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von Göler (Hrsg.) / Heiko Ormanschick / § 556d
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§ 556d Zulässige Miethöhe bei Mietbeginn; Verordnungsermächtigung

(1) Wird ein Mietvertrag über Wohnraum abgeschlossen, der in einem durch Rechtsverordnung nach Absatz 2 bestimmten Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt liegt, so darf die Miete zu Beginn des Mietverhältnisses die ortsübliche Vergleichsmiete (§ 558 Absatz 2) höchstens um 10 Prozent übersteigen.

(2) Die Landesregierungen werden ermächtigt, Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten durch Rechtsverordnung für die Dauer von jeweils höchstens fünf Jahren zu bestimmen. Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten liegen vor, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen in einer Gemeinde oder einem Teil der Gemeinde zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn

  • 1. die Mieten deutlich stärker steigen als im bundesweiten Durchschnitt,
  • 2. die durchschnittliche Mietbelastung der Haushalte den bundesweiten Durchschnitt deutlich übersteigt,
  • 3. die Wohnbevölkerung wächst, ohne dass durch Neubautätigkeit insoweit erforderlicher Wohnraum geschaffen wird, oder
  • 4. geringer Leerstand bei großer Nachfrage besteht.

Eine Rechtsverordnung nach Satz 1 muss spätestens mit Ablauf des 31. Dezember 2025 außer Kraft treten. Sie muss begründet werden. Aus der Begründung muss sich ergeben, auf Grund welcher Tatsachen ein Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt im Einzelfall vorliegt. Ferner muss sich aus der Begründung ergeben, welche Maßnahmen die Landesregierung in dem nach Satz 1 durch die Rechtsverordnung jeweils bestimmten Gebiet und Zeitraum ergreifen wird, um Abhilfe zu schaffen.

Für den Rechtsverkehr

(für Nichtjuristen)

zum Expertenteil (für Juristen)

Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle

1Das wesentliche Ziel des Gesetzes ist die Dämpfung des Mietanstiegs. Bei einer Wiedervermietung wird die Miete auf die ortsübliche Miete zzgl. 10 % begrenzt. Die Regelungen sind der breiten Öffentlichkeit unter dem Schlagwort 'Mietpreisbremse' bekannt.

Regelanwendungsfall für die neue Mietpreisbindung in § 556d I BGB bilden Wohnungen in Bestandsimmobilien, die in jüngerer Zeit nicht modernisiert worden sind. 

Die Begrenzung der Wiedervermietungsmiete gilt nur in der Wohnraummiete. Hiervon ausgenommen sind Mietverhältnisse über Wohnraum, denen auch sonst der Mieterschutz im engeren Sinne nicht zugute kommt (z.B. möblierter Wohnraum in einer vom Vermieter selbst bewohnten Wohnung, Studentenwohnheime, Ferienwohnungen). Im preisgebundenen Wohnungsbau findet die Mietpreisbremse keine Anwendung. Ebenso wenig sind Gewerbemietverhältnisse betroffen. 

Ausnahmen zu der in § 556d I BGB geregelten Wiedervermietungsmiete enthalten §§ 556d, e BGB, Auskunftsansprüche des Mieters und die Rechtsfolgen bei Verstößen gegen die Mietpreisbremse regelt § 556g BGB.

Die Vereinbarung einer preiswidrig gegen § 556d I BGB verstoßenden Miete stellt keine Ordnungswidrigkeit dar. Sie eröffnet lediglich Rückforderungsansprüche des Mieters. Allerdings stellt seit dem 01.01.2019 die Durchführung einer baulichen Veränderung in missbräuchlicher Weise gemäß des neu eingefügten § 6 WiStrG eine Ordnungswidrigkeit dar.vgl. hierzu Börstinghaus/Krumm, "Herausmodernisieren": Die geplante neue Ordnungswidrigkeit, NZM 2018, 633; Blank, Zur Auslegung des neuen § 6 WiStrG, NZM 2019, 73 

Expertenhinweise

(für Juristen)

1) Allgemeines

2Durch das Mietrechtsnovellierungsgesetz hat der Gesetzgeber ein neues Unterkapitel 1a („Vereinbarungen über die Miethöhe bei Mietbeginn in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten“) in die mietrechtlichen Vorschriften des BGB eingefügt. Die mit dem Schlagwort „Mietpreisbremse“ bezeichneten Neuregelungen in den §§ 556d bis 556g BGB sind (mit Ausnahme der bereits am Tag nach der Verkündung (28.04.2015) Wirksamkeit erlangten Ermächtigungsnorm des § 556d II BGB) am 01.06.2015 in Kraft getreten.

