Schliessen
von Göler (Hrsg.) / Dorothee Höcker / § 1390
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§ 1390 Ansprüche des Ausgleichsberechtigten gegen Dritte

(1) Der ausgleichsberechtigte Ehegatte kann von einem Dritten Ersatz des Wertes einer unentgeltlichen Zuwendung des ausgleichspflichtigen Ehegatten an den Dritten verlangen, wenn

  • 1. der ausgleichspflichtige Ehegatte die unentgeltliche Zuwendung an den Dritten in der Absicht gemacht hat, den ausgleichsberechtigten Ehegatten zu benachteiligen und
  • 2. die Höhe der Ausgleichsforderung den Wert des nach Abzug der Verbindlichkeiten bei Beendigung des Güterstands vorhandenen Vermögens des ausgleichspflichtigen Ehegatten übersteigt.

Der Ersatz des Wertes des Erlangten erfolgt nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung. Der Dritte kann die Zahlung durch Herausgabe des Erlangten abwenden. Der ausgleichspflichtige Ehegatte und der Dritte haften als Gesamtschuldner.

(2) Das Gleiche gilt für andere Rechtshandlungen, wenn die Absicht, den Ehegatten zu benachteiligen, dem Dritten bekannt war.

(3) Die Verjährungsfrist des Anspruchs beginnt mit der Beendigung des Güterstands. Endet der Güterstand durch den Tod eines Ehegatten, so wird die Verjährung nicht dadurch gehemmt, dass der Anspruch erst geltend gemacht werden kann, wenn der Ehegatte die Erbschaft oder ein Vermächtnis ausgeschlagen hat.

(4) (weggefallen)

Für den Rechtsverkehr

(für Nichtjuristen)

zum Expertenteil (für Juristen)

Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle

1§ 1390 BGB erlangt Bedeutung, sobald dem zugewinnausgleichsberechtigten Ehegatten ein Anspruch zusteht, dessen Realisierung aufgrund vermögensmindernder Rechtshandlungen des verpflichteten Ehegatten bis zum Zeitpunkt der Beendigung des Güterstands, in der Regel also bis zur Rechtskraft der Scheidung, gefährdet ist. Zwar sorgt bereits § 1375 Absatz 2 BGB dafür, dass rein rechnerisch der Ausgleichsanspruch durch bestimmte vermögensmindernde Maßnahmen des ausgleichspflichtigen Ehegatten nicht gemindert wird. Gleichwohl nutzt dem berechtigten Ehegatten dies nichts, wenn im Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung tatsächlich kein ausreichendes Vermögen mehr vorhanden ist, von dem der grundsätzlich in Geld bestehende Anspruch beglichen werden kann. Hier hilft § 1390 BGB zumindest dann weiter, wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte in Benachteiligungsabsicht sein Vermögen (teilweise) an eine dritte Person verschenkt hat (§ 1390 Absatz 1 BGB) oder aber in anderer Weise hierüber verfügt hat und die hiervon begünstigte Person von seiner Benachteiligungsabsicht zu Lasten des anderen Ehegatten Kenntnis hatte (§ 1390 Absatz 2 BGB). Nicht erforderlich ist es, dass gerade diese, den anderen Ehegatten benachteiligende Handlung dazu geführt hat, dass der ausgleichspflichtige Ehegatte den Ausgleichsanspruch im Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung nicht mehr (in voller Höhe) begleichen kann.

a) Schenkung und sonstige unentgeltliche Zuwendungen

2Neben der Schenkung als geläufigste unentgeltliche Zuwendung erfasst § 1390 Absatz 1 BGB auch die Fälle, in denen einem Dritten etwas zumindest teilweise ohne angemessene Gegenleistung überlassen wird. Dabei kann es sich etwa um sogenannte Ausstattungen an Kinder oder auch Vermögensverschiebungen zur Abgeltung eines zu erwartenden Erbes handeln. Auch Spenden fallen hierunter.Jaeger, in: Johannsen/Henrich, Familienrecht, 5. Auflage, § 1375 BGB Rn. 25

