Schliessen
von Göler (Hrsg.) / Arvid Siebert (†), Katharina Schuster / § 737

§ 737 Ausschluss eines Gesellschafters

Ist im Gesellschaftsvertrag bestimmt, dass, wenn ein Gesellschafter kündigt, die Gesellschaft unter den übrigen Gesellschaftern fortbestehen soll, so kann ein Gesellschafter, in dessen Person ein die übrigen Gesellschafter nach § 723 Abs. 1 Satz 2 zur Kündigung berechtigender Umstand eintritt, aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Das Ausschließungsrecht steht den übrigen Gesellschaftern gemeinschaftlich zu. Die Ausschließung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem auszuschließenden Gesellschafter.

Für den Rechtsverkehr

(für Nichtjuristen)

zum Expertenteil (für Juristen)

Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle

Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (kurz GbR oder BGB-Gesellschaft) zu werden, geht schnell. Erforderlich sind mindestens zwei Gesellschafter, die einen gemeinsamen Zweck verfolgen. Das geht auch per Handschlag (was aber nicht empfehlenswert ist, vor allem im Hinblick auf spätere Streitfälle!), ein Mindestkapital ist nicht erforderlich. Es handelt sich hierbei um die einfachste Form einer Personengesellschaft, bei der sich neben Rechten auch Verpflichtungen ergeben.

Bestenfalls haben die Gesellschafter also einen schriftlichen Vertrag geschlossen, aus dem sich klare Vereinbarungen ergeben – insbesondere für den Fall, dass eine künftige Zusammenarbeit der Gesellschafter untereinander aus bestimmten Gründen scheitert.

Gibt es solche Regelungen (dazu gleich eingehender) nämlich nicht, könnte man die Zusammenarbeit in der Gesellschaft -z.B. deshalb, weil ein Gesellschafter die Gesellschaft mit seinem Verhalten „stört“ - nur beenden, indem man die ganze Gesellschaft an sich kündigt (§ 723 BGB). Das hätte aber Auswirkungen auf alle Gesellschafter, was nicht immer in ihrem Sinne ist. § 737 BGB regelt daher das Recht der Gesellschafter, einen „störenden“ Mitgesellschafter aus der gemeinsamen Gesellschaft auszuschließen, wenn dieser einen wichtigen Grund dafür liefert. Liegt ein solcher Grund vor, führt dies dazu, dass (nur) der betroffene Gesellschafter – auch gegen seinen Willen - ausgeschlossen werden kann und nicht die Gesellschaft selbst gekündigt werden muss (wie es § 723 BGB grundsätzlich vorsieht - mit der Folge, dass auch die anderen Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheiden und die Gesellschaft aufgelöst wird).

Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Gesellschaftsvertrag eine sogenannte Fortsetzungsklausel enthält. Eine solche besagt, dass bei Kündigung eines Gesellschafters die Gesellschaft mit den übrigen Gesellschaftern weiterhin fortbesteht. Ohne diese Klausel ist der Ausschluss eines einzelnen Gesellschafters nicht möglich, sondern es muss vielmehr die ganze Gesellschaft gekündigt werden.

Eine weitere Voraussetzung ist, dass die verbleibenden Gesellschafter einen entsprechenden Beschluss über den Ausschluss des störenden Mitgesellschafters fassen. Hierbei darf der auszuschließende Gesellschafter selbst nicht abstimmen. Das Ergebnis der Abstimmung muss dem auszuschließen Gesellschafter mitgeteilt werden. Erst dann wird der Ausschließungsbeschluss wirksam. Folge dessen ist, dass der betroffene Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet und ihm ein Abfindungsanspruch zusteht. Die Gesellschaft selbst bleibt grundsätzlich bestehen.

Expertenhinweise

(für Juristen)

1) Allgemeines

1Für den Fall, dass der Gesellschaftsvertrag eine Fortsetzungsklausel enthält, normiert § 737 BGB die Möglichkeit des Ausschlusses eines einzelnen Gesellschafters aus wichtigem Grund statt der Kündigung der Gesellschaft gemäß § 723 BGB, die auch Auswirkungen auf die verbleibenden Gesellschafter hätte.

Eine solche einfache Fortsetzungsklausel könnte wie folgt lauten:

„Kündigt ein

2) Definitionen

a) Voraussetzungen eines Ausschlusses

aa) Vertragliche Fortsetzungsklausel

6§ 737 BGB ist als Auslegungsnorm zu verstehen, die nur eingreift, wenn eine Fortsetzungsklausel im Gesellschaftsvertrag vorhanden ist, mithin eine vertragliche Grundlage besteht. Eine solche vertragliche Klausel bringt das Bestandsschutzinteresse der Gesellschafter an der Fortführung des gemeinsamen Zweckes zum Ausdruck, welches durch das Ausscheiden eines Gesellschafters nicht wegfällt.

3) Abgrenzungen, Kasuistik

29Es ist erforderlich, dass der wichtige Grund zur Ausschließung in der Person des betroffenen Gesellschafters liegen muss. Ein sonstiger wichtiger Grund, der sich aus objektiven Umständen oder aus der Person der übrigen Gesellschafter ergeben könnte (Zweckverfehlung, mangelnde Rentabilität), rechtfertigt eine Ausschließung nicht. Des Weiteren muss der wichtige Grund einen Bezug zum Gesellschaftsverhältnis haben.

