§ 651g Erhebliche Vertragsänderungen
(1) Übersteigt die im Vertrag nach § 651f Absatz 1 vorbehaltene Preiserhöhung 8 Prozent des Reisepreises, kann der Reiseveranstalter sie nicht einseitig vornehmen. Er kann dem Reisenden jedoch eine entsprechende Preiserhöhung anbieten und verlangen, dass der Reisende innerhalb einer vom Reiseveranstalter bestimmten Frist, die angemessen sein muss,
- 1. das Angebot zur Preiserhöhung annimmt oder
- 2. seinen Rücktritt vom Vertrag erklärt.
Satz 2 gilt für andere Vertragsänderungen als Preiserhöhungen entsprechend, wenn der Reiseveranstalter die Pauschalreise aus einem nach Vertragsschluss eingetretenen Umstand nur unter erheblicher Änderung einer der wesentlichen Eigenschaften der Reiseleistungen (Artikel 250 § 3 Nummer 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche) oder nur unter Abweichung von besonderen Vorgaben des Reisenden, die Inhalt des Vertrags geworden sind, verschaffen kann. Das Angebot zu einer Preiserhöhung kann nicht später als 20 Tage vor Reisebeginn, das Angebot zu sonstigen Vertragsänderungen nicht nach Reisebeginn unterbreitet werden.
(2) Der Reiseveranstalter kann dem Reisenden in einem Angebot zu einer Preiserhöhung oder sonstigen Vertragsänderung nach Absatz 1 wahlweise auch die Teilnahme an einer anderen Pauschalreise (Ersatzreise) anbieten. Der Reiseveranstalter hat den Reisenden nach Maßgabe des Artikels 250 § 10 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche zu informieren. Nach dem Ablauf der vom Reiseveranstalter bestimmten Frist gilt das Angebot zur Preiserhöhung oder sonstigen Vertragsänderung als angenommen.
(3) Tritt der Reisende vom Vertrag zurück, findet § 651h Absatz 1 Satz 2 und Absatz 5 entsprechende Anwendung; Ansprüche des Reisenden nach § 651i Absatz 3 Nummer 7 bleiben unberührt. Nimmt er das Angebot zur Vertragsänderung oder zur Teilnahme an einer Ersatzreise an und ist die Pauschalreise im Vergleich zur ursprünglich geschuldeten nicht von mindestens gleichwertiger Beschaffenheit, gilt § 651m entsprechend; ist sie von gleichwertiger Beschaffenheit, aber für den Reiseveranstalter mit geringeren Kosten verbunden, ist im Hinblick auf den Unterschiedsbetrag § 651m Absatz 2 entsprechend anzuwenden.
Für den Rechtsverkehr
(für Nichtjuristen)
zum Expertenteil (für Juristen)
Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle
1
2Die Verjährungsfrist für die vorbenannten Ansprüche beträgt zwei Jahre. Die Frist kann nach den Vorgaben des
Expertenhinweise
(für Juristen)
1) Allgemeines
3Gem. I hat der Reisende seine Ansprüche gegenüber dem Reiseveranstalter innerhalb eines Monats nach dem vertraglich vorgesehenen Reiseende geltend zu machen. Ratio legis dieser Vorschrift ist es, dass der Reiseveranstalter sich Gewissheit darüber verschaffen kann, ob und in welchem Umfang Gewährleistungsansprüche gegen ihn bestehen können, damit er unverzüglich die notwendigen Beweissicherungsmaßnahmen treffen, etwaige Regressansprüche gegen Leistungsträger geltend machen und gegebenenfalls seinen Versicherer benachrichtigen kann.BGH, Urteil vom 26.05.2010 - Xa ZR 124/09 mwN, http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=52712&pos=0&anz=1
