Schliessen
von Göler (Hrsg.) / Nicola Sommer / § 2275
Versionen

§ 2275 Voraussetzungen

Einen Erbvertrag kann als Erblasser nur schließen, wer unbeschränkt geschäftsfähig ist.

Für den Rechtsverkehr

(für Nichtjuristen)

zum Expertenteil (für Juristen)

Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle

1Da im Erbvertrag nicht nur testamentarische Verfügungen getroffen werden, sondern diese mit einem Vertrag verknüpft sind, gelten die Vorschriften über die Geschäftsfähigkeit der Vertragspartner (§§ 104 ff. BGB). Ein Verstoß führt zur Nichtigkeit des Vertrages. Dieser Mangel kann später nicht geheilt werden. Der nichtige Vertrag kann allerdings in ein Testament umgedeutet werden, wenn dies dem Willen entspricht.

Für den Erblasser bedeutet das, dass er volljährig und unbeschränkt geschäftsfähig sein muss. Eine Vertretung durch einen Bevollmächtigten oder einen Betreuer ist bei einem Geschäftsunfähigen nicht möglich. Da eine Betreuung aber nicht grundsätzlich bedeutet, dass der Betreute geschäftsunfähig ist, kann auch jemand, der unter Betreuung steht, einen Erbvertrag abschließen. Führt dies später zu Streitigkeiten, muss allerdings die Geschäftsfähigkeit zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bewiesen werden. Es gibt aber einen Grundsatz, dass im Zweifel von Geschäftsfähigkeit auszugehen ist. Sicherheitshalber kann ein Gutachten eingeholt werden.

Da der Abschluss zwingend gem. § 2274 BGB vor einem Notar erfolgen muss, hat dieser sich bei Abschluss des Erbvertrages von der Geschäftsfähigkeit zu überzeugen und dies auch in die Urkunde aufzunehmen.

Ein Minderjähriger, der das 16. Lebensjahr vollendet hat, kann zwar gem. § 2229 BGB vor einem Notar ein Testament errichten, aber keinen Erbvertag.

Sofern der andere Vertragspartner keine eigenen Verfügungen trifft, gelten die allgemeinen Vorschriften. Der Vertragspartner kann sich also vertreten lassen. Wenn die Verfügungen lediglich rechtlich vorteilhaft sind, bedarf es auch keiner Genehmigung, so dass auch ein Minderjähriger Vertragspartner sein kann.

Expertenhinweise

(für Juristen)

1) Allgemeines

2Normzweck

Aufgrund der Qualifizierung des Erbvertrages als echter Vertrag gelten zwingend die Vorschriften der §§ 104 ff. BGB. Der Abschluss eines Erbvertrages setzt also unbeschränkte Geschäftsfähigkeit voraus.OLG Düsseldorf Urt. v. 6.3.1998 – 7 U 210/95, BeckRS 1998, 03018; BGH Urt. v. 20.6.1984 – IVa ZR 206/82, BeckRS 2010, 25964, FamRZ 1984, 1003 ff. 

Die Errichtung eines Erbvertrages durch einen Minderjährigen ist im Gegensatz zu § 2229 BGB nicht möglich. Erbverträge, die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen mit Wirkung zum 22.7.2017 wirksam abgeschlossen wurden, bleiben allerdings in Kraft.

2) Definitionen

Wesentlicher Inhalt

3a) Geschäftsfähigkeit des Erblassers

Der Abschluss des Erbvertrages durch einen Geschäftsunfähigen oder beschränkt Geschäftsfähigen ist nicht möglich.

Der für die Errichtung eines Testaments geschaffene Begriff der Testierfähigkeit ist zur Errichtung des Erbvertrages also nicht ausreichend.BayObLG, Beschluss vom 06.04.2001 - 1Z BR 123/00, RNotZ 2001, 524 

Rechtsfolge ist die Nichtigkeit des Vertrages gem.

3) Literaturstimmen

 

  • Palandt, 79. Auflage 2020 
  • Münchner Kommentar zu BGB, 8. Auflage 2020 
  • Burandt/Rojahn, Erbrecht, 3. Auflage 2019 
  • Kroiß/Ann/Mayer, BGB, Erbrecht, 5. Auflage 2018 
  • Nieder/Kössinger, Handbuch der Testamentsgestaltung, 6. Auflage 2020 
  • Scherer, Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht, 5. Auflage 2018

4) Häufige Paragraphenketten

5) Prozessuales

5Beweislast

 

Grundsätzlich greift die Vermutung für die Geschäftsfähigkeit. Derjenige, der sich auf die Nichtigkeit des Vertrages beruft, trägt daher die Beweislast für die Geschäftsunfähigkeit.OLG Koblenz a.a.O; KG Urt. v. 8.8.2011 – 22 U 208/06, BeckRS 2012, 21030 Maßgeblicher Zeitpunkt ist der Abschluss des Vertrages.


Fußnoten