Schliessen
von Göler (Hrsg.) / Sebastian Höhmann, Nele Marie Kliemt / § 727

§ 727 Auflösung durch Tod eines Gesellschafters

(1) Die Gesellschaft wird durch den Tod eines der Gesellschafter aufgelöst, sofern nicht aus dem Gesellschaftsvertrag sich ein anderes ergibt.

(2) Im Falle der Auflösung hat der Erbe des verstorbenen Gesellschafters den übrigen Gesellschaftern den Tod unverzüglich anzuzeigen und, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist, die seinem Erblasser durch den Gesellschaftsvertrag übertragenen Geschäfte fortzuführen, bis die übrigen Gesellschafter in Gemeinschaft mit ihm anderweit Fürsorge treffen können. Die übrigen Gesellschafter sind in gleicher Weise zur einstweiligen Fortführung der ihnen übertragenen Geschäfte verpflichtet. Die Gesellschaft gilt insoweit als fortbestehend.

Für den Rechtsverkehr

(für Nichtjuristen)

zum Expertenteil (für Juristen)

Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle

1Gesetzliche Regelung beim Tod eines Gesellschafters

Grundsätzlich steht es den Gesellschaftern einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) frei, zu entscheiden, wie sie mit dem Tod eines Mitgesellschafters umgehen wollen und dazu Regeln in den Gesellschaftsvertrag aufzunehmen. Für die häufigen Fälle jedoch, in denen gar keine oder nur rudimentäre Regelungen über die Rechte und Pflichten der Gesellschafter getroffen wurden, namentlich weil gar kein schriftlicher Gesellschaftsvertrag aufgesetzt wurde, haben die gesetzlichen Regelungen des BGB große Bedeutung. Da der Gesetzgeber aber nur eine Regelung für alle GbRs geschaffen hat - von der Studenten-WG, über die Existenzgründer bis zur Grundstücks-GbR mit Millionenvermögen - liegt es auf der Hand, dass die gesetzlichen Regelungen häufig nicht passen. In besonderem Maße gilt dies für die gesetzlichen Regelungen beim Tod eines Gesellschafters.

Das Gesetz sieht beim Tod eines Gesellschafters vor, dass die Gesellschaft aufgelöst wird (sog. Liquidation), § 727 Abs. 1 BGB. Dies bedeutet, dass der Geschäftsbetrieb eingestellt, Gesellschaftsverbindlichkeiten beglichen, ausstehende Forderungen eingezogen und das verbleibende Liquidationsguthaben unter den Gesellschaftern verteilt werden müssen (vgl. §§ 730 ff. BGB). Bis zur Beendigung der Gesellschaft wird durch das Gesetz fingiert, dass die Gesellschaft fortbesteht (§ 727 Abs. 2 S. 3 BGB).

Den Erben eines GbR-Gesellschafters treffen darüber hinaus besondere Pflichten: Er muss die übrigen Gesellschafter über den Tod ihres Mitgesellschafters informieren (§ 727 Abs. 2 S. 1 BGB), sofern sie nicht schon anderweitig davon erfahren haben. Um Schaden von der Gesellschaft abzuwenden, ist der Erbe außerdem gesetzlich verpflichtet, die dem Erblasser von der Gesellschaft übertragenen Geschäfte so lange fortzuführen, bis eine andere Regelung getroffen wurde (§ 727 Abs. 1 S. 1 BGB). Das gilt auch für die anderen Gesellschafter, denen Geschäftsführungsaufgaben übertragen wurden (§ 727 Abs. 2 S. 2 BGB). Diese Geschäftsfortführungspflicht besteht nur zur Gefahrenabwehr und ist damit von lediglich geringer praktischer Bedeutung. Keinesfalls kann über diese Vorschrift der Geschäftsbetrieb dauerhaft fortgeführt werden.

2Steuerliche Auswirkungen des Ausscheidens

Einkommensteuerlich hat die Auflösung der Gesellschaft auf Grund des Versterbens eines Gesellschafters - ohne abweichende Nachfolgeregelung im Gesellschaftsvertrag - zur Folge, dass eine steuerpflichtige Betriebsaufgabe vorliegt (§ 16 Abs. 1, Abs. 3 s. 1 EStG). Das heißt, der Verkehrswert des Gesellschaftsanteils wird dem in der Bilanz ausgewiesenen Wert des Gesellschaftsanteils gegenübergestellt, die Differenz (die so genannten stillen Reserven) wird „aufgedeckt“ und unterliegt als Aufgabegewinn der Einkommensteuer.

