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von Göler (Hrsg.) / Lennart Matzke, Christine Behrens / § 711
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§ 711 Übertragung und Übergang von Gesellschaftsanteilen

(1) Die Übertragung eines Gesellschaftsanteils bedarf der Zustimmung der anderen Gesellschafter. Die Gesellschaft kann eigene Anteile nicht erwerben.

(2) Ist im Gesellschaftsvertrag vereinbart, dass im Fall des Todes eines Gesellschafters die Gesellschaft mit seinem Erben fortgesetzt werden soll, geht der Anteil auf den Erben über. Sind mehrere Erben vorhanden, fällt der Gesellschaftsanteil kraft Gesetzes jedem Erben entsprechend der Erbquote zu. Die Vorschriften über die Erbengemeinschaft finden insoweit keine Anwendung.

Für den Rechtsverkehr

(für Nichtjuristen)

zum Expertenteil (für Juristen)

Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle

1Bereits seit einiger Zeit wird die Modernisierung des Personengesellschaftsrechts und insbesondere des Rechts der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) für erforderlich gehalten. Das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) vom 10.08.2021 führt gravierende Änderungen ein und implementiert teilweise bereits seit langem in der Rechtsprechung und Literatur verbreitete Ansichten in das Gesetz.

2Insoweit ist auch die Regelung des § 711 BGB neu. Erstmalig wird die Übertragung von Gesellschaftsanteilen unter Lebenden bei einer Personengesellschaft konkret geregelt. Zwar war auch bisher anerkannt, dass eine Übertragung bei Zustimmung der Mitgesellschafter möglich sein muss; eine gesetzliche Regelung hierzu gab es allerdings nicht. Insofern findet nunmehr eine begrüßenswerte Umsetzung der bisher gehandhabten Praxis in Gesetzesform statt, die insbesondere zu Rechtssicherheit führen dürfte.

3Daher bleibt es zunächst bei der Höchstpersönlichkeit der Mitgliedschaft, sodass eine Übertragung nach wie vor der Zustimmung bzw. einer Nachfolgeregelung bedarf. Der gestalterischen Praxis sind insoweit viele Möglichkeiten eröffnet, als dass auf der Seite erbrechtlicher Nachfolgeklauseln erheblicher Spielraum besteht. Namentlich seien Nachfolger oder Eintrittsklauseln genannt. Daher regelt § 711 nF nunmehr gesetzlich, was bislang ohnehin als Grundprinzipien des GbR-Gesellschaftsrechts galt.

4Absatz 1 Satz 1 stellt dabei fest, dass Gesellschaftsanteile nicht ohne Zustimmung der anderen Gesellschafter übertragen werden können. Dies verdeutlicht die Auffassung des Gesetzgebers, dass der Gesellschaftsanteil wesentlicher Inbegriff der mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten ist. Zuvor wurden diese Rechte und Pflichten auf die Gesellschafterstellung abgestellt.

5Anzumerken ist, dass das Zustimmungserfordernis der Mitgesellschafter im Gesellschaftsvertrag konkretisiert werden kann. Eine Abweichung von der gesetzlichen Regelung kann beispielsweise im Wege eines Mehrheitsbeschlusses, anstelle des Einheitsbeschlusses Einlass in den Gesellschaftsvertrag finden. Insofern ist Absatz 1 Satz 1 dispositiv.

6Absatz 1 Satz 2 stellt fest, dass die GbR keine eigenen Anteile halten kann. Trotz der Möglichkeit, von Satz 1 abzuweichen, ist Satz 2 nicht dispositiv. Dieser Satz sorgt für den Unterschied zwischen den Personengesellschaften und den Körperschaften. Der Gesetzgeber will mit dieser Regelung einer widersprechenden Rechtsfortbildung Einhalt gebieten.

7Absatz 2 regelt die Vererbung des Gesellschaftsanteils. Durch diese Norm ergänzt der Gesetzgeber den bereits bestehenden Vorrang des Ausscheidens gegenüber der Auflösung beim Tod eines Gesellschafters. Notwendig für den Übergang des Gesellschaftsanteils auf den oder die Erben ist eine Nachfolgeklausel oder ähnliche Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag, welche, wenn nicht anders vereinbart, die Zustimmung der Mitgesellschafter erfordert. Die Gesetzesbegründung stellt klar, dass neben der einfachen Nachfolgeklausel auch die von der Kautelarpraxis entwickelten Gestaltungsmöglichkeiten nicht eingeschränkt werden sollen; Eintrittsklausel sind deshalb ebenfalls möglich. Wenn der Gesellschaftsanteil vererblich gestellt worden ist, geht dieser unmittelbar im Wege der Sondererbfolge auf den Erben über. Falls keine Vererblichkeitsstellung vorliegt, so scheidet der Gesellschafter aus der Gesellschaft aus.

