Schliessen
von Göler (Hrsg.) / Britta Holdorf / § 899a

§ 899a Maßgaben für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts

Ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Grundbuch eingetragen, so wird in Ansehung des eingetragenen Rechts auch vermutet, dass diejenigen Personen Gesellschafter sind, die nach § 47 Absatz 2 Satz 1 der Grundbuchordnung im Grundbuch eingetragen sind, und dass darüber hinaus keine weiteren Gesellschafter vorhanden sind. Die §§ 892 bis 899 gelten bezüglich der Eintragung der Gesellschafter entsprechend.

Für den Rechtsverkehr

(für Nichtjuristen)

zum Expertenteil (für Juristen)

Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle

§ 899a BGB ist eine Norm, die die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zu einem grundbuchtauglichen Rechtssubjekt macht. Derjenige, der von einer GbR ein Grundstück erwirbt, darf darauf vertrauen, dass die im Grundbuch eingetragenen Gesellschafter gemeinsam die GbR vertreten und damit über das Grundstück verfügen können.

Expertenhinweise

(für Juristen)

1) Allgemeines

1§ 899a BGB ist demnächst eine historische Norm. Sie wird zum 1.1.2024 aufgehoben. Die Geschichte dieser Norm ist eng mit der problematischen rechtsdogmatischen Beurteilung der Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) verbunden.

Vor diesem Hintergrund ist § 899a BGB am leichtesten durch einen kurzen Ausflug in die Rechtsgeschichte verständlich. Die Väter des BGB waren der Auffassung, dass eine GbR weder rechts- noch grundbuchfähig ist. Dies bedeutete, dass eine GbR selbst keine Rechte erwerben, keine Pflichten eingehen und insbesondere nicht als Eigentümer einer Immobilie im Grundbuch eingetragen werden konnte. Inhaber aller Rechte und insbesondere auch Eigentümer eines Grundstücks waren die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit. Genau das wurde im Grundbuch eingetragen.

Rechtsdogmatisch war die gesamthänderische Bindung nie erklär- oder definierbar. Vor diesem Hintergrund zweifelte die Literatur sehr frühzeitig die rechtsdogmatische Einordnung der GbR als Gesamthand an. Die mangelnde Rechtsfähigkeit der GbR führte insbesondere zu Problemen bei der Begründung von Verbindlichkeiten der Gesellschaft und der Frage der Einstandspflicht der Gesellschafter. Die Rechtsprechung verschloss sich der Kritik nicht. Der Durchbruch erfolgte mit Urteil des BGH vom 29.01.2001 - II ZR 331/00, NZG 2001, 311. Sodann ordnete die Rechtsprechung die GbR selbst als rechtsfähig ein. Dies bedeutet, dass nunmehr die Gesellschaft selbst Rechtssubjekt und damit Inhaber von Rechten und Pflichten sein kann, also auch Grundstückseigentümer werden kann.

2Gestritten wurde nunmehr darüber, ob die GbR auch grundbuchfähig ist, ob also das Verfahrensrecht und das materielle Recht gleichlaufend sind oder man verfahrenstechnisch so tun kann, als ob das Recht auf die Gesellschafter eingetragen werden muss, obwohl es sich um ein Recht der Gesellschaft selbst handelt.

Anders als bei Gesellschaften, die im Handelsregister registriert sind, kann die Existenz einer GbR bisher nicht über ein öffentliches Register nachgewiesen werden. Ferner kann nicht nachgewiesen werden, wer eine GbR vertreten darf, wer also dem Grundbuchamt gegenüber in Sachen der Gesellschaft Erklärungen abgeben kann.

Die Praxis behalf sich zunächst mit Zwischenlösungen. Eingetragen wurden zunächst die Gesellschafter als GbR. Durch diese Formulierung wurde hinreichend klar zum Ausdruck gebracht, dass die Gesellschaft selbst als Eigentümer einzuordnen ist.BGH vom 25.09.2006 – II ZR 215/05, DNotZ 2007, 118 Die Frage, ob die GbR selbst grundbuchfähig ist, war damit allerdings noch nicht beantwortet.

3In Schwierigkeiten kamen die Grundbuchämter, als der BGH dann am 04.12.2008 urteilte,BGH, Urteil vom 04.12.2008 – V ZB 74/08, DNotZ 2009, 115 dass das materiell-rechtliche Eigentum der GbR auch formell buchungsfähig sei, so dass die GbR mit ihrem Namen, so wie er sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergibt, eintragungsfähig sei.