Die Auflösung kann (jedenfalls steuerlich) nicht nachträglich durch Vereinbarung zwischen bisherigen Gesellschaftern und Erben rückgängig gemacht werden kann, so dass eine ungewollte Auflösung der Gesellschaft im Todesfall fatale Folgen haben kann.

Sieht der Gesellschaftsvertrag stattdessen den Fortbestand der Gesellschaft im Todesfall vor und das Ausscheiden des verstorbenen Gesellschafters, so führt dies bei dem Verstorbenen zu einem entsprechenden einkommensteuerpflichtigen Aufgabegewinn.

Schon bei der Gründung der Gesellschaft muss also an die steuerlichen Folgen beim Tod eines Gesellschafters gedacht werden.

3Bedeutung gesellschaftsvertraglicher Nachfolgeklauseln

Nicht nur steuerlich ist die gesetzliche Regelung für den Tod eines Gesellschafters zumeist unangebracht. Auch sonst wird es selten dem Interesse der Gesellschafter entsprechen, beim Tod nur eines Gesellschafters den Geschäftsbetrieb insgesamt einzustellen. Meistens wird gewünscht sein, dass die Gesellschaft trotzdem fortgesetzt wird - entweder mit den Erben oder ohne die Erben.

Eine solche Regelung im Gesellschaftsvertrag ist nach dem Gesetz problemlos möglich, aber eben auch notwendig, um die gesetzliche Folge der Auflösung zu vermeiden. Zwar kann eine gesellschaftsvertragliche Regelung bei der GbR grundsätzlich auch mündlich getroffen werden. Problematisch hieran ist jedoch, dass die entsprechende Vereinbarung auch nachweisbar sein muss. Grundbuchamt und Finanzamt verlangen zum Nachweis des Fortbestehens stets die Vorlage des schriftlichen Gesellschaftsvertrags. Es ist daher dringend anzuraten, die gesellschaftsvertraglichen Regeln zu Fortbestand der Gesellschaft und Nachfolge im Todesfall schriftlich festzuhalten. Alle gängigen Vertragsmuster für Gesellschaftsverträge sehen entsprechende Nachfolgeregelungen vor, einige Muster sind nachfolgend abgedruckt.

4Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie die Gesellschaft mit dem Tod eines Gesellschafters umgehen kann. Der Gesellschaftsvertrag kann für den Erbfall namentlich, 

  • bestimmen, ob die Gesellschaft beim Tod eines Gesellschafters überhaupt fortgeführt wird oder auch eingestellt wird („Fortführungsklausel“)
  • bestimmen, dass jeder (beliebige) Erbe in die Gesellschafterstellung nachfolgen kann („einfache Nachfolgeklausel“)
  • nur besondere, abstrakt oder konkret bestimmte, Personen als Nachfolger zulassen („qualifizierte Nachfolgeklausel“)
  • bestimmen, dass im Erbfall Dritte, nicht unbedingt als Erben berufene Personen, in die Gesellschaft eintreten können („Eintrittsklausel“), dass der Anteil vom Erben an eine von der Gesellschaft bestimmte Person abzutreten ist („Abtretungsklausel“) oder bestimmen, dass der Anteil von der Gesellschaft eingezogen werden kann („Einziehungsklausel“)
  • Regelungen über die im Ausscheidensfall zu zahlende Abfindung vorsehen („Abfindungsklausel“), z.B. dass nicht der Verkehrswert des Gesellschaftsanteils, sondern nur der sich aus der Bilanz ergebende Wert (Buchwert) als Abfindung zu zahlen sein soll („Buchwertklausel“)
  • Vorgaben für die Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung treffen („Testamentsvollstreckerklausel“)
  • Kombinationen und Unterarten dieser Klauseln vorsehen.

