§ 651f Änderungsvorbehalte; Preissenkung
(1) Der Reiseveranstalter kann den Reisepreis einseitig nur erhöhen, wenn
- 1. der Vertrag diese Möglichkeit vorsieht und zudem einen Hinweis auf die Verpflichtung des Reiseveranstalters zur Senkung des Reisepreises nach Absatz 4 Satz 1 sowie die Angabe enthält, wie Änderungen des Reisepreises zu berechnen sind, und
- 2. die Erhöhung des Reisepreises sich unmittelbar ergibt aus einer nach Vertragsschluss erfolgten a)Erhöhung des Preises für die Beförderung von Personen aufgrund höherer Kosten für Treibstoff oder andere Energieträger,b)Erhöhung der Steuern und sonstigen Abgaben für vereinbarte Reiseleistungen, wie Touristenabgaben, Hafen- oder Flughafengebühren, oderc)Änderung der für die betreffende Pauschalreise geltenden Wechselkurse.
Der Reiseveranstalter hat den Reisenden auf einem dauerhaften Datenträger klar und verständlich über die Preiserhöhung und deren Gründe zu unterrichten und hierbei die Berechnung der Preiserhöhung mitzuteilen. Eine Preiserhöhung ist nur wirksam, wenn sie diesen Anforderungen entspricht und die Unterrichtung des Reisenden nicht später als 20 Tage vor Reisebeginn erfolgt.
(2) Andere Vertragsbedingungen als den Reisepreis kann der Reiseveranstalter einseitig nur ändern, wenn dies im Vertrag vorgesehen und die Änderung unerheblich ist. Der Reiseveranstalter hat den Reisenden auf einem dauerhaften Datenträger klar, verständlich und in hervorgehobener Weise über die Änderung zu unterrichten. Eine Änderung ist nur wirksam, wenn sie diesen Anforderungen entspricht und vor Reisebeginn erklärt wird.
(3) § 308 Nummer 4 und § 309 Nummer 1 sind auf Änderungsvorbehalte nach den Absätzen 1 und 2, die durch vorformulierte Vertragsbedingungen vereinbart werden, nicht anzuwenden.
(4) Sieht der Vertrag die Möglichkeit einer Erhöhung des Reisepreises vor, kann der Reisende eine Senkung des Reisepreises verlangen, wenn und soweit sich die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 genannten Preise, Abgaben oder Wechselkurse nach Vertragsschluss und vor Reisebeginn geändert haben und dies zu niedrigeren Kosten für den Reiseveranstalter führt. Hat der Reisende mehr als den hiernach geschuldeten Betrag gezahlt, ist der Mehrbetrag vom Reiseveranstalter zu erstatten. Der Reiseveranstalter darf von dem zu erstattenden Mehrbetrag die ihm tatsächlich entstandenen Verwaltungsausgaben abziehen. Er hat dem Reisenden auf dessen Verlangen nachzuweisen, in welcher Höhe Verwaltungsausgaben entstanden sind.
Für den Rechtsverkehr
(für Nichtjuristen)
zum Expertenteil (für Juristen)
Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle
1Neben Minderungsansprüche und der Kündigung der Reise kann der Reisende vom Reiseveranstalter gem.
Der Reiseveranstalter hat für jeden Schaden, der auf einem Reisemangel beruht und den er auch vertreten muss, Schadenersatz zu leisten.
Der Reisende muss jedoch den Mangel dem Reisenden anzeigen oder Abhilfe am Urlaubsort verlangen, um einen Anspruch begründen zu können.
Schließlich muss im Mangel auch die Ursache für den beim Reisenden eingetreten Schaden sein.
Kann der Reiseveranstalter dann keine Tatsachen vorbringen, die sein Verschulden an dem eingetreten Schaden ausräumen können, hat er für den Schaden einzustehen, auch wenn er von seinen Erfüllungsgehilfen, d.h. zum Beispiel ausführende Luftfahrtunternehmen oder Hotels verursacht wurde und dem Reiseveranstalter dies zuzurechnen ist.
Entschädigung in Geld kann der Reisende auch für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit verlangen. Voraussetzung hierfür sind zum einen die eben genannten und als besondere Voraussetzung, dass die Reise vereitelt oder erheblich beeinträchtigt ist.
Vereitelt ist eine Reise, wenn sie nicht angetreten werden kann oder gleich wieder abgebrochen werden muss. Wann eine Reise erheblich beeinträchtigt ist, ist anhand einer Gesamtwürdigung der Umstände zu ermitteln.
Ersatzfähiger Schaden ist bei Abs. 1 jeder Schaden, der durch die mangelhafte Reise entstanden ist. Hierunter fallen zum einen Minderungsansprüche oder Schmerzensgeldansprüche, aber auch Begleitschäden wie Kosten für nutzlose An- und Abreise, Kommunikation, nutzlose Transportkosten oder den erhöhten Preis einer Ersatzreise.
Bei Abs. 2 wird die Entschädigung für die nutzlos aufgewendete Urlaubszeit anhand des Reisepreises bemessen. Die Höhe wird grundsätzlich durch eine Gesamtwürdigung des zuständigen Gerichtes festgestellt, wobei teilweise von den Gerichten auch Tagessätze je nach Stärke der Vereitelung oder Beeinträchtigung ausgesprochen werden.
Expertenhinweise
(für Juristen)
1) Allgemeines
2Ein Reisender kann Schadenersatzansprüche neben der Minderung (
3II enthält eine Sonderregelung zum immateriellen Schadenersatz gem.
2) Definitionen
a) Anspruchsbegründende Voraussetzungen
aa) Reisemangel
4Voraussetzung für einen Schadenersatzanspruch aus
5Auch Beeinträchtigungen, die ein Reisender aufgrund von der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht des Reiseveranstalters erleidet, können einen Reisemangel darstellen.BGH Urteil vom 12.06.2007 – X ZR 87/06, http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=40590&pos=0&anz=1
bb) Mängelanzeige
6Der Reisende hat dem Reiseveranstalter sowohl den Mangel gem.
cc) Vertretenmüssen
7Der Reiseveranstalter muss den Mangel zu vertreten haben (
8Der BGH greift für den Schadenersatzanspruch aus einem Reisevertrag –als besondere Art des Werkvertrags-
9Insofern hat der Reiseveranstalter auch für ein Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen
dd) Besondere Voraussetzungen des II
10Gem. II muss die Reise durch den Mangel vereitelt oder erheblich beeinträchtigt worden sein.
(1) Vereitelung der Reise
11Vereitelt ist eine Reise, wenn sie gar nicht angetreten werden kann oder praktisch nicht durchgeführt werden kann.Palandt/Sprau, 73.Auflage,
(2) erhebliche Beeinträchtigung
12Wann eine erhebliche Beeinträchtigung vorliegt, wird grundsätzlich wie bei der Kündigung gem.
13In der obergerichtlichen Rechtsprechung wurde eine erhebliche Beeinträchtigung dann angenommen, wenn durch einen Mangel der Gesamtwert der Reise um mindestens 50% gemindert wurde.OLG Frankfurt am Main Urteil vom 24.04.2003 – 16 U 164/00, NJW-RR 03, 1139; OLG Düsseldorf Urteil vom 28.05.2002 – 20 U 30/02,http://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/duesseldorf/j2002/I_20_U_30_02urteil20020528.html; OLG Köln Urteil vom 14.07.2008 – 16 U 82/07, http://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/koeln/j2008/16_U_82_07urteil20080714.html
14Mit der Vereitelung oder erheblichen Beeinträchtigung der Reise steht zugleich der haftungsausfüllende Tatbestand der vertanen Urlaubszeit fest.BGH Urteil vom 11.01.2005 – X ZR 118/03,http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=31661&pos=0&anz=1
Der Entschädigungsanspruch steht insofern auch Personengruppen zu, die die geplante Urlaubszeit zuhause verbringen, ohne auf besondere Urlaubsansprüche angewiesen zu sein, wie beispielsweise Schüler,OLG Frankfurt am Main Urteil vom 14.04.2014 – 16 U 12/14,http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/jportal/portal/t/s15/page/bslaredaprod.psml?&doc.id=JURE140011629%3Ajuris-r01&showdoccase=1&doc.part=L Studenten oder Rentnern.BGH Urteil vom 11.01.2005 – X ZR 118/03,http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=31661&pos=0&anz=1 De Vereitelung der Reise hängt nicht davon ab, wie der Reisende die für die Reise vorgesehene Urlaubszeit tatsächlich verbracht hat.
