§ 2080 Anfechtungsberechtigte
(1) Zur Anfechtung ist derjenige berechtigt, welchem die Aufhebung der letztwilligen Verfügung unmittelbar zustatten kommen würde.
(2) Bezieht sich in den Fällen des § 2078 der Irrtum nur auf eine bestimmte Person und ist diese anfechtungsberechtigt oder würde sie anfechtungsberechtigt sein, wenn sie zur Zeit des Erbfalls gelebt hätte, so ist ein anderer zur Anfechtung nicht berechtigt.
(3) Im Falle des § 2079 steht das Anfechtungsrecht nur dem Pflichtteilsberechtigten zu.
Für den Rechtsverkehr
(für Nichtjuristen)
zum Expertenteil (für Juristen)
Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle
1) 1Allgemeines
a) Normzweck/Anwendungsbereich
Bei Erbverträgen und bindend gewordenen letztwilligen Verfügungen steht auch dem Erblasser das Recht zu, die letztwillige Verfügung zu beseitigen oder zu belassen.
b) Rechtsnatur des Anfechtungsrechts
Aus dem vorgenannten Schutzzweck der Vorschrift folgt ferner, dass das Anfechtungsrecht ein höchstpersönliches Recht ist und nicht auf Dritte übertragbar.
Es ist grundsätzlich nicht pfändbar. Sofern die Anfechtung allerdings von dem Anfechtungsberechtigten erklärt wurde, sind die damit entstandenen Ansprüche pfändbar.Burandt/Rojahn/Czubayko, 4. Aufl. 2022, BGB
Das Anfechtungsrecht ist vererblich, sofern der Anfechtungsberechtigte nach dem Erbfall verstorben ist, ohne dass er die Verfügung angefochten hat, und das Anfechtungsrecht bereits entstanden ist. Das Anfechtungsrecht geht auf die Erben über, wenn es zum Zeitpunkt des Todes des ursprünglich Anfechtungsberechtigten noch nicht erloschen war. Das Anfechtungsrecht muss erst entstanden und darf nicht erloschen sein, um vererblich zu sein.
Die Anfechtungsfrist und damit einhergehende Kenntnis des nach dem Erbfall verstorbenen Anfechtungsberechtigten ist seinen Erben zuzurechnen, und lebt nicht wieder mit seinem Erbfall neu auf.
2) Definitionen
a) Unmittelbares Zustattenkommen
Die Anfechtungsberechtigung setzt für den Anfechtenden voraus, dass dieser unmittelbar betroffen ist und er durch die Aufhebung der letztwilligen Verfügung einen unmittelbaren rechtlichen Vorteil erlangt.
Dieser Vorteil kann in einem Erbrecht bestehen. Klassische Beispiele hierfür sind die Anfechtung des Enterbten oder der Erbeinsetzung eines anderen durch den gesetzlichen Erben oder aber Anfechtung des Widerrufs einer Erbeinsetzung durch den im früheren Testament eingesetzten Erben.m.w.Hinweisen und Bespielen MüKoBGB/Leipold Rn. 6
Der Erwerb eines schuldrechtlichen Anspruchs z.B. durch die Anfechtung eines Vermächtniswiderrufs durch den Vermächtnisnehmer oder im Wegfall einer Beschwerung etwa durch Anfechtung eines Vermächtnisses oder einer Auflage durch den Beschwerten können einen rechtlichen Vorteil im Sinne von
Der rein tatsächliche Vorteil ist nicht ausreichend, sodass bei Widerruf einer Auflage durch denjenigen angefochten werden kann, der nach
Zudem ist als unmittelbarer rechtlicher Vorteil auch die Erlangung eines Gestaltungsrechts anzusehen, z.B. eines Anfechtungsrechts.BGH NJW 1991, 169 (171)
Die Unmittelbarkeit ist geben, wenn der rechtliche Vorteil ohne Dazwischentreten oder der Wegfall anderer Personen dem Begünstigten zugute kommt. Als Ausnahme dieser Regel ist nur anzusehen, dass der nach §
Der unmittelbare rechtliche Vorteil muss ferner festgestellt werden. Im Rahmen dieser Prüfung ist die Rechtslage bei Wirksamkeit der Verfügung mit der Rechtslage nach wirksamer Anfechtung zu vergleichen.BGH NJW 1985, 2025 (2026)
b) Einschränkungen der Anfechtungsberechtigung
Die Einschränkungen der Anfechtungsberechtigten haben den Zweck, dass ausschließlich der Betroffene selbst über die Wirksamkeit der letztwilligen Verfügung entscheiden können soll.
Bezieht sich nämlich in den Fällen des
Nach
Zudem besteht eine zeitliche Einschränkung der Anfechtungsberechtigung bei der Anfechtung durch nichteheliche Kinder.