Mittlerweile hat der Gesetzgeber unter Hinweis auf die anhaltend hohe Nachfrage nach Mietwohnungen in Ballungszentren festgestellt, dass die Mieten weiter stark ansteigen und die Regelungen des Mietrechtsnovellierungsgesetzes nicht zu der erhofften Wirkung einer Dämpfung des Mietanstiegs in angespannten Wohnungsmärkten geführt haben. Zum 01.01.2019 ist das Gesetz zur Ergänzung der Regelungen über die zulässige Miethöhe bei Mietbeginn und zur Anpassung der Regelungen über die Modernisierung der Mietsache (Mietrechtsanpassungsgesetz - MietAnpG) in Kraft getreten (vgl. BGBl I 2018, 2694). Mit dieser Gesetzesänderung bezweckt der Gesetzgeber eine "Nachschärfung" der Mietpreisbremse. Die gesetzlichen Neuregelungen des MietAnpG finden Anwendung auf Mietverträge, deren Abschluss nach dem 31.12.2018 erfolgt ist (vgl. Artikel 229 § 49 Abs. 2 EGBGB).

Im Dezember 2019 hat die Bundesregierung einen weiteren Gesetzentwurf zur Verlängerung und (erneuten) Verbesserung der Regelungen über die zulässige Miethöhe bei Mietbeginn vorgelegt (BT-Drucks. 19/15824). Beabsichtigt ist die Verlängerung der Mietpreisbremse in der Form, dass die Höchstgeltungsdauer einer Verordnung nach § 556 d Abs. 2 BGB bis zum Ablauf des 31.12.2025 erfolgen soll. Zudem sind u. a. den Mieter begünstigende Modifizierungen des § 556 g Abs. 2 BGB im Hinblick auf die Beschränkung des Rückforderungsanspruchs vorgesehen.

Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 556 d BGB ist der Abschluss eines neuen Mietvertrages und damit die Begründung einer originären Verpflichtung. Wird hingegen der bisherige Vertrag fortgesetzt, verlängert, erneuert oder findet nur ein Parteiwechsel statt, findet die Vorschrift keine Anwendung.LG Berlin, Beschluss vom 25.04.2018 - 65 S 238/17, ZMR 2018, 761

Durch die Zustimmung eines Mieters zu einem Mieterhöhungsverlangen des Vermieters kommt in der Regel eine Vereinbarung über die Erhöhung der Miete auf die neue Miethöhe zustande, die den Rechtsgrund für die daraufhin erbrachten erhöhten Mietzahlungen darstellt. Die Regelungen über die Miethöhe bei Mietbeginn in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten finden auf eine Mieterhöhungsvereinbarung während eines laufenden Mietverhältnisses keine Anwendung (BGH, Urteil vom 28.09.2022 - VIII ZR 300/21, https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=9a76bf6a16906a17f92003ee742d3d8a&nr=131582&pos=0&anz=1 , BGH, ZMR 2023, 190).

Die Begrenzung der Wiedervermietungsmiete gilt nur in der Wohnraummiete. Hiervon ausgenommen sind Mietverhältnisse über Wohnraum, denen auch sonst der Mieterschutz im engeren Sinne nicht zugute kommt (z.B. möblierter Wohnraum in einer vom Vermieter selbst bewohnten Wohnung, Studentenwohnheime, Ferienwohnungen). Im preisgebundenen Wohnungsbau findet die Mietpreisbremse keine Anwendung. Ebenso wenig sind Gewerbemietverhältnisse betroffen.

Probleme eröffnen sich bei Mischmietverhältnissen, wenn also ein einheitlicher Mietvertrag über Wohn- und Gewerbemieträume geschlossen wurde. Für die Zuordnung des Mischmietverhältnisses zum Wohnraum- oder Gewerberaummietrecht kommt es entscheidend darauf an, welche Nutzungsart überwiegt. Der Vertrag wird dann insgesamt entweder dem Wohnraum- oder dem Gewerberaummietrecht unterstellt (je nach überwiegender Nutzung). Ob eine solche Handhabung dem Schutzzweck der Norm gerecht wird, erscheint zweifelhaft. Abramenko, Die Mietpreisbremse, § 2 Rz 4.  Mischmietverhältnisse würden bereits dann aus dem Schutzbereich des § 556d I BGB fallen, soweit die gewerbliche Nutzung auch nur geringfügig überwiegt. Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete bei einem Mischmietverhältnis. Mangels Vergleichsobjekt dürfte diese kaum zu ermitteln sein.

