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von Göler (Hrsg.) / Michael Falter / § 714

§ 714 Vertretungsmacht

Soweit einem Gesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrag die Befugnis zur Geschäftsführung zusteht, ist er im Zweifel auch ermächtigt, die anderen Gesellschafter Dritten gegenüber zu vertreten.

Für den Rechtsverkehr

(für Nichtjuristen)

zum Expertenteil (für Juristen)

Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle

1Während § 712 BGB das Recht und die Pflicht zur Führung der Geschäfte der Gesellschaft bürgerlichen Rechts durch die Gesellschafter regelt, enthält § 714 BGB eine an die Geschäftsführungsbefugnis anknüpfende Auslegungsregel, nach der vermutet wird, dass die Geschäftsführer ermächtigt sind, die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (nach früher herrschender Meinung dem Wortlaut der Norm entsprechend die Gesellschafter) im Außenverhältnis zu vertreten. In Abgrenzung zur Geschäftsführungsbefugnis bestimmt die Vertretungsmacht das rechtliche Können im Außenverhältnis, während die Geschäftsführungsbefugnis das rechtliche Dürfen im Innenverhältnis regelt.

§ 714 BGB geht davon aus, dass die Geschäftsführungsbefugnis und die Vertretungsmacht der Geschäftsführer übereinstimmen, weil dies dem Willen der Gesellschafter im Regelfall entspricht.

Die Vorschrift ist dispositiv. Von ihr kann im Gesellschaftsvertrag beliebig abgewichen werden, d.h. Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht müssen nicht notwendig deckungsgleich sein.

Die Bestimmungen der §§ 164 ff. BGB sind auf die organschaftliche Vertretung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts entsprechend anzuwenden.

Expertenhinweise

(für Juristen)

1) Allgemeines

Grundlage 

2Nach der früher herrschenden Auffassung hat der Geschäftsführer nicht die Gesellschaft als solche, sondern, dem Wortlaut des § 714 BGB entsprechend, die anderen Gesellschafter kraft deren Vollmacht vertreten.BGHZ 74, 240 (242); NJW 1979. 1281  

Da nach heute herrschender Meinung und Rechtsprechung die Gesellschaft bürgerlichen Rechts rechtsfähig ist,BGH NJW 2001, 1056; BGH NJW 2002, 368; BGH NJW 2002, 1207; BGH NJW 2008, 1378 ist diese Auffassung nicht länger haltbar. Vielmehr handelt der Geschäftsführer für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts selbst, also mit Wirkung für das Gesellschaftsvermögen im Sinne einer organschaftlichen Vertretung.BGH DStR 2005, 614; Beuthien NJW 1999, 1142; Sprau in: Palandt, BGB-Kommentar, 78. Aufl. 2019, § 714 Rn. 1    

§ 714 BGB enthält damit eine Auslegungsregel, wonach die Geschäftsführer im Zweifel zur organschaftlichen Vertretung der Gesellschaft berechtigt sind. 

Von der organschaftlichen Vertretungsmacht zu unterscheiden ist die Vertretungsbefugnis von Gesellschaftern oder Dritten, die durch rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung begründet werden kann, u.U. auch konkludent.BGH DStR 2005, 614 Auf die rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung ist § 714 BGB nicht anwendbar. In diesem Fall sind die §§ 164 ff. BGB unmittelbar anwendbar.

Schließlich kann sich eine Vertretungsmacht auch aus einem Notgeschäftsführungsrecht analog § 744 Abs. 2 BGB ergeben.

2) Abgrenzungen, Kasuistik

a) Umfang der Vertretungsmacht

aa) Keine entsprechende Anwendung von § 126 HGB

3Nach herrschender Meinung ist § 126 HGB auf die Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht entsprechend anwendbar. Nach § 126 HGB ist der Umfang der Vertretungsmacht des Geschäftsführers einer offenen Handelsgesellschaft unbeschränkt und unbeschränkbar.

3) Prozessuales

10Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist aktiv- und passivlegitimiert und parteifähig im Sinne des § 50 ZPOBAG NJW 2005, 1004 . Eine Klage gegen die Gesellschaft bürgerlichen Rechs ist aber ohne weiteres auch gegen die Gesellschafter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Gesamtschuldner zulässig. Häufig wird dies in der Praxis auch zweckmäßig sein. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts kann neben den Gesellschaftern verklagt werden.BGH NJW 2007, 2257 

Dem gegenüber sind Gesellschafterstreitigkeiten, also Streitigkeiten zwischen den Gesellschaftern beispielsweise über die Wirksamkeit von Beschlüssen, das Bestehen oder Nichtbestehen von Mitgliedschaftsrechten des Gesellschafters oder die Wirksamkeit von gesellschaftsvertraglichen Regelungen, zwischen den Gesellschaftern und nicht zwischen der Gesellschaft und dem betroffenen Gesellschafter auszutragen.


Fußnoten