Schliessen
von Göler (Hrsg.) / Christoph Meyer / § 1360a

§ 1360a Umfang der Unterhaltspflicht

(1) Der angemessene Unterhalt der Familie umfasst alles, was nach den Verhältnissen der Ehegatten erforderlich ist, um die Kosten des Haushalts zu bestreiten und die persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten und den Lebensbedarf der gemeinsamen unterhaltsberechtigten Kinder zu befriedigen.

(2) Der Unterhalt ist in der Weise zu leisten, die durch die eheliche Lebensgemeinschaft geboten ist. Die Ehegatten sind einander verpflichtet, die zum gemeinsamen Unterhalt der Familie erforderlichen Mittel für einen angemessenen Zeitraum im Voraus zur Verfügung zu stellen.

(3) Die für die Unterhaltspflicht der Verwandten geltenden Vorschriften der §§ 1613 bis 1615 sind entsprechend anzuwenden.

(4) Ist ein Ehegatte nicht in der Lage, die Kosten eines Rechtsstreits zu tragen, der eine persönliche Angelegenheit betrifft, so ist der andere Ehegatte verpflichtet, ihm diese Kosten vorzuschießen, soweit dies der Billigkeit entspricht. Das Gleiche gilt für die Kosten der Verteidigung in einem Strafverfahren, das gegen einen Ehegatten gerichtet ist.

 

Für den Rechtsverkehr

(für Nichtjuristen)

zum Expertenteil (für Juristen)

Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle

1Die Vorschrift regelt die Bemessungsgrundlagen für den Familienunterhalt aus § 1360 BGB. Der sich ergebende Anspruch ist dabei nicht auf die Zahlung einer laufenden Geldzahlung an einen jeweils anderen Ehegatten gerichtet, sondern als gegenseitiger Anspruch ausgebildet, durch den jeder Ehegatte zur Leistung eines eigenen Beitrags zum Familienunterhalt entsprechend seiner nach der individuellen Ehegestaltung übernommenen Funktion zu leisten hat. Durch den Anspruch wird der gesamte Lebensbedarf der Familie erfasst. Insbesondere schließt der Anspruch die Aufwendungen für die allgemeine Haushaltsführung sowie für die Deckung der persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten (und soweit vorhanden der gemeinsamen Kinder) ein. Zum angemessenen Familienunterhalt gehören in jedem Fall die Kosten für Wohnung, Ernährung, Bekleidung, angemessenen Urlaub, angemessene Kranken- und Altersvorsorge etc. Darüber hinaus schließt der Anspruch die Zahlung von Verfahrenskosten und Prozesskostenvorschüssen in persönlichen Angelegenheiten der Ehegatten ein.

2Dem Verfahrenskostenvorschuss bzw. Prozesskostenvorschuss kommt in der Praxis eine nicht unerhebliche Bedeutung zu. Dies gilt vor allem, weil der Verfahrenskostenvorschuss bzw. Prozesskostenvorschuss Vorrang vor der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe bzw. Prozesskostenhilfe hat. Weigert sich der verpflichtete Ehegatte, an den berechtigten Ehegatten einen angeforderten Verfahrenskostenvorschuss/Prozesskostenvorschuss zu bezahlen, kann der berechtigte Ehegatte diesen Anspruch (üblicherweise sehr kurzfristig) durch einstweilige Anordnung gerichtlich durchsetzen.

Expertenhinweise

(für Juristen)

1) Allgemeines

a) Anspruchsinhalt

3Der Unterhaltsanspruch aus §§ 1360, 1360a BGB ist in erster Linie ein Naturalunterhaltsanspruch und unterscheidet sich aufgrund dieses Umstandes ganz wesentlich vom Trennungsunterhaltsanspruch bzw. nachehelichem Unterhaltsanspruch, die grundsätzlich als Barunterhaltsansprüche ausgestaltet sind. Rechtsprechung und Literatur sind im Zusammenhang mit diesem Unterhaltsanspruch nach wie vor von einem Ehebild geprägt, bei dem ein Ehegatte einer Erwerbstätigkeit nachgeht und der andere Ehegatte den Haushalt führt. Aus diesem Grund wird üblicherweise in der Literatur auch dem Taschengeldanspruch, der aus § 1360a BGB resultiert, viel Raum gegeben. Ob dieses Ehebild indes heute noch zeitgemäß ist, darf durchaus hinterfragt werden.

Von seinem Umfang erfasst der Anspruch den Lebensbedarf der Familie vollständig. Er beinhaltet nicht nur die Ansprüche des jeweils anderen Ehegatten, sondern vielmehr die Bedürfnisse aller Familienangehörigen, die im selben Haushalt leben und unterhaltsberechtigt sind (§§ 1602, 1603 BGB). Maßstab für den Unterhaltsanspruch sind die ehelichen Lebensverhältnisse einerseits sowie der Halbteilungsgrundsatz andererseits. Unter Berücksichtigung dieser Umstände umfasst der Anspruch in erster Linie folgende Positionen:

  • Wohnkosten
  • Allgemeine Haushaltskosten
  • Bekleidung
  • Urlaube
  • Medizinische Versorgung
  • Altersvorsorge
  • Kulturelle Bedürfnisse
  • Angemessene Hobbys

Nicht zum Familienunterhalt gehören finanzielle Beiträge zum Aufbau von Vermögen.

b) Art der Unterhaltsleistung

4Die Unterhaltspflicht wird bei Alleinverdiener-Ehen üblicherweise wesentlich mit Naturalleistungen erbracht. Ausgenommen hiervon sind lediglich der Taschengeldanspruch des nicht erwerbstätigen Ehegatten bzw. der Anspruch auf Zurverfügungstellung ausreichender Barmittel für die Haushaltsführung. Sind beide Ehegatten erwerbstätig, besteht für beide Ehegatten in gleichem Maße die Verpflichtung unter Berücksichtigung des Halbteilungsgrundsatzes Erwerbseinkommen und für eine angemessene Lebensführung zur Verfügung zu stellen.

Die Überprüfung der konkreten Mittelverwendung ist dabei für die Ehegatten nur bedingt möglich. Zwar schulden sich die Ehegatten zumindest einen groben Überblick über die Verwendung des jeweiligen Einkommens. Eine Auskunftspflicht bzw. eine Rechenschaftspflicht sind jedoch im Zusammenhang mit dem Familienunterhalt nicht vorgesehen (vgl. BGH NJW 00, 3199).

c) Dauer des Unterhaltsanspruchs

5Der Unterhaltsanspruch beginnt mit der Eheschließung und endet mit der Trennung der Ehegatten im rechtlichen Sinne. Ab der Trennung besteht Anspruch auf Trennungsunterhalt gemäß § 1361 BGB. Etwaige Familienunterhaltsansprüche können jedoch auch nach der Trennung noch durchgesetzt werden. Für die Verjährung gelten die allgemeinen Vorschriften. Ein Verzicht auf den Familienunterhalt für die Zukunft ist unzulässig. Das Gleiche gilt für eine Abfindungsvereinbarung hinsichtlich des Familienunterhaltes.

d) Verfahrenskosten- / Prozesskostenvorschuss

6Der sich aus § 1360a Abs. 4 BGB ergebende Anspruch eines jeden Ehegatten auf Prozesskostenvorschuss / Verfahrenskostenvorschuss ist in der Praxis der bedeutendste Teil der Vorschrift. Während der Familienunterhalt mit der Auflösung der Familie endet und an seine Stelle der Trennungsunterhalt tritt, bleibt der Anspruch auf Prozesskosten- / Verfahrenskostenvorschuss aus § 1360a Abs. 4 BGB auch über die Trennung hinaus bis zur Rechtskraft der Scheidung der Ehe bestehen.

