§ 766 Schriftform der Bürgschaftserklärung
Zur Gültigkeit des Bürgschaftsvertrags ist schriftliche Erteilung der Bürgschaftserklärung erforderlich. Die Erteilung der Bürgschaftserklärung in elektronischer Form ist ausgeschlossen. Soweit der Bürge die Hauptverbindlichkeit erfüllt, wird der Mangel der Form geheilt.
Für den Rechtsverkehr
(für Nichtjuristen)
zum Expertenteil (für Juristen)
Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle
Expertenhinweise
(für Juristen)
1) Definitionen
a) Grundsatz
Ein Bürgschaftsvertrag ist nur wirksam, wenn der Bürge das Bürgschaftsversprechen schriftlich erteilt.
b) Welche Erklärungen bedürfen gemäß § 766 BGB der Schriftform?
aa) § 350 HGB ist lex specialis zu § 766 BGB .
Deshalb ist das Bürgschaftsversprechen eines Kaufmannes, soweit die Bürgschaft für ihn Handelsgeschäft ist, formfrei. Allerdings ist das mündliche Bürgschaftsversprechen eines Kaufmannes unwirksam, wenn die Parteien Schriftform als Wirksamkeitsvoraussetzung des Geschäfts vereinbart haben.OLG Hamburg in WM 1996, 523
Der geschäftsführende Gesellschafter einer GmbH ist nicht Kaufmann, sodass
bb) Eine Bürgschaft ist ein Vertrag.
Die schriftliche Bürgschaftserklärung des Bürgen muss das gesamte formbedürftige Rechtsgeschäft enthalten. Dies sind mindestens die Bezeichnung des Gläubigers, des Hauptschuldners und der verbürgten Hauptschuld "in hinlänglich klaren Umrissen".BGHZ 132, 119 Außerdem muss die Bürgschaftserklärung den Willen des Bürgen, für eine fremde Schuld einzustehen, erkennen lassen. Fehlen diese Angaben in der Urkunde, ist die Bürgschaft auch dann nichtig, wenn sich Bürge und Gläubiger über ihren Inhalt einig sind.BGH in WM 1989, 559
cc) § 766 BGB gilt nur für Bürgschaftsverträge.
Nach herrschender Lehre ist der Begriff eng auszulegen. Das bedeutet, dass eine Verpflichtung zur Eingehung einer Bürgschaft formfrei sein soll. Formbedürftig ist auch die Vollmacht zum Abschluss eines Bürgschaftsvertrages.OLG Düsseldorf in DNotZ 2004, 313 – zu den notwendigen Inhalten der Vollmacht Langenbucher u.a./Hoffmann, Bankrechtskommentar, Kapitel 29,
Auch eine Garantie ist nach herrschender Lehre formfrei.für alle: Palandt/Sprau, BGB,
dd)
Jede Nebenabrede oder Änderungsvereinbarung zu einem Bürgschaftsvertrag ist formbedürftig, soweit sie den Bürgen belastet.BGH in WM 1997, 625
ee)
Im Bürgschaftsprozess muss der Gläubiger die formwirksame Erteilung der Bürgschaft darlegen und beweisen. Er muss auch beweisen, dass ihm die Urkunde nicht nur als formunwirksames Blankett übergeben wurde.BGH in NJW 2000, 1179
c) Was bedeutet Schriftform im Sinne des § 766 BGB ?
Schriftform ist in
Der Bürge muss dem Gläubiger die Urschrift der Bürgschaftserklärung überlassen („Original“), einfach oder beglaubigte Abschriften, Telegramm oder Telefax sind nicht ausreichend.vgl. BGHZ 121, 224 Eine notarielle Ausfertigung ersetzt die Urschrift.
d) Sonderproblem: Blankettbürgschaft
Eine Blankobürgschaft ist unwirksam.BGHZ 132, 119; BGHZ 167, 239; BGH in NJW 2000, 1179 Die Unterzeichnung einer vollständig unterzeichneten Bürgschaftsurkunde durch einen der deutschen Sprache nicht mächtigen Ausländer ist wirksam.BGH in NJW 1997, 3230
Die Beweislast, eine Blankobürgschaft unterzeichnet zu haben, trifft wegen
e) Rechtsfolgen des Formverstoßes
aa)
Ein Formmangel macht die Bürgschaftserklärung nichtig,
bb)
Soweit der Bürge die Hauptverbindlichkeit erfüllt, heilt er hiermit gleichzeitig den Formmangel,
cc)
In Einzelfällen kann sich der Bürge nicht auf den Formmangel berufen.vgl. auch BGH in NJW-RR 1987, 42; BGH in WM 1991, 536 Zum Beispiel verwehrt
f) (Sonstige) Aufklärungs- und Warnpflichten
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs obliegen dem Gläubiger gegenüber dem künftigen Bürgen bei den Bürgschaftsverhandlungen grundsätzlich keine Aufklärungs- und Warnpflichten, insbesondere keine Pflicht zur Aufklärung über das Bürgenrisiko.
Der Gläubiger muss seine eigene Einschätzung des Bürgenrisikos nicht offenlegen und auch nicht über den Wissensstand des Bürgen unterrichten. Solange der Gläubiger von dem künftigen Bürgen insoweit nicht befragt wird, darf er davon ausgehen, dass dieser sich über die für seine Erschließung maßgeblichen Umstände unterrichtet hat.BGH in NJW 2000, 1185; BGH in NJW 1997, 3230; OLG Karlsruhe in WM 1997, 2122; OLG Oldenburg in WM 1997, 2076; BGH in NJW 1996, 1274; OLG Köln in WM 1995, 65 Eine Aufklärungspflicht gegenüber dem Bürgen besteht ausnahmsweise, wenn er ersichtlich die Verhältnisse nicht durchschaut und nach Treu und Glauben ein Hinweis der Bank geboten ist.BGH in NJW 2001, 2021; BGH in NJW 1997, 3230 Klassischer Fall ist ein Wissensvorsprung der Bank über ein gesteigertes Bürgenrisiko.OLG Karlsruhe, Urteil vom 29. Oktober 2002 - Az.: 17 U 140/01; BGH in WM 1999, 678; OLG Karlsruhe in WM 1997, 2122 Ähnliches gilt, wenn der Bürgschaftsgläubiger durch sein Verhalten für ihn erkennbar einen Irrtum des Bürgen über dessen erhöhtes Risiko veranlasst hat.BGH in NJW 2000, 1185; BGH in NJW 1997, 3230
Beispiele:
Die Bank lässt die Mutter eines GmbH-Geschäftsführers nach Kündigung der der GmbH gewährten Kredite für zurückliegende Verbindlichkeiten eine Bürgschaftsurkunde unterzeichnen und verschweigt dabei, dass sie gleichwohl nicht gewillt ist, die Geschäftsbeziehung mit der GmbH fortzusetzen.OLG Oldenburg in WM 1997, 2076: Die Bank darf keine Rechte aus der Bürgschaft herleiten.
Der Gläubiger hatte schon Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit und dem unmittelbar bevorstehenden Zusammenbruch des Hauptschuldners und diesem nur wegen der Bürgschaft des Drittsicherungsgebers noch Kredit gewährt. Gleichwohl kündigte die Bank die Kredite kurz danach wegen Vermögensverfall des Darlehnsnehmers.österreichischer OGH in ÖBA 1995, 909: Die Bank darf keine Rechte aus der Bürgschaft herleiten.