§ 242 Leistung nach Treu und Glauben
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Für den Rechtsverkehr
(für Nichtjuristen)
zum Expertenteil (für Juristen)
Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle
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Bei dieser Gesetzesnorm handelt es sich um eine Vorschrift, die einen äußerst weiten Anwendungsbereich hat. Nach ihrem Wortlaut bestimmt die Vorschrift nur, wie derjenige, der zunächst zur Leistung verpflichtet ist, der Schuldner, eine Leistung erbringen soll. Er soll sie nämlich so bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Der Bedeutungsgehalt des
Für die Rechtsanwendung ist Folgendes bedeutsam:
2Leistungspflichten und die Art und Weise der Erbringung von Leistungen, die nach § 242 BGB zu beurteilen sind, haben ein objektives und ein subjektives Element. Das objektive Element verbindet sich mit dem Begriff "Treu", das subjektive Elemente verbindet sich mit dem Begriff "Glauben". Die Begrifflichkeit "Treu" steht für Vertragstreue im ursprünglichen Sinn sowie die Redlichkeit.vgl. Schubert in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2019,
Insgesamt ist
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4Gerade dieser weite Anwendungsbereich macht die Norm zu einer der komplexesten des Bürgerlichen Gesetzbuches, da der Gesetzgeber mit wenigen sogenannten unbestimmten Rechtsbegriffen Lösungen für ansonsten nicht auflösbare Fallkonstellation bereithält. Folge ist, dass durch Gerichte über Jahrzehnte ein Wertungskanon entwickelt wurde, der selbstverständlich selbst einem gesellschaftlichen Wandel unterworfen ist.
5Hauptanwendungsfall bleibt aber das Bürgerliche Recht in all seinen Ausprägungen, nämlich das Kaufrecht, das Werkvertragsrecht, das Architektenrecht, das Dienstvertragsrecht, das Anwaltsrecht, das Mietrecht, das Darlehensrecht, aber auch das Familien- und das Erbrecht. Hinzu kommen andere Rechtsgebiete des Zivilrechts wie das Wettbewerbsrecht, das Markenrecht und das Gesellschaftsrecht. Auch im Arbeitsrecht spielt Treu und Glauben eine wichtige Rolle.
6Was sich aus einer Anwendung des
Betrachtet man Hauptpflichten, die sich aus
7Allgemeiner Rechtsgrundsatz ist es, dass Verträge einzuhalten sind. Dies wurde bereits im Römischen Recht mit der Begrifflichkeit pacta sunt servanda so formuliert. Dementsprechend folgen aus § 242 BGB auch Pflichten, die den Leistungserfolg herbeiführen, sichern oder verhindern, dass der Leistungserfolg vereitelt wird.
8Darüber hinaus sind von besonderer Bedeutung die von der Rechtsprechung und der Rechtsliteratur entwickelten Fallgruppen, die die Ausübung eines Rechtes unzulässig machen. Hierbei geht es um das sogenannte rechtsmissbräuchliche Verhalten, das in der Rechtsanwendung unterbunden bzw. verhindert werden muss. Was unter rechtsmissbräuchlichem Verhalten zu verstehen ist, ist in der Rechtslehre und der Rechtsprechung über viele Jahrzehnte entwickelt worden und ist abhängig von den einzelnen Rechtsgebieten und den jeweiligen Fallkonstellationen. Rechtsmissbräuchlich ist jedenfalls ein Verhalten, mit dem sich der andere Teil in Widerspruch zu seinem eigenen vorangegangenen Verhalten setzt. Dies haben die Römer schon als venire contra factum proprium bezeichnet. Rechtsmissbräuchlich kann auch das Berufen auf formale Rechtspositionen sein, so beispielsweise, wenn eine Rechtsposition unzulässig erworben worden ist oder sofort wieder zu räumen wäre, nachdem sie gerade erlangt worden ist. Hierzu hat bereits das römische Recht formuliert, dass rechtsmissbräuchlich handelt, wer etwas herausverlangt, was er unverzüglich wieder zurückgeben muss. Anerkannt ist als Anwendungsfall des Rechtsmissbrauchs auch das treuwidrige Berufen auf einen Formmangel. Wer in zurechenbarer Weise bei dem anderen Teil den sicheren Eindruck erweckt hat, er werde sich auf einen Formmangel nicht berufen und dadurch beispielsweise Dispositionen auslöst, kann möglicherweise später mit der Berufung auf einen Formfehler nicht mehr gehört werden. All dies ist aber jeweils eine Frage des Einzelfalls und des jeweiligen Rechtsgebietes.
9Ein ganz wesentlicher Anwendungsfall von Treu und Glauben, entwickelt in jahrzehntelanger Rechtsprechung und in der Rechtslehre, ist das Institut der Verwirkung. Nach dem Institut der Verwirkung kann ein Recht nicht mehr geltend gemacht werden, wenn der Anspruchsgegner wegen langen Zeitablaufes (Zeitmoment) und des früheren Verhaltens des jetzigen Anspruchstellers (Umstandsmoment) darauf vertrauen kann, ein Recht werde nicht mehr geltend gemacht.
