§ 555b Modernisierungsmaßnahmen
Modernisierungsmaßnahmen sind bauliche Veränderungen,
- 1. durch die in Bezug auf die Mietsache Endenergie nachhaltig eingespart wird (energetische Modernisierung),
- 1a. durch die mittels Einbaus oder Aufstellung einer Heizungsanlage zum Zwecke der Inbetriebnahme in einem Gebäude die Anforderungen des § 71 des Gebäudeenergiegesetzes erfüllt werden,
- 2. durch die nicht erneuerbare Primärenergie nachhaltig eingespart oder das Klima nachhaltig geschützt wird, sofern nicht bereits eine energetische Modernisierung nach Nummer 1 vorliegt,
- 3. durch die der Wasserverbrauch nachhaltig reduziert wird,
- 4. durch die der Gebrauchswert der Mietsache nachhaltig erhöht wird,
- 4a. durch die die Mietsache erstmalig mittels Glasfaser an ein öffentliches Netz mit sehr hoher Kapazität im Sinne des § 3 Nummer 33 des Telekommunikationsgesetzes angeschlossen wird,
- 5. durch die die allgemeinen Wohnverhältnisse auf Dauer verbessert werden,
- 6. die auf Grund von Umständen durchgeführt werden, die der Vermieter nicht zu vertreten hat, und die keine Erhaltungsmaßnahmen nach § 555a sind, oder
- 7. durch die neuer Wohnraum geschaffen wird.
Für den Rechtsverkehr
(für Nichtjuristen)
zum Expertenteil (für Juristen)
Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle
1a) Einordnung der Vorschrift
Werden während eines Mietverhältnisses am Objekt Maßnahmen zur Erhaltung, Modernisierung, Um- oder Ausbauten geplant oder durchgeführt, stellt sich sowohl für den Vermieter als auch für den Mieter die Frage,
- ob und unter welchen Voraussetzungen der Mieter die Maßnahme zu dulden hat
- ob der Mieter anlässlich der Durchführung der Maßnahme kündigen kann
- ob der Mieter den Mietzins mindern kann und
- ob und in welcher Höhe der Vermieter zur Mieterhöhung berechtigt ist.
Zur Beantwortung dieser Fragen ist zunächst zu klären, wie die geplante Maßnahme einzuordnen ist. Grundsätzlich ist zwischen Erhaltungsmaßnahmen (
Die Regelung gilt sowohl für die Wohnraum- als auch für die Gewerberaummiete.
2b) Vorliegen einer baulichen Veränderung
3c) Die Modernisierungsmaßnahmen im Einzelnen:
4aa) Nr. 1: Nachhaltige Einsparung von Endenergie in Bezug auf die Mietsache (energetische Modernisierung)
Endenergie ist die Menge an Energie, die der Anlagentechnik eines Gebäudes zur Verfügung stehen muss, um die für den Mieter erforderliche Nutzenergie sowie die Verluste der Anlagentechnik bei der Übergabe, der Verteilung, der Speicherung und der Erzeugung im Gebäude zu decken.
Die Endenergie muss auf Dauer eingespart werden und einen Bezug zur Mietsache, d.h. der Wohnung oder dem Wohngebäudehaben. Auf den Umfang der Energieeinsparung kommt es nicht an.
5bb) Nr. 2: Nachhaltige Einsparung von nicht erneuerbarer Primärenergie oder nachhaltiger Schutz des Klimas
Erfasst wird die nachhaltige Einsparung nicht erneuerbarer Primärenergie, die nicht zugleich den Verbrauch der Endenergie der Mietsache (Nr. 1) senkt.
Primärenergie ist die Endenergie im Sinne von Nr. 1 und der vorgelagerte Aufwand für Gewinnung, Umwandlung und Verteilung.BT- Drucksache 17/ 10485, S 19: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/104/1710485.pdf
Des Weiteren werden Maßnahmen erfasst, durch die das Klima nachhaltig geschützt wird. Hierzu gehören vor allem Maßnahmen zur Verringerung von Treibhausgasen und CO2-Emissionen.
Die Maßnahmen nach Nr. 2 berechtigen nicht zu Mieterhöhung nach
6cc) Nr. 3: Nachhaltige Reduzierung des Wasserverbrauchs
Hierunter fällt jede Maßnahme zur nachhaltigen Einsparung von Wasser, einschließlich aller Maßnahmen zur Kontrolle des Wasserverbrauchs.
7dd) Nr. 4: Nachhaltige Erhöhung des Gebrauchswerts der Mietsache
Es handelt sich um Maßnahmen in Bezug auf die Mietsache oder das Gebäude oder dessen Bestandteile, die objektiv den Substanz- oder Gebrauchswert des Gebäudes erhöhen und eine bessere oder komfortablere Nutzung ermöglichen.BGH vom 13.02.2008- VIII ZR 105/07 http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=43154&pos=0&anz=1 Reine Erhaltungsmaßnahmen, d.h. bloße Mangelbehebung ohne zusätzliche Substanz- oder Gebrauchswerterhöhung fällt nicht unter Nr. 4.Bub/Treier/Schüller, Kap. III A, Rn. 2267
Umfasst sind Maßnahmen, die die allgemeinen Wohnverhältnisse in der Gesamtanlage nachhaltig verbessern, ohne dass der Mieter hiervon einen konkreten Vorteil haben muss. 8
ee) Nr. 4a: Anschluss an ein Glasfasernetz
Erfasst ist der erstmalige Anschluss der Mietsache i.S.v.
ff) Nr. 5: Dauerhafte Verbesserung der allgemeinen Wohnverhältnisse
Umfasst sind Maßnahmen, die die allgemeinen Wohnverhältnisse in der Gesamtanlage nachhaltig verbessern, ohne, dass der Mieter hiervon einen konkreten Vorteil haben muss.