Das wesentliche Ziel des Gesetzes ist die Dämpfung des Mietanstiegs. Bei einer Wiedervermietung wird die Miete auf die ortsübliche Miete zzgl. 10 % begrenzt.

Regelanwendungsfall für die neue Mietpreisbindung in § 556d I BGB bilden Wohnungen in Bestandsimmobilien, die in jüngerer Zeit nicht modernisiert worden sind.

2) Definitionen

3Der Begriff der ortsüblichen Miete ist nicht neu. § 558 II BGB bestimmt insoweit, dass die ortsübliche Vergleichsmiete aus den üblichen Entgelten gebildet wird, die in einer Gemeinde oder einer vergleichbaren Gemeinde für Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage einschließlich der energetischen Ausstattung und Beschaffenheit in den letzten vier Jahren vereinbart oder geändert worden sind.

3) Literaturstimmen

10In der Literatur besteht schon jetzt Einvernehmen darin, dass die gesetzlichen Neuregelungen zur Mietpreisbremse erhebliche Rechtsunsicherheiten bedeuten.Börstinghaus, Die Begrenzung der Wiedervermietungsmiete für Wohnraum, NJW 2015, 1553 ff.

In der mietrechtlichen Literatur befassen sich mit der Mietpreisbremse u.a. Abramenko, Die Mietpreisbremse, 2015; Artz/Börstinghaus, Das am 01.01.2019 in Kraft getretene Mietrechtsanpassungsgesetz, NZM 2019, 12; Blank, Die Regelungen zur Mietpreisbremse im Entwurf zum Mietrechtsnovellierungsgesetz, WuM 2014, 641 ff.; Börstinghaus, Die Begrenzung der Wiedervermietungsmiete für Wohnraum, NJW 2015, 1553 ff.; Flatow, Die höchstzulässige Miete, WuM 2015, 191 ff.; Fleidl, Die Rückforderung überzahlter Miete bei Verstößen gegen die Mietpreisbremse, WuM 2015, 212 ff.; Herlitz, Mietpreisbremse und Verfassungsrecht, ZMR 2014, 262 ff.; Hinz, Praktische Sicht auf das Mietanpassungsgesetz, ZMR 2019, 557, 645; Hinz, Die Mietpreisbremse - Erste Überlegungen aus dem Blickwinkel der gerichtlichen Praxis, ZMR 2014, 593 ff.; Selk, Das Mietrechtsanpassungsgesetz, NJW 2019, 329; Wichert, Verschärfung der Mietpreisbremse durch das Mietrechtsanpassungsgesetz, ZMR 2019, 245.

4) Prozessuales

11Nach der Rechtsprechung des BGH muss ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot von derjenigen Prozesspartei bewiesen werden, welche sich auf die Unwirksamkeit beruft.BGH, NJW 1983, 2018 Dies ist in Fällen eines behaupteten Verstoßes gegen die zulässige Miethöhe der Mieter.

12Für die rechtliche Prüfung der von den Landesregierungen erlassenen Gebietsfestlegungsverordnungen sind nicht die Verwaltungsgerichte, sondern die ordentlichen Gerichte zuständig.Lehmann-Richter, Voraussetzungen und Kontrolle einer Gebietsverordnung zur Mietpreisbremse, WuM 2015, 204 ff.  Erst nach Ausschöpfung des ordentlichen Rechtsweges wird der Weg zum Bundesverfassungsgericht eröffnet. Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 24.06.2015 (1 BvR 1360/15) eine Verfassungsbeschwerde gegen die Mietpreisbremse und die Berliner Mietenbegrenzungsverordnung nicht zur Entscheidung angenommen.Pressemitteilung Nr. 52/2015 des BVerfG vom 10.07.2015

Das Vorliegen von Ausnahmetatbeständen (z.B. vom Schutzbereich des § 556d BGB ausgenommenen Wohnraums) hat im Bestreitensfall der Vermieter darzulegen und zu beweisen.

Geht es um die Feststellung der Höhe der Miete, so bemisst sich der Streitwert nach § 3 ZPO mit dem 42-fachen streitigen Differenzbetrag. Es fehlt an einer planwidrigen Regelungslücke und damit an der Voraussetzung für eine Analogie zu § 41 Abs. 5 GKG, der nur Mieterhöhungen betrifft.LG Hamburg, Beschluss vom 10.12.2018 - 316 T 51/18, ZMR 2019, 199 


Fußnoten