10Zu beachten ist allerdings, dass
Expertenhinweise
(für Juristen)
1) Allgemeines
a) Einleitung
11Der Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben in
2) Definitionen
a) Tatbestand
15Nach dem Wortlaut und seiner Stellung im Gesetz bezieht sich
3) Abgrenzungen, Kasuistik
a) Typologie
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4) Zusammenfassung der Rechtsprechung
a) Hauptleistung
32Wie schon der Wortlaut ergibt, regelt
Rechtsprechung zum Thema: BGH, Urteil vom 29.09.1977 - III ZR 167/75
Leitsatz: Wer einem anderen gegen Entgelt Hilfe beim Verlassen der Deutschen Demokratischen Republik („Fluchthilfe”) leistet, hatte nach Treu und Glauben bei der Geltendmachung seines Vergütungsanspruchs auf die besonderen wirtschaftlichen Verhältnisse des Anderen Rücksicht zu nehmen. Er kann daher zu einer angemessenen Stundung seines Anspruchs verpflichtet sein.
Gründe: Die besonderen wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten, der beim Verlassen der Deutschen Demokratischen Republik offenbar keine nennenswerten Vermögensstücke hat mitnehmen können und sich seine Existenz in der Bundesrepublik Deutschland neu hat aufbauen müssen, begründen nicht die Sittenwidrigkeit des Vertrages, sondern sind nach
b) Nebenrechte und -pflichten
33Die Hauptleistungspflicht wird durch Nebenpflichten ergänzt. Grundlage für die Nebenpflichten ist das Schuldverhältnis. Sie sind zwar der Hauptpflicht untergeordnet, dennoch haben sie einen Eigenzweck und gewähren Ansprüche. Nebenpflichten bestehen schon vor Begründung der Leistungspflicht und sie können auch vereinzelt nach Erfüllung der Hauptpflicht fortwirken.Grüneberg in: Palandt Kommentar Bürgerliches Gesetzbuch, a.a.O.,
aa) Leistungstreuepflicht
34Die Leistungstreuepflicht dient der Sicherung der Hauptpflicht. Der Schuldner hat alles zu tun, um den Leistungserfolg vorzubereiten, herbeizuführen und zu sichern. Außerdem haben beide Parteien alles zu unterlassen, was den Vertragszweck oder den Leistungserfolg beeinträchtigen oder gefährden könnte. Dazu gehören auch z.B. die Dokumentationspflicht und die Pflicht, Maschinen zu warten oder Tiere zu füttern.Grüneberg in: Palandt Kommentar Bürgerliches Gesetzbuch, a.a.O.,
Besonders hohe Bedeutung hat die Treuepflicht des Gesellschafters. Sie lässt sich dadurch beschreiben, dass der Gesellschafter positiv die Interessen der Gesellschaft wahrnehmen muss und negativ alles unterlassen muss, was deren Interessen schädigt. Diese Treuepflicht gilt gegenüber der Gesellschaft und gegenüber den Mitgesellschaftern.Schubert in: Münchener Kommentar zum BGB, a.a.O.,
Rechtsprechung zum Thema: BGH, Urteil vom 19.10.1977 - VIII ZR 42/76
Leitsatz: Rücktritt vom Vertrag wegen Verstoßes gegen die Leistungstreuepflicht: Wechselt der Verkäufer eines fabrikneuen, zur Auslieferung an den Käufer vorgesehenen Kraftfahrzeugs neue Teile desselben durch gebrauchte Teile ohne Wissen des Käufers aus, so kann das Vertrauensverhältnis dadurch so gestört sein, dass der Käufer unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung zum Rücktritt vom Vertrage berechtigt ist.
Gründe: Zu den Nebenpflichten, die Ausprägungen einer dem Schuldverhältnis immanenten gegenseitigen Treupflicht sind, gehört auch die Leistungstreuepflicht, d.h. die generelle Verpflichtung, den Vertragszweck und den Leistungserfolg weder zu gefährden noch zu beeinträchtigen. Es genügt demnach schon eine Gefährdung oder Beeinträchtigung der Interessen des Vertragspartners, um eine positive Vertragsverletzung anzunehmen, wenn diesem das Festhalten am Vertrag nicht mehr zuzumuten ist. Der Verkäufer ersetzte vom zur Auslieferung an den Käufer vorgesehenen Kraftfahrzeugs ohne Wissen des Käufers neue Teile desselben durch gebrauchte Teile. Diese Unzuverlässigkeit des Schuldners ist so schwerwiegend zu werten, dass ein weiteres Festhalten am Vertrag nicht zugemutet werden kann.