4I 2 wurde durch das 2. ReiseRÄndG eingefügt.Art. 1, 2. Gesetz zur Änderung reiserechtlicher Vorschriften 23.07.2001, in Kraft seit 01.09.2001; Bgbl. 2001 Teil I Nr.37 S. 1658, http://www.bgbl.de/banzxaver/bgbl/start.xav?start=//*[@attr_id=%27bgbl177076.pdf%27]#__bgbl__%2F%2F*[%40attr_id%3D%27bgbl101s1658.pdf%27]__1412582186127 Es wurde seitens des Gesetzgebers demnach auf die Rechtsprechung des BGHBGH, Urteil vom17.10.2000 – X ZR 97/99, http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=22864&pos=0&anz=1 reagiert und aus Verbraucherschutzgesichtspunkten klar gestellt, dass die Vorlage einer Originalvollmacht bei Anspruchsanmeldung durch einen Vertreter des Reisenden nicht erforderlich ist. Dem Reiseveranstalter bleibt es bei Zweifeln an der ordnungsgemäßen Bevollmächtigung unbenommen, den Nachweis der Vollmacht zu verlangen.BT Drs. 14/5944, S.19, http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/14/059/1405944.pdf
5Im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung wurde die Verjährungsfrist des II 1 an das Kauf- und Werkvertragsrecht angepasst.Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001, Bgbl. 2001 Teil I Nr. 61 S. 3168, http://www.bgbl.de/banzxaver/bgbl/start.xav?start=%2F%2F*[%40attr_id%3D%27bgbl101s3138.pdf%27]#__bgbl__%2F%2F*[%40attr_id%3D%27bgbl101s3138.pdf%27]__1412585996852
2) Definitionen
6a) Anwendungsbereich
Die Ausschlussfrist des Abs. 1 S. 1 gilt für alle Gewährleistungsansprüche des Reisenden nach §
7Für vertragliche oder vorvertragliche Schadenersatzansprüche und deliktische Ansprüche gilt die Ausschlussfrist des I 1 und die Verjährungsfrist des II nicht, sondern die allgemeinen Verjährungsvorschriften. Die Einbeziehung von deliktischen Ansprüchen in die Ausschlussfrist durch ARB ist des Weiteren unwirksam.BGH, Urteil vom 7. 9. 2004 - X ZR 25/03, http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=30407&pos=0&anz=1
8Die Vorschrift findet außerdem keine Anwendung, wenn die Reise erst gar nicht angetreten wird.LG Frankfurt am Main, Urteil vom 15.11.1993 – 2/24 S 5/93, NJW-RR 1994, 376 Eine Beweissicherung durch den Reiseveranstalter ist von vorneherein überflüssig, wenn die Reise gar nicht angetreten wird und der zu beurteilende Sachverhalt in vollem Umfang dem Reiseveranstalter bereits vorliegt. In diesem Fall ist eine gesonderte Anmeldung überflüssig.
9b) Berechnung der Ausschlussfrist
Der Reisende hat seine Ansprüche gem. I 1 innerhalb eines Monats nach der vertraglich vorgesehenen Beendigung der Reise geltend zu machen. Die Frist beginnt am ersten Tag nach Beendigung der Reise zu laufen,
10Hat der Reisende bereits während der Reise unter Hinweis auf bestimmte Reisemängel eindeutig und vorbehaltlos Gewährleistungsansprüche geltend gemacht, so braucht er dies nicht binnen eines Monats nach der vertraglich vorgesehenen Beendigung der Reise zu wiederholen.BGH, Urteil vom 22.10.1987 – VII ZR 5/87, NJW 1988, 488
Endet die Reise tatsächlich erst nach dem vertraglich vereinbarten Reiseende, so ist das tatsächliche Reiseende maßgeblich.LG Frankfurt am Main, Urteil vom 13.05.1985 – 2/24 S 37/84, NJW 1984, 594 Für das Ende der Frist ist
11Der Reiseveranstalter hat den Reisenden gem.
