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von Göler (Hrsg.) / Nina Hake / § 281

§ 281 Schadensersatz statt der Leistung wegen nicht oder nicht wie geschuldet erbrachter Leistung

(1) Soweit der Schuldner die fällige Leistung nicht oder nicht wie geschuldet erbringt, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat. Hat der Schuldner eine Teilleistung bewirkt, so kann der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung nur verlangen, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Hat der Schuldner die Leistung nicht wie geschuldet bewirkt, so kann der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung nicht verlangen, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.

(2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert oder wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs rechtfertigen.

(3) Kommt nach der Art der Pflichtverletzung eine Fristsetzung nicht in Betracht, so tritt an deren Stelle eine Abmahnung.

(4) Der Anspruch auf die Leistung ist ausgeschlossen, sobald der Gläubiger statt der Leistung Schadensersatz verlangt hat.

(5) Verlangt der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung, so ist der Schuldner zur Rückforderung des Geleisteten nach den §§ 346 bis 348 berechtigt.

 

Für den Rechtsverkehr

(für Nichtjuristen)

zum Expertenteil (für Juristen)

Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle

§ 281 BGB stellt zusammen mit § 280 Abs. 1 und 3 BGB eine Schadensersatzregelung für die Pflichtverletzung der Nicht- oder Schlechtleistung dar. Gewährt wird Schadensersatz anstelle der geschuldeten Hauptleistung. 

1Schuldverhältnis

§ 281 BGB ist bei vertraglichen und gesetzlichen Schuldverhältnissen jedweder Art anwendbar. Es genügt eine rechtliche Sonderverbindung zwischen zwei Personen, aus der sich rechtliche Pflichten ergeben. 

2Pflichtverletzung

Es handelt sich um eine Verletzung von Hauptpflichten. Die Pflichtverletzung besteht in der Lieferung einer mangelhaften Sache oder in gar keiner Lieferung. 

3Vertretenmüssen

Der Schuldner haftet nur, wenn er die Pflichtverletzung nach § 281 Abs. 1 Alt. 1 oder 2 BGB zu vertreten hat. Was der Schuldner zu vertreten hat, richtet sich nach den §§ 276-278 BGB. Grundsätzlich hat der Schuldner Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten (§ 276 Abs. 1 BGB). Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (§ 276 Abs. 2 BGB). Wird jemand im Wissen und Wollen im Pflichtenkreis des anderen tätig (Erfüllungsgehilfe) ist dies dem Schuldner zuzurechnen (§ 278 BGB)

Nach § 280 Abs. 1 BGB muss der Schuldner darlegen und beweisen, dass er eine Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Dies ist für die Risikoverteilung im Prozess von Bedeutung, da der Gläubiger im Rahmen des § 280 Abs. 1 BGB nur die Pflichtverletzung und den hierauf beruhenden Schaden beweisen muss. 

4Schaden

Der Schuldner muss für sämtliche Nachteile seiner Pflichtverletzung (Nicht- oder Schlechtleistung) einstehen.

5Ist also das bestellte Werk für den Auftraggeber infolge erheblicher Mängel wertlos und begehrt er Schadensersatz, um es anderweitig herstellen zu lassen, so richtet sich dieser Anspruch nicht nach § 280 Abs. 1 BGB, da er den Anspruch auf Erhalt eines mangelfreien Werks ersetzen soll. Hier wäre § 280 Abs. 3 BGB i.V.m. §§ 281 ff. zu prüfen.BGH vom 3.7.2013, VIII ZR 169/12, NJW 2013, 2959 für die Mehrkosten eines Deckungskaufs

Kausalität

Die Pflichtverletzung muss ursächlich für den eingetretenen Schaden sein. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trägt zwar regelmäßig der Gläubiger. 

Rechtsfolge

Der Schuldner muss sämtliche Schäden ersetzen, die auf die Pflichtverletzung zurückzuführen sind und vom Schutzzweck der Norm umfasst werden.

Expertenhinweise

(für Juristen)

1) Allgemeines

a) Hintergrund und Normzweck

§ 281 BGB ist die zentrale Norm für den Schadensersatz statt der Leistung

Der Schuldner ist dem Gläubiger einer Leistung grundsätzlich dann zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er seine Pflichten schuldhaft verletzt. Die Pflichtverletzung ist die zentrale Voraussetzung des Schadensersatzanspruchs. 

§ 281 regelt die besonderen Voraussetzungen, unter denen bei einer Nicht- oder Schlechtleistung Schadensersatz statt der Leistung verlangt werden kann und sieht dazu insbesondere das Fristsetzungserfordernis nach Abs. 2 vor. Der Gläubiger erhält die Möglichkeit, wegen einem nicht oder nicht wie geschuldet erfüllten Primärleistungsanspruch Schadensersatz anstatt der Leistung zu verlangen. Dadurch wird der Primärleistungsanspruch in einen Schadensersatzanspruch umgewandelt (§ 281 Abs. IV).Ulber in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 281 BGB, Rn. 1

Der Gläubiger verlangt keine Erfüllung des Primäranspruches mehr, sondern der Gläubiger verlangt so gestellt zu werden, wie wenn der Schuldner ordnungsgemäß erfüllt hätte. BGH 11.3.2022 - V ZR 35/21ZIP 2022, 1673 

§ 281 erfasst den Fall, in der die Primärleistung noch erbringbar und möglich bzw. eine Schlechtleistung behebbar ist.Ulber in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 281 BGB, Rn. 1  

Die ursprünglich vorgesehene primäre Leistungspflicht erlischt nach § 281 Abs. 4 BGB erst, wenn der Schuldner aufgrund einer Fristsetzung die Möglichkeit hatte, den Übergang zum Schadensersatzanspruch zu verhindern, es sei denn die Fristsetzung ist entbehrlich.Ulber in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 281 BGB, Rn. 2 

§ 281 Abs. 2 BGB regelt die Ausnahmen vom Erfordernis der Nachfristsetzung. Dies entspricht den Voraussetzungen des Rücktrittes nach § 323 Abs. 2 BGB. Die Fristsetzung ermöglicht es dem Schuldner, noch zu erfüllen und nicht vorschnell in Haftung genommen zu werden. Eine Fristsetzung ist aber dann entbehrlich, wenn der Schuldner nicht schutzwürdig ist, weil er die Leistung beispielsweise ernsthaft und endgültig verweigert hat.

Der Gläubiger kann Schadensersatz grundsätzlich nur hinsichtlich des nicht erbrachten Teils der Leistung verlangen. Allerdings ermöglichen es § 281 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB es dem Gläubiger, bei einer Teilleistung, an der er kein Interesse hat, oder einer Schlechtleistung, die nicht lediglich unerheblich ist, Schadensersatz statt der ganzen Leistungen zu verlangen. Der Schuldner kann in diesen Fällen allerdings das bereits Geleistete nach § 281 Abs. 5 BGB zurückfordern.Ulber in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 281 BGB, Rn. 4 

b) Anwendungsbereich

§ 281 gilt für alle gegenseitigen und einseitig verpflichtenden Verträge sowie Pflichten, die nicht in einem Gegenseitigkeitsverhältnis stehen.

Nicht umfasst werden Pflichtverletzungen wie Verzug nach § 286 BGB, Nebenleistungspflichten und nachvertragliche Pflichten, soweit nicht durch ihre Verletzung bereits der Schaden eingetreten ist.MüKo/Ernst Rn.12, 14

§ 281 ist auch auf gesetzliche Schuldverhältnisse anwendbar. Dies gilt auch für bereicherungsrechtliche Ansprüche, aber nur dann, wenn der Bereicherungsschuldner nach §§ 818 Abs. 4, 819 BGB verschärft haftet.Grü/Grüneberg, Rn. 4 

Verlangt der Gläubiger der Sachleistung in einem Rückgewährschuldverhältnis Schadensersatz statt der Leistung und erlischt dadurch der Rückgabeanspruch nach Abs. 4, muss auf den Wert der Sache abgestellt werden. Der Schuldner kann analog § 255 BGB gegen die Zahlung des Werts der Sache ihre Übereignung verlangen.Grü/Grüneberg Rn 4

Negatorischer Unterlassungsanspruch: §§ 280 Abs. 1, 3, 281 ist analog anzuwenden, wenn dies zur effektiven Absicherung des Unterlassungsanspruchs erforderlich ist, etwa wenn der Geschädigte wirtschaftlich nicht in der Lage ist, die Beseitigung selbst vorzunehmen oder die Störung selbst beseitigt und Ersatz seiner Aufwendungen verlangt.BGH NJW 2012, 1520. 

Anwendbarkeit auf ein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis: Der Eigentümer einer Sache kann, wenn der bösgläubige oder verklagte Besitzer seine Herausgabepflicht nach § 985 BGB nicht erfüllt, unter den Voraussetzungen von §§ 280 Abs. 1, 3, 281 Abs. 1 BGB Schadensersatz statt der Leistung verlangen.BGH, Urt. v. 18.03.2016 - V ZR 89/15; zum Schadensersatz statt der Leistung bei Besitzherausgabeansprüchen Kohler NZM 2014, 729. 

Anwendbarkeit auf die Grunddienstbarkeit: § 281 ist auf § 1020 S. 2 BGB anwendbar.BGH NJW 2005, 89. 

Klage auf Schadensersatz und Herausgabe: Der Gläubiger kann seine Klage auf Schadensersatz gemäß §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB im Wege der Klagehäufung nach § 260 ZPO für den Fall des frustlosen Ablaufs der von dem Gericht zur Erfüllung des Herausgabeanspruchs gesetzten Frist (§ 255 Abs. 1 ZPO) bereits zusammen mit der Herausgabeklage erheben.BGH, Urt. v. 09.11.2016 - IX ZR 305/16, NJW 2018, 786; dazu Thole LMK 2018, 402633. 


Fußnoten