Nicht erfasst werden demgegenüber Fälle, in denen mit der unentgeltlichen Vermögensübertragung einer sittlichen Pflicht oder dem Anstand Genüge getan wird. Bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen hierfür vorliegen, kommt es entscheidend auf den Einzelfall und die familiären Verhältnisse an. Während in einem Fall die Vermögensübertragung ohne weiteres als „im üblichen Rahmen“ angesehen werden kann, kann dies in einem anderen Fall für eine vergleichbare Vermögensübertragung durchaus auch anders gewertet werden. Mitentscheidend ist insoweit die Höhe des in Frage stehenden Vermögenswertes und in Abhängigkeit davon, ob seine unentgeltliche Übertragung dem Lebensstil und Denken der Gesellschaftsschicht, in denen sich die Ehegatten bewegen, entspricht oder nicht.Jaeger, in: Johannsen/Henrich, 5. Auflage, § 1375 Rn. 26; RGZ 98, 323/326

b) Andere Rechtshandlungen

3Handelt es sich bei der in den Blick genommenen Vermögensübertragung um keine unentgeltliche Zuwendung des ausgleichspflichtigen Ehegatten an einen Dritten im Sinne des § 1390 Absatz 1 BGB, bleibt zu prüfen, ob eine „andere Rechtshandlung“ im Sinne des § 1390 Absatz 2 BGB vorliegt, die einen Anspruch auf Wertersatz gegenüber dem Dritten begründen könnte.

Die Anwendungsfälle hierfür sind auf ein paar wenige beschränkt. Dies deshalb, weil bei entgeltlichen Zuwendungen, die von § 1390 Absatz 2 BGB erfasst werden, anders als bei unentgeltlichen Zuwendungen stets eine vermögensmehrende Gegenleistung erbracht wird und damit in der Regel keine Benachteiligung des zugewinnausgleichsberechtigten Ehegatten erfolgt. Etwas anderes kann ausnahmsweise dann gelten, wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte einem Dritten ein Darlehen gewährt, dessen Rückzahlung mehr als ungewiss ist, oder aber gegenüber einem Dritten als Bürge für die Schuld eines voraussichtlich nicht zahlungsfähigen Schuldners eintritt.Koch, in: MüKo, § 1390 BGB Rn. 11 In diesen Fällen kommt § 1390 Absatz 2 BGB zum Tragen, wobei im ersten Fall dann gleichzeitig auch der Wertersatzanspruch aus § 1390 Absatz 2 BGB gegenüber dem wohl illiquiden Dritten keinerlei Realisierungschance haben dürfte.

Ob § 1390 Absatz 2 BGB auch dann zum Tragen kommt, wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte zwar entgeltliche Vermögensübertragungen vornimmt, die für sich genommen noch keine Benachteiligung des anderen Ehegatten darstellen, die aber im nächsten Schritt, d.h. bei weiterer entsprechender Rechtshandlung hierzu führen können, ist umstritten.dafür: Jaeger, in: Johannsen/Henrich, § 1390 Rn. 3; Soergel, BGB, § 1390 Rn. 11; dagegen: Koch, in: MüKo, BGB, § 1390 Rn. 11 Vorzugswürdig ist die Auffassung, die eine Anwendung des § 1390 Absatz 2 BGB auf derartige Fälle ablehnt. Andernfalls wäre Spekulationen über weitere mögliche Rechtshandlungen „Tür und Tor geöffnet“. Im Übrigen ist der ausgleichsberechtigte Ehegatte dadurch geschützt, dass die letztlich zu seiner Benachteiligung führende Rechtshandlung bei Vorliegen auch der übrigen hierfür erforderlichen Voraussetzungen unter § 1390 Absatz 1 oder aber, im Falle der Entgeltlichkeit, unter § 1390 Absatz 2 BGB fällt.

c) Benachteiligungsabsicht des ausgleichspflichtigen Ehegatten

4Sowohl im Falle einer unentgeltlichen Rechtshandlung im Sinne des § 1390 Absatz 1 BGB als auch im Falle einer entgeltlichen Rechtshandlung im Sinne des § 1390 Absatz 2 BGB setzt der Wertersatzanspruch voraus, dass der ausgleichsverpflichtete Ehegatte in der Absicht handelt, den ausgleichsberechtigten Ehegatten zu benachteiligen. Dies ist immer dann der Fall, wenn die Benachteiligungsabsicht bei der betreffenden Handlung im Vordergrund steht. Unerheblich ist es, wenn weitere Gründe für die Handlung hinzutreten, aber untergeordneter Natur bleiben.