12Nach Ablauf der Frist ist eine Geltendmachung der Ansprüche ausgeschlossen, es sei denn, der Reisende ist gem. I 3 nach Ablauf der Frist ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert worden. I 3 richtet sich nach dem Maßstab des
13Ohne Verschulden an der Einhaltung der Ausschlussfrist gehindert ist bspw., wer zu 80% oder mehr arbeitsunfähig krank ist.LG Köln, Urteil vom 15.09.2004 – 25 O 412/01, http://www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/koeln/lg_koeln/j2004/25_O_412_01grundurteil20040915.html Der Reisende genügt dem Entlastungsbeweis nach
Die Versäumung der Ausschlussfrist ist auch entschuldigt, wenn der Reisende gesundheitliche Spätschäden geltend macht, die für ihn bis zum Fristablauf nicht vorhersehbar waren.BGH, Urteil vom 12.06.2007 – X ZR 87/06, http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=40590&pos=0&anz=1
Kennt der Reisende die Frist nicht und versäumt sie deshalb unverschuldet, muss er die Anspruchsanmeldung nach Kenntniserlangung unverzüglich nachholen, soweit ihn der Reiseveranstalter bei Vertragsschluss auf die Ausschlussfrist hingewiesen hat oder wenn er sie anderweitig in Erfahrung gebracht hat.a.a.O.
14Eine schuldhafte Versäumung der Ausschlussfrist scheidet aus, wenn der Reisende die Frist nicht kannte oder nicht kennen musste. Diesbezüglich besteht eine widerlegliche Vermutung zugunsten des Reisenden, wenn er vom Reiseveranstalter nicht auf die Frist gem.
15c) Geltendmachung der Ansprüche beim Reiseveranstalter
Die Geltendmachung ist eine geschäftsähnliche Handlung, auf die die Vorschriften über Willenserklärungen entsprechend anwendbar sind.BGH, Urteil vom 26.05.2010 - Xa ZR 124/09 mwN, http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=52712&pos=0&anz=1
16Die Erklärung der Geltendmachung der Ansprüche muss dem Reiseveranstalter übermittelt werden. Es genügt, wenn die Erklärung einem Reisebüro oder einer Filiale des Reiseveranstalters innerhalb der Ausschlussfrist übermittelt wird.Münchner Kommentar/Tonner, 6.Auflage 2012,
Wenn der Reisende am Urlaubsort aber z.B. Gesundheitsschädigungen durch einen Mangel anmeldet, können diese durch den Reiseveranstalter jedenfalls nicht mehr beseitigt werden. Überzeugend ist die Rechtsprechung des BGH allerdings auch, weil der Reiseveranstalter auch bei Vorliegen von Anspruchsanmeldungen noch aus dem Urlaubsort sich bereits auf Ansprüche des Reisenden und Regressansprüche gegen seinen Leistungsträger einstellen kann, insbesondere wenn der Reisende eindeutig und vorbehaltlos unter Hinweis auf bestimmte Reisemängel dem Reiseveranstalter mitteilt, dass er nach der Rückkehr Ansprüche gegen ihn geltend machen wird.AG Berlin-Tiergarten, Urteil vom 27.03.2001 – 2 C 174/00, RRa 2001, 122
17Der Reisende selbst hat seine Ansprüche gegenüber dem Reiseveranstalter geltend zu machen. Bei Gruppenreisen werden die einzelnen Reisenden Vertragspartner des Reiseveranstalters, wobei die Ansprüche an den Buchenden abgetreten werden können oder dieser als Vertreter bevollmächtigt werden kann.s.
Etwas anderes gilt bei Reisen von Familien oder Lebenspartner.s.
18Die Ansprüche können gem.