bb) Mitwirkungspflichten
35Die Parteien sind dazu verpflichtet, zur Erreichung des Vertragszwecks bzw. des Leistungserfolgs, zusammenzuwirken und entgegenstehende Hindernisse zu beseitigen.Mansel in: Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch, 17. Aufl. 2018,
Bei einem genehmigungspflichtigen Verpflichtungsgeschäft müssen die Parteien ohne Rücksicht auf Nachteile alles in ihren Kräften Stehende tun, um die Genehmigung herbeizuführen und haben alles zu unterlassen, was der Genehmigung entgegenstehen könnte.Sutschet in: Hau/Poseck, BeckOK BGB, a.a.O.,
Auch im Gesellschaftsrecht bestehen Mitwirkungspflichten. Aus der gesellschaftlichen Treuepflicht lassen sich eine Vielzahl von konkreten Einzelpflichten ableiten. Dazu gehört eine Fülle von Mitwirkungspflichten. Sie reichen von der Pflicht zur Teilnahme an Abstimmungen (Stimmpflicht), über die Pflicht zur Genehmigung von Geschäftsführungsmaßnahmen, zur Bestellung von Geschäftsführern und deren angemessener Honorierung, zur Mitwirkung an Ausschlussverfahren bis hin zur (ausnahmsweisen) Zustimmung zu einer Änderung des Gesellschaftsvertrages, sofern keine schützenswerten Belange des Gesellschafters entgegenstehen. Alle Pflichten haben gemeinsam, dass die Verfolgung des Gesellschaftsinteresses Vorrang vor Eigeninteressen haben muss.Schubert in: Münchener Kommentar zum BGB, a.a.O.,
Die Mitwirkungspflicht ist - im Gegensatz zur allgemeinen Leistungstreuepflicht - eine selbstständig einklagbare Nebenpflicht.Grüneberg in: Palandt Kommentar Bürgerliches Gesetzbuch, a.a.O.,
Rechtsprechung zum Thema: OLG Nürnberg, Endurteil vom 27.11.2019 – 12 U 1381/18
Leitsatz: Schweigt der Erklärungsempfänger auf eine verspätete Annahmeerklärung, liegt es nahe, darin eine konkludente Annahme des in der verspäteten Erklärung liegenden neuen Angebots zu sehen, wenn nicht Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Änderung der sachlichen Entscheidung des Empfängers der verspäteten Annahmeerklärung nahelegen. Darüber hinaus kann es gegen Treu und Glauben verstoßen, das verspätete Angebot zurückzuweisen, wenn bereits beide Parteien im Vertrauen auf die Wirksamkeit des Vertrags Dispositionen getroffen haben. Außerdem muss die Geschädigte an der Sachaufklärung mitwirken.
Gründe: Auch dann, wenn man nicht von einer im Sinne von
Zum einen könnte ein solcher ausnahmsweise durch das Schweigen der Klägerin auf die (verspätete) Annahmeerklärung bewirkt worden sein. Beim Schweigen des Erklärungsempfängers auf eine verspätete Annahmeerklärung liegt es regelmäßig nahe, darin eine konkludente Annahme des in der verspäteten Erklärung liegenden neuen Angebots (
Zudem sind Vertragsparteien in Bezug auf eine für die Erfüllung einer vertraglichen Vereinbarung erforderlichen öffentlich-rechtlichen Genehmigung in der Regel gemäß
Es besteht nach
Ebenfalls muss die Klägerin als mögliche Geschädigte, soweit es um Umstände aus ihrer Sphäre geht, an der Sachaufklärung grundsätzlich mitwirken und darlegen, was sie zur Schadensminderung unternommen hat
cc) Aufklärungspflichten
36Zu den wichtigsten Nebenpflichten gehören die Aufklärungs-, Anzeige- und Warnpflichten, das heißt die Pflicht, die andere Partei unaufgefordert über entscheidungserhebliche Umstände zu informieren. Jede Partei ist nach Treu und Glauben dazu verpflichtet, die andere über (ihr unbekannte) Umstände aufzuklären, die für das Zustandekommen des Vertrages, seine ordnungsgemäße Durchführung oder für die Erreichung des Vertragszwecks bedeutsam sind (vgl. BGH, Urteil vom 11.08.2010 – XII ZR 192/08).Sutschet in: Hau/Poseck, BeckOK BGB, a.a.O.,
37Die Aufklärungspflicht besteht bereits vor Vertragsschluss. Eine allgemeine Aufklärungspflicht gibt es allerdings nicht, insbesondere nicht über die Unangemessenheit des Kaufpreises (vgl. BGH, Urteil vom 18.11.2003 – XI ZR 322/01) oder den allgemeinen Nutzen eines Vertragsschlusses (vgl. BGH, Urteil vom 15.11.2006 - XII ZR 63/04). Die Grenzen der Auskunftspflicht liegen im Vertragsrisiko des Anderen.Mansel in: Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch, 17. Aufl. 2018,
38Die Betrachtung ist immer retrospektiv, weil es um Informationen geht, an denen die eine Partei ihr Verhalten ausgerichtet hätte. Daher sind die Aufklärungspflichten nicht einklagbar. Dadurch unterscheiden sie sich von den einklagbaren Auskunftspflichten, bei denen es um Informationen geht, nach denen der Berechtigte sein künftiges Verhalten ausrichten will.Sutschet in: Hau/Poseck, BeckOK BGB, a.a.O.,
Rechtsprechung zum Thema: BGH, Urteil vom 11.08.2010 - XII ZR 192/08
Leisatz: Der Mieter ist verpflichtet, den Vermieter vor Abschluss eines Gewerberaum-Mietvertrages über außergewöhnliche Umstände aufzuklären, mit denen der Vermieter nicht rechnen kann und die offensichtlich für diesen von erheblicher Bedeutung sind.
