen der Anforderungen des
Auch in diesen Fällen bestehen jedoch Ansprüche aus §
Überdies kommen abermals Ansprüche aus Vertrag – ein solcher kann selbstverständlich im Innenverhältnis losgelöst vom Außenverhältnis geschlossen sein – in Betracht. Ist ein Vertrag nicht geschlossen oder richtet sich der Rückgriff gegen überstimmte Miterben, dann kann nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß § 670 i.V.m.
Ausgeschlossen ist in diesen Fällen aber ein Rückgriff nach
43cc) Handeln außerhalb des § 2038 BGB
Handelt ein Miterbe eigenmächtig und ist nicht durch
Erfolgte das Handeln entgegen
Der Bundesgerichtshof bestätigte seine Ansicht zuletzt in seinem Urteil vom 7. Oktober 2020 – IV ZR 69/20BGH, Urteil vom 7. Oktober 2020 – IV ZR 69/20.. Der Bundesgerichtshof hatte darüber zu entscheiden, ob eine Miterbin, die einen gemeinschaftlichen Erbschein beantragt hatte, einen Kostenerstattungsanspruch gegen den Miterben hat. Sie beantragte den Erbschein, um das Grundbuch berichtigen lassen zu können. In der Entscheidung in den Rn. 10 ff. führte der Bundesgerichtshof aus:
„Nicht ausgeschlossen wird von der Regelung über die Verwaltung des Nachlasses in
Letztlich scheiterte ein Erstattungsanspruch gegen den Miterben daran, dass dieser durch die Erteilung des Erbscheins keine Bereicherung erfahren hat. Der Miterbe war kein Kostenschuldner, da er den Erbschein nicht beantragt hatte. Eine Befreiung von einer Verbindlichkeit ist damit nicht gegeben gewesen. Da eine Verpflichtung zur Beantragung des Erbscheins nicht bestand, hatte der Miterbe auch keine Aufwendungen erspart.
Dagegen sprechen unseres Erachtens jedoch gewichtige Argumente. In zwei durch unsere Kanzlei geführten Verfahren vor dem OLG DresdenOLG Dresden, Urteil vom 1. April 2004 – 7 U 1160/03 und dem Landgericht BerlinLG Berlin, Urteil vom 29. Juni 2006 – 23 O 708/04 schlossen sich der jeweilige Senat bzw. die Kammer dieser Auffassung an. Ein Rückgriff nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag umgeht den in
„Die Erbengemeinschaft ist dem Kläger gegenüber nicht nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag gem. §§ 677, 683 i.V.m. 670 (berechtigte GoA) bzw.
So auch das Landgericht Berlin in seinem Urteil vom 29. Juni 2006.LG Berlin, Urteil vom 29. Juni 2006 – 23 O 708/04 – dort auf Seite 11 unter 3. b)
Auch für andere Fällen – außerhalb des Erbrechts z.B. für die Umgehung von kaufrechtlichenBGH, Urteil vom 23. Februar 2005 – VIII ZR 100/04 oder mietrechtlichenBGH, Urteil vom 16. Januar 2008 – VIII ZR 222/06 Regelungen – ist anerkannt, dass durch das Institut der Geschäftsführung ohne Auftrag gesetzliche Sonderregelungen für das Verhältnis zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherr nicht umgangen und dadurch die in anderen Vorschriften des bürgerlichen oder öffentlichen Rechts vorgesehene Risikoverteilung nicht unterlaufen werden dürfen.Palandt/Sprau,
Dieser Ansatz greift in gleichem Maße auch für das Verhältnis der Erben untereinander und die dieses Verhältnis bestimmenden konkreten Regelungen der §
44dd) Verweisung auf den Nachlass
Die in Anspruch genommenen Miterben können den regressführenden Miterben analog
45f) Früchte, Gebrauch und Lasten
Gemäß
46g) Auskunftspflicht
Nach überwiegender Auffassung besteht keine allgemeine Auskunftspflicht der Miterben untereinander über den Nachlass, da es an der erforderlichen Sonderbeziehung fehlt.BGH, Urteil vom 07. Dezember 1988 – IVa ZR 290/87 Auskunfts- und Rechenschaftspflichten kommen nur in den gesetzlich geregelten Fällen der §§ 2027, 2028, 2057, 2121, 2127, 2314, welche sich nur auf den Nachlassbestand und den Verbleib bestimmter Gegenstände beziehen, in Betracht.Palandt/Weidlich,
3) Abgrenzungen, Kasuistik
47Wir verweisen zur Kausuistik und zu Abgrenzungsfragen auf unsere Ausführungen unter der Kategorie Definitionen und die dortigen Fallbespiele.
