Schliessen
von Göler (Hrsg.) / Heiko Ormanschick / § 556f

§ 556f Ausnahmen

§ 556d ist nicht anzuwenden auf eine Wohnung, die nach dem 1. Oktober 2014 erstmals genutzt und vermietet wird. Die §§ 556d und 556e sind nicht anzuwenden auf die erste Vermietung nach umfassender Modernisierung.

Für den Rechtsverkehr

(für Nichtjuristen)

zum Expertenteil (für Juristen)

Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle

1Auch diese gesetzliche Regelung enthält weitere Ausnahmen von der Mietpreisbremse:

Nicht anzuwenden ist die Mietpreisbremse auf Wohnungen, die erstmals nach dem 01.10.2014 genutzt und vermietet werden.

Ebenso wenig Anwendung findet die Mietpreisbremse auf die erste Vermietung nach umfassender Modernisierung. Umfassend ist eine Modernisierung dann, wenn sie einen solchen Umfang aufweist, dass eine Gleichstellung mit Neubauten gerechtfertigt erscheint. Diese Voraussetzung dürfte dann eröffnet sein, wenn der Bauaufwand einem Drittel des Neubauaufwands entspricht.

Expertenhinweise

(für Juristen)

1) Allgemeines

2Diese Vorschrift enthält zwei weitere preisrechtliche Ausnahmen zu der in § 556d I BGB geregelten Mietpreisbremse.

Nach § 556f S. 1 BGB ist die Begrenzung der Miete bei einer Wiedervermietung (auf die ortsübliche Miete zzgl. 10 %) nicht anwendbar auf Wohnungen, die nach dem 01.10.2014 erstmals genutzt und vermietet wurden.

Mit dieser Ausnahmeregelung verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, den Wohnungsneubau nicht durch ökonomische Fesseln bei der Erzielung von Rendite zu behindern.

Betroffen sind Neubauwohnungen (besser: erstmals genutzte Wohnungen).

Die Vorschrift stellt nicht darauf ab, wann eine Wohnung errichtet und ob sie nach einem bestimmten Stichtag fertig gestellt, sondern dass diese nach dem 01.10.2014 erstmals genutzt und vermietet worden ist. Mit anderen Worten: Die Wohnung bleibt preisfrei, wenn weder eine Vermietung an Dritte, noch eine „sonstige Nutzung“ bis zum 01.10.2014 stattfand. Unter den Begriff „sonstige Nutzung“ wird in der Praxis insbesondere die Eigennutzung durch den Eigentümer/Vermieter fallen. Wenn dieser also eine Wohnung in der Zeit bis zum 01.10.2014 selbst bewohnt hatte, unterliegt diese Wohnung der Mietpreisbremse auch dann, wenn die erste Vermietung erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt.

Die Vorschrift ist wohnungs-, nicht hausbezogen. Bei einem Dachgeschossausbau kann demzufolge eine neue Wohnung in einem Altbau von der Anwendbarkeit der Mietpreisbremse ausgenommen sein.Börstinghaus, Die Begrenzung der Wiedervermietungsmiete für Wohnraum, NJW 2015, 1553, 1554

In der Gesetzesbegründung wird bei der Bestimmung eines Neubaus i. S. v. § 556f S. 1 BGB auf § 16 I Nr. 1 des Wohnraumförderungsgesetzes (WoFG) verwiesen.BT-Drs. 18/3121, 32 Demzufolge fällt also auch die unter wesentlichem Bauaufwand erfolgte Schaffung von Wohnraum durch Änderung, Nutzungsänderung oder Erweiterung von Gebäuden unter einen Neubau i. S. d. Vorschrift.

Eine zweite preisrechtliche Ausnahme von der Mietpreisbindung eröffnet § 556f S. 2 BGB, wonach die §§ 556d BGB und 556e BGB nicht anzuwenden sind auf die erste Vermietung nach umfassender Modernisierung.

Der Gesetzgeber will die grundlegende Sanierung von Wohnraum ähnlich wie den Neubau privilegieren. Der investitionshemmende Einfluss der Mietpreisbremse soll möglichst gering gehalten werden.

Die „umfassende“ Modernisierung wird vom Gesetzgeber nicht definiert. Allerdings soll nach der Gesetzesbegründung eine Modernisierung dann „umfassend“ i. S. v. § 556f S. 2 BGB sein, wenn sie einen solchen Umfang aufweist, dass eine Gleichstellung mit Neubauten gerechtfertigt erscheint.BT-Drs. 18/3121, 32

Nach § 16 I Ziff. 4. WoFG ist Wohnungsbau das Schaffen von Wohnraum durch Änderung von Wohnraum unter wesentlichem Bauaufwand zur Anpassung an geänderte Wohnbedürfnisse. Damit müssen also zwei Voraussetzungen erfüllt sein:

Einerseits muss der Aufwand erheblich sein. Die Rechtsprechung verlangt in etwa einen Aufwand, der einem Drittel des Neubauaufwands entspricht.BGH, Urteil vom 10.08.2010 – VIII ZR 316/09 -, WuM 2010, 679 

Ferner verlangt das Gesetz, dass die Wohnung durch die Arbeiten „verbessert“ werden. Die Gesetzesbegründung stellt auf Verbesserungen beispielhaft in den Bereichen Sanitär, Heizung, Fenster, Fußboden, Elektroinstallationen und bei den energetischen Eigenschaften ab. Damit erfasst werden also Modernisierungsmaßnahmen gem. § 555 b Nr. 1 oder 3 – 6 BGB.

