Schliessen
von Göler (Hrsg.) / Heiko Ormanschick / § 556g
Versionen

§ 556g Rechtsfolgen; Auskunft über die Miete

(1) Eine zum Nachteil des Mieters von den Vorschriften dieses Unterkapitels abweichende Vereinbarung ist unwirksam. Für Vereinbarungen über die Miethöhe bei Mietbeginn gilt dies nur, soweit die zulässige Miete überschritten wird. Der Vermieter hat dem Mieter zu viel gezahlte Miete nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung herauszugeben. Die §§ 814 und 817 Satz 2 sind nicht anzuwenden.

(1a) Soweit die Zulässigkeit der Miete auf § 556e oder § 556f beruht, ist der Vermieter verpflichtet, dem Mieter vor dessen Abgabe der Vertragserklärung über Folgendes unaufgefordert Auskunft zu erteilen:

  • 1. im Fall des § 556e Absatz 1 darüber, wie hoch die Vormiete war,
  • 2. im Fall des § 556e Absatz 2 darüber, dass in den letzten drei Jahren vor Beginn des Mietverhältnisses Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt wurden,
  • 3. im Fall des § 556f Satz 1 darüber, dass die Wohnung nach dem 1. Oktober 2014 erstmals genutzt und vermietet wurde,
  • 4. im Fall des § 556f Satz 2 darüber, dass es sich um die erste Vermietung nach umfassender Modernisierung handelt.

Soweit der Vermieter die Auskunft nicht erteilt hat, kann er sich nicht auf eine nach § 556e oder § 556f zulässige Miete berufen. Hat der Vermieter die Auskunft nicht erteilt und hat er diese in der vorgeschriebenen Form nachgeholt, kann er sich erst zwei Jahre nach Nachholung der Auskunft auf eine nach § 556e oder § 556f zulässige Miete berufen. Hat der Vermieter die Auskunft nicht in der vorgeschriebenen Form erteilt, so kann er sich auf eine nach § 556e oder § 556f zulässige Miete erst dann berufen, wenn er die Auskunft in der vorgeschriebenen Form nachgeholt hat.

(2) Der Mieter kann von dem Vermieter eine nach den §§ 556d und 556e nicht geschuldete Miete nur zurückverlangen, wenn er einen Verstoß gegen die Vorschriften dieses Unterkapitels gerügt hat. Hat der Vermieter eine Auskunft nach Absatz 1a Satz 1 erteilt, so muss die Rüge sich auf diese Auskunft beziehen. Rügt der Mieter den Verstoß mehr als 30 Monate nach Beginn des Mietverhältnisses oder war das Mietverhältnis bei Zugang der Rüge bereits beendet, kann er nur die nach Zugang der Rüge fällig gewordene Miete zurückverlangen.

(3) Der Vermieter ist auf Verlangen des Mieters verpflichtet, Auskunft über diejenigen Tatsachen zu erteilen, die für die Zulässigkeit der vereinbarten Miete nach den Vorschriften dieses Unterkapitels maßgeblich sind, soweit diese Tatsachen nicht allgemein zugänglich sind und der Vermieter hierüber unschwer Auskunft geben kann. Für die Auskunft über Modernisierungsmaßnahmen (§ 556e Absatz 2) gilt § 559b Absatz 1 Satz 2 und 3 entsprechend.

(4) Sämtliche Erklärungen nach den Absätzen 1a bis 3 bedürfen der Textform.

Für den Rechtsverkehr

(für Nichtjuristen)

zum Expertenteil (für Juristen)

Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle

1Die Vorschrift regelt zunächst, dass Verstöße gegen die Mietpreisbremse unwirksam sind. Ein solcher Verstoß führt nicht zu einer Unwirksamkeit des Mietvertrages.

Die Mietpreisvereinbarung bleibt bis zur Höhe der preisrechtlich zulässigen Miete erhalten.