4) Zusammenfassung der Rechtsprechung

47Für die Ausschließung eines Gesellschafters wird ein wichtiger Grund in der Person des Gesellschafters vorausgesetzt, der die übrigen Gesellschafter auch zur Kündigung oder Auflösung der Gesellschaft berechtigen würde. An den wichtigen Grund zur Ausschließung eines Gesellschafters sind keine strengeren Anforderungen zu stellen, als an den wichtigen Grund zur Auflösung der Gesellschaft.BeckOK BGB/Schöne, 56. Ed. 1.11.2020, BGB § 737 Rn. 5  

Der Ausschluss eines Gesellschafters, genauso wie die Kündigung aus wichtigem Grund, kommt nur dann in Betracht, wenn Abhilfe durch ein milderes Mittel wie die Entziehung oder Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht (§ 117 HGB, § 127 HGB) nicht erreichbar ist.OLG München, Urteil v. 24.06.1998 – 15 U 1625/98 (LG München I), NZG 1998, 937 (937) 

Ein Verschulden des Störers ist nicht zwingend erforderlich, wird aber regelmäßig vorliegen. Grundsätzlich können auch objektive Gründe ausreichend sein, wenn sie derart schwer wiegen, dass sie einen wichtigen Grund darstellen. Zu berücksichtigen ist aber auch stets ein Verschulden desjenigen Gesellschafters, welcher die Ausschließung betreibt.Erman BGB, § 737, Rn. 3 sowie Fußnote 24  Hat dieser sich seinerseits pflichtwidrig verhalten, so ist ein Ausschluss in aller Regel nur möglich, wenn das Verschulden des Auszuschließenden überwiegt.MüKoBGB/Schäfer, 8. Aufl. 2020, § 737, Rn. 8 sowie BGH NJW 1981, 2302 

5) Literaturstimmen

48- Henssler/Michel in: Austritt und Ausschluss aus der freiberuflichen Sozietät, NZG 2012, 401 ff.
- Roth in: Baumbach/Hopt/Roth, HGB, 39. Aufl. 2020, § 140
- Westermann in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 737

6) Häufige Paragraphenketten

49§ 737 BGB i.V.m. § 723 Abs. 1 S. 2 BGB, über § 105 Abs. 3 HGB, § 161 Abs. 2 HGB auch auf Personen(handels)gesellschaften anwendbar

7) Prozessuales

50Ob ein wichtiger Grund für die Ausschließung eines Gesellschafters tatsächlich vorlag, kann der betroffene Gesellschafter gerichtlich im Rahmen einer Feststellungsklage gegen die übrigen Gesellschafter überprüfen lassen. Die Klage richtet sich auf Feststellung, dass die Ausschlussvoraussetzungen nicht vorlagen und der Kläger noch immer Gesellschafter ist. Im Falle eines Obsiegens könnten ihm Schadensersatzansprüche gegen die Mitgesellschafter zustehen.MüKoBGB/Schäfer, 8. Aufl. 2020 Rn. 12, BGB § 737 Rn. 12  

8) Anmerkungen

51Der im April 2020 von einer Expertenkommission vorgelegte Gesetzesentwurf zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts („MoPeG“ oder auch „Mauracher Entwurf“) sieht vor, dass die Regelungen des derzeitigen § 737 S. 1 und 2 BGB künftig in § 727 BGB-E zu finden sind, und zwar mit folgendem Wortlaut:

§ 727 BGB-E
Ausschließung aus wichtigem Grund

Tritt in der Person eines Gesellschafters ein Umstand ein, der für die anderen Gesellschafter das Recht zur Kündigung der Mitgliedschaft nach § 725 Absatz 2 Satz 2 begründet, kann dieser Gesellschafter durch Beschluss der anderen Gesellschafter aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden.

§ 725 Abs. 2 S. 2 BGB-E (Kündigung der Mitgliedschaft durch den Gesellschafter) lautet dabei:

Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn ein anderer Gesellschafter eine ihm nach dem Gesellschaftsvertrag obliegende Verpflichtung vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat oder wenn die Erfüllung einer solchen Verpflichtung unmöglich wird. Unter denselben Voraussetzungen ist, wenn im Gesellschaftsvertrag eine Kündigungsfrist vereinbart worden ist, die Kündigung ohne Einhaltung einer Frist zulässig.

Der neue § 727 BGB-E übernimmt also im Wesentlichen den geltenden § 737 Satz 1 und 2 BGB. Das Ausschlussrecht setzt wie bisher das Vorliegen eines wichtigen Grundes voraus. Die Voraussetzungen sind grundsätzlich die gleichen wie bei außerordentlicher Kündigung der Mitgliedschaft aus wichtigem Grund nach § 725 Absatz 2 Satz 2 BGB-E, allerdings mit der Maßgabe, dass sich die Unzumutbarkeit der Fortsetzung aus der Sicht der übrigen Gesellschafter beurteilt.

Neu ist allerdings, dass es für den Ausschluss keiner gesellschaftsvertraglichen Grundlage mehr im Sinne einer Fortsetzungsklausel für den Kündigungsfall bedarf. Mit dem Erfordernis einer solchen Fortsetzungsklausel beschränkt der geltende § 737 BGB den Anwendungsbereich auf diejenigen Gesellschaften, bei denen der Gesellschaftsvertrag ein Bestandsinteresse der Gesellschafter erkennen lässt. Nunmehr ist davon auszugehen, dass ein solches Bestandsinteresse im gesetzlichen Regelfall besteht.

52Auf Grundlage des im April 2020 vorgelegten „Mauracher Entwurfes“ hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) nun einen ReferentenentwurfReferentenentwurf  veröffentlicht, zu welchem die betroffenen Verbände bis zum 16.12.2020 um Stellungnahme gebeten wurden.

Die Reform soll noch in der laufenden 19. Legislaturperiode umgesetzt werden, wobei das Gesetz aufgrund der erforderlichen Umsetzungen wohl erst zum 01.01.2023 in Kraft treten wird.


Fußnoten