Gründe: Der Beklagte sei unter Zugrundelegung seines eigenen Sachvortrags verpflichtet gewesen, der Klägerin im Zuge der Vertragsverhandlungen auch ohne ausdrückliche Nachfrage mitzuteilen, dass er weit überwiegend Ware der Marke "Thor Steinar" verkaufen wolle. Bereits aufgrund des negativen Bildes der Marke in der Öffentlichkeit sei der Beklagte, unabhängig davon, ob dieses Bild zu Recht bestehe, verpflichtet gewesen, die Vermieterin über den beabsichtigten überwiegenden Verkauf von Waren der Marke "Thor Steinar" aufzuklären. Die Verletzung der Aufklärungspflicht sei auch für den Abschluss des Mietvertrages ursächlich gewesen. Er hat es mindestens ernsthaft für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen, dass der Mietvertrag bei Kenntnis der Vermieterin von dem beabsichtigten Verkauf der Marke "Thor Steinar" nicht zustande gekommen wäre. Somit hat die Klägerin gegen den Beklagten einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe.
dd) Schutzpflichten
39Wichtige Nebenpflichten sind die Schutz-, Fürsorge- und Obhutspflichten. Sie enthalten die Pflicht, sich bei Anbahnung und Durchführung des Schuldverhältnisses so zu verhalten, dass Körper, Leben, Eigentum, Vermögen und sonstige Rechtsgüter des Anderen nicht verletzt werden.BGH, Urteil vom 10.03.1983 – III ZR 1679/81 Rn. 11; Grüneberg in: Palandt Kommentar Bürgerliches Gesetzbuch, a.a.O.,
Die Schutzpflichten sind einzuteilen in Schutzpflichten gegenüber Personen, gegenüber Eigentum oder Vermögen und gegenüber Dritten. Zum einen ist der Vertrags- oder auch Verhandlungspartner schutzwürdig. So müssen sich beispielsweise Dienst-, Miet- und Geschäftsräume in einem für den Arbeitnehmer, Mieter oder Kunden gefahrlosen Zustand befinden. Bei der Schutzpflicht gegenüber Eigentum und Vermögen des Vertrags-(Verhandlungs-)partners müssen die dem Vertragspartner gehörenden Sachen während bspw. Reparatur, Verwahrung oder Miete in Obhut genommen werden.Mansel in: Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch, 17. Aufl. 2018,
Eine Verletzung dieser Schutzpflichten führt zu einer vertraglichen Haftung aus
Rechtsprechung zum Thema: BGH, Urteil vom 14.04.1976 - VIII ZR 288/74
Leitsatz: Ist unstreitig, dass vermietete Räume infolge des Mietgebrauchs zerstört worden sind, so ist der Mieter dem auf Zahlung des Mietzinses klagenden Vermieter gegenüber mit dem Beweis dafür belastet, dass er die Zerstörung der Mietsache nicht zu vertreten hat.
Gründe: Mietgebrauch ist das Recht des Mieters, begründet aber zugleich die Pflicht, ihn in den vertragsgemäßen Grenzen auszuüben. Daraus erwachsen Obhuts- und Fürsorgepflichten in Bezug auf das Mietobjekt. Die im Gebrauch der Mietsache liegenden Gefahren und Risiken treffen - anders als die in ihrer Beschaffenheit begründeten oder gar von außen auf sie einwirkenden schädlichen Einflüsse - stets und allein den Mieter. Daraus folgt unmittelbar und ohne Rücksicht auf die Art des vom Vermieter geltend gemachten Anspruchs oder auf die Rolle der Vertragspartner im Prozess, dass der Mieter die Beweislast dafür trägt, einen durch Mietgebrauch verursachten Schaden habe er nicht zu vertreten.