Wichtig zu beachten ist dabei, dass die gesellschaftsvertraglichen Regelungen den testamentarischen Regelungen vorgehen („Gesellschaftsrecht bricht Erbrecht“). Und jeder Gesellschafter/jede Gesellschafterin selbst muss darauf achten, dass er oder sie auch die Person im Testament entsprechend bedenkt, die im Wege einer solchen Nachfolgeklausel in die Gesellschaft eintreten (können) soll.

Steuerlich sind neben den bereits erwähnten einkommensteuerlichen Folgen der Auflösung bzw. des Ausscheidens Besonderheiten zu beachten. Gem. § 7 Abs. 7 ErbStG führen nämlich Abfindungen, die unter dem Verkehrswert eines Gesellschaftsanteils liegen, bei den verbleibenden Gesellschaftern (möglicherweise) zu einer Erbschafts- bzw. Schenkungssteuerpflicht.

5Muster gesellschaftsvertraglicher Nachfolgeklauseln:

ACHTUNG: Es ist keinesfalls ratsam, nachfolgende (oder andere Muster) unbesehen zu übernehmen. Ähnlich wie bei Kleidungstücken gibt es zwar objektiv schlechte, aber auch unter den guten „passende“ oder „unpassende“ Muster. Schon wegen der (steuerlich nicht rückwirkend zu beseitigenden) gravierenden Folgen der Nachfolgeklauseln sollten jegliche Muster nicht ohne fachkundige Beratung in einen Gesellschaftsvertrag übernommen werden. Keinesfalls dürfen Muster übernommen werden, deren Inhalt und Wirkung der Verwender nicht versteht.

61. Muster für eine einfache Fortführungsklausel (Regelungsziel: Die Gesellschaft soll beim Tod eines Gesellschafters fortgeführt werden, aber die Erben sollen nicht Gesellschafter werden)

§ .. Tod eines Gesellschafters

Beim Tod eines Gesellschafters wird die Gesellschaft ohne die Erben fortgesetzt.

Achtung: Enthält der Gesellschaftsvertrag neben der Fortführungsklausel keine Abfindungsregel, ist als Abfindung für den Verlust der Gesellschafterstellung an die Erben der volle Verkehrswert des Anteils zu bezahlen.

72. Muster für eine Fortführungsklausel mit Abfindungsausschluss: (Regelungsziel: Die Erben sollen leer ausgehen, die Mitgesellschafter erhalten den Gesellschaftsanteil „geschenkt“, d.h. unabhängig vom Testament des Verstorbenen und ohne, dass sie den Erben etwas bezahlen müssen, ggf. aber Schenkungsteuer an das Finanzamt)

§ .. Tod eines Gesellschafters

Beim Tod eines Gesellschafters wird die Gesellschaft ohne die Erben fortgesetzt.

§ .. Abfindung

Scheidet ein Gesellschafter von Todes wegen aus, so erhalten seine Erben keine Abfindung.

83. Muster für eine Fortführungsklausel mit Buchwertklausel: (Regelungsziel: Die Erben sollen aus der Gesellschaft ausscheiden aber nicht ganz leer ausgehen; um die Liquidität der Gesellschaft zu schonen und die Berechnung der Abfindung zu vereinfachen, erhalten sie nicht den vollen Verkehrswert des Anteils, sondern nur den Buchwert)

§ .. Tod eines Gesellschafters

Beim Tod eines Gesellschafters wird die Gesellschaft ohne die Erben fortgesetzt.

§ .. Abfindung

Scheidet ein Gesellschafter von Todes wegen aus, so erhalten seine Erben als Abfindung den Buchwert seines Anteils. Die Abfindung ist in fünf jährlichen Raten zu bezahlen, wobei die erste Rate sechs Monate nach dem Tod des Erblassers, frühestens jedoch einen Monat nach Vorlage eines Erbscheines durch die Erben zu bezahlen ist.

94. Muster für eine einfache erbrechtliche Nachfolgeklausel (Regelungsziel: Die Gesellschaft soll beim Tod eines Gesellschafters mit allen Erben (die dann als Einzelpersonen, nicht in Erbengemeinschaft Gesellschafter werden, sog. Sondererbfolge) fortgeführt werden.

§ .. Tod eines Gesellschafters

Beim Tod eines Gesellschafters wird die Gesellschaft mit den Erben fortgesetzt.

