§ 311b Verträge über Grundstücke, das Vermögen und den Nachlass
(1) Ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben, bedarf der notariellen Beurkundung. Ein ohne Beachtung dieser Form geschlossener Vertrag wird seinem ganzen Inhalt nach gültig, wenn die Auflassung und die Eintragung in das Grundbuch erfolgen.
(2) Ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, sein künftiges Vermögen oder einen Bruchteil seines künftigen Vermögens zu übertragen oder mit einem Nießbrauch zu belasten, ist nichtig.
(3) Ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, sein gegenwärtiges Vermögen oder einen Bruchteil seines gegenwärtigen Vermögens zu übertragen oder mit einem Nießbrauch zu belasten, bedarf der notariellen Beurkundung.
(4) Ein Vertrag über den Nachlass eines noch lebenden Dritten ist nichtig. Das Gleiche gilt von einem Vertrag über den Pflichtteil oder ein Vermächtnis aus dem Nachlass eines noch lebenden Dritten.
(5) Absatz 4 gilt nicht für einen Vertrag, der unter künftigen gesetzlichen Erben über den gesetzlichen Erbteil oder den Pflichtteil eines von ihnen geschlossen wird. Ein solcher Vertrag bedarf der notariellen Beurkundung.
Für den Rechtsverkehr
(für Nichtjuristen)
zum Expertenteil (für Juristen)
Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle
1
Beurkundungsbedürftige Rechtsgeschäfte
Nach
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Ergänzt werden die Beurkundungserfordernisse des
Die Frage, warum der Gesetzgeber Transaktionen durch derartige Formerfordernisse erschwert und insbesondere verteuert, ist berechtigt. Gerade auch im internationalen Vergleich zeigt sich, dass in anderen Ländern häufig formloser und schneller agiert werden kann.
Welche Funktion ein Beurkundungszwang hat, ist zwar für jeden Geschäftstyp eigenständig zu beurteilen. Genannt werden – allerdings mit unterschiedlicher Betonung und Schwerpunktsetzung – in aller Regel folgende Zwecke:
- Warnfunktion/Schutz vor Übereilung: Dadurch, dass die Beteiligten für den Abschluss des Geschäfts einen Notar aufsuchen müssen, soll ihnen deutlich werden, dass es sich nicht um ein gewöhnliches Alltagsgeschäft handelt. Hieran knüpft häufig auch der Schutz für bestimmte Verkehrskreise an; heute insbesondere der Verbraucherschutz.
- Beratungs- und Schutzfunktion: Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Urkundsbeteiligten durch einen zu Objektivität und Neutralität verpflichteten Notar beraten und so die Verträge angemessen und sachkundig gestaltet werden. Dies ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn die Beteiligten unterschiedlich geschäftserfahren sind.
- Beweisfunktion: Durch eine notarielle Urkunde wird ein gerichtsfestes Beweismittel darüber geschaffen, dass die in der Urkunde enthaltenen Erklärungen abgegeben wurden bzw. die in ihr bezeugten Vorgänge stattgefunden haben (
Ob für das konkrete Rechtsgeschäft einer der vorgenannten Zwecke einschlägig ist oder nicht, ist unbeachtlich. Der Gesetzgeber knüpft das Formerfordernis vielmehr typisierend an bestimmte Arten von Rechtsgeschäften.
Nichtige Rechtsgeschäfte
Daneben ordnet
- gem.
- gem.
Bei den nichtigen Geschäftstypen wollte der historische Gesetzgeber bestimmten Schutzaspekten Rechnung tragen, etwa den Schutz der persönlichen Unabhängigkeit des Einzelnen gewährleisten.
Die beurkundungspflichtigen Rechtsgeschäfte im Einzelnen
Grundstücksverträge
Hauptanwendungsfall des
Das Formerfordernis erfasst alle Arten von Verträgen, insbesondere Kauf-, Tausch- und Schenkungsverträge.