b) Höhe des Schadenersatzanspruchs
aa) Schadenersatz, I
15Dem Reisenden ist der entstandene Nichterfüllungsschaden gem. §
16Die Verschuldenshaftung des Reiseveranstalters erstreckt sich insbesondere auch auf Mangelfolgeschäden.BGH Urteil vom 20.09.1984 – VII ZR 325/83, NJW 85, 132; BGH Urteil vom 20. März 1986 - VII ZR 187/85,http://lorenz.userweb.mwn.de/urteile/bghz97_255.htm Hierunter fallen beispielsweise Personenschäden aufgrund Verletzung von VerkehrssicherungspflichtenBGH Urteil vom 12.06.2007 – X ZR 87/06,http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=40590&pos=0&anz=1, Sachschäden z.B. aufgrund nicht ausreichender Sicherung von GepäckstückenLG Duisburg Urteil vom 04.11.1994 – 4 S 160/94 http://www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/duisburg/lg_duisburg/j1994/4_S_160_94urteil19941104.html, oder Kommunikationskosten.LG Berlin Urteil vom 03.06.2004 – 5 O 569/03, NJW-RR 2005, 361 Auch Mehrkosten für eine angemessene ErsatzreiseLG Frankfurt Urteil vom 02.03.1987 - 2/24 S 250/86, NJW-RR 87, 568; LG Darmstadt, Urteil vom 17.01.2002 – 6 S 324/01, http://reise-recht-wiki.de/LG-Darmstadt-Entschaedigung-Ersatzreise-Kosten-Schadensminderungspflicht.html oder vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind gem. I grundsätzlich erstattungsfähig.LG Frankfurt Urteil vom 19.11.2012 - 2/24 S 199/11, BeckRS 2013, 03504
bb) Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit, II
17Für einen Schadenersatz gem. II sind nach Willen des Gesetzgebers immaterielle Momente, insbesondere die entgangene Urlaubsfreude, von Bedeutung.BT-Drs. 8/2343 S.11 Es ist ebenfalls Intention der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaft über Pauschalreisen (90/314/EWG), dass sie dem Verbraucher einen Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens, einschließlich des Schadens wegen entgangener Urlaubsfreude, verleiht, der auf der Nichterfüllung oder mangelhaften Erfüllung des Reisevertrages beruht.EuGH „Leitner“ Urteil vom 12.03.2002 – C-168/00,http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=47162&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1 Dieser immaterielle Charakter des durch die vertane Urlaubszeit entstandenen Schadens führt dazu, dass nicht nur im Erwerbsleben stehende Reisende, sondern auch nicht oder nicht mehr berufstätigen Personen eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit zuzubilligen ist.Rn. 14
18Daraus folgt, dass nicht das Arbeitseinkommen Maßstab für die Höhe des Schadenersatzanspruches gem. II sein kann,so noch: BGH Urteil vom 10.10.1974 – VII ZR 231/73, http://www.ejura-examensexpress.de/online-kurs/entsch_show_neu.php?Alp=1&dok_id=1887; BGH Urteil vom 12.05.1980 – VII ZR 158/79, NJW 80, 1947 sondern vielmehr unter Würdigung der Umstände des Einzelfalles das Ausmaß der Beeinträchtigung und die Höhe des Reisepreises.BGH Urteil vom 11.01.2005 – X ZR 118/03,http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=31661&pos=0&anz=1 Im Falle einer vereitelten Reise wird die Hälfte des Reisepreises als angemessen erachtet.a.a.O.; OLG Frankfurt am Main Urteil vom 14.04.2014 – 16 U 12/14,http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/jportal/portal/t/s15/page/bslaredaprod.psml?&doc.id=JURE140011629%3Ajuris-r01&showdoccase=1&doc.part=L
Teilweise werden von der Rechtsprechung auch Tagessätze anhand des Reisepreises ermittelt und die Höhe der Entschädigung so ermittelt.LG Frankfurt am Main Urteil vom 27.06.2011 – 2-24 O 176/10, RRa 2011, 176, 10-tägige Reise im Wert von 1.166,- Euro. / Tagesreisepreis von 116,60 Euro.
19Der Anspruch aus II ist im Übrigen auch kein höchstpersönlicher Anspruch und kann mithin abgetreten oder von Familienmitgliedern geltend gemacht werden.BGH Urteil vom 25. 5. 2010 - VI ZR 205/09,http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=52712&pos=0&anz=1
20Der Reisende hat sich ein etwaiges Mitverschulden (
21Beachtlich ist die Ausschlussfrist des
3) Abgrenzungen, Kasuistik
22Typische Anwendungsfälle der Norm sind Schadenersatzansprüche bei Nichterfüllung der Reise und daraus entstehende Mangelfolgeschäden. Des Weiteren kann der Reisende für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit bei Vereitelung der Reise oder erheblicher Beeinträchtigung der Reise Entschädigung in Geld vom Reiseveranstalter verlangen.
4) Zusammenfassung der Rechtsprechung
BGH Urteil vom 23.10.2012 – X ZR 157/11, http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=62623&pos=0&anz=1
BGH Urteil vom 11.01.1983 – VI ZR 222/80, http://www.ejura-examensexpress.de/online-kurs/entsch_show_neu.php?Alp=1&dok_id=1124
BGH Urteil vom 12.06.2007 – X ZR 87/06, http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.
5) Literaturstimmen
Palandt, BGB-Kommentar, 73. Auflage, 2014
Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch:
BGB Band 4, 6. Auflage, 2012
Prütting/Wegen/Weinreich: BGB Kommentar, 9. Auflage, 2014
Tonner/Willingmann/Tamm: Vertragsrecht Kommentar, 1. Auflage, 2009
Bamberger/Roth, Beckscher Online Kommentar, Edition 32, 2014
6) Häufige Paragraphenketten
7) Prozessuales
23Im Gerichtsverfahren hat der Reisende das Vorliegen eines Mangels, die Mangelanzeige oder das Abhilfeverlangen sowie den Schaden und Ursachenzusammenhang zu beweisen.
Der Reiseveranstalter hat die Darlegungs- und Beweislast, dass weder ihn noch seine Erfüllungsgehilfen ein Verschulden im Hinblick auf die den Mangel begründende Umstände treffen.