105. Muster für eine qualifizierte erbrechtliche Nachfolgeklausel mit Abfindungsausschluss: (Regelungsziel: Nur bestimmte, besonders „qualifizierte“ Erben, sollen berechtig sein, Gesellschafter zu werden; ist kein qualifizierter Erbe vorhanden, scheiden die Erben aus und erhalten keine Abfindung.)

§ .. Tod eines Gesellschafters

(1) Beim Tod eines Gesellschafters wird die Gesellschaft fortgesetzt, mit den Erben jedoch nur, sofern diese nachfolgeberechtigt sind.

(2) Nachfolgeberechtigt sind nur die Mitgesellschafter sowie leibliche Abkömmlinge der Gesellschafter.

§ .. Abfindung

Scheidet ein Gesellschafter von Todes wegen aus, ohne dass ein Erbe nachfolgeberechtigt ist, so erhalten seine Erben keine Abfindung.

116. Muster für eine qualifizierte Einziehungs- und Abtretungsklausel im Gesellschaftsvertrag: (Regelungsziel: Werden Personen Erben eines Gesellschafters, die für die übrigen Gesellschafter potentiell unerwünscht sind, sollen die verbleibenden Gesellschafter die Wahl haben, ob die Erben Gesellschafter werden (und dafür keine Abfindung bekommen) oder Ausscheiden müssen und dafür eine Abfindung bekommen. Namentlich aus erbschaftsteuerlichen Gründen ist vorgesehen, dass statt der Einziehung auch die Abtretung verlangt werden kann.

§ .. Einziehung im Todesfall

Geht ein Geschäftsanteil von Todes wegen auf eine oder mehrere Personen über, die nicht Gesellschafter, Ehegatte, eingetragener Lebenspartner oder Abkömmlinge des Gesellschafters sind, ist die Gesellschafterversammlung berechtigt, innerhalb von sechs Monaten nach Eintritt des Erbfalls die Einziehung des Geschäftsanteils zu beschließen. Der oder die betroffenen Erben sind hierbei nicht stimmberechtigt. Sie erhalten als Abfindung (...). Die Einziehung wird mit der Beschlussfassung wirksam. Die Gesellschaft kann statt der Einziehung beschließen, dass der bzw. die Erben verpflichtet sind, den Gesellschaftsanteil gegen Zahlung der Abfindung an eine oder mehrere von der Gesellschaft bestimmte Person abzutreten. Im Innenverhältnis sind die verbliebenen Gesellschafter dabei berechtigt, die Abtretung an jeden der bisherigen Gesellschafter im Verhältnis der bisherigen Anteile zu verlangen.

127. Muster für eine gesellschaftsvertragliche Testamentsvollstreckerklausel mit Beschränkung auf Mitgesellschafter (Regelungsziel: Bei Anordnung von Testamentsvollstreckung soll dieser nur unter bestimmten Umständen berechtigt sein, statt des Erben die Rechte des Gesellschafters in der Gesellschafterversammlung geltend zu machen.)

§ .. Testamentsvollstreckung

Für den Fall, dass ein verstorbener Gesellschafter Testamentsvollstreckung angeordnet hat, ist der Testamentsvollstrecker, und nur dieser, auch gegenüber der Gesellschaft berechtigt, die Gesellschafterrechte wahrzunehmen. Dies gilt nur, sofern der Testamentsvollstrecker ein Mitgesellschafter (oder: Verwandter des Erblassers, berufliche Qualifikation, etc.) ist.

Expertenhinweise

(für Juristen)