4) Zusammenfassung der Rechtsprechung
5) Literaturstimmen
53a) Kommentare
- Damrau, Praxiskommentar Erbrecht, 2004
- Damrau/Tanck, Praxiskommentar Erbrecht, 3. Auflage, 2014
- Burandt/Rojahn, Beck´sche Kurzkommentare, Erbrecht, 2011
- Münchener Kommentar zum BGB, Band 9, Erbrecht, 5. Auflage, 2010
- Münchener Kommentar zum BGB, Band 5, Recht der Schuldverhältnisse, 5. Auflage, 2009
- Staudinger, Kommentar zum BGB, Buch 5, Erbrecht, 2010
- Soergel, Kommentar zum BGB, Band 21, Erbrecht 1, 2002
- Jauernig, Kommentar zum BGB, 14.Auflage, 2011
- Palandt, Kommentar zum BGB, 73. Auflage, 2014
- Schulze/Dörner/Ebert, Kommentar zum BGB, 5. Auflage, 2007
- Bamberger/Roth, Beck´scher Online-Kommentar BGB, Stand 01.11.2014
- Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth, juris Praxiskommentar BGB, Band 5, Erbrecht, 7. Auflage, 2014
- Baumbach/Hopt, Beck´sche Kurzkommentare, HGB, 35. Auflage, 2012
- Musielak, Kommentar zur ZPO, 6. Auflage, 2008
54b) Lehr- und Fachbücher
- Ann, Die Erbengemeinschaft, 2001
- Rißmann, Die Erbengemeinschaft, 2. Auflage, 2014
- Muscheler, Erbrecht, Band II, 2010
- Brox/Walker, Erbrecht, 25. Auflage, 2012
- Leipold, Erbrecht, 18. Auflage, 2010
- Krug/Rudolf/Kroiß/Bittler, Anwaltsformulare Erbrecht, 4. Auflage, 2010
55c) Zeitschriften
- Schmidt, NJW 1985, 2785 ff.
- Muscheler, ZEV 1997, 169 ff.
- Muscheler, ZEV 1997, 222 ff.
- Grunewald AcP 197 (1997) 305 ff.
- Ulmer AcP 198 (1998) 113 ff.
- Eberl-Borges, ZEV 2002, 125 ff.
- Gottwald ErbR 2007, 11 ff.
- Fleischer ErbR 2014, 212 ff.
- Eberl-Borges, ZEV 2015, 106 f.
- Wendt, ErbR 2015, 196 f.
6) Häufige Paragraphenketten
§ 2038 Abs. 2 S. 1 i.V.m.§ 745 Abs. 1 BGB§ 2038 Abs. 2 S. 1 i.V.m.§ 745 Abs. 2 BGB§ 2038 Abs. 2 S. 1 i.V.m.§ 745 Abs. 3 BGB§ 2038 Abs. 2 S. 1 i.V.m.§ 748 BGB - § 2058 i.V.m.
§ 426 Abs. 1 BGB - § 2058 i.V.m.
§ 426 Abs. 2 BGB - § 427 i.V.m.
§ 426 Abs. 1 BGB § 427 i.V.m.§ 426 Abs. 2 BGB- §§ 401, 412 BGB
- § 670 i.V.m. §
§ 683 S.1, 677 BGB § 1835 Abs.3 BGB analog i.V.m. §§ 670, 683 S. 1 BGB§ 684 S. 1 i.V.m.§ 818 BGB § 34 BGB ,§ 47 Abs. 4 GmbHG,§ 43 Abs. 6 GenG
7) Prozessuales
56Ein auf Grundlage des