Im klassischen Fall der Anfechtung durch ein nichteheliches Kind kann das Kind erst ab wirksamer Anerkennung bzw. rechtskräftiger Feststellung der Vaterschaft Rechte aus dem Vaterschaftsverhältnis geltend machen. Die Konsequenz für die Anfechtungsberechtigung ist daher, dass das nichteheliche Kind erst mit der wirksamen Anerkennung oder rechtskräftigen Feststellung der Vaterschaft anfechtungsberechtigt wird. Die Heilung einer zuvor erklärten Anfechtung kommt nicht in Betracht, sondern sie ist vielmehr erneut zu erklären.BayObLG FamRZ 2003, 1595 (1597)
c) Anfechtungsrecht des Erblassers nach § 2281 I BGB analog
Ausnahmsweise ist bei Erbverträgen gemäß
d) Mehrere Anfechtungsberechtigte
Sind mehrere zur Anfechtung berechtigt, steht jedem das Anfechtungsrecht selbstständig zu.Grüneberg/Weidlich BGB
e) Praxishinweise
Zumeist wird allerdings im Rahmen eines Erbvertrages oder gemeinschaftlichen Testaments bereits bei Errichtung auf das Anfechtungsrecht verzichtet.
Ein Verzicht im Rahmen eines jeden Erbvertrages oder gemeinschaftlichen Testaments ist durchaus sinnvoll, insbesondere da der Wille des Erstverstorbenen auch im Falle des Todes des Längerlebenden verwirklicht wird. Sofern eine Öffnung der Bindungswirkung vereinbart ist, könnte das Regelungsbedürfnis bezüglich des Verzichts anders beurteilt werden.
Sofern ein Verzicht vorliegt, ist die Anfechtung durch den Erblasser ausgeschlossen. Der Erblasser kann auch nach Vorversterben seines Ehepartners die eigenen, bindend gewordenen wechselbezüglichen Verfügungen gemäß §§ 2078, 2079 BGB nach Maßgabe der für den Erbvertrag geltenden Einschränkungen anfechten.Burandt/Rojahn/Czubayko, 4. Aufl. 2022, BGB
Expertenhinweise
(für Juristen)
1) Allgemeines
a) 2Normzweck/Anwendungsbereich
Bei Erbverträgen und bindend gewordenen letztwilligen Verfügungen steht auch dem Erblasser das Recht zu, die letztwillige Verfügung zu beseitigen oder zu belassen.
Für die neuen Bundesländer gelten für die Anfechtung einer Verfügung bezüglich der Erbfälle seit dem 03.10.1990 über Art. 235
b) Rechtsnatur des Anfechtungsrechts
Aus dem Schutzzweck des
Das Anfechtungsrecht ist vererblich, sofern der Anfechtungsberechtigte nach dem Erbfall verstorben ist, ohne dass er die Verfügung angefochten hat, und das Anfechtungsrecht bereits entstanden ist. Daher geht das Anfechtungsrecht auf die Erben über, wenn es zum Zeitpunkt des Todes des ursprünglich Anfechtungsberechtigten noch nicht erloschen war.Burandt/Rojahn/Czubayko, 4. Aufl. 2022, BGB
2) Definitionen
a) 3Unmittelbares Zustattenkommen
Die Anfechtungsberechtigung setzt für Anfechtende voraus, dass diese unmittelbar betroffen sind und sie durch die Aufhebung der letztwilligen Verfügung einen unmittelbaren rechtlichen Vorteil erlangen.
Dieser Vorteil kann in einem Erbrecht z.B.
3) Abgrenzungen, Kasuistik
7Im Rahmen der Prüfung der Anfechtungsberechtigung sind anhand des geltend gemachten Anfechtungsgrundes - § 2078 und/oder
4) Zusammenfassung der Rechtsprechung
- BGH, Urteil vom 21.12.1960 – 8V ZR 76/60
- BayObLG, Beschluss vom 13.5.1983 - BReg. 1 Z 116/82
- BGH, Urteil vom 08-05-1985 - IV a ZR 230/83
- BGH, Urteil vom 26-09-1990 - IV ZR 131/89
- OLG Brandenburg, 27.05.1997 - 10 Wx 31/96
- OLG Brandenburg, Beschluss vom 20.08.1998 – 10 Wx 5/97
- BayObLG, Beschluss vom 14. 2. 2002 - 1Z BR 54/01
- BayObLG (1. ZS), Beschluss vom 18. 3. 2003 - 1Z BR 71/02
5) Literaturstimmen
- 9Grüneberg BGB-Kommentar, 81. Auflage 2022
- Burandt/Rojahn Erbrecht, 4. Auflage 2022
- Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch 9. Aufl. 2022
6) Häufige Paragraphenketten
10§ 2079, § 2078, § 2080, § 2081, § 2082, § 2083, § 2084, § 2085, § 2086,
7) Prozessuales
11Das Anfechtungsrecht ist ein höchstpersönliches Recht und auf Dritte nicht übertragbar.Burandt/Rojahn/Czubayko, 4. Aufl. 2022, BGB
Ferner ist das Anfechtungsrecht vererblich, sofern der Anfechtungsberechtigte nach dem Erbfall verstorben ist und das Anfechtungsrecht bereits entstanden und nicht bereits erloschen ist.Burandt/Rojahn/Czubayko, 4. Aufl. 2022, BGB
Die Anfechtung durch einen Minderjährigen ist nicht lediglich rechtlich vorteilhaft im Sinne von
Im Rahmen der Anfechtungsberechtigung nach
8) Anmerkungen
12Bei
Aufgrund der nach herrschender Auffassung weitreichenden Rechtsfolgen einer durchgreifenden Anfechtung in Form der rückwirkenden Gesamtnichtigkeit und der Möglichkeiten bei Vorliegen von Motivirrtümern nach