19Ein Reisender ist gehalten, bei der Anmeldung von Gewährleistungsansprüchen nach Reiseende die von ihm geltend gemachten Mängel durch stichwortartige Bezeichnung zu konkretisieren, damit der Reiseveranstalter in die Lage versetzt wird Recherchen über die behaupteten Mängel anzustellen.LG Frankfurt am Main, Urteil vom 08.12.200 – 2/21 O 189/00, NJW-RR 2001, 1497 Eine ausführliche Beschreibung der Mängel im Einzelnen ist dagegen nicht erforderlich.LG Frankfurt am Main, Urteil vom 14.03.1983 – 2/24 S 307/83, NJW 1983, 1127
Der Sachverhalt wird durch den Reisenden jedenfalls genügend konkretisiert vorgetragen, wenn er unter Nennung von Zeit und Ort eine Schilderung der Mängel und eingetretener Unfallfolgen mitteilt.BGH, Urteil vom 11.01.2005 – X ZR 163/02, http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=32079&pos=0&anz=1
Der Reiseveranstalter muss eine Äußerung des Reisenden, er werde das Verhalten nicht auf sich beruhen lassen, dahingehend verstehen, dass der Reisende Ansprüche gelten macht und in die Sachprüfung eintreten.a.a.O. Weist der Reisende innerhalb der Ausschlussfrist darauf hin, dass er Ansprüche wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit verlangen will, diese nicht näher beziffert, aber einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, ist dies genügend konkretisiert.OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 17.04.2014 - 16 U 75/13, http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/jportal/portal/t/s15/page/bslaredaprod.psml?&doc.id=JURE140008171%3Ajuris-r01&showdoccase=1&doc.part=L
Eine Ankündigung, eine ausführliche Schilderung der Ansprüche vorzulegen, genügt einer Konkretisierung jedoch nicht, wenn diese Schilderung dann nicht innerhalb der Ausschlussfrist erfolgt.LG Frankfurt am Main, Urteil vom 26.06.1997 – 2/24 S 264/97, NJW-RR 1998, 563
Ein Hinweis auf eine am Urlaubsort gegenüber einem Repräsentanten des Reiseveranstalters getätigter Mängelanzeige genügt, wenn sie dort substantiiert und konkret vorgetragen wurden.BGH, Urteil vom 23.03.1984 – VII ZR 189/83, NJW 1984, 1252
20Ein Reisender kann sich nicht darauf berufen, dass der Reiseveranstalter ihm den Mangel arglistig verschwiegen hat.LG Düsseldorf, Urteil vom 13.07.2006 – 1 O 254/05, NJW-RR 1997. 931; LG Frankfurt am Main, Urteil vom 30.06.1987 – 2/24 S 63/87, NJW 1987, 132
21d) Verjährung der Ansprüche
Die Ansprüche des Reisenden verjähren in zwei Jahren.s. Rn. 7 Die Verjährungsfrist kann vor Mitteilung eines Mangels durch eine abweichende Vereinbarung zwischen Reiseveranstalter und Reisendem gem.
23Die Ansprüche des Reisenden verjähren jedoch innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist beginnend ab Kenntnis des Mangels, wenn der Reiseveranstalter dem Reisenden den Mangel arglistig verschweigt.BGH, Urteil vom 14.07.1983, VII ZR 365/82, NJW 1983, 2699; LG Frankfurt am Main, Urteil vom 03.12.1990 – 2/24 S 452/88, NJW-RR 1991, 317
3) Abgrenzungen, Kasuistik
24Typische Anwendung findet
4) Zusammenfassung der Rechtsprechung
25BGH, Urteil vom 26.05.2010 - Xa ZR 124/09 mwN, http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=52712&pos=0&anz=1
BGH, Urteil vom17.10.2000 – X ZR 97/99, http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=22864&pos=0&anz=1
LG Frankfurt am Main, Urteil vom 09.04.
5) Literaturstimmen
26Palandt, BGB-Kommentar, 73. Auflage, 2014
Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch:
BGB Band 4, 6. Auflage, 2012
Tonner/Willingmann/Tamm: Vertragsrecht Kommentar, 1. Auflage, 2009
Bamberger/Roth, Beckscher Online Kommentar, Edition 32, 2014
6) Häufige Paragraphenketten
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7) Prozessuales
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