ee) Sicherung des Leistungserfolges
40Die Parteien sind dazu verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die der anderen Partei aufgrund des Schuldverhältnisses gewährten Vorteile nicht wieder entzogen, wesentlich geschmälert oder gefährdet werden. Eine solche Bindung löst vor allem Unterlassungspflichten aus und besteht in erster Linie bei Dauerschuldverhältnissen, bei denen besonders zusammengearbeitet wird (Vgl. BGH, Urteil vom 11.02.1960 - II ZR 51/58). Eine solche Sicherungspflicht kommt aber auch bei einfachen Warenumsatzgeschäften und für am Vertrag beteiligte Dritte in Betracht. So darf z.B. der Ehemann, der als Vertreter seiner Frau ein Grundstück verkauft hat, den Vertragszweck nicht vereiteln (Vgl. BGH, Urteil vom 17.09.1954 - V ZR 32/53).Sutschet in: Hau/Poseck, BeckOK BGB, a.a.O.,
Oftmals besteht zur Sicherung des Leistungserfolges während der Vertragsdurchführung ein Wettbewerbsverbot, welches Wettbewerbsschutz auch ohne ausdrückliche Abrede garantiert. Aus Treu und Glauben kann sich im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ergeben, auch wenn ein solches nicht konkludent vereinbart worden ist. Für den Arbeitnehmer ergibt sich aus Treu und Glauben kein Wettbewerbsverbot nach Ende des Arbeitsverhältnisses.Sutschet in: Hau/Poseck, BeckOK BGB, a.a.O.,
Die Vertragsparteien können zur Sicherung des Leistungserfolgs auch Handlungspflichten unterliegen. Der Verkäufer von Technikprodukten kann verpflichtet sein, Ersatzteile für die durchschnittliche Nutzungsdauer bereit zu stellen. Zu den Handlungspflichten gehören auch die Dokumentationspflicht, die z.B. beim Arztvertrag anerkannt ist.Grüneberg in: Palandt Kommentar Bürgerliches Gesetzbuch, a.a.O.,
Rechtsprechung zum Thema: BGH, Urteil vom 17.09.1954 - V ZR 32/53
Leitsatz: Hat jemand seinen Ehegatten beim Abschluss und bei der Erfüllung eines Vertrages vertreten, jedoch durch sein eigenes Verhalten, sei es auch ohne Verschulden, den Vertragszweck vereitelt, so ist er verpflichtet, den Schaden des Vertragsgegners zu ersetzen.
Gründe: Es kann von einem Ehemann, der für die Ehefrau einen Vertrag abschließt und bei der Erfüllung mitwirkt, zwar nicht gefordert werden, dass er auf die Vertragserfüllung hinwirkt, wohl aber insbes. auch mit Rücksicht auf die enge wirtschaftliche Verbindung zwischen Ehegatten, dass er nicht die Vertragszwecke vereitelt. Hat er, wenn auch ohne Verschulden, durch sein Verhalten einen Vertragszweck dennoch vereitelt, so muss er für verpflichtet erachtet werden, einen dadurch eingetretenen Schaden des Vertragsgegners wieder zu beseitigen, wenn er sich sonst auf dessen Kosten bereichern würde.
c) Rechtsmissbrauch und unzulässige Rechtsausübung
41Eine gegen
42Voraussetzung ist das Bestehen einer Sonderverbindung, ein Verschulden ist nicht erforderlich. Beim Rechtsmissbrauch geht es charakteristischerweise darum, dass die Ausübung eines individuellen Rechts als treuwidrig oder unzulässig erscheint.Grüneberg in: Palandt Kommentar Bürgerliches Gesetzbuch, a.a.O.,
Es haben sich aus der Vielzahl möglicher Anwendungen einige typische Fallgruppen herausgebildet. Eine allgemein anerkannte Einteilung hat sich allerdings nicht durchgesetzt.Looschelders/Olzen in: Staudinger Kommentar zum BGB §§ 241-243, a.a.O.,
43Der unredliche Erwerb der eigenen Rechtsstellung stellt einen Rechtsmissbrauch dar. Die Ausübung eines Rechts ist dann missbräuchlich, wenn es durch gesetz-, sitten- oder vertragswidriges Verhalten erworben wurde, z.B. Geltendmachung von Ansprüchen aus einem Vertrag, der in Kenntnis eines Kalkulationsirrtums der anderen Partei zustande gekommen ist (BGH, Urteil vom 11.11.2014 – X ZR 32/14). Bei einem überwiegenden öffentlichen Interesse kann die Rechtsausübung trotz unredlichen Handelns zulässig sein.Grüneberg in: Palandt Kommentar Bürgerliches Gesetzbuch, a.a.O.,
44Außerdem kann die Rechtsausübung unzulässig sein, wenn dem Berechtigten eine (erhebliche) Pflichtverletzung zur Last fällt. In der Regel führen solche Verstöße aber nur zu Gegenansprüchen (bspw. Schadensersatzansprüchen), die dann im Wege der Aufrechnung oder eines Zurückbehaltungsrechts geltend zu machen sind.Grüneberg/Sutschet in: Bamberger/Roth Kommentar zum BGB, a.a.O.,
45Die Rechtsausübung ist missbräuchlich, wenn ihr kein schutzwürdiges Eigeninteresse zugrunde liegt. Das ist bei nutzloser Rechtsausübung und der Ausübung eines Rechts als Vorwand für die Erreichung vertragsfremder oder unlauterer Zwecke der Fall. Außerdem fällt
46Es gibt zwar keinen Rechtsgrundsatz, dass die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung in einem angemessenen Verhältnis zu deren Schwere stehen müssen.Grüneberg in: Palandt Kommentar Bürgerliches Gesetzbuch, a.a.O.,
47Die Rechtsordnung missbilligt widersprüchliches Verhalten (venire contra factum proprium) einer Partei grundsätzlich nicht. Eine Partei darf ihre Rechtsansichten ändern. Widersprüchliches Verhalten ist aber dann rechtsmissbräuchlich, wenn für die andere Partei ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde oder sonstige Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen.Grüneberg/Sutschet in: Bamberger/Roth Kommentar zum BGB, a.a.O.,
Rechtsprechung zum Thema: BGH, Beschluss vom 14.05.2019 – X ZR 94/18
Leitsatz: Es kann eine unzulässige Rechtsausübung darstellen, wenn der Zustellungsadressat, der einen Irrtum über seinen tatsächlichen Lebensmittelpunkt bewusst und zielgerichtet herbeigeführt hat, sich auf die Fehlerhaftigkeit einer Ersatzzustellung an diesem scheinbaren Wohnsitz beruft.