„Die fehlende Anpassung des Grundbuchrechts an die Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der GbR darf deshalb nicht zu einer Blockade des rechtsgeschäftlichen Verkehrs mit Grundstücken und beschränkten dinglichen Rechten führen. Das Verfahrensrecht ist vielmehr an das geänderte Verständnis des Wesens der GbR anzupassen.“

Der BGH erkannte seinerzeit die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben mussten. Wenn nicht die Gesellschafter, sondern die GbR mit einem eigenen Namen im Grundbuch eingetragen wird, so ist nicht nachvollziehbar, wer hinter der Gesellschaft steht und wer für die Gesellschaft handeln kann. Ist im Grundbuch etwa die GbR Frankfurter Straße 0815 eingetragen, kann kein Außenstehender erkennen, wer Gesellschafter dieser Gesellschaft ist und wer über das Grundstück verfügen darf. Der BGH führte daher zu Recht aus:

„Eine GbR kann wie diese (gemeint andere rechtsfähige Personengesellschaften) nur durch ihre Organe handeln. Wer zur Vertretung einer GbR befugt ist, lässt sich indessen anders als bei registerfähigen rechtsfähigen Personengesellschaften nicht einem öffentlichen Register entnehmen, weil ein solches Register für die GbR nicht vorgesehen ist. … Das Vertrauen in die Vertretungsbefugnis eines oder mehrerer Gesellschafter wird auch durch den Grundbucheintrag nicht geschützt. … Die aufgezeigten Schwierigkeiten ändern an der Eigentumslage nichts. Sie sind vielmehr die zwangsläufige und hinzunehmende Folge der Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der GbR und der damit geschaffenen Möglichkeit des Grunderwerbs durch die GbR.“

Die Frage, wie die Grundbuchämter und die beteiligten Personen prüfen sollen, ob derjenige, der in Person für eine im Grundbuch eingetragene GbR handelt, hierzu auch berechtigt ist, klärte der BGH nicht. Vielmehr rief er offen den Gesetzgeber auf, das Grundbuchverfahrensrecht an die geänderte dogmatische Einordnung der GbR durch den BGH anzupassen.

Auf diese Entscheidung erfolgte Ratlosigkeit auf Seiten der Notare, der Grundbuchämter und der Betroffenen. Der Ruf an den Gesetzgeber nach dem Motto „Nun haben wir den Schlamassel“, so Hertel,Hertel, DNotZ 2009, 115 war nicht mehr zu überhören.

4Diesem Ruf ist der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 899a BGB und seiner Ergänzung in § 47 Abs. 2 GBO im Wege einer kleinen Lösung gefolgt. Aus § 47 Abs. 2 GBO ergibt sich, dass bei einer GbR alle Gesellschafter im Grundbuch eingetragen werden müssen. Da die Existenz einer GbR und die Vertretungsbefugnis für die GbR nicht grundbuchtauglich nachgewiesen werden kann, hat der Gesetzgeber auf die Gesellschafter zurückgegriffen. Nach § 899a BGB wird vermutet, dass diejenigen Personen Gesellschafter sind, die im Grundbuch eingetragen sind. Ferner wird vermutet, dass alle Gesellschafter eingetragen sind. Da nach dem Gesetz (§ 709 Abs. 1 BGB) alle Gesellschafter einer GbR zumindest gemeinsam für die GbR handeln können, ist und bleibt die GbR grundbuchrechtlich handlungsfähig, wenn alle im Grundbuch eingetragenen Gesellschafter mitwirken. § 899a BGB verweist dann in der Rechtsfolge auf die §§ 892 ff. BGB. Hieraus folgt im Wesentlichen:

-       Auch bei einem Erwerb eines Rechts an einem Grundstück darf sich der Erwerber darauf verlassen, dass alle im Grundbuch eingetragenen Gesellschafter gemeinsam auch über die Rechte am Grundstück verfügen dürfen (§ 892 BGB).

-       Auch eine GbR kann bei einer fehlerhaften Eintragung im Grundbuch, etwa bei einer fehlerhaften Eintragung ihrer Gesellschafter eine Grundbuchberichtigung verlangen (§ 894 BGB).

Zusammengefasst: Infolge der geänderten Rechtsprechung ist die GbR zwar grundbuchfähig. Gegenüber dem Grundbuchamt kann die GbR aber nur handeln, wenn sämtliche Gesellschafter hieran in grundbuchtauglicher Form mitwirken, so dass sich das Grundbuchverfahren nicht wesentlich von jenem Verfahren unterscheidet, was für die GbR vor der Änderung der Rechtsprechung des BGH galt.