d) Kenntnis des Dritten von der Benachteiligungsabsicht

5Kenntnis des Dritten von der Benachteiligungsabsicht des ausgleichsverpflichteten Ehegatten ist lediglich für § 1390 Absatz 2 BGB, nicht auch für § 1390 Absatz 1 BGB erforderlich. In der Praxis stellt der Nachweis dieser Kenntnis das größte Problem dar, auch wenn der Dritte gemäß § 260 BGB auskunftspflichtig ist.

e) Höhe der Ausgleichsforderung übersteigt Wert des Vermögens des Ausgleichspflichtigen

6Zusätzlich zu dem Umstand, dass eine unentgeltliche oder entgeltliche Zuwendung an einen Dritten erfolgt ist, bedarf es der Feststellung, dass das positive Vermögen abzüglich der Verbindlichkeiten auf Seiten des ausgleichspflichtigen Ehegatten zum Zeitpunkt der Beendigung des Güterstandes niedriger ausfällt als der Ausgleichsanspruch des berechtigten Ehegatten. Andernfalls bestünde auch kein Realisierungsrisiko für den Ausgleichsanspruch, dem § 1390 BGB begegnen will. Der volle Wertersatzanspruch gegenüber dem Dritten besteht dabei auch dann, wenn der Ausgleichsanspruch durchaus noch teilweise von dem Vermögen des ausgleichsverpflichteten Ehegatten beglichen werden kann. Selbstredend beschränkt er sich jedoch auf die Summe, die dem ausgleichsberechtigten Ehegatten abzüglich des Betrages zusteht, den er aus dem noch vorhandenen Vermögen des ausgleichsverpflichteten Ehegatten realisieren kann.Palandt, BGB, § 1390 Rn. 6

f) Ausgleichsanspruch in Geld

7Liegen die Voraussetzungen des § 1390 Absatz 1 BGB oder des § 1390 Absatz 2 BGB vor, kann der ausgleichsberechtigte Ehegatte von dem Dritten nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 818 ff. BGB) Ersatz in Höhe des Wertes des Erlangten verlangen. Der Dritte kann sich dabei im Falle einer unentgeltlichen Zuwendung auf seine Entreicherung (§ 818 Absatz 3 BGB) berufen. Im Falle einer entgeltlichen Zuwendung ist ihm dies verwehrt. § 818 Absatz 3 BGB findet hier keine Anwendung. Dies ist deshalb folgerichtig, weil der Dritte bei Vorliegen einer entgeltlichen Zuwendung ohnehin nur dann haftet, wenn er zusätzlich die Benachteiligungsabsicht des ausgleichspflichtigen Ehegatten kannte, mithin bösgläubig und damit nicht schutzwürdig ist.

Will der Dritte den Wertersatz nicht leisten, kann er wahlweise auch den erlangten Vermögensgegenstand herausgeben.

Expertenhinweise

(für Juristen)

1) Definitionen

  1. 8 Zuwendung
  2.  Unentgeltlichkeit
    Unentgeltlich ist jede Vermögensverfügung, bei der der durch sie bewirkten Verminderung des Vermögens keine Gegenleistung gegenübersteht.BGH, FamRZ 1986, 565/567. 
  3.  Benachteiligungsabsicht

2) Abgrenzungen, Kasuistik

9Typische Zuwendungen im Sinne des § 1390 Absatz 1 oder Absatz 2 BGB sind solche an andere Familienmitglieder oder befreundete Dritte, die in kollusivem Zusammenwirken mit dem ausgleichsverpflichteten Ehegatten den ausgleichsberechtigten Ehegatten benachteiligen wollen.

Während § 1375 Absatz 2 BGB sicherstellt, dass bei Nachweis einer unentgeltlichen Zuwendung, der Verschwendung von Vermögenswerten oder aber bei sonstigen Handlungen mit Benachteiligungsabsicht der Ausgleichsanspruch rechnerisch nicht gemindert wird, reduziert § 1390 BGB zusätzlich das sogenannte Ausfallrisiko auf der Ebene der tatsächlichen Durchsetzung des errechneten Anspruchs. Parallel hierzu besteht für den ausgleichsberechtigten Ehegatten die Möglichkeit, seinen Anspruch gegenüber dem ihn benachteiligenden anderen Ehegatten auf § 826 BGB zu stützen. Demgegenüber besteht Anspruchskonkurrenz zum Pflichtteilergänzungsanspruch bei Beendigung des Güterstandes durch Tod des anderen Ehegatten. Nach Beendigung des Güterstandes vorgenommene benachteiligende Rechtshandlungen können lediglich noch nach dem Anfechtungsgesetz angegriffen werden.      