Gründe: Dem Beklagten ist es nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Unwirksamkeit der Zustellung zu berufen. Der Beklagte habe bewusst und zielgerichtet einen Irrtum über seinen tatsächlichen Lebensmittelpunkt herbeigeführt. Dem Empfänger wird im Lichte des das gesamte Recht beherrschenden Grundsatzes von Treu und Glauben (
d) Verwirkung
48Die Verwirkung ist ein Anwendungsfall des venire contra factum proprium (Verbot widersprüchlichen Verhaltens).BVerwG, Beschluss vom 12.01.2004 – 3 B 101/03 Rn. 7 Sie kommt in Betracht, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre, und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde.BGH, Urteil vom 15.09.2010 - XII ZR 148/09 Rn. 23 Die Verwirkung eines Rechts ist ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens. Der Verstoß gegen Treu und Glauben liegt in der illoyalen Verspätung der Rechtsausübung. Die Verwirkung begründet folglich eine zeitliche Grenze für die Rechtsausübung. Die Grundsätze der Verwirkung gelten in allen Rechtsgebieten des Privatrechts, außerdem im öffentlichen Recht, dem Sozialrecht und im Prozessrecht.Grüneberg in: Palandt Kommentar Bürgerliches Gesetzbuch, a.a.O.,
49Die Bejahung einer Verwirkung ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. So muss das „Zeitmoment“ vorliegen. Seit der Möglichkeit, das Recht geltend zu machen, muss längere Zeit vergangen sein. Das Zeitmoment ist dann erfüllt, wenn vernünftigerweise nicht mehr mit der Geltendmachung des Rechts gerechnet werden kann.Grüneberg/Sutschet in: Bamberger/Roth Kommentar zum BGB, a.a.O.,
50Außerdem muss als weitere Voraussetzung der Berechtigte untätig gewesen sein. Während des für die Verwirkung erforderlichen Zeitraums darf er nichts zur Durchsetzung seines Rechts getan haben.Grüneberg/Sutschet in: Bamberger/Roth Kommentar zum BGB, a.a.O.,
51Der Zeitablauf allein löst die Rechtsfolgen der Verwirkung nicht aus. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzutreten („Umstandsmoment“).Schubert in: Münchener Kommentar zum BGB, a.a.O.,
52Die Verwirkung ist eine rechtsvernichtende Einwendung. Sie begründet, wie die sonstigen Tatbestände der unzulässigen Rechtsausübung, eine inhaltliche Begrenzung des Rechts. Sie hat zur Folge, dass dem Rechtsinhaber die Ausübung seines Rechts versagt wird.Grüneberg/Sutschet in: Bamberger/Roth Kommentar zum BGB, a.a.O.,
Rechtsprechung zum Thema: VG Augsburg, Urteil vom 17.01.2018 – Au 6 K 17.1736
Leitsatz: Von einer auch im Verwaltungsprozess anwendbaren Verwirkung des Klagerechts kann auch dann ausgegangen werden, wenn zwar die ansonsten für dieses Rechtsinstitut gleichrangig maßgeblichen besonderen Umstände in den Hintergrund treten, der Betroffene aber eine derart lange Zeit abgewartet hat, dass mit einem Tätigwerden nicht mehr zu rechnen war.
Gründe: Nach dem auch im Verwaltungsrecht geltenden, aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (
Letzteres ist nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung anzunehmen, wenn ein Antragsteller unter Verhältnissen untätig bleibt, unter denen vernünftigerweise etwas zur Wahrung des geltend gemachten Rechts unternommen werden sollte.
e) Sonderfall: § 242 und die deutsche Einigung
53Nach der Rechtsprechung des BGH hat der Grundsatz von Treu und Glauben mit Inkrafttreten des Staatsvertrages von 18.05.1990 Eingang in das fortgeltende Recht der DDR gefunden. Die Anwendung des
Strittig ist, ob eine relevante Fortwirkung des Rechtverhältnisses in die Gegenwart genügt. Die Abgrenzungsfrage, wann im Einzelfall eine solche Relevanz anzunehmen ist, erweist sich als überaus schwierig. Das Wiederaufgreifen eines rechtskräftig abgeschlossenen (selbst unredlichen) Zivilprozesses, ist restriktiv zu handhaben.Schubert in: Münchener Kommentar zum BGB, a.a.O.,
Rechtsprechung zum Thema: BGH, Urteil vom 14.10.1992 - VIII ZR 91/91
Leitsatz: Der Grundsatz von Treu und Glauben enthalte ein rechtsethisches Prinzip, das im gesamten Rechtsleben Anwendung finde. Er sei daher auch für die vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches im Gebiet der ehemaligen DDR geschlossenen Verträge anzuwenden, soweit es sich um neue, von außen an das Schuldverhältnis herantretende, sich nicht aus seiner inneren Entwicklung ergebende Umstände handele.