Vor dem Inkrafttreten des MietAnpG am 01.01.2019 musste der Vermieter über das Vorliegen einer Ausnahme erst informieren, wenn der Vermieter über § 556 g Abs. 3 BGB Auskunft verlangte. Seit dem 01.01.2019 gilt ein neuer § 556 g Abs. 1 a BGB. Satz 1 dieser Regelung normiert dabei die konkrete Auskunftsverpflichtung des Vermieters. Will dieser vom Anwendungsbereich der Regelungen über die Mietpreisbremse abweichen, hat er vor der Abgabe der Vertragserklärung des Mieters hierauf hinzuweisen. Dieser Hinweis muss in Textform erfolgen. Der Gesetzesbegründung ist zu entnehmen, dass im Kern die bloße Angabe, dass eine der im Gesetz genannten Ausnahmen vorliegt, ausreicht (vgl. BT-Drucks. 19/4672, S. 27). Die Beweislast für die rechtzeitige Auskunftserteilung liegt beim Vermieter. Personenidentifizierende Daten sind nicht erforderlich.

Expertenhinweise

(für Juristen)

1) Allgemeines

2§ 556g I BGB bestimmt, dass alle Abweichungen von §§ 556d bis 556g BGB zu Lasten des Mieters unwirksam sind. Die Vorschrift wiederholt den Grundsatz, dass eine gegen die Mietpreisbremse verstoßende Vereinbarung unwirksam ist. Neben der konkreten Vereinbarung über die Miethöhe werden auch solche Vereinbarungen erfasst, die von den vorgenannten Vorschriften zu Lasten des Mieters abweichen. Hierzu zählen beispielsweise eine Verschärfung der Rügepflicht (vgl. § 556g II S. 1 BGB), ein Verzicht auf den Auskunftsanspruch (vgl. § 556g III S. 1 BGB) oder die vertragliche Vereinbarung von (kürzeren als im Gesetz zugestandenen) Fristen für die Rüge oder die Verjährung des Rückzahlungsanspruchs.Börstinghaus, Die Begrenzung der Wiedervermietungsmiete für Wohnraum, NJW 2015, 1553, 1558

Die Vorschrift stellt zugleich klar, dass ein Verstoß gegen die Regelungen der Mietpreisbremse weder zu einer Nichtigkeit des Mietvertrages noch zur Reduzierung der Miete auf die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete führt. Die Mietpreisvereinbarung bleibt bis zur Höhe des zulässigen Preises erhalten (§ 556g I S. 2 BGB).

Soweit die Vereinbarung über die Miethöhe gegen die §§ 556d, 556e BGB verstößt, eröffnet sich dem Mieter ein Bereicherungsanspruch: Der Vermieter hat die zuviel gezahlte Miete herauszugeben (§ 556g I S. 3 BGB). Dieser Bereicherungsanspruch scheitert nicht daran, dass der Mieter den Gesetzesverstoß des Vermieters erkannt hat.

Die Rechtsfolgen bei einem Verstoß gegen die Auskunftspflicht wurden im MietAnpG in § 556 g Abs. 1 a Sätze 2-4 BGB neu geregelt. Satz 2 stellt klar, dass der Vermieter ohne die entsprechende Auskunft eine nach § 556 e BGB oder § 556 f BGB zulässige Miete nicht verlangen darf. Der Mieter kann also ab der nach wie vor erforderlichen Rüge gem. § 556 g Abs. 2 BGB die Zahlung nicht geschuldeter Mieten verweigern bzw. deren Rückzahlung verlangen. Der neu eingefügte Satz 3 bestimmt, dass ein Vermieter, der die Auskunft überhaupt nicht erteilt hat und diese nachholt (Textform), sich erst zwei Jahre nach erfolgter Nachholung der Auskunft auf eine nach den §§ 556 e oder 556 f BGB zulässige Miete berufen darf. Der Gesetzgeber will auf diese Weise das Unterbleiben der Auskunft sanktionieren. Entsprechendes gilt, wenn der Vermieter nach Absatz 4 zwar die nach Abs. 1 a erforderliche Auskunft rechtzeitig erteilt, jedoch nicht deren erforderliche Textform eingehalten hat.

