§ 31a Haftung von Organmitgliedern und besonderen Vertretern
(1) Sind Organmitglieder oder besondere Vertreter unentgeltlich tätig oder erhalten sie für ihre Tätigkeit eine Vergütung, die 840 Euro jährlich nicht übersteigt, haften sie dem Verein für einen bei der Wahrnehmung ihrer Pflichten verursachten Schaden nur bei Vorliegen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Satz 1 gilt auch für die Haftung gegenüber den Mitgliedern des Vereins. Ist streitig, ob ein Organmitglied oder ein besonderer Vertreter einen Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat, trägt der Verein oder das Vereinsmitglied die Beweislast.
(2) Sind Organmitglieder oder besondere Vertreter nach Absatz 1 Satz 1 einem anderen zum Ersatz eines Schadens verpflichtet, den sie bei der Wahrnehmung ihrer Pflichten verursacht haben, so können sie von dem Verein die Befreiung von der Verbindlichkeit verlangen. Satz 1 gilt nicht, wenn der Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht wurde.
Für den Rechtsverkehr
(für Nichtjuristen)
zum Expertenteil (für Juristen)
Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle
Mit der Einführung des
Expertenhinweise
(für Juristen)
1) Allgemeines
1
2) Definitionen
a) Organmitglieder und Besondere Vertreter
6Die bis zum 28.03.2013 gültige Regelung zu
Unter Organmitgliedern sind neben den Vorstandsmitgliedern (
Auch stellt die gültige Regelung klar, dass besondere Vertreter im Sinne des
b) Ehrenamtliche/unentgeltliche Tätigkeit
7Das Gesetz begünstigt das ehrenamtlich handelnde Organmitglied. Dabei versteht der Gesetzgeber unter den Begriffen „Unentgeltlichkeit“ und „Ehrenamtlichkeit“ das Gleiche.Amtl. Begr., BT-Dr 16/13537 vom 20.06.2009 Unentgeltlich/ehrenamtlich bedeutet also, dass die Amtstätigkeit des Organmitglieds für den Verein nicht von einer Gegenleistung abhängt.
aa) Vergütung
8Über
Für die Feststellung der gesetzlichen Obergrenze ist die jeweils dem einzelnen Organmitglied gewährte Vergütung und nicht die den Organmitgliedern insgesamt gewährte Vergütung maßgeblich.Otto in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl. (2023),
Dem Tatbestandsmerkmal „Vergütung“ unterfallen sämtliche Geld- oder Sachleistungen, die ein Organmitglied für die Ausübung des Amtes vom Verein erhält. Die Kürzung von Mitgliedsbeiträgen oder gar die Befreiung ist nicht nur als Vergütung anzusehen, sondern stellt auch einen geldwerten Vorteil dar.MüKoBGB/Leuschner BGB
Der Ersatz tatsächlicher Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Amtsausübung stehen - ausführlicher zum Aufwand nachfolgend unter bb) -, ist nicht als Vergütung zu qualifizieren und steht daher der Unentgeltlichkeit nicht entgegen.BeckOK BGB/Schöpflin BGB
bb) Aufwand
9Erstattet der Verein dem Organmitglied die diesem unmittelbar im Rahmen der Amtsausübung entstandenen Auslagen – z.B. Reise- und Fahrtkosten, Telefon- oder Portokosten, Kosten für die Verpflegung, eine Hotelübernachtung –, steht diese Erstattung dem Tatbestandsmerkmal der Unentgeltlichkeit und damit der Haftungsprivilegierung nach
Der Anspruch des Organmitglieds auf Erstattung der im Rahmen der Amtsausübung entstandenen Aufwendungen ergibt sich aus
Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung wird in der Praxis regelmäßig ohne Rücksicht auf die konkret im Rahmen der Amtsausübung anfallenden Kosten und ohne Einzelnachweis der Belege eine Auslagenpauschale gewährt. Dieses ist grundsätzlich zulässig. Es ist jedoch darauf zu achten, dass die Pauschale in einem angemessenen Verhältnis zu den für die Amtsausübung tatsächlich erforderlichen Aufwendungen steht.BGH, Urteil vom 14.12.1987 - II ZR 53/87 Sollte dieses nicht der Fall sein, sind also die mit der Pauschale abzudeckenden Kosten geringer als die Pauschale oder sind die durch die Pauschale abgedeckten Kosten tatsächlich gar nicht angefallen, liegt eine verdeckte Vergütung vor.BGH, Urteil vom 14.12.1987 - II ZR 53/87
Für die Gewähr einer Auslagenpauschale ist grundsätzlich die Mitgliederversammlung des Vereins zuständig, es sei denn die Satzung oder eine auf Grundlage der Satzung bestimmte Ordnung regelt die Zuständigkeit eines anderen Organs.Sauter/Schweyer/Waldner (o. Fußn. 13), Rn. 288
Damit ist festzuhalten, dass der Ersatz tatsächlicher Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Amtsausübung stehen und angemessen sind, nicht als Vergütung zu qualifizieren ist, und daher der Unentgeltlichkeit und in der Folge der Haftungsprivilegierung nicht entgegen steht.BeckOK BGB/Schöpflin BGB
c) Haftung
10Das Organmitglied und der besondere Vertreter (
aa) Vorsatz
11Ein Organmitglied handelt vorsätzlich, wenn es weiß, dass es seine Pflicht verletzt und es diese Verletzung auch will oder wenn es mit der Pflichtverletzung rechnet und sie jedenfalls billigend in Kauf nimmt.Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl. (2022),
bb) Fahrlässigkeit
12Fahrlässig handelt ein Organmitglied oder ein besonderer Vertreter (
In Abhängigkeit von der Schwere des Vorwurfs unterscheidet man zwischen einfacher und grober Fahrlässigkeit.
(1) Einfache Fahrlässigkeit
13Einfache Fahrlässigkeit ist gegeben, wenn diejenige Sorgfalt verletzt wurde, die nach dem Urteil besonnener und gewissenhafter Angehöriger des betreffenden Verkehrskreises zu beachten ist. Die Praxis verwendet synonym die Grade „leichte, einfache, unbewusste oder aber gewöhnliche Fahrlässigkeit“.
(2) Grobe Fahrlässigkeit
14Grobe Fahrlässigkeit setzt voraus, dass die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in einem besonders schweren Maße verletzt ist. Dieses ist insbesondere anzunehmen, wenn etwas nicht beachtet wurde, was jedem in der gegebenen Situation ohne Weiteres hätte einleuchten müssenBAG, Urteil vom 12.11.1998 - 8 AZR 221–97 oder ganz nahe liegende und einfache Erwägungen unterblieben sind oder leichtfertig Bedenken übergangen wurden, die sich aufgrund typischer Anzeichen für die Gefährdung geradezu aufdrängen mussten.BGH, Urteil vom 05.02.1974 - VI ZR 195/72
d) Bei der Wahrnehmung ihrer Pflichten
15Die Haftungsprivilegierung gilt für Schäden, die das Organmitglied oder der besondere Vertreter (
3) Abgrenzungen, Kasuistik
16Die Haftungsprivilegierung des
Beim nicht rechtfähigen Verein - in der Praxis auch als nicht eingetragener Verein
4) Zusammenfassung der Rechtsprechung
17BGH, Urteil vom 05.02.1974 - VI ZR 195/72
BGH, Urteil vom 14.12.1987 - II ZR 53/87
BAG, Urteil vom 12.11.1998 - 8 AZR 221–97
OLG Nürnberg, Beschluss vom 13.11.2015 AZ 12 W 1845/15
OLG Koblenz, Urteil vom 03.01.2018 - 10 U 893/16
5) Literaturstimmen
18Ehlers, NJW 2011, 2690
Pieper, WM 2011, 2211
Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein 21. Aufl. (2021)
Leuering/Keßler, NJW-Spezial 2017, S. 335
6) Prozessuales
19Ist streitig, ob ein Organmitglied oder ein besonderer Vertreter (
7) Anmerkungen
20Die gesetzliche Haftungsprivilegierung des