Gründe: Beide Parteien seien beim Abschluss des Kaufvertrages davon ausgegangen, dass das Staatsplanvorhaben zu 50 % mit Staatshaushaltsmitteln finanziert werden sollte. Mit dem Wegfall der Staatshaushaltsmittel von rund 50 % der gesamten Investitionssumme sei die Abwicklung des Kaufvertrages zu dem vereinbarten Preis für die Beklagte zu einer nicht mehr zumutbaren Belastung geworden. Es sei mit Treu und Glauben nicht zu vereinbaren, wenn diese Belastung von der Beklagten allein getragen werden müsse. Demzufolge sei eine Vertragsanpassung vorzunehmen, und zwar in der Weise, dass der sich aus dem Wegfall der Haushaltsmittel ergebende Fehlbetrag von jeder Partei zur Hälfte zu tragen sei.
Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass im vorliegenden Fall das aus dem Prinzip von Treu und Glauben abgeleitete Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage anwendbar ist. Der Grundsatz von Treu und Glauben ist als übergesetzlicher Rechtssatz allen Rechtsordnungen immanent.
f) Weitere Einzelfälle
aa) Arbeitsrecht
54Der Grundsatz von Treu und Glauben hat im Arbeitsrecht mit seinem wesensbestimmenden Interessengegensatz zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber eine hohe Relevanz.
Ein Beispiel stellt das „AGG-Hopping“ dar. Das systematische und zielgerichtete Bewerben auf Stellenausschreibungen, um mit den anschließenden Entschädigungsansprüchen einen Gewinn zu erzielen, kann gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen. Das BAG führt aus, dass ein Verstoß gegen
Zudem ist der Arbeitnehmer, auch wenn das KSchG nicht anwendbar ist, vor offensichtlich willkürlichen Kündigungen geschützt (BAG, Urteil vom 06.02.2003 - 2 AZR 672/01).
Aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ergibt sich außerdem ein Anspruch auf Freizeitausgleich (BVerwG Beschluss vom 02.04.2019 – 2 B 43/18).
bb) Deliktsrecht
55Im Deliktsrecht ist
cc) Erbrecht
56Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben wird der Nacherbe, der den Vorerben vorsätzlich tötet, wegen treuwidriger Herbeiführung des Nacherbfalls nicht Erbe. (BGH, Urteil vom 10.06.1968 - III ZR 67/66). Ein anderes Ergebnis wäre mit dem rechtsethischen Prinzip aus
dd) Gesellschaftsrecht
57Im Gesellschaftsrecht bestimmt der Treuegedanke Inhalt und Grenzen der Rechte des einzelnen Gesellschafters und bildet eine Schranke für die zulässige Rechtsausübung.Schubert in: Münchener Kommentar zum BGB, a.a.O.,
So muss aufgrund der Treuepflicht der Gesellschafter einer Maßnahme zustimmen, wenn sie zur Erhaltung wesentlicher Werte, die die Gesellschafter geschaffen haben, oder zur Vermeidung erheblicher Verluste, die die Gesellschaft bzw. die Gesellschafter erleiden könnten, objektiv unabweisbar erforderlich ist und den Gesellschaftern unter Berücksichtigung ihrer eigenen schutzwürdigen Belange zumutbar ist, also wenn der Gesellschaftszweck und das Interesse der Gesellschaft gerade diese Maßnahme zwingend gebieten und der Gesellschafter seine Zustimmung ohne vertretbaren Grund verweigert (BGH, Urteil vom 12.04.2016 - II ZR 275/14).
So ist das Anfechtungsrecht demjenigen Gesellschafter zu versagen, der missbräuchlich einen Beschlussmangel (wie z.B. Beschlussunfähigkeit) verursacht. Der Anfechtungsklage steht der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen, wenn die Beschlussunfähigkeit einer Gesellschafterversammlung dadurch herbeigeführt, dass maßgebende Gesellschafter die Versammlung boykottieren. Sie können dann nicht gegen einen ohne sie gefassten Beschluss im Wege der Anfechtungsklage vorgehen. (OLG Hamburg, Urteil vom 09.11.1990 - 11 U 92/90).