8gg) Nr. 6: Maßnahmen, die aufgrund von Umständen durchgeführt werden, die der Vermieter nicht zu vertreten hat, und die keine Erhaltungsmaßnahme nach § 555 a sind
Betroffen sind Maßnahmen, die der Vermieter nicht zu vertreten hat; in der Regel wird der Vermieter durch öffentliche Vorschriften zur Durchführung verpflichtet. Der Gesetzgeber möchte sicherstellen, dass die Durchführung nicht am Widerstand des Mieters scheitert BT-Drucks 14/4553, S. 49: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/14/045/1404553.pdf.
9hh) Nr. 7: Schaffung neuen Wohnraums
Der Mieter hat nach Nr. 7 Maßnahmen zu dulden, die der Schaffung neuen Wohnraums, (nicht von Gewerberäumen) dienen. Der Vermieter kann aufgrund der Maßnahme jedoch keine Mieterhöhung nach § 559 BGB geltend machen.
Expertenhinweise
(für Juristen)
1) Allgemeines
10
Die Vorschrift gilt sowohl für die Wohnraum- als auch für die Gewerberaummiete (
Die Norm definiert die Modernisierungsmaßnahmen, zu deren Duldung der Mieter - unter den Voraussetzungen der Vorschriften der §
2) Definitionen
11a) Bauliche Veränderung
Eine Modernisierung im Sinne von
3) Abgrenzungen, Kasuistik
19a) Nr. 1: Maßnahmen, durch im die Bezug auf die Mietsache Endenergie nachhaltig eingespart wird
- Erneuerung der Heizungsanlage, Umstellung auf effizientere Heizanlage
- Wärmedämmmaßnahmen (z.B. an Fenster und Außentüren, Mauerwerk, Dach, Warmwasserleitungen)
- Stromeinsparung, z.B. durch drehzahlgeregelte Umwälzpumpen, Ventilatoren, Aufzugsmotoren, Energiesparlampen BT- Drucksache 14/ 4553 zu §544 BGB: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/14/045/1404553.pdf
4) Zusammenfassung der Rechtsprechung
20BGH vom 13.02.2008 – AZ: VIII ZR 105/07 (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=43154&pos=0&anz=1)
BGH NJW 72, 733
BGH vom 10.04.2002 – AZ: VIII ZR 3/01 (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=69a90a748b0b082536bda5f2d71332e3&nr=19159&pos=7&anz=16)
BGH vom 04.03.2009 – AZ: VIII ZR 110/08 (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=785be6f6bad2fe8a8c83cccfe7401d49&nr=47853&pos=13&anz=19)
OLG Bamberg vom 30.07.2009 – AZ: 3 U 23/09 (http://openjur.de/u/477984.html)
BGH vom 02.03.2011 – AZ: VIII ZR 154/11 (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=efcb293895dd4b398634cb55c77f7ed3&nr=55561&pos=14&anz=19)
BGH vom 28.09.2011 – AZ: VIII ZR 326/10 (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=bcbd1259a22d4e3d25dbf3dc0ffff3c4&Seite=1&nr=57732&pos=38&anz=42)
BGH vom 28.09.2011 – AZ: VIII ZR 242/10 (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=58017&pos=0&anz=1)
BGH vom 26.09.2012 – AZ: XII ZR 122/11 (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=61970&pos=0&anz=1)
BGH vom 26.09.2012 – AZ: XII ZR 122/11
5) Literaturstimmen
- Grüneberg, BGB-Kommentar, 82. Auflage, 2023
- Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Auflage, 2022
- Blank/Börstinghaus, Miete-Kommentar, 4.Auflage, 2014
- Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 4. Auflage, 2014
- Hannemann/Wiek/Emmert, Handbuch des Mietrechts, 5. Auflage, 2013
6) Häufige Paragraphenketten
§
§§ 555b, 555d, 559 ff BGB
§§ 555d, 555b BGB
§
7) Prozessuales
21Beruft sich der Mieter auf seinen Duldungsanspruch nach
In einem Rechtsstreit, der eine Maßnahme betrifft, durch die der Gebrauchswert der Mietsache nachhaltig erhöht wird (
8) Anmerkungen
22
Obwohl der Gesetzgeber eine Harmonisierung der beiden Vorschriften angestrebt hat, sieht er die Möglichkeit einer Mieterhöhung nur bei der Einsparung von Endenergie (
Eine Duldungspflicht nach § 555d besteht jedoch bezüglich sämtlicher Modernisierungsmaßnahmen nach § 555b.