§ 242 Leistung nach Treu und Glauben
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Für den Rechtsverkehr
(für Nichtjuristen)
zum Expertenteil (für Juristen)
Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle
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Bei dieser Gesetzesnorm handelt es sich um eine Vorschrift, die einen äußerst weiten Anwendungsbereich hat. Nach ihrem Wortlaut bestimmt die Vorschrift nur, wie derjenige, der zunächst zur Leistung verpflichtet ist, der Schuldner, eine Leistung erbringen soll. Er soll sie nämlich so bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Der Bedeutungsgehalt des
Für die Rechtsanwendung ist Folgendes bedeutsam:
2Leistungspflichten und die Art und Weise der Erbringung von Leistungen, die nach § 242 BGB zu beurteilen sind, haben ein objektives und ein subjektives Element. Das objektive Element verbindet sich mit dem Begriff "Treu", das subjektive Elemente verbindet sich mit dem Begriff "Glauben". Die Begrifflichkeit "Treu" steht für Vertragstreue im ursprünglichen Sinn sowie die Redlichkeit.vgl. Schubert in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2019,
Insgesamt ist
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4Gerade dieser weite Anwendungsbereich macht die Norm zu einer der komplexesten des Bürgerlichen Gesetzbuches, da der Gesetzgeber mit wenigen sogenannten unbestimmten Rechtsbegriffen Lösungen für ansonsten nicht auflösbare Fallkonstellation bereithält. Folge ist, dass durch Gerichte über Jahrzehnte ein Wertungskanon entwickelt wurde, der selbstverständlich selbst einem gesellschaftlichen Wandel unterworfen ist.
5Hauptanwendungsfall bleibt aber das Bürgerliche Recht in all seinen Ausprägungen, nämlich das Kaufrecht, das Werkvertragsrecht, das Architektenrecht, das Dienstvertragsrecht, das Anwaltsrecht, das Mietrecht, das Darlehensrecht, aber auch das Familien- und das Erbrecht. Hinzu kommen andere Rechtsgebiete des Zivilrechts wie das Wettbewerbsrecht, das Markenrecht und das Gesellschaftsrecht. Auch im Arbeitsrecht spielt Treu und Glauben eine wichtige Rolle.
6Was sich aus einer Anwendung des
Betrachtet man Hauptpflichten, die sich aus
7Allgemeiner Rechtsgrundsatz ist es, dass Verträge einzuhalten sind. Dies wurde bereits im Römischen Recht mit der Begrifflichkeit pacta sunt servanda so formuliert. Dementsprechend folgen aus § 242 BGB auch Pflichten, die den Leistungserfolg herbeiführen, sichern oder verhindern, dass der Leistungserfolg vereitelt wird.
8Darüber hinaus sind von besonderer Bedeutung die von der Rechtsprechung und der Rechtsliteratur entwickelten Fallgruppen, die die Ausübung eines Rechtes unzulässig machen. Hierbei geht es um das sogenannte rechtsmissbräuchliche Verhalten, das in der Rechtsanwendung unterbunden bzw. verhindert werden muss. Was unter rechtsmissbräuchlichem Verhalten zu verstehen ist, ist in der Rechtslehre und der Rechtsprechung über viele Jahrzehnte entwickelt worden und ist abhängig von den einzelnen Rechtsgebieten und den jeweiligen Fallkonstellationen. Rechtsmissbräuchlich ist jedenfalls ein Verhalten, mit dem sich der andere Teil in Widerspruch zu seinem eigenen vorangegangenen Verhalten setzt. Dies haben die Römer schon als venire contra factum proprium bezeichnet. Rechtsmissbräuchlich kann auch das Berufen auf formale Rechtspositionen sein, so beispielsweise, wenn eine Rechtsposition unzulässig erworben worden ist oder sofort wieder zu räumen wäre, nachdem sie gerade erlangt worden ist. Hierzu hat bereits das römische Recht formuliert, dass rechtsmissbräuchlich handelt, wer etwas herausverlangt, was er unverzüglich wieder zurückgeben muss. Anerkannt ist als Anwendungsfall des Rechtsmissbrauchs auch das treuwidrige Berufen auf einen Formmangel. Wer in zurechenbarer Weise bei dem anderen Teil den sicheren Eindruck erweckt hat, er werde sich auf einen Formmangel nicht berufen und dadurch beispielsweise Dispositionen auslöst, kann möglicherweise später mit der Berufung auf einen Formfehler nicht mehr gehört werden. All dies ist aber jeweils eine Frage des Einzelfalls und des jeweiligen Rechtsgebietes.
9Ein ganz wesentlicher Anwendungsfall von Treu und Glauben, entwickelt in jahrzehntelanger Rechtsprechung und in der Rechtslehre, ist das Institut der Verwirkung. Nach dem Institut der Verwirkung kann ein Recht nicht mehr geltend gemacht werden, wenn der Anspruchsgegner wegen langen Zeitablaufes (Zeitmoment) und des früheren Verhaltens des jetzigen Anspruchstellers (Umstandsmoment) darauf vertrauen kann, ein Recht werde nicht mehr geltend gemacht.
10Zu beachten ist allerdings, dass
Expertenhinweise
(für Juristen)
1) Allgemeines
a) Einleitung
11Der Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben in
2) Definitionen
a) Tatbestand
15Nach dem Wortlaut und seiner Stellung im Gesetz bezieht sich
3) Abgrenzungen, Kasuistik
a) Typologie
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4) Zusammenfassung der Rechtsprechung
a) Hauptleistung
32Wie schon der Wortlaut ergibt, regelt
5) Literaturstimmen
64Zu § 242 BGB :
- Grüneberg in: Palandt Kommentar Bürgerliches Gesetzbuch, 79. Aufl. 2020
- Grüneberg/Sutschet in: Bamberger/Roth Kommentar zum BGB
- Schubert in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2019
- Sutschet in: Hau/Poseck, BeckOK BGB, 55. Edition 01.08.2020
- Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 2014
- Looschelders/Olzen in: Staudinger Kommentar zum BGB §§ 241-243 BGB, Neubearbeitung 2015
- Mansel in: Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch, 17. Aufl. 2018,
- Duve in: Schmoeckel/Rückert/Zimmermann, Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, Band II: Schuldrecht Allgemeiner Teil 1. Teilband: vor
- Heinrich, Die Generalklausel des
- Nix, Über Treu und Glauben, NJW-aktuell 2017, 14
6) Prozessuales
65Zur Verteidigung gegen einen Anspruch braucht der Grundsatz von Treu und Glauben grundsätzlich nicht im Wege der Einrede geltend gemacht werden. Da der Grundsatz von Treu und Glauben eine rechtsvernichtende Einwendung ist, sind etwaige Verstöße gegen
Die Beweislast für das Vorbringen, das eine Anwendung des
7) Anmerkungen
66§ 242 BGB in Zeiten der Corona-Pandemie
Die Lockdown-Maßnahmen betreffen aufgrund der Einschränkungen der wesentlichen Grundfreiheiten die meisten, wenn nicht sogar alle Lebensbereiche.
Auswirkungen haben diese auch auf den Grundsatz von Treu und Glauben nach
So gelangt etwa der Grundsatz der Vertragstreue an seine Grenzen.