1) Allgemeines

Allgemeines / Bedeutung der Norm / Anwendungsbereich / Nachfolgeklauseln

13Die Norm regelt die gesetzlichen Folgen des Todes eines Gesellschafters einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Aufgrund der stark personalisierten Struktur der BGB Gesellschaft ordnet Abs. 1 S. 1 an, dass der Tod eines Gesellschafters die Auflösung der gesamten Gesellschaft zur Folge hat. Den inhaltlichen Konflikt zwischen dem Interesse am Fortbestand der Gesellschaft einerseits und am Schutz der häufig von persönlichen Kenntnissen, Beziehungen und Verbindungen geprägten Gesellschafterstruktur andererseits, löst das Gesetz zu Gunsten letzterem, in dem es die Existenz der Gesellschaft an den Bestand der Gesellschafter knüpft. Der Gesellschaft soll kein fremder Gesellschafter aufgezwungen werden. Gleichwohl ist diese Rechtsfolge, namentlich für werbend tätige Gesellschaften, häufig wenig sachgerecht, da gerade der in der Gesellschaft verkörperte Wert nur durch Fortführung der Geschäfte erreicht werden kann. Entsprechend lässt Abs. 1 S. 2 abweichende gesellschaftsvertragliche Gestaltungen ausdrücklich zu. Liegen solche nicht vor, wandelt sich die Gesellschaft mit dem Tod eines Gesellschafters in eine Abwicklungsgesellschaft um, bestehend aus den bisherigen Gesellschaftern und den Erben des verstorbenen Gesellschafters.  Gemäß Abs. 2 S. 1 haben die Erben des verstorbenen Gesellschafters den Tod daher unverzüglich den Mitgesellschaftern anzuzeigen. Soweit Geschäftsführungsbefugnisse einzelnen Gesellschaftern übertragen waren, bestimmt Abs. 2 S. 1 und S. 2, dass diese bei Gefahr im Verzug fortbestehen sollen.

14 Abs. 1 gilt für alle Arten der GbR, also sowohl für reine Innengesellschaften, als auch für Außengesellschaften.  Für die sonstigen Personengesellschaften hat der Gesetzgeber dagegen abweichende Sonderregeln geschaffen, die mangels abweichender Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag die Fortführung anordnen (OHG und KG-Komplementär: § 131 Abs. 3 Nr. 1 HGB, KG-Kommanditist: § 177 HGB, stille Gesellschaft: § 234 HGB, Partnerschaftsgesellschaft: § 9 Abs. 4 PartGG), für Kapitalgesellschaften gilt dies ohnehin.

15Die ursprünglich in § 137 HGB enthaltene Parallelregelung zu § 727 Abs. 2 für die Handelsgesellschaften wurde durch das Handelsregisterreformgesetz 1998 aufgehoben. Seitdem gilt § 727 Abs. 2 BGB über § 105 Abs. 3 HGB auch für Personenhandelsgesellschaften.

16 Abweichende Vereinbarungen zu Abs. 1 sind in Gesellschaftsverträgen (Satzungen) Standard und für werbende Gesellschaften regelmäßig zu empfehlen. Die häufige Praxis „keinen Gesellschaftsvertrag“ zu haben – gemeint ist: keinen schriftlich ausformulierten Gesellschaftsvertrag zu haben – ist gerade diesbezüglich gefährlich, da dann die Auflösung der Gesellschaft automatisch mit dem Tod nur eines Gesellschafters eintritt. Im Rahmen eines schriftlichen Gesellschaftsvertrags sind dem Gestaltungswillen der Gesellschafter, die Rechtsfolgen des Todes eines Gesellschafters durch Nachfolgeklauseln zu regeln, dabei praktisch keine Grenzen gesetzt.

2) Definitionen

Definitionen / Gestaltungsfragen / Nachfolgeklauseln

17Die in der Praxis üblichen Klauseln zur Regelung der Folgen des Tods eines Gesellschafters lassen sich wie folgt typisieren. Grundlegend – wenn auch häufig nicht ausdrücklich formuliert – sind sog. Fortführungsklauseln, die die Fortführung der Gesellschaft anordnen.

18Ob die Gesellschaft dabei mit oder ohne die Erben des Verstorbenen fortgeführt wird, ist Inhalt der Nachfolgeklauseln. Die einfache Nachfolgeklausel bestimmt, dass die Gesellschaft mit allen Erben fortgesetzt wird, während die qualifizierte Nachfolgeklausel nur bestimmte Erben (z.B. Kinder des Gesellschafters, Ehegatten, Mitgesellschafter) als Nachfolger zulässt. Die „Qualifikation“ kann dabei auch in beruflicher oder sonstiger Qualifikation bestehen, ist häufig aber schlicht eine besondere Nähe zum Gesellschafter, die einen Ausschluss seiner Erben für den Gesellschafter unzumutbar erscheinen lassen. Näher hierzu und zu den Risiken der qualifizierten Nachfolgeklausel siehe Rn. 10 ff.