Es handelt sich um einen selbständigen Bestandteil des Unterhaltsanspruches, der neben einem etwaigen Barunterhaltsanspruch zu leisten ist. Obwohl oftmals in der Praxis fälschlicherweise so bezeichnet, handelt es sich nicht um einen Darlehensanspruch. Daher erfüllt auch das Angebot des Verpflichteten, ein Darlehen zu gewähren, nicht den Anspruch aus § 1360a Abs. 4 BGB (vgl. BMF 14, 230). Der Anspruch aus § 1360a Abs. 4 BGB hat grundsätzlich Vorrang noch vor der Bewilligung von Prozesskostenhilfe / Verfahrenskostenhilfe. Bei bestehendem Anspruch aus § 1360a BGB wird daher Prozesskostenhilfe/Verfahrenskostenhilfe nur dann bewilligt, wenn der Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss bzw. Prozesskostenvorschuss in absehbarer Zeit nicht durchsetzbar ist (BGH, FamRZ 08, 1842). Voraussetzung für den Anspruch ist ferner, dass es sich bei dem zu führenden Rechtsstreit um eine persönliche Angelegenheit des anspruchsberechtigten Ehegatten handelt. Hier sind in erster Linie die familienrechtlichen Streitigkeiten mit dem anderen Ehegatten als praxisrelevant zu nennen. Die Beanspruchung eines Prozesskostenvorschusses zur Führung eines Rechtsstreits gegen Dritte wird in der Rechtsprechung grundsätzlich unabhängig von der wirtschaftlichen oder sozialen Bedeutung des potentiellen Rechtsstreits für den jeweiligen Ehegatten als äußerst kritisch angesehen.

Weitere Anspruchsvoraussetzung sind hinreichende Erfolgsaussichten der geplanten Rechtsverfolgung. Es gelten dieselben Maßstäbe, wie sie aus dem Verfahren zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe bekannt sind. Schließlich ist Anspruchsvoraussetzung eine ausreichende Leistungsfähigkeit des anderen Ehegatten.

Der Höhe nach orientiert sich der Anspruch an den zu erwartenden Gerichtskosten sowie den zu erwartenden Rechtsanwaltskosten nach dem RVG, die dem berechtigten Ehegatten im Zusammenhang mit der potentiellen Führung des Rechtsstreits erwachsen werden. Eine etwaige Mehrwertsteuer ist den Gebühren hinzuzurechnen.

Sollte der andere Ehegatte trotz Aufforderung außergerichtlich den Verfahrenskostenvorschuss/Prozesskostenvorschuss nicht leisten, kann der Anspruch seinerseits gerichtlich geltend gemacht werden. Es bietet sich dabei an, den Anspruch im Rahmen einer einstweiligen Anordnung gemäß § 276 Abs. 1 FamFG geltend zu machen. Zuständig ist dabei das Familiengericht (§§ 23a Abs. 1 Nr. 1 GVG, 23b Abs. 1 S. 1 GVG, § 111 FamFG). Der Anspruch aus § 1360a BGB ist höchstpersönlicher Natur. Er kann nicht übertragen werden und unterliegt nicht der Pfändung. Eine Aufrechnung gegen oder mit dem Anspruch ist nicht möglich.

Nachdem es sich bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift um einen Vorschuss handelt, können bezahlte Beträge nur vom verpflichteten Ehegatten regelmäßig zurückgefordert werden, wenn sich die finanzielle Situation des berechtigten Ehegatten (z. B. in Folge der Zahlung von Zugewinn oder Unterhaltsrückständen) nachträglich verbessert. Bereicherungsrechtliche Grundsätze sind hier grundsätzlich nicht anwendbar. Ferner können geleistete Prozesskostenvorschüsse/Verfahrenskostenvorschüsse bei der Festsetzung der Kosten der I. Instanz berücksichtigt werden, sofern der Vorschussverpflichtete im Verfahren unterlegen ist und (zusätzlich) Kostenerstattung zu leisten hat.


Fußnoten