Schliessen
von Göler (Hrsg.) / Carsten Seeger / § 650h

§ 650h Schriftform der Kündigung

Die Kündigung des Bauvertrags bedarf der schriftlichen Form.

Für den Rechtsverkehr

(für Nichtjuristen)

zum Expertenteil (für Juristen)

Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle

Diese Vorschrift ist in der Baupraxis noch weitgehend unbekannt, jedoch hat sie weitreichende Folgen bei Kündigung. In der Baupraxis werden viele Kündigungen per Mail, also per Textform ausgesprochen. Mit dem Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts vom 01.01.2018 ist für eine Kündigung eines BGB-Bauvertrages nach § 650a BGB nunmehr die Schriftform notwendig. Bei Nichteinhaltung dieser gesetzlichen Schriftform ist die Kündigung nichtig (§ 125 Satz 1 BGB). Schriftform heißt, dass die Kündigung eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet sein muss (§ 126 Absatz 1 BGB). Der Unterschied zwischen Schriftform und Textform ist einfach. Die Textform (§ 126 b BGB) regelt einen Formtyp mit unterschriftsloser Erklärung.

Das Schriftformerfordernis gilt sowohl bei der freien Kündigung (§ 648 BGB) als auch bei der Kündigung aus wichtigem Grund (§ 648a BGB).

Eine formnichtige Kündigung entfaltet keine Wirkung. Das bedeutet, dass das Vertragsverhältnis nicht beendet ist, sondern fortbesteht. Nur eine formwirksame Kündigung beendet den BGB-Bauvertrag.

Expertenhinweise

(für Juristen)

1) Allgemeines

Mit dem Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts vom 01.01.2018 wurde auch ein Schriftformerfordernis für Kündigungen eines BGB-Bauvertrages nach § 650a BGB eingeführt. Für Kündigungen gilt die gesetzliche Schriftform des § 125 BGB. Das Schriftformerfordernis gilt für alle Arten von Kündigungen, also für freie Kündigungen nach § 648 BGB sowie für Kündigungen aus wichtigem Grund nach § 648a BGB. Kündigungen von Werkverträgen, die nicht Bauverträge im Sinne von § 650a BGB sind, sind hingegen immer noch formfrei möglich.

1Sinn und Zweck der gesetzlichen Schriftform ist, dass die Schriftform sowohl dem Schutz vor Übereilung als auch der Beweissicherung dient. MK-Busche, 7. Aufl. (2018), § 650h BGB, Rn. 2

2) Definitionen

1Das Schriftformerfordernis bei Kündigungen erfordert eine eigenhändige Unterzeichnung durch Namensunterschrift (§ 126 Absatz 1 BGB). Im Gegensatz dazu bedeutet Textform, die lesbare, aber unterschriftslose Erklärung (§ 126b BGB).

Textform liegt insbesondere bei E-Mails und Whatsapp-Verkehr vor.Palandt/Ellenberger, BGB, 77. Aufl. (2018), § 126b RN 3

3) Abgrenzungen, Kasuistik

2Rechtsfolge einer formunwirksamen Kündigung ist, dass sie keine rechtliche Wirkung entfaltet. Die gewollte Wirkung der Kündigung ist die Beendigung des Vertragsverhältnisses. Aufgrund der Nichteinhaltung der gesetzlichen Schriftform ist die Kündigung nichtig.MK-Busche, 7. Aufl. (2018), § 650 h Rn. 1  Das hat zur Folge, dass der BGB-Bauvertrag fortbesteht.

3Meist stellt der Unternehmer die Arbeiten ein, da er von einer wirksamen Kündigung ausgeht. Das hat zur Folge, dass der Besteller den Unternehmer zur Wiederaufnahme der Arbeiten mit kurzer Fristsetzung auffordern kann. Kommt der Unternehmer dieser Fristsetzung nicht nach, so kann der Besteller seinerseits dem Unternehmer aus wichtigem Grund kündigen. Denn in der Leistungsverweigerung liegt eine schuldhafte Pflichtverletzung.Kniffka/Jurgeleit/Schmitz, ibr-online-Kommentar, Stand 15.11.2021, Rn. 5

4Sollte eine Vertragspartei (Besteller oder Unternehmer) den Vertrag aus wichtigem Grund kündigen, jedoch dabei die schriftliche Form missachten, so kann eine Nachholung der schriftlichen Form zu spät kommen, wenn zum Zeitpunkt, zu dem diese korrekte Erklärung der anderen Partei zugeht, der Ausübungszeitraum gemäß §§ 648a Abs. 3, 314 Abs. 3 BGB abgelaufen ist.Kniffka/Jurgeleit/Schmitz, ibr-online-Kommentar, Stand 15.11.2021, Rn. 5

Entscheidend ist, dass zwischen Fristablauf und dem Ausspruch der Kündigung eine angemessene Frist liegt. Meist wird hier die 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB als Höchstfrist angenommen.

4) Zusammenfassung der Rechtsprechung

5Die Rechtsprechung ist seit dem 01.01.2018 eindeutig. Jede Art der Kündigung bedarf der Schriftform. Dies gilt nicht nur für den BGB-Bauvertrag, sondern auch für den VOB-Vertrag. Dies hat das OLG München mit Beschluss vom 03.02.2022 entschieden.OLG München, Beschluss v. 03.02.2022 - 28 U 3344/21 Bau Hier ging es darum, dass ein Auftraggeber (= AG) dem Auftragnehmer (= AN) den Vertrag aus wichtigem Grund gekündigt hat. Die schriftliche Kündigungserklärung hat der AG eingescannt und nur per E-Mail an den AN geschickt. Das OLG München kommt eindeutig zu dem Schluss, dass das Schriftformerfordernis nach § 126 BGB nicht eingehalten wurde und die Kündigung deshalb nach § 125 BGB nichtig ist. Auch beim VOB-Vertrag ist die Kündigung nach § 8 Abs. 6 VOB/B schriftlich zu erklären. Zwar ist die VOB/B kein Gesetz, sondern nur AGB, so dass es sich nicht um eine gesetzliche Formvorgabe handelt, sondern um eine gewillkürte Formvorgabe. Jedoch ist durch die Reform des Bauvertragsrechts am 01.01.2023 die strenge Schriftform durch § 650h BGB eingeführt worden, so dass bei allen Bauverträgen, unabhängig, ob ein BGB-Bauvertrag oder ein VOB-Bauvertrag vorliegt, diese ausschließlich gilt. Eine telekommunikative Übermittlung ist daher nicht mehr ausreichend. Also gilt: Mit einer Kündigungserklärung per E-Mail mit angehängter PDF-Datei wird das Schriftformerfordernis nach § 126 BGB nicht gewahrt.


Fußnoten