8Es liegen keine Besonderheiten hinsichtlich Prozessen oder Beweislasten vor. Begünstigte und Erben haben den Anspruch, den sie geltend machen möchten, zu beweisen. Erben müssen zudem auch die Erbenstellung als solche beweisen, um Ansprüche gegen die Gesellschaft geltend machen zu können.

Expertenhinweise

(für Juristen)

1) Allgemeines

a) Grundsätzliches

9Durch die gesetzliche Neureglung des Personengesellschaftsrecht verfolgt der Gesetzgeber eine klare Gesetzesstruktur, insbesondere bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), der offenen Handelsgesellschaft (oHG) und der Kommanditgesellschaft (KG). So wird beispielsweise die GbR mit einer gesetzlich normierten Rechtsfähigkeit ausgestattet.Begr. RegE, BT-Drucksache 19/27635, 103

2) Literaturstimmen

Prof. Dr. Servatius, Wolfgang, in: Servatius GbR/Servatius, 1. Aufl. 2023, BGB § 711

Dr. Schäfer, Carstens, in: MüKoBGB/Schäfer, 9. Aufl. 2023, BGB § 711

Prof. Dr. Wertenbruch, Johannes“ „Das MoPeG – die Reform des Rechts der Personengesellschaften“, JZ 3/2023, 78

Schunke, Daniel“ „Gesellschafterwechsel im Recht der Personengesellschaften“, Juristische Ausbildung 2022(11): 1287–1298

Prof. Dr. Wertenbruch, Johannes“ „Der BMJV-Referentenentwurf eines MoPeG, Wertenbruch“, GmbHR 2021, 1-7

Prof. Dr. Habersack, Matthias: „Modernisierung der Personengesellschaftsrechts - aber wie?“, ZGR 2020, 539–568

Bochmann, Christian: „Gesellschafterwechsel, Ausscheiden und Auflösung im Mauracher Entwurf zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts“, ZGR Sonderheft 23 (2021) 22 ff.

Rubner/Leuering: „Das neue GbR-Recht nach MoPeG“, NJW-Spezial 2023, 15

3) Häufige Paragraphenketten

Häufige Paragraphenketten

I:

II:

  • § 723 BGB nF: bzgl. des Ausscheidens aufgrund Todes wegen
  • § 724 BGB nF: bzgl. der Einräumung von Kommanditistenstellung
  • § 730 BGB nF: bzgl. Auflösung der Gesellschaft und Auflösungsklauseln
  • § 728 BGB nF: bzgl. Abfindungsansprüche
  • § 1992 BGB: bzgl. Allgemeine erbrechtliche Ansprüche und Verweise.

4) Prozessuales

66Die Darlegungs- und Beweislast richtet sich nach den allgemeinen Regelungen. Der Erbe, welcher einen Abfindungsanspruch nach § 728 BGB nF geltend machen will, trägt die Darlegungs- und Beweislast der Voraussetzungen. Will der Erbe innerhalb der Sondererbfolge als Gesellschafter behandelt werden, muss er darlegen, dass er durch den Tod des Erblassers Erbe geworden ist.

67Wenn sich der Erbe auf eine qualifizierte Erbfolge beruft, muss er darlegen und beweisen, dass er durch diese Erbfolge Begünstigter geworden ist.

68Wenn die Gesellschaft den Begünstigten in Anspruch nehmen will, hat sie die Umstände darzulegen und zu beweisen, dass der Erbe als Gesellschafter zu behandeln ist. Will ein Gesellschaftsgläubiger den Erben in die Haftung nehmen, muss dieser die allgemeinen Voraussetzungen und den Eintritt in die Gesellschafterstellung durch die Sondererbfolge beweisen.

69Im Falle der Eintrittsklausel trägt der Begünstigte die Darlegungs- und Beweislast, dass die Klausel wirksam vereinbart wurde und die Voraussetzungen für den Eintritt bestehen.


Fußnoten