Im Übrigen haften der nach § 1390 BGB in Anspruch genommene Dritte und der in Benachteiligungsabsicht handelnde Ehegatte gesamtschuldnerisch (§ 1390 Absatz 1 Satz 4 BGB). Der ausgleichsberechtigte Ehegatte hat damit zwei Schuldner, die er wahlweise in Anspruch nehmen kann.    

3) Literaturstimmen

  • 10Palandt, BGB-Kommentar, 73. Auflage, 2014
  • Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 7: Familienrecht I §§ 1297-1588, GewSchG, VersAusglG, LPartG, 6. Auflage, 2013
  • Prütting/Wegen/Weinreich, BGB Kommentar, 9. Auflage, 2014

4) Häufige Paragraphenketten

11§ 1390 Absatz 1 Satz 2 BGB enthält eine sogenannte Rechtsfolgenverweisung auf die §§ 818 bis 820 und § 822 BGB. Der Anspruch ist mithin nach §§ 1390 Absatz 1 Satz 2 i.V.m. § 818 Absatz 2 BGB auf Wertersatz in Form einer Geldzahlung gerichtet. Die Höhe der Geldforderung ist durch den Wert des Erlangten begrenzt, wobei sich der Dritte im Falle des § 1390 Absatz 1 BGB gegebenenfalls auf seine Entreicherung nach § 818 Absatz 3 BGB berufen kann, während der Dritte im Falle des § 1390 Absatz 2 BGB aufgrund seiner Kenntnis von der Benachteiligungsabsicht des verpflichteten Ehegatten entsprechend einem unredlichen Bereicherungsschuldner haftet, sodass die §§ 819, 818 Absatz 4, 292, 987 ff. BGB zur Anwendung gelangen.     

5) Prozessuales

12Prozessual ist der Anspruch nach § 1390 Absatz 1 oder Absatz 2 BGB als Zahlungsantrag gegen den Dritten geltend zu machen. Der auf Geldzahlung gerichtete Anspruch kann im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durch Arrest nach den allgemeinen Vorschriften gesichert werden.

Auf Antrag kann dem Dritten durch Beschluss nach § 1390 Absatz 1 Satz 3 BGB die Befugnis vorbehalten werden, die geltend gemachte Zahlung durch Herausgabe des Erlangten abzuwenden. Vollstreckt der hierzu berechtigte Ehegatte aus dem Zahlungstitel seinen Anspruch gegenüber dem Dritten, kann dieser hiergegen dann im Wege der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO vorgehen und die Herausgabe des Erlangten anbieten.Koch, in: MüKo, § 1390 Rn. 18

Die Anspruchsvoraussetzungen hat der ausgleichsberechtigte Ehegatte darzulegen und zu beweisen. Beruft sich der ausgleichsverpflichtete Ehegatte auf Entreicherung (§ 818 Absatz 3 BGB) oder auf Verjährung, liegt die Beweislast für die insoweit maßgeblichen Voraussetzungen bei ihm.

Der Anspruch aus § 1390 Absatz 1 bzw. Absatz 2 BGB verjährt in der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB), beginnend mit der Beendigung des Güterstandes (§ 1390 Absatz 3 Satz 1 BGB). Klarstellend bestimmt § 1390 Absatz 3 Satz 2 BGB, dass nichts anderes gilt, sollte der Güterstand durch Tod eines Ehegatten enden und der Zugewinnausgleich nach § 1371 Absatz 2 BGB güterrechtlich geregelt werden.    

6) Anmerkungen

13Ein Verzicht auf die Rechte aus § 1390 BGB durch entsprechende ehevertragliche Vereinbarung zwischen den Ehegatten ist nicht möglich. Wird ein Zugewinnausgleichsanspruch ehevertraglich geregelt, ist jedoch davon auszugehen, dass der ausgleichsberechtigte Ehegatte ohnehin keine Kenntnis von vermögensmindernden Handlungen des ausgleichsverpflichteten Ehegatten hat und diese voraussichtlich auch später nicht mehr erlangt. In der Praxis dürfte es daher kaum vorkommen, dass im Nachgang zu einer ehevertraglichen Regelung noch ein Anspruch aus § 1390 BGB geltend gemacht wird.   


Fußnoten