Unbeachtlich ist, ob das zu verkaufende Grundstück bereits dem Verkäufer gehört. Man kann sich auch wirksam verpflichten, ein Grundstück zu verkaufen, das einem nicht gehört. Dieser Fall kommt insbesondere dann vor, wenn jemand ein Grundstück veräußert, dass er selbst gekauft hat, bei dem das Eigentum im Grundbuch aber noch nicht umgeschrieben ist und es deswegen dem Verkäufer noch nicht gehört.
Spannend sind Reservierungsvereinbarungen, die sich Makler gerne von Kaufinteressenten unterzeichnen lassen. Hierbei geht es in der Regel darum, dass der Käufer sich verpflichtet, einen bestimmten Betrag (Vertragsstrafe) zu zahlen, falls der Abschluss des Kaufvertrages aus Gründen scheitert, die er zu vertreten hat. Bei diesen Erklärungen kommt es darauf an, ob eine mittelbare Verpflichtung begründet wird, ob also die Strafe so hoch ist, dass daraus ein mittelbarer Kaufzwang folgt. Nach der Rechtsprechung des BGH ist dies zumindest dann der Fall, wenn die Reservierungsgebühr 10 % oder mehr des vereinbarten Maklerhonorars ausmachen soll. Auch bei deutlich geringeren Beträgen kann eine Beurkundungspflicht bestehen, wenn der Betrag wegen seiner absoluten Höhe eine mittelbare Bindung vermittelt.BGH vom 10.02.1988 – IVa ZR 268/86, NJW 1988, 1716
Wichtig ist, dass die Erklärungen der Beteiligten vollständig und richtig beurkundet werden. Im Falle einer sogenannten Unterverbriefung – also der zu geringen Kaufpreisangabe in einem Grundstückskaufvertrag – ist der gesamte Kaufvertrag nichtig, also sowohl der beurkundete Vertrag, als auch der nicht beurkundete Vertrag.
Bei Grundstücksverträgen besteht die Besonderheit, dass die Unwirksamkeit geheilt wird, wenn die Auflassung erklärt und der Eigentumswechsel im Grundbuch eingetragen wird (§ 311b Abs. 2 BGB).
Verträge über gegenwärtiges Vermögen
Verträge über das gegenwärtige Vermögen nehmen im Bereich der Unternehmenskaufverträge und im Bereich der Altenteils-Verträge durchaus einen breiten Raum ein, auch wenn dieses Beurkundungserfordernis in der Öffentlichkeit nicht so präsent ist, wie das Beurkundungserfordernis bei Grundstückskaufverträgen.
Beurkundungsbedürftig ist auch in diesem Fall das Verpflichtungsgeschäft. Eine Heilung durch Erfüllung ist bei diesem Geschäftstyp, anders als bei Grundstücksverträgen, nicht möglich.
Verträge unter gesetzlichen Erben
Man sollte meinen, dass Verträge der gesetzlichen Erben über den Nachlass eines noch lebenden Elternteils verboten sind. Bei Lichte betrachtet hat der Gesetzgeber diese Verträge aber mit guten Gründen zugelassen. Durch eine geeignete Gestaltung kann hier in einer schwierigen Familienkonstellation häufig Planungssicherheit geschaffen werden.
Gesetzliche Erben können im Hinblick auf den erwarteten Vermögensanfall daher bereits zu Lebzeiten des Erblassers Verträge über den Nachlass und dessen Verteilung schließen. Alle Vertragsbeteiligten müssen zum Kreis der potenziellen gesetzlichen Erben gehören. Gehört nur ein Vertragsbeteiligter nicht zu diesem Personenkreis, ist der Vertrag nach
Diese Verträge sind in aller Regel sehr gestaltungsintensiv und häufig mit erheblichen innerfamiliären Problemen belastet. Das notarielle Formerfordernis ist daher gerade bei diesen Verträgen gut nachvollziehbar. Ziel der Gestaltung ist in der Regel, die Auseinandersetzung nach dem Tod vorzubereiten und somit einen geordneten Vermögensübergang sicherzustellen. Zu den verschiedenen Gestaltungen vgl. Henssler, RNotZ 2010, 221.
