§ 1942 Anfall und Ausschlagung der Erbschaft
(1) Die Erbschaft geht auf den berufenen Erben unbeschadet des Rechts über, sie auszuschlagen (Anfall der Erbschaft).
(2) Der Fiskus kann die ihm als gesetzlichem Erben angefallene Erbschaft nicht ausschlagen.
Für den Rechtsverkehr
(für Nichtjuristen)
zum Expertenteil (für Juristen)
Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle
Die Vorschrift regelt, wie das Vermögen des Verstorbenen auf den Erben übergeht, nämlich von selbst (sog. „Vonselbsterwerb“). Die Erbschaft geht automatisch mit dem Tod des Erblassers auf den Erben über. Der Erbe muss weder etwas dafür tun, noch sich dazu erklären; häufig weiß er nicht einmal davon.
Wenn er die Erbschaft behalten möchte, hat er keinen Handlungsbedarf. Wenn er die Erbschaft nicht möchte, muss er form- und fristgerecht eine Ausschlagungserklärung abgeben.
Durch den Vonselbsterwerb ist sichergestellt, dass es keinen herrenlosen Nachlass gibt; dies dient der Rechtssicherheit.
Expertenhinweise
(für Juristen)
1) Allgemeines
1Der Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge, wonach das Vermögen des Erblassers („die Erbschaft“) als Ganzes auf den Erben übergeht, ist in
Der Erbe hat jedoch die Wahl, ob er die Erbschaft behalten oder sie ausschlagen möchte.
2) Definitionen
a) Voraussetzungen für den Anfall der Erbschaft:
aa) Berufung zum Erben:
2Voraussetzung für den Anfall der Erbschaft ist, dass der Erbe zur Erbschaft „berufen“ ist. Entweder wurde er in einer letztwilligen Verfügung (Testament, Erbvertrag, §§ 1937, 1941 BGB) zum Erben bestimmt oder es greift die gesetzliche Erbfolge ein, weil eine letztwillige Verfügung fehlt, und er ist als gesetzlicher Erbe berufen.
bb) Erbfähigkeit:
3Der Erbe muss erbfähig im Sinne des
b) Rechtsfolgen:
aa) Vonselbsterwerb der Erbschaft:
4Die Erbschaft geht kraft Gesetzes auf den Erben über. Die Erbschaft fällt ihm an, ohne dass seine Kenntnis oder eine Erklärung von ihm erforderlich wäre. Es handelt sich um zwingendes Recht, sodass weder Vorbehalte des Erben noch abweichende Anordnungen des Erblassers die Vorschrift abbedingen können. Durch den Vonselbsterwerb ist die Erbschaft zu keinem Zeitpunkt herrenlos.
bb) Zeitpunkt:
5Die Erbschaft geht gemäß
Eine Ausnahme gilt für den zum Todeszeitpunkt bereits gezeugten, aber noch nicht geborenen Erben („Nasciturus“,
Für Stiftungen, die erst nach dem Tod des Erblassers als rechtsfähig anerkannt werden, gilt
Bei Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft fällt die Erbschaft zunächst dem Vorerben an. Der Anfall an den Nacherben findet statt, wenn die Nacherbfolge eintritt und der Vorerbe aufhört, Erbe zu sein (
cc) Ausschlagungsrecht:
6Nach Anfall der Erbschaft hat der Erbe ein Wahlrecht, ob er die Erbschaft endgültig behalten möchte („annehmen“, s. hierzu
(1) Annahme:
7Den Willen zur endgültigen Annahme der Erbschaft kann der Erbe mit einer ausdrücklichen Erklärung oder durch schlüssiges Verhalten zum Ausdruck bringen. Mit der Annahme der Erbschaft verliert der Erbe gemäß
(2) Ausschlagung:
8Bis zur Annahme der Erbschaft hat der Erbe das Recht die Erbschaft auszuschlagen. Die Ausschlagung der Erbschaft ist ein Gestaltungsrecht und an die Einhaltung einer Frist (
Das Ausschlagungsrecht ist vererblich (
Das Ausschlagungsrecht ist höchstpersönlich; ausschlagungsberechtigt ist allein der Erbe.
Er hat auch dann das Recht zur Ausschlagung, wenn er Schuldner eines Insolvenzverfahrens ist (
Für Minderjährige, Mündel und Betreute gilt, dass die Ausschlagung durch Eltern, Vormund bzw. Betreuer als gesetzliche Vertreter erfolgt; zusätzlich ist grundsätzlich die Genehmigung des Familien- bzw. Betreuungsgerichts erforderlich (§§ 1643 Abs. 2. S. 1, 1822 Nr. 2, 1908 i Abs. 1 BGB). Die Genehmigungspflicht kann unter bestimmten Voraussetzungen entbehrlich sein.s. z.B. § 1643 Abs. 2 S. 2 BGB; siehe auch Mensch, Erbschaftsausschlagung für Minderjährige bei positivem Nachlassvermögen, BWNotZ 2013, 144
Gründe für eine Ausschlagung können in der wirtschaftlichen Zusammensetzung des Nachlasses liegen, z.B. bei überschuldetem Nachlass oder hiermit verbundenen Steuernachteilen. Eine Ausschlagung kann ferner zur Beseitigung der Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Ehegattentestaments sinnvoll sein (
dd) Übergangszeitraum bis zur Annahme oder Ausschlagung:
9Im Übergangszeitraum vom Anfall der Erbschaft bis zur endgültigen Annahme oder Ausschlagung ist der Erbe vorläufiger Erbe. Das Gesetz schützt ihn in dieser Zeit vor Gläubigern, z.B. können Forderungen gegen den Nachlass vor Annahme der Erbschaft nicht gegen den Erben gerichtlich geltend gemacht werden (
c) Sonderfall Fiskus, § 1942 Abs. 2 BGB:
10Wird der Fiskus gemäß
Ist der Fiskus nicht gesetzlicher, sondern testamentarischer Erbe, steht ihm das Ausschlagungsrecht zu.
3) Literaturstimmen
- Damrau, Die Verpflichtung zur Ausschlagung der Erbschaft, ZEV 1995, 425
- Flick, Die Erbausschlagung als Instrument zur nachträglichen Gestaltung einer verunglückten Erbfolge, DStR 2000, 1816
- Mensch, Erbschaftsausschlagung für Minderjährige bei positivem Nachlassvermögen, BWNotZ 2013, 144
- Schmidt, Der Erwerb der Erbschaft in grenzüberschreitenden Sachverhalten unter besonderer Berücksichtigung der EuErbVO, ZEV 2014, 455
- Walter, Annahme und Ausschlagung der Erbschaft, ZEV 2008, 319