Dieser Kunstgriff gelingt, indem an die Eintragung der Gesellschaft in das Grundbuch die Vermutung geknüpft wird, dass alle Gesellschafter im Grundbuch eingetragen sind, und damit alle eingetragenen Gesellschafter gemeinsam für die GbR handeln können. Bezogen auf das jeweilige Grundstück kommt dem Grundbuch damit eine Registerfunktion zu; das Handelsregister wird bezogen auf das konkrete Grundstück durch das Grundbuch ersetzt.

Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG), das am 01.01.2024 in Kraft tritt, hat der Gesetzgeber für die GbR neue Regularien geschaffen, die der rechtsdogmatischen Einordnung durch den BGH gerecht werden. In die neue, große Lösung hat der Gesetzgeber das Grundbuchverfahren eingebunden. Für eine GbR wird die Möglichkeit geschaffen, sich im Gesellschaftsregister anzumelden (§ 707 BGB n.F.) und damit Registerpublizität zu erlangen.

Die Anmeldung und das Anmeldeprozedere ist mit jenem bei einer oHG bei der Anmeldung zum Handelsregister vergleichbar. Die Anmeldung muss gem. § 707 Abs. 2 BGB n.F. enthalten:

-       Namen, Sitz und Anschrift der Gesellschaft;

-       Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Wohnort eines jeden Gesellschafters bzw. bei einer registrierten Gesellschaft Firma bzw. Name, Rechtsform, Sitz und Registernummer;

-       die Angabe der Vertretungsbefugnis der Gesellschafter und

-       die Versicherung, dass die Gesellschaft nicht bereits in einem Handels- oder Partnerschaftsregister eingetragen ist.

Treten bei den vorgenannten Daten Änderungen ein, so ist auch dies anzumelden (§ 707 Abs. 3 BGB n.F.). Änderungen sind in der Regel von allen Gesellschaftern anzumelden (§ 707 Abs. 4 BGB n.F.).

Mit der Eintragung in das Gesellschaftsregister ist die Gesellschaft verpflichtet, als Namenszusatz die Bezeichnung eGbR zu führen (§ 707a Abs. 2 BGB n.F.).

Komplettiert wird die Grundbuchfähigkeit der GbR durch die Neufassung von § 47 Abs. 2 GBO. Danach kann für eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zukünftig ein Recht nur noch eingetragen werden, wenn sie im Gesellschaftsregister registriert ist. Bevor also eine bestehende GbR, die Grundvermögen hält, über ihr Grundvermögen verfügen kann, muss sie sich im Gesellschaftsregister registrieren lassen. Der- oder diejenigen, die dann im Gesellschaftsregister mit der entsprechenden Vertretungsmacht registriert sind, kann dann etwaige Änderungen gegenüber dem Grundbuchamt bewilligen oder beantragen. Damit wird die GbR künftig gegenüber dem Grundbuchamt wie eine Personenhandelsgesellschaft, die im Handelsregister registriert ist, handeln können. Ihre grundbuchrechtliche Sonderrolle wird damit beendet.

2) Definitionen

5- Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR): Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist in Deutschland die Grundform einer Personengesellschaft. Sie ist eine auf Vertrag beruhende Gemeinschaft von mindestens zwei Personen, die einen gemeinsamen Zweck verfolgen. Die Gesellschaft ist rechtsfähig, d.h. sie kann selbst Träger von Rechten und Pflichten sein. Eine GbR kann daher selbst Eigentümer eines Grundstücks sein.

6- Grundbuch: Die Grundbücher werden von den Amtsgerichten geführt. Hierfür werden Grundbuchbezirke gebildet und den einzelnen Grundstücken im jeweiligen Bezirk Blattnummern und laufende Nummern im sogenannten Bestandverzeichnis zugewiesen. Durch die Anlage eines Grundbuchblattes und die Erfassung eines Grundstücks auf diesem Grundbuchblatt kann in einem Grundstücksvertrag genau dokumentiert werden, für welches Grundstück Regelungen getroffen werden, was also das Vertragsobjekt ist.

3) Zusammenfassung der Rechtsprechung

BGH vom 29.01.2001 -II ZR 331/00, NZG 2001, 311

BGH vom 25.09.2006 – II ZR 215/05, DNotZ 2007, 118

BGH dann am 04.12.2008 – V ZB 74/08, DNotZ 2009, 115

4) Literaturstimmen

Schöner/Stöber, 16. Auflage 2020, Rn. 4250 ff.

Hertel, DNotZ 2009, 115


Fußnoten