§ 499 Kündigungsrecht des Darlehensgebers; Leistungsverweigerung
(1) In einem Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag ist eine Vereinbarung über ein Kündigungsrecht des Darlehensgebers unwirksam, wenn eine bestimmte Vertragslaufzeit vereinbart wurde oder die Kündigungsfrist zwei Monate unterschreitet.
(2) Der Darlehensgeber ist bei entsprechender Vereinbarung berechtigt, die Auszahlung eines Allgemein-Verbraucherdarlehens, bei dem eine Zeit für die Rückzahlung nicht bestimmt ist, aus einem sachlichen Grund zu verweigern. Beabsichtigt der Darlehensgeber dieses Recht auszuüben, hat er dies dem Darlehensnehmer unverzüglich mitzuteilen und ihn über die Gründe möglichst vor, spätestens jedoch unverzüglich nach der Rechtsausübung zu unterrichten. Die Unterrichtung über die Gründe unterbleibt, soweit hierdurch die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährdet würde.
(3) Der Darlehensgeber kann einen Verbraucherdarlehensvertrag nicht allein deshalb kündigen, auf andere Weise beenden oder seine Änderung verlangen, weil die vom Darlehensnehmer vor Vertragsschluss gemachten Angaben unvollständig waren oder weil die Kreditwürdigkeitsprüfung des Darlehensnehmers nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Satz 1 findet keine Anwendung, soweit der Mangel der Kreditwürdigkeitsprüfung darauf beruht, dass der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber für die Kreditwürdigkeitsprüfung relevante Informationen wissentlich vorenthalten oder diese gefälscht hat.
Für den Rechtsverkehr
(für Nichtjuristen)
zum Expertenteil (für Juristen)
Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle
Expertenhinweise
(für Juristen)
1) Definitionen
1. Bedeutung der Norm
Die Vorschrift lässt die gesetzlichen Kündigungsrechte des Darlehensgebers (insbesondere nach
2. Aufbau der Norm
a) Absatz 1 und Absatz 2 gelten nur für den allgemeinen Verbraucherdarlehensvertrag, nicht für Verbraucherimmobiliardarlehensverträge. Bei Immobiliardarlehensverträgen ist die Vereinbarung eines vertraglichen Leistungsverweigerungsrechts des Darlehensgebers aus sachlichem Grund unwirksam (Bülow/Artz, Verbraucherkreditrecht,
b) Absatz 1 Fall 1 hat nur klarstellenden Charakter. Ist in einem allgemeinen Verbraucherdarlehensvertrag eine bestimmte Vertragslaufzeit vereinbart, ist jedwede vereinbarte Kündigungserleichterung zu Gunsten des Darlehensgebers unwirksam.
Dem Wortlaut des
c) Absatz 1 Fall 2 regelt den seltenen Fall eines unbefristeten Verbraucherdarlehensvertrages. Wenn eine Zeit für die Rückzahlung des Darlehens nicht bestimmt ist, gilt
Wenn die Vereinbarung eine kürzere Frist als drei Monate für die Kündigung des Darlehensgebers vorsieht, ist sie insgesamt unwirksam, sie verkürzt sich weder auf die gesetzlich noch zulässige Zwei-Monats Frist (Bülow/Artz, Verbraucherkreditrecht,
3. Leistungsverweigerungsrecht nach
a) Voraussetzungen
aa) Es muss ein Verbraucherdarlehensvertrag vorliegen, die Norm gilt nicht für Immobiliarverbraucherdarlehensverträge.
bb) Der allgemeine Verbraucherdarlehensvertrag muss ein unbefristeter Vertrag sein, eine Zeit für die Rückzahlung des Darlehens darf nicht bestimmt sein.
cc) Die Vertragsbeteiligten haben ein Leistungsverweigerungsrecht vereinbart; dieses Leistungsverweigerungsrecht muss auf einem sachlichen Grund beruhen. Die vertragliche Regelung muss deshalb ausdrücklich (eventuell auch durch Auslegung ermittelbar) die Ausübung des vertraglich vereinbarten Leistungsverweigerungsrechts von einem sachlichen Grund abhängig machen.
