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von Göler (Hrsg.) / Marc Laukemann, Elisa Roggendorff / § 739

§ 739 Haftung für Fehlbetrag

Reicht der Wert des Gesellschaftsvermögens zur Deckung der gemeinschaftlichen Schulden und der Einlagen nicht aus, so hat der Ausscheidende den übrigen Gesellschaftern für den Fehlbetrag nach dem Verhältnis seines Anteils am Verlust aufzukommen.

Für den Rechtsverkehr

(für Nichtjuristen)

zum Expertenteil (für Juristen)

Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle

§§ 738-740 regeln allein das Innenverhältnis.

Expertenhinweise

(für Juristen)

1) Allgemeines

Den ausscheidenden Gesellschafter trifft grundsätzlich eine Nachschusspflicht, soweit diese nicht im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich ausgeschlossen ist. Inhaberin des Anspruchs ist die Gesellschaft. Sie hat eine auf den Tag des Ausscheidens bezogene Abschichtungsbilanz aufzustellen.

Mangels besonderer handelsrechtlicher Ansprüche findet § 739 BGB Anwendung auf die OHG, KG, und PartG. Bei Kommanditisten ist jedoch § 167 Abs. 3 HGB zu beachten.

Voraussetzung der Haftung ist das Bestehen eines Fehlbetrages.

2) Definitionen

Drittgläubigeransprüche

Nach der Rechtsprechung gilt die Durchsetzungssperre des BGH nicht für Ansprüche, die auf einem unabhängig vom Gesellschaftsvertrag zwischen Gesellschafter und Gesellschaft abgeschlossenen Rechtsgeschäft, z.B. einem Dienstvertrag, beruhen (sog. Drittgläubigeransprüche,vgl. BGH, Urteil vom 03.04.2006, Az. II ZR 40/05.). Dies erfasst grundsätzlich auch einen mit der Gesellschaft geschlossenen Darlehensvertrag.

3) Abgrenzungen, Kasuistik

§ 739 regelt die Haftung des Gesellschafters, wenn er aus einer ansonsten fortbestehenden Gesellschaft ausscheidet. Die Vorschrift entspricht der in § 735 BGB normierten Nachschusspflicht für Fehlbeträge im Zuge der Schlussabrechnung.

4) Zusammenfassung der Rechtsprechung

Scheidet ein Gesellschafter einer nur zweigliedrigen Gesellschaft bürgerlichen Rechts aus und regelt der Gesellschaftsvertrag für diesen Fall die Fortsetzung der Gesellschaft bzw. sieht die Übernahme durch den verbleibenden Gesellschafter vor findet § 739 BGB Anwendung, d.h. der Ausscheidende haftet danach für den anteiligen Fehlbetrag, soweit die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind. Vgl. BGH vom 10.05.2011 - II ZR 227/09.

Seine Haftung scheidet hingegen aus, wenn der Gesellschafter Kommanditist einer KG ist; denn gemäß § 167 III HGB nimmt ein Kommanditist am Verlust der Gesellschaft „nur bis zum Betrage seines Kapitalanteils und seiner noch rückständigen Einlage teil“. Die Vorschrift begrenzt die Haftung der Kommanditisten für Verluste auf ihre Kapitaleinlagen und die noch rückständigen Einlagen. Vgl. BGH Urteil 23.02.2021 II ZR 200/19.

Kammergerichts Berlin vom 10.04.2008 - 23 U 84/07 befasst sich mit der Befreiung ausscheidender Gesellschafter von der Nachschusspflicht gemäß § 739 BGB.

5) Prozessuales

 

Ein ausgeschiedener Gesellschafter, der von der Gesellschaft auf Ausgleich von Verlusten nach § 738 Abs. 1 i.V.m. § 739 BGB in Anspruch genommen wird, kann diesem ein Zurückbehaltungsrecht wegen unterlassener Befreiung von den gemeinschaftlichen Schulden (§ 738 Abs. 1 S. 2 BGB) entgegenhalten. Allerdings ist er für das Bestehen derartiger Schulden darlegungs- und beweispflichtig. Vgl. BGH, Bschl v. 09.03.2009 –II ZR 131/08.

6) Anmerkungen

Der Verlustanteil nach § 739 BGB berechnet sich grundsätzlich nach § 722 BGB im Verhältnis der Beteiligung bzw. vertraglichen Regelung. Neben der Haftung für Fehlbeträge treten offene Sozialansprüche (d.h. Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis s.o.), soweit diese nicht bereits Eingang in die Abfindungsbilanz gefunden haben.

 

Fehlbetrag ist die Summe, um den das Passivvermögen (Gesamthandsverbindlichkeiten einschließlich derjenigen gegenüber Gesellschaftern sowie Wert der zurückerstatteten Einlagen) das Aktivvermögen übersteigt. Ein negatives Kapitalkonto des Ausgeschiedenen begründet als solches keinen Anspruch der Gesellschaft gegen ihn, sondern bildet einen Posten für die Fehlbetragsrechnung.Vgl. BGH, Urteil vom 3. 5. 1999 - II ZR 32–98.


Fußnoten