Die Voraussetzung einer umfassenden Modernisierung beinhaltet nicht nur ein quantitatives (Kosten-)Element, sondern gleichberechtigt auch ein qualitatives Kriterium. Zu Berücksichtigen sind die qualitativen Auswirkungen der Maßnahmen auf die Gesamtwohnung. Diese muss in mehreren wesentlichen Bereichen (insbesondere Sanitär, Heizung, Fenster, Fußboden, Elektroinstallation bzw. in den energetischen Eigenschaften) verbessert worden sein.LG Berlin, Urteil vom 10.10.2019 - 65 S 107/19, ZMR 2020, 113; LG Berliln, Urteil vom 23.05.2019 - 65 S 25/18, WuM 2019, 447. 

Ob bei der Anwendung des § 556 f BGB auch Kosten, die auf Instandsetzungsmaßnahmen entfallen, mit in die Berechnung einzustellen sind, ist umstritten. Zum einen wird vertreten, diese seien entsprechend § 16 Abs. 3 S. 2 WoFG nicht abzuziehen. LG Berlin, Urteil vom 23.10.2018 - 63 S 293/17, ZMR 2019, 124. Nach anderer Auffassung sind Instandsetzungsmaßnahmen, die nicht die Anforderungen des § 555 b BGB erfüllen, schon begrifflich nicht unter § 556 f S. 2 BGB zu subsumieren und deshalb von den Modernisierungskosten in Abzug zu bringen.LG Berlin, Urteil vom 30.10.2019 - 65 S 142/19, ZMR 2020, 117. Diesen Meinungsstreit hat der BGH mittlerweile entschieden:

Kosten, die keinen Bezug zu einer in § 555 b BGB genannten Modernisierungsmaßnahme aufweisen, sondern allein der Durchführung von Erhaltungsmaßnahmen geschuldet sind, werden von vornherein nicht in den Kostenvergleich aufgenommen. Entsprechendes gilt auch für den Fall, dass ältere Bauteile und Einrichtungen der Wohnung modernisiert werden und zwar sowohl dann, wenn diese schon mangelhaft sind, als auch dann, wenn sie - ohne dass ein Austausch schon unmittelbar erforderlich wäre - bereits über einen nicht unerheblichen Zeitraum ihrer zu erwartenden Gesamtlebensdauer abgenutzt worden sind.BGH, Urteil vom 11.11.2020 - VIII ZR 369/18; https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=26f0cb47dc2eb55ae25065d635566506&nr=114592&pos=0&anz=1   Für den Fall der Mieterhöhung nach § 559 BGB hatte der BGH bereits entschieden, dass bei einer modernisierenden Instandsetzung nicht nur Kosten für bereits fällige Instandsetzungsmaßnahmen unberücksichtigt bleiben, sondern ein (zeit-)anteiliger Abzug auch dann vorzunehmen ist, wenn Bauteile oder Einrichtungen der Wohnung, die zwar noch nicht mangelhaft, aber bereits über einen erheblichen Anteil ihrer Lebensdauer (ab)genutzt sind, durch solche von besserer Qualität ersetzt und insoweit modernisiert werden. Für die im Rahmen des § 556 f S. 2 BGB vorzunehmende Beurteilung, ob eine solche Modernisierung vorliegt, gilt nichts Anderes. Im Gegenteil spricht der Umstand, dass es sich bei der vorgenannten Norm um eine - eng auszulegende - Ausnahmevorschrift handelt, für einen Abzug der (fiktiven) Kosten, die bei einer wertenden Betrachtung der Instandsetzung und/oder der Instandhaltung und nicht der eigentlichen Modernisierung zuzurechnen sind.BGH, a.a.O. 

2) Literaturstimmen

In der mietrechtlichen Literatur befassen sich mit der Mietpreisbremse u.a. Abramenko, Die Mietpreisbremse, 2015; Blank, Die Regelungen zur Mietpreisbremse im Entwurf zum Mietrechtsnovellierungsgesetz, WuM 2014, 641 ff.; Börstinghaus, Die Begrenzung der Wiedervermietungsmiete für Wohnraum, NJW 2015, 1553 ff.; Flatow, Die höchstzulässige Miete, WuM 2015, 191 ff.; Fleidl, Die Rückforderung überzahlter Miete bei Verstößen gegen die Mietpreisbremse, WuM 2015, 212 ff.; Herlitz, Mietpreisbremse und Verfassungsrecht, ZMR 2014, 262 ff.; Hinz, Die Mietpreisbremse - Erste Überlegungen aus dem Blickwinkel der gerichtlichen Praxis, ZMR 2014, 593 ff.

3) Prozessuales

Ohne weiteren Vortrag der Parteien ist grundsätzlich von der Anwendbarkeit des § 556d BGB auszugehen. Deshalb hat der Vermieter darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen, dass die Voraussetzungen des § 556f BGB vorliegen.

 


Fußnoten