19 Eine automatische Nachfolge im Todeszeitpunkt ist auch bei Bestehen einer Nachfolgeklausel nur zu Gunsten der Gesamtrechtsnachfolger des verstorbenen Gesellschafters im Sinne von § 1922 BGB, also zu Gunsten der Erben möglich. Das Recht eines Dritten, im Todesfall statt des Verstorbenen Gesellschafter zu werden, wird durch eine sog. Eintrittsklausel begründet. Diese schafft einen Anspruch des Dritten gegen die Gesellschaft, in die Gesellschaft einzutreten und bedarf nach dem Tod eines Gesellschafters noch des vertraglichen Vollzuges zwischen dem Eintrittsberechtigten und den übrigen Gesellschaftern. Ein automatischer Eintritt im Todesfall kann nur rechtsgeschäftlich verwirklicht werden, indem das spätere Eintrittsrecht, bedingt auf den Todesfall, schon (gesellschafts-)vertraglich zwischen Gesellschaft und Drittem vereinbart wird.

20 Einziehungs- bzw. Abtretungsklauseln regeln, dass der Gesellschaftsanteil im Todesfall zwar auf die Erben übergeht, die Mitgesellschafter aber berechtigt sein sollen, durch Beschluss die Einziehung des Anteils zu bewirken oder stattdessen die Abtretung des Anteils an einen Dritten verlangen zu können.

21 Abfindungsklauseln regeln, ob und in welcher Höhe beim Ausscheiden von Todes wegen eine Abfindung an die Erben zu bezahlen ist.  Anders als beim Ausscheiden unter Lebenden ist beim Ausscheiden von Todes wegen der vollständige Ausschluss einer Abfindungszahlung zulässig.vgl. Hölscher ZEV 2010, 609 m.w.N.; Wolf, Abfindungsbeschränkungen bei Familiengesellschaften, MittBayNot 2013, 9, 13; a.A, allerdings unter bloßer Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BGH zum Ausscheiden unter Lebenden: OLG Bremen vom 13.03.2013, ZEV 2013, 460; kritisch zur Entscheidung des OLG Bremen, Hannes/von Oertzen ZEV Report Gesellschaftsrecht, ZEV 2013, 419

22 Anzutreffen sind auch Testamentsvollstreckerklauseln, die bestimmen, ob und in welchem Umfang die Rechte an vererbten Gesellschaftsanteilen durch Testamentsvollstrecker geltend gemacht werden können.

3) Abgrenzungen, Kasuistik

Sondererbfolge / Gestaltungsfragen / Steuerliche Hinweise

23Ist ein Gesellschaftsanteil (aufgrund einer Nachfolgeklausel) auf mehrere Erben übergegangen, ist die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Sondererbfolge an Personengesellschaftsanteilen zu beachten. Der BGH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass eine Erbengemeinschaft nicht Gesellschafter einer werbenden Personengesellschaft

4) Zusammenfassung der Rechtsprechung

Pflichtteilsergänzungsansprüche bei Abfindungsausschluss bzw. Abfindungsbeschränkung

27Bislang sah der Bundesgerichtshof in dem Ausschluss der Vererblichkeit von Gesellschaftsanteilen, auch verbunden mit einem Ausschluss der Abfindung für die Erben, i.d.R. keine Schenkung, da sie nicht zur Bereicherung der Mitgestellschafter erfolge, sondern zum Schutz der Gesellschaft. Bei wechselseitigen Ausschluss liege zudem ein aleatorisches Geschäft vor, das nicht als unentgeltlich zu qualifizieren sei.BGH v. 26.3.1981 – IVa ZR 154/80, NJW 1981, 1956 unter 2.b; v. 20.12.1965 – II ZR 145/64, WM 1966, 367; obiter dictum zu § 2301 BGB: BGH v. 22.11.1956 – II ZR 222/55, BGHZ 22, 186, NJW 1957, 180 unter II.6 u. 7; offengelassen in BGH v. 14.7.1971 – III ZR 91/70, WM 1971, 1338, BeckRS 1971, 31081173 unter B.2 Diese Rechtsprechung hat der BGH in einer aktuellen EntscheidungUrteil vom 03.06.2020 - IV ZR 16/19 zwar einerseits bestätigt, andrerseits aber klargestellt, dass dies einer Prüfung nicht entgegenstehe, ob im Einzelfