§ 2081 Anfechtungserklärung
(1) Die Anfechtung einer letztwilligen Verfügung, durch die ein Erbe eingesetzt, ein gesetzlicher Erbe von der Erbfolge ausgeschlossen, ein Testamentsvollstrecker ernannt oder eine Verfügung solcher Art aufgehoben wird, erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht.
(2) Das Nachlassgericht soll die Anfechtungserklärung demjenigen mitteilen, welchem die angefochtene Verfügung unmittelbar zustatten kommt. Es hat die Einsicht der Erklärung jedem zu gestatten, der ein rechtliches Interesse glaubhaft macht.
(3) Die Vorschrift des Absatzes 1 gilt auch für die Anfechtung einer letztwilligen Verfügung, durch die ein Recht für einen anderen nicht begründet wird, insbesondere für die Anfechtung einer Auflage.
Für den Rechtsverkehr
(für Nichtjuristen)
zum Expertenteil (für Juristen)
Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle
1) 1Allgemeines
a) Normzweck
aa) Zweck der Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht
Anderes als bei der Anfechtung nach den allgemeinen Vorschriften des BGB zur Anfechtung von Willenserklärungen muss die Anfechtung einer letztwilligen Verfügung gegenüber dem Nachlassgericht erklärt werden. Wenn dies nicht der Fall wäre, müsste die Anfechtung der testamentarischen Verfügung stets gegenüber demjenigen erklärt werden, der durch die angefochtene Verfügung einen rechtlichen Vorteil erlangt.
Die vorgeschriebene Anfechtung gegenüber dem Nachlassgericht verhindert, dass der Anfechtungsberechtigte den Schwierigkeiten unterliegt, den richtigen Anfechtungsgegner festzustellen.
bb) Mitteilung und Einsichtsgewährung
Trotz der Tatsache, dass das Nachlassgericht Empfänger der Anfechtungserklärung ist, bleiben die Verfügungsbegünstigten betroffen. Das Nachlassgericht setzt diese daher von der Anfechtung in Kenntnis, wird aber nicht Anfechtungsgegner.Grüneberg/Weidlich, 81. Aufl. 2022,
cc) Anfechtung eines Erbvertrages und gemeinschaftlichen Testaments
Wichtig ist, dass für die Anfechtung eines Erbvertrages durch den Erblasser
Die Anfechtung des Erbvertrages muss vielmehr in notarieller Form gemäß
Nach dem Tod des Erblassers gilt für die Anfechtung durch die nach
Die Anfechtung bindend gewordener wechselbezüglicher Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament durch den überlebenden Ehegatten hat analog
2) Definitionen
a) Anfechtung gegenüber dem Nachlassgericht
aa) Fallgruppen
Nach
Für die Anfechtung eines Vermächtnisses muss daher die Anfechtung nach
bb) Verfahren
Das Nachlassgericht prüft nur die eigene Zuständigkeit und teilt demjenigen, der durch die angefochtene Verfügung begünstigt ist, die Anfechtungserklärung mit.
Ob die Anfechtung durchgreift, wird seitens des Nachlassgerichts erst inzident in einem späteren Erbscheinverfahren überprüft.
b) Anfechtung gegenüber dem Verfügungsbegünstigten
Von der Auslegung des
Nach herrschender Auffassung gilt dies insbesondere für Vermächtnisse, die daher durch Erklärung gegenüber dem Vermächtnisnehmer anzufechten sind.KG FamRZ 1977, 271 (273); OLG Koblenz BeckRS 2009, 88054
Bei Ehegatten, die in Gütergemeinschaft leben, hat die Anfechtung immer gegenüber dem Bedachten zu erfolgen, ungeachtet einer Regelung über die Verwaltung des Gesamtgutes.
Letztlich ist aus praktischer Sicht anzuraten, dass in Zweifelsfällen über den Erklärungsempfänger immer gegenüber dem Nachlassgericht und zugleich auch gegenüber dem Verfügungsbegünstigten angefochten wird. Entscheidender Grund hierfür ist, dass in jedem Falle die Anfechtungsfrist nach
Auch wenn nach Stimmen in der Literatur für den Fall, dass für den Anfechtenden nach Kenntnis der Dinge die "richtige" Auslegung nicht ohne Weiteres erkennbar war, jeweils die von ihm gewählte Anfechtungserklärung, insbesondere hinsichtlich der Wahrung der Anfechtungsfrist, für ausreichend erachtet werden soll,So und mit w.N. MüKoBGB/Leipold, 9. Aufl. 2022, BGB
c) Anfechtung mehrerer Verfügungen und Grenzfälle
Die Anfechtung eines Testaments oder der Widerruf eines Testaments, etwa durch Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung gemäß
Daher ist für jede Verfügung, die angefochten wird, der Anfechtungsgegner selbstständig zu bestimmen.
Andere Stimmen in der Literatur wollen bei einem Widerruf eines Testamens, das Verfügungen im Sinne des Abs. 1 und 3 sowie Vermächtnisse bzw. einen Vermächtniswiderruf enthält, durch einen einzigen Akt, zum Beispiel durch Vernichtung oder Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung, die Anfechtung im Hinblick auf die Einheit der Verfügung gegenüber dem Nachlassgericht ausreichen lassen.So etwa MüKoBGB/Leipold, 9. Aufl. 2022, BGB
Besonders problematisch gestaltet sich die Wahl des richtigen Anfechtungsgegners im Falle von auslegungsbedürftigen Verfügungen. Nicht selten ist etwa eine Erbeinsetzung von einer Vermächtnisanordnung klar abzugrenzen bzw. mehreren Auslegungsvarianten zugänglich. Bei Zweifelsfrage hinsichtlich der Auslegung ist daher die Anfechtungserklärung gegenüber dem Nachlassgericht sowie gegenüber dem Verfügungsbegünstigten zu erklären.
Ferner besteht oft die Problematik, dass die Anfechtung von Vermächtnissen gegebenenfalls auch Auswirkung auf die Erbeinsetzung haben könnten. Auch in diesen Fällen ist sicherheitshalber die Anfechtung an beide Adressaten zu erklären.
d) Inhalt der Anfechtungserklärung
Hinsichtlich der Anforderungen an die Anfechtungserklärung selbst stellt das Gesetz keine Anforderungen. Letztlich muss in der Anfechtungserklärung nicht einmal das Wort „anfechten“ enthalten. Vielmehr ist erforderlich, dass aus der Erklärung der eindeutige Wille zur Anfechtung ersichtlich ist und der Mangel des Erblasserwillens geltend gemacht wird.
Ob der Anfechtungsgrund als solcher in der Anfechtungserklärung bereits angegeben werden muss, ist strittig.BayObLG NJW-RR 2002, 1088 (1089); FamRZ 1989, 1346 (1347); Grüneberg/Weidlich, 81. Aufl. 2022,
Der Anfechtungsgegenstand – eine oder mehrere Verfügungen - muss allerdings aus der Anfechtung ersichtlich sein.Burandt/Rojahn/Czubayko, 4. Aufl. 2022, BGB
e) Anfechtung der Anfechtung letztwilliger Verfügungen
Die Anfechtungserklärung kann ihrerseits wiederum angefochten werden, da sie eine Willenserklärung darstellt.OLG München ZEV 2017, 541 Ls.= MittBayNot 2018, 262 Rn. 17 ff. Die Anfechtung der Anfechtung einer letztwilligen Verfügung ist daher möglich.
Expertenhinweise
(für Juristen)
1) Allgemeines
a) 2Normzweck
aa) Zweck der Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht, § 2081 Abs. 1 BGB
In Abweichung zu
2) Definitionen
3a) Anfechtung gegenüber dem Nachlassgericht
aa) Fallgruppen (§ 2081 Abs. 1 BGB)
Nach
Zu diesen Fällen gehört auch im Rahmen der Erbeinsetzung die Nacherbeinsetzung nach
Aufgrund des
bb) Wirksamkeitsvoraussetzungen der Anfechtungserklärung
Die Anfechtungserklärung ist eine amtsempfangsbedürftige Willenserklärung, die gemäß
Sofern die Nachlasssache bereits in der Beschwerdeinstanz befindlich ist, ist die Anfechtung stets gegenüber dem Nachlassgericht zu erklären.BayObLGZ 1989, 327 = FamRZ 1989, 1346; FamRZ 1992, 226
Für die Wirksamkeit entscheidend ist der Zugang beim sachlich (Amtsgericht,
Die zusätzliche örtliche Zuständigkeit des Gerichts am Wohnsitz des Anfechtenden gilt nach
Gibt ein örtlich unzuständiges Nachlassgericht die Erklärung an das zuständige Gericht weiter, ist sie entsprechend
Wirksam ist die Erklärung entsprechend
Ungeachtet der Tatsache, dass die Anfechtungserklärung gegenüber dem Nachlassgericht abzugeben ist, muss hinsichtlich des
Die Vorschriften der Anfechtung letztwilliger Verfügungen sehen keine besondere Form der Anfechtung vor, sodass nach
Die Anfechtungserklärung muss nicht persönlich erklärt werden, anders als die Anfechtung des Erblassers beim Erbvertrag/gemeinschaftlichen Testament, die nur von ihm persönlich und bei seiner Geschäftsunfähigkeit nur durch seinen Betreuer als gesetzlicher Vertreter mit betreuungsgerichtlicher Genehmigung erfolgen kann,
b) 4Anfechtung gegenüber dem Verfügungsbegünstigten
Von der Auslegung des
Nach herrschender Auffassung gilt dies insbesondere für Vermächtnisse, die daher durch Erklärung gegenüber dem Vermächtnisnehmer anzufechten sind.KG FamRZ 1977, 271 (273); OLG Koblenz BeckRS 2009, 88054
Umstritten ist insbesondere die Auslegung des
Bei Ehegatten, die in Gütergemeinschaft leben, hat die Anfechtung immer gegenüber dem Bedachten zu erfolgen, ungeachtet einer Regelung über die Verwaltung des Gesamtgutes, analog
Da ein Vermächtnis im Falle der Insolvenz, ungeachtet der Tatsache, ob das Vermächtnis vor oder nach der Eröffnung angefallen ist, – vorbehaltlich der Ausschlagung durch den Schuldner,
c) 5Inhalt der Anfechtungserklärung
Die Anfechtungserklärung muss nicht das Wort "anfechten" enthalten. Vielmehr ist erforderlich, dass sich aus der Erklärung der eindeutige Anfechtungswille ergibt, die letztwillige Verfügung wegen eines Willensmangels nicht bestehen zu lassen.BGH NJW 1984, 2279 (2280); BayObLG FamRZ 1989, 1346 (1347)
In der Erklärung muss unzweideutig die Intension deutlich werden, dass der Anfechtende einen Mangel des Erblasserwillens geltend machen will.OLG München ZEV 2005, 482 (483) Dies ist durch Auslegung zu ermitteln.BGH NJW 1984, 2279 (2280); OLG München ZEV 2005, 482 (483)
Ob der Anfechtungsgrund als solcher in der Anfechtungserklärung bereits angegeben werden muss, ist strittig. Die herrschende Auffassung hält es für nicht erforderlich, dass der Anfechtungsgrund angegeben werden muss.BayObLG NJW-RR 2002, 1088 (1089); FamRZ 1989, 1346 (1347); Grüneberg/Weidlich, 81. Aufl. 2022,
Der Anfechtungsgegenstand – eine oder mehrere Verfügungen - muss allerdings aus der Anfechtung ersichtlich sein.Burandt/Rojahn/Czubayko, 4. Aufl. 2022, BGB
d) 6Anfechtung der Anfechtung letztwilliger Verfügungen
Die Anfechtungserklärung kann ihrerseits wiederum angefochten werden, da sie eine Willenserklärung darstellt.OLG München ZEV 2017, 541 Ls.= MittBayNot 2018, 262 Rn. 17 ff. Die Anfechtungsgründe richten sich daher nur nach §§ 119, 123 BGB. Ein Motivirrtum in Sinne von
3) Abgrenzungen, Kasuistik
7Anfechtung mehrerer Verfügungen und Grenzfälle
Die Anfechtung eines Testaments oder durch Widerruf eines Testaments, etwa durch Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung gemäß
Daher ist für jede Verfügung, die angefochten wird, der Anfechtungsgegner selbstständig zu bestimmen.
Andere Stimmen in der Literatur wollen bei einem Widerruf eines Testamens, das Verfügungen im Sinne des Abs. 1 und 3 sowie Vermächtnisse bzw. einen Vermächtniswiderruf enthält, durch einen einzigen Akt, zum Beispiel durch Vernichtung oder Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung, die Anfechtung im Hinblick auf die Einheit der Verfügung gegenüber dem Nachlassgericht ausreichen lassen. So etwa MüKoBGB/Leipold, 9. Aufl. 2022, BGB
Besonders problematisch gestaltet sich die Wahl des richtigen Anfechtungsgegners im Falle von auslegungsbedürftigen Verfügungen. Nicht selten ist etwa eine Erbeinsetzung von einer Vermächtnisanordnung klar abzugrenzen bzw. mehreren Auslegungsvarianten zugänglich.
Nach Auffassung von Leipold sollte für den Fall, dass für den Anfechtenden nach Kenntnis der Dinge die „richtige“ Auslegung nicht ohne weiteres erkennbar war, jeweils die von ihm gewählte Anfechtungserklärung, insbesondere hinsichtlich der Wahrung der Anfechtungsfrist, für ausreichend erachtet werden.So und mit w.N. MüKoBGB/Leipold, 9. Aufl. 2022, BGB
Wird der Widerruf eines Testaments von einem Vermächtnisnehmer angefochten, so ist bei der Feststellung, wer Anfechtungsgegner ist, zu berücksichtigen, ob die Wirkung der Anfechtung sich über den Widerruf des Vermächtnisses hinaus auch auf den Widerruf der in dem Testament enthaltenen Erbeinsetzung erstreckt.3. Leitsatz des BayObLGZ 1960, 490
Das gleiche Auslegungsproblem gilt für (Voraus-) Vermächtnisanordnungen und Teilungserklärungen. Wobei nach der hier vertretenen Auffassung bei diesem Auslegungsproblem im Zweifel die Anfechtung gegenüber dem Nachlassgericht ausreichend sein dürfte, da der designierte (Voraus-) Vermächtnisnehmer zumindest auch Miterbe ist.
Es sollte in vorgenannten Fällen allerdings der sicherste Weg gewählt werden. Daher sollte in Zweifelsfällen die Anfechtung immer gegenüber dem Nachlassgericht und zugleich gegenüber dem Vermächtnisnehmer erfolgen.So auch MüKoBGB/Leipold, 9. Aufl. 2022, BGB
4) Zusammenfassung der Rechtsprechung
- 8RG, 08.02.1934 - IV 357/33
- KG, Beschluss vom 12.09.1935 – 1 Wx 353/35
- BGH, Urteil vom 17. 11. 1959 - V ZR 18/59
- BayObLG (1. ZS), Beschluß vom 22. 12. 1960 - BReg. 1 Z 8/1960
- KG Berlin, Urteil vom 01.12.1975 – 12 U 1117/75
- BGH, Beschluss vom 06.07.1977 - IV ZB 63/75
- BayObLG, Beschluß vom 13.5.1983 - BReg. 1 Z 116/82
- BGH, Urteil vom 07-06-1984 - IX ZR 66/83
- BayObLG (1. ZS), Beschluß vom 3. 8. 1989 - BReg. 1 a Z 56/88
- BayObLG v. 11. 6. 1991 - 1 Z 31/91
- BayObLG, Beschluß vom 24. 10. 2001 - 1Z BR 40/01
- OLG München, Beschluß vom 11. 5. 2005 - 31 Wx 19/05
- OLG Koblenz, Urteil vom 10.09.2009 - 2 U 845/08
- OLG München, Beschl. v. 24.7.2017 – 31 Wx 335/16
- OLG Brandenburg, Beschl. v. 10.3.2020 – 3 W 67/19
5) Literaturstimmen
- 9Grüneberg BGB-Kommentar, 81. Auflage 2022
- Burandt/Rojahn Erbrecht, 4. Auflage 2022
- Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch 9. Aufl. 2022
6) Häufige Paragraphenketten
10§ 2079, § 2078, § 2080, § 2081, § 2082, § 2083, § 2084, § 2085, § 2086,
7) Prozessuales
11Das Nachlassgericht prüft nur die eigene Zuständigkeit und teilt gemäß
Gemäß Abs. 2 S. 2 ist jedem Einsicht in die Erklärung zu gewähren, der ein rechtliches Interesse glaubhaft macht.
Das Nachlassgericht hat die Begründetheit der Anfechtungserklärung nicht zu überprüfen.BayObLG FamRZ 1997, 1179; OLG Köln FamRZ 1993, 1124
Erst in einen späteren Erbscheinverfahren, §
Die "Zurückweisung der Anfechtung" kann als Ablehnung der Einziehung,
Die Gerichtskosten richten sich nach KV 12410 Abs. 1 Nr. 2 GNotKG.
8) Anmerkungen
12Die Vorschrift des
Die Tatsache, dass Vermächtnisse nicht ausdrücklich in