Außerdem kann ein unwirksamer Anstellungsvertrag eines GmbH-Geschäftsführers ausnahmsweise für die Zukunft als wirksam zu behandeln sein, wenn beide Parteien ihn jahrelang als Grundlage ihrer Rechtsbeziehung betrachtet und die Gesellschaft den Geschäftsführer durch weitere Handlungen in seinem Vertrauen auf die Rechtsbeständigkeit des Vertrags bestärkt hat oder das Scheitern des Vertrags an einem förmlichen Mangel für den Geschäftsführer zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde (BGH, Urteil vom 20.08.2019 - II ZR 121/16).
ee) Kaufrecht
58Der Rücktritt ist unzulässig, wenn der Mangel an der Kaufsache nicht mehr besteht oder mit Zustimmung des Käufers behoben wurde. Das Rücktrittsbegehren steht, wie jedes andere Recht, unter dem Vorbehalt des
Außerdem ergibt sich aus
ff) Mietrecht
59Im Mietrecht liegt ein Verstoß gegen Treu und Glauben unter anderem dann vor, wenn eine Mietvertragspartei eine nachträglich getroffene Abrede, die lediglich ihr vorteilhaft ist, allein deshalb, weil sie nicht die schriftliche Form wahrt, zum Anlass nimmt, sich von einem ihr inzwischen lästig gewordenen langfristigen Mietvertrag zu lösen (BGH, Urteil vom 27.09.2017 - XII ZR 114/16).
Außerdem füllt
gg) Rücktrittsrecht
60Die eigene Vertragstreue ist Voraussetzung für die Ausübung vertraglicher Rücktrittsrechte. Das gilt hingegen nur für die Einhaltung solcher Vertragspflichten, die für die beiderseits zu erbringenden Leistung von wesentlicher Bedeutung sind (BGH, Urteil vom 28.09.1984 - V ZR 43/83).
hh) Schiedsvertragseinrede
61Der Schiedseinwand ist arglistig, wenn man sich bisher stets im gesamten Verfahren auf den Standpunkt gestellt habe, die Schiedsabrede sei nachträglich weggefallen und das Schiedsgericht sei nicht zuständig, sondern ein ordentliches Gericht. Der anschließend eingenommene gegenteilige Standpunkt durch Erhebung der Einrede des Schiedsvertrags stelle somit ein venire contra factum proprium dar und verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (BGH, Urteil vom 20.05.1968 . VII ZR80/67).
ii) Versicherungsrecht
62Der Versicherungsnehmer darf keine Rechtsnachteile erleiden, wenn er die Frist schuldlos versäumt hat (BGH, Urteil vom 16.02.2005 - IV ZR 18/04).
Das Berufen auf den Ablauf der Frist ist treuwidrig, wenn der Versicherer durch sein Verhalten gegenüber dem Versicherungsnehmer den Eindruck erweckt, er werde sich auf den Ablauf der Frist nicht berufen oder wenn er ihn in anderer Weise davon abhält, seine Ansprüche fristgerecht zu verfolgen oder wenn er den Versicherungsnehmer hinsichtlich des Lauf der Frist verwirrt hat (BGH, Urteil vom 08.06.2005 - IV ZR 225/04).
jj) Wettbewerbsrecht
63Bei einem erheblichen eigenen Verstoß des Abmahnenden gegen gesetzliche Vorschriften zur Aufdeckung von Wettbewerbsverstößen widerspricht es dem Grundsatz von Treu und Glauben, dem anderen Gesetzesuntreuen die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Aufwendungen zu ersetzen (OLG München, Urteil vom 21.03.1991 - 6 U 4502/90).
5) Literaturstimmen
64Zu § 242 BGB :
- Grüneberg in: Palandt Kommentar Bürgerliches Gesetzbuch, 79. Aufl. 2020
- Grüneberg/Sutschet in: Bamberger/Roth Kommentar zum BGB
- Schubert in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2019
- Sutschet in: Hau/Poseck, BeckOK BGB, 55. Edition 01.08.2020
- Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 2014
- Looschelders/Olzen in: Staudinger Kommentar zum BGB §§ 241-243 BGB, Neubearbeitung 2015
- Mansel in: Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch, 17. Aufl. 2018,
- Duve in: Schmoeckel/Rückert/Zimmermann, Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, Band II: Schuldrecht Allgemeiner Teil 1. Teilband: vor
- Heinrich, Die Generalklausel des
- Nix, Über Treu und Glauben, NJW-aktuell 2017, 14
6) Prozessuales
65Zur Verteidigung gegen einen Anspruch braucht der Grundsatz von Treu und Glauben grundsätzlich nicht im Wege der Einrede geltend gemacht werden. Da der Grundsatz von Treu und Glauben eine rechtsvernichtende Einwendung ist, sind etwaige Verstöße gegen
Die Beweislast für das Vorbringen, das eine Anwendung des
7) Anmerkungen
66§ 242 BGB in Zeiten der Corona-Pandemie
Die Lockdown-Maßnahmen betreffen aufgrund der Einschränkungen der wesentlichen Grundfreiheiten die meisten, wenn nicht sogar alle Lebensbereiche.
Auswirkungen haben diese auch auf den Grundsatz von Treu und Glauben nach
So gelangt etwa der Grundsatz der Vertragstreue an seine Grenzen.