3  Aufgrund der vom Gesetzgeber gewählten Konstruktion einer Rückforderung überzahlter Miete im Wege des Bereicherungsrechtes, wird sich der Vermieter auf Entreicherung nach § 818 III BGB berufen können. Mit diesem Einwand wird zumindest eine deutliche Verlängerung des gerichtlichen Verfahrens einhergehen.

Erstaunlicherweise sieht das Gesetz ausschließlich Rückforderungsansprüche für unwirksam vereinbarte Mietanteile vor. Dass der Mieter die Zahlung der nichtgeschuldeten Miete einfach verweigert, wurde im Gesetz und den Materialien offensichtlich nicht bedacht.

4Verlangt der Vermieter eine Miete, die wegen eines Verstoßes nach § 556d BGB teilnichtig ist, kann hierin eine Verletzung vorvertraglicher Pflichten bestehen, die im Grundsatz Schadensersatzansprüche aus §§ 280 I, 311 II BGB auslösen. Voraussetzung für einen solchen Schadensersatzanspruch ist allerdings ein Verschulden des Vermieters. Dieser hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Fahrlässigkeit ist nach § 276 II BGB eröffnet, wenn der Schuldner die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Dieses wird schon angesichts der Schwierigkeit, die noch zulässige ortsübliche Miete zu ermitteln, nur selten der Fall und noch seltener zu beweisen sein. Die Gesetzesmaterialien selbst halten es für möglich bzw. für den Regelfall, dass Vermieter eine über § 556d I BGB hinausgehende Miete verlangen, obwohl sie „redlich bemüht waren, die Maßnahmen dieses Unterkapitels zu befolgen“.Abramenko, Die Mietpreisbremse, § 4 Rz. 35 unter Hinweis auf BT-Druck 18/3121, S. 33

5Nach § 556g III BGB ist der Vermieter auf Verlangen des Mieters verpflichtet, Auskunft über diejenigen Tatsachen zu erteilen, die für die Zulässigkeit der vereinbarten Miete maßgeblich sind. Dieses allerdings nur insoweit, als diese Tatsachen nicht allgemein zugänglich sind und der Vermieter hierüber unschwer Auskunft erteilen kann.

Der Auskunftsanspruch soll dem Mieter die erforderlichen Informationen für die Prüfung der Erfolgsaussichten einer Rückforderung zuviel gezahlter Miete verschaffen. Er ist beschränkt auf Tatsachen, die für die Zulässigkeit der vereinbarten Miete maßgeblich sind. In Betracht kommen also Auskünfte über die Höhe der ortsüblichen Miete, über die Höhe der Vormiete, über die Höhe der ortsüblichen Miete plus Modernisierungszuschlag, über die Umstände, aus denen sich die Bewertung als neuerrichtete Wohnung ergibt sowie über diejenigen Umstände, aus denen sich die Bewertung als umfassend modernisierte Wohnung ergibt.

Dem Mieter soll kein Anspruch auf Vorlage von Belegen, insbesondere einer Kopie des Vormietvertrages zustehen, ob geschwärzt oder nicht.

Die Gesetzesbegründung bezeichnet diesen Auskunftsanspruch als Hilfsanspruch, der von der Erhebung einer Rüge nicht abhängt. Auskunftsbegehren und Auskunftserteilung bedürfen der Textform. Ein bloßes mündliches Auskunftsbegehren und/oder eine lediglich mündliche Auskunftserteilung genügen also nicht.

Nach § 556 g Abs. 2 BGB kann der Mieter (nach wie vor) eine nicht geschuldete Miete zurückverlangen, wenn er einen Verstoß gegen die Mietpreisbremse gerügt hat und die zurückverlangte Miete nach Zugang der Rüge fällig geworden ist. Rückzahlungsansprüche vor der Rüge sind wie bisher ausgeschlossen.

Welche Anforderungen an eine Rüge zu stellen sind, hängt davon ab, wann der Mietvertrag geschlossen wurde und ob für den Vermieter Auskunftsverpflichtungen bestanden, denen er nachgekommen ist. Für Mietverträge, die vor dem 01.01.2019 geschlossen wurden, muss es sich um eine qualifizierte Rüge handeln, welche eine "Vorbefassung" durch den Mieter verlangt.BT-Drs. 18/3121, S. 33 Demgegenüber genügt für Mietverträge, die ab dem 01.01.2019 geschlossen wurden, grundsätzlich eine einfache Rüge. Dieses jedoch nur dann, wenn der Vermieter sich auf keine der vier Ausnahmen in §§ 556 e Abs. 1, Abs. 2, § 556 f S. 1 oder § 556 f S. 2 BGB beruft, die Mietvertragsparteien also über die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete streiten, oder der Vermieter sich auf eine der vorbezeichneten Ausnahmen beruft, aber den Mieter zuvor nicht darüber gemäß Abs. 1 a informiert hatte. Die einfache Rüge ist stets dann ausreichend, wenn der Vermieter seinen vorvertraglichen Auskunftspflichten nicht nachgekommen ist und der Mieter aus diesem Grund zum Zeitpunkt der Rüge nicht weiß, worauf der Vermieter seinen Anspruch auf die höhere Miete stützt.

Aktuell hat der BGH entschieden, dass die Verfolgung von Ansprüchen aus der Mietpreisbremse durch Inkassodienstleister grundsätzlich mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz vereinbar ist: Innerhalb des Rahmens des mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz verfolgten Schutzzweck ist eine großzügige Betrachtung geboten. Dies gilt sowohl für den Einsatz des schon vor der eigentlichen Beauftragung durch den Kunden eingesetzten „Mietpreisrechner“ als auch für die Erhebung der Rüge gem. § 556 g Abs. 2 BGB sowie ein klagweises Feststellungsbegehren bezüglich der höchstzulässigen Miete. Sämtliche Maßnahmen hängen mit der Einziehung der Forderung, die den Gegenstand des „Inkassoauftrages“ bildet (nämlich der Rückforderung überzahlter Mieten), eng zusammen und dienen der Verwirklichung dieser Forderung. Sie sind deshalb insgesamt (noch) als Inkassodienstleistung und nicht als Rechtsdienstleistung bei der Abwehr von Ansprüchen oder bei der Vertragsgestaltung und allgemeinen Rechtsberatung anzusehen, zu der eine Registrierung als Inkassodienstleister nicht berechtigt. Der BGH hat deshalb entschieden, dass die zu beurteilende Tätigkeit der als Inkassodienstleisterin registrierten Klägerin (noch) von der Befugnis gedeckt ist, Inkassodienstleistungen – nämlich Forderungen einzuziehen – zu erbringen.Pressemitteilung des BGH vom 27.11.2019 - VIII ZR 285/18.

2) Literaturstimmen

In der mietrechtlichen Literatur befassen sich mit der Mietpreisbremse u.a. Abramenko, Die Mietpreisbremse, 2015; Artz/Börstinghaus, Das am 01.01.2019 in Kraft getretene Mietrechtsanpassungsgesetz, NZM 2019, 12; Blank, Die Regelungen zur Mietpreisbremse im Entwurf zum Mietrechtsnovellierungsgesetz, WuM 2014, 641 ff.; Börstinghaus, Die Begrenzung der Wiedervermietungsmiete für Wohnraum, NJW 2015, 1553 ff.; Flatow, Die höchstzulässige Miete, WuM 2015, 191 ff.; Fleindl, Die Rückforderung überzahlter Miete bei Verstößen gegen die Mietpreisbremse, WuM 2015, 212 ff.; Herlitz, Mietpreisbremse und Verfassungsrecht, ZMR 2014, 262 ff.; Hinz, Die Mietpreisbremse - Erste Überlegungen aus dem Blickwinkel der gerichtlichen Praxis, ZMR 2014, 593 ff.

3) Prozessuales

6Der Mieter trägt die Darlegungs- und Beweislast für den Verstoß gegen die höchstzulässige Miete nach § 556d I BGB. §§ 556e und 556f BGB sind Ausnahmetatbestände. Sie führen zu einer gesetzlichen Beweislastumkehr, sodass der Vermieter beweisbelastet ist.


Fußnoten