Es genügt für die Wirksamkeit der Vereinbarung die Formulierung, dass der Darlehensgeber die Leistung aus sachlichem Grund verweigern kann; die vertragliche Vereinbarung muss also die Gründe nicht konkret benennen.
dd) Auf einer anderen Ebene liegt die Prüfung, ob die Ausübung des vertraglich vereinbarten Leistungsverweigerungsrechts durch den Darlehensgeber tatsächlich auf einem sachlichen Grund im Sinne des
Dieser sachliche Grund – ohne dass sich dies in der Vereinbarung selbst wiederspiegeln muss – muss aus der Sphäre des Darlehensnehmers stammen (Müko/Schürnbrand, BGB,
Der klassische sachliche Grund ist eine Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Darlehensgebers. Es wird diskutiert, dass auch eine vertragswidrige Verwendung (was voraussetzt, dass die Vertragsbeteiligten einen Verwendungszweck vereinbart haben) ein vertragliches Leistungsverweigerungsrecht gibt – dies bedarf jedoch der Abwägung im konkreten Einzelfall und ist so pauschal nicht zu akzeptieren.
ee) Absatz 2 Satz 2 verpflichtet den Darlehensgeber, dem Darlehensnehmer vorab mitzuteilen, dass er das Leistungsverweigerungsrecht ausüben will und – als zweite Informationspflicht – ihm auch die sachlichen Gründe mitzuteilen. Nur in den Fällen des Absatzes 2 Satz 3 kann die Unterrichtung unterbleiben.
Die Unterrichtung soll mit der Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts verbunden werden können (Bülow/Artz, Verbraucherkreditrecht,
Dem ist nicht zu folgen. Verweigert der Darlehensgeber die Auszahlung eines Darlehens, hat dies in aller Regel existenzbedrohende Auswirkungen auf den Darlehensnehmer. Deshalb muss er in der Lage sein, vor der Verweigerung – die auch regelmäßig begleitet sein wird von einer Schufa-Meldung und der Geltendmachung einer Nichtabnahmeentschädigung – Stellung zu nehmen und die Bedenken des Darlehensgebers zerstreuen zu können. Deshalb ist die Unterrichtung nach Absatz 2 Satz 1 Fall 1 (Mitteilung der Ausübungsabsicht, sowie, im Regelfall jedenfalls, Mitteilung der sachlichen Gründe) vorab und nicht mit der Ausübungsmitteilung zu machen; die Mitteilung ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die (spätere) Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts.
b) Soweit die Vertragsbeteiligten kein vertragliches Leistungsverweigerungsrecht aus sachlichem Grund vereinbart haben, bleibt dem Darlehensgeber noch das gesetzliche Leistungsverweigerungsrecht gemäß
c) Soweit die Vertragsbeteiligten ein Leistungsverweigerungsrecht des Darlehensgebers nicht vereinbart haben, bleibt dem Darlehensgeber das gesetzliche Leistungsverweigerungsrecht nach
Dagegen ist gemäß
d) Rechtsfolgen
Eine wirksame Kündigung beendet das Darlehensverhältnis. Ein vertragliches Leistungsverweigerungsrecht gibt dem Darlehensgeber nur eine Einrede. Der Darlehensgeber hat somit das Leistungsverweigerungsrecht verloren, wenn er – selbst bei wirksamer Vereinbarung des Leistungsverweigerungsrechts und Vorliegen eines sachlichen Grundes – das Darlehen auszahlt. Genauso muss der Darlehensgeber das Darlehen valutieren, wenn die Einrede besteht, der Darlehensgeber sie aber nicht erhebt.
4. Kündigung aufgrund Kreditwürdigkeitsprüfung
Absatz 3 gilt für alle Verbraucherdarlehensverträge, also auch für Immobiliarverbraucherdarlehensverträge. Die Norm stellt klar, dass mangelnde Angaben des Darlehensnehmers im Zuge einer vorvertraglichen Kreditwürdigkeitsprüfung dem Darlehensgeber nicht in jedem Fall ein Recht zur Kündigung des Darlehensvertrages geben. Wenn der Darlehensgeber unvollständige Angaben des Darlehensnehmers akzeptiert oder die Kreditwürdigkeitsprüfung des Darlehensnehmers insgesamt nicht ordnungsgemäß durchgeführt hat, berechtigt dies den Darlehensgeber nicht zur Kündigung oder Anpassung des Darlehensvertrages. Ein Kündigungsgrund liegt nur dann vor, wenn im Rahmen einer Kreditwürdigkeitsprüfung der Verbraucher relevante Angaben vorsätzlich vorenthalten oder unrichtig gemacht hat. „Relevante Angaben“ in diesem Sinne sind im Wesentlichen die Angaben nach Artikel 247
Bei der Annahme einer wissentlichen Vorenthaltung ist Zurückhaltung geboten. Grundsätzlich weiß ein Verbraucher nicht, welche Angaben für einen Kreditgeber im Rahmen der Kreditwürdigkeitsprüfung relevant sind. Fragt der Darlehensgeber nicht nach bestimmten Angaben zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Verbrauchers, ist der Verbraucher auch nicht verpflichtet, diese ungefragt zu offenbaren. Dies gilt nicht für relevante Angaben von besonderer Bedeutung (Insolvenzreife oder fast sichere Kenntnis des Verbrauchers, dass er den Kapitaldienst nicht leisten kann). Die Schwelle der ungefragten Offenbarungspflicht des Darlehensnehmers liegt nicht sehr viel niedriger als die Schwelle zum Eingehungsbetrug.