Die nichtigen Rechtsgeschäfte im Einzelnen
Verträge über künftiges Vermögen
Während Verträge über das gegenwärtige Vermögen nur dem strengen Formerfordernis der notariellen Beurkundung unterliegen, sind Verträge über künftiges Vermögen nichtig.
Nur solche Verträge unterfallen dem Verdikt der Nichtigkeit, in denen die Verpflichtung eingegangen wird, das künftige Vermögen ganz oder zu Bruchteilen zu übertragen oder mit einem Nießbrauch zu überlassen. Ehevertragsklauseln oder Erbverträge fallen nicht unter diese Norm. Auch Bürgschaften fallen nicht unter diese Norm, selbst dann nicht, wenn das gesamte künftige Vermögen des Bürgen bedroht wird.
Eine Verpflichtung, einzelne Vermögensgegenstände zu übertragen, fällt nicht in den Schutzbereich dieser Vorschrift, selbst dann nicht, wenn das Vermögen nur aus einem Aktivposten besteht. Eine Verpflichtung zur Abtretung aller künftigen Geschäftsforderungen oder Forderungen aus einem bestimmten Rechtsverhältnis ist daher möglich.
Will sich eine Person durch Schenkung unter Lebenden auf den Todesfall verpflichten, sein ganzes Vermögen auf einen Dritten zu übertragen, so wäre diese Schenkung nach
Verträge über den Nachlass
Verträge über den Nachlass eines noch lebenden Dritten sind unwirksam (
Die Regelung des
Expertenhinweise
(für Juristen)
1) Allgemeines
2Es fällt schwer, im Rahmen des
2) Definitionen
3a) Grundstücksvertrag: Ein Grundstücksvertrag ist ein Vertrag, der sich auf die Verpflichtung zur Übertragung eines Grundstücks bezieht. Grundstück ist ein räumlich abgrenzbarer Teil der Erdoberfläche. Zu einem Grundstück im Rechtssinne wird es durch Anlage eines Grundbuchblattes, auf dem dieses Grundstück gebucht wird.
3) Abgrenzungen, Kasuistik
10Grundstücksverträge
Anwartschaftsrecht: Ein sogenanntes Anwartschaftsrecht entsteht für den Käufer, wenn entweder der Umschreibungsantrag oder aber der Antrag auf Eintragung der Eigentumsübertragungsvormerkung beim Grundbuchamt gestellt ist. Soll dieses Anwartschaftsrecht auf einen anderen übertragen werden, so unterliegt dieser Vertrag ebenfalls dem notariellen Beurkundungserfordernis nach
4) Zusammenfassung der Rechtsprechung
BGH vom 25.06.2021 – V ZR 218/19, NJW-RR 2021, 1244;
BGH vom 29.01.2021 – V ZR 139/19, DNotZ 2021, 764;
BGB vom 14.09.2018 – V ZR 213/17, NJW 2018, 3523;
BGH vom 05.04.2001 – VII ZR 119/99, NJW 2001, 1932;
BGH vom 09.11.1995 – V ZR 36/95, NJW 1996, 453;
BGH vom 10.02.1988 – IVa ZR 268/86, NJW 1988, 1716;
BGH vom 06.11.1981 - V ZR 138/80, NJW 1982, 434;
BGH vom 20.06.1980 – V ZR 84/79, NJW 1981, 222;
BGH vom 06.04.1979 – V ZR 72/74, NJW 1979, 1496;
BGH vom 23.09.1977 – V ZR 90/75, NJW 1978, 102;
BGH vom 20.12.1974 – V ZR 132/73, NJW 1975, 536;
BGH vom 26.10.1973 – V ZR 194/72, NJW 1974, 271;
KG vom 09.02.2021 – 21 U 126/19, NJOZ 2021, 79;
OLG Nürnberg vom 04.11.2020 – 4 U 601720, BeckRS 2020, 46955;
OLG Rostock vom 19.12.2019 – 3 U 62/18, BeckRS 2019, 33902.
5) Literaturstimmen
Henssler, RNotZ 2010, 221
Heyen, DNotZ 2011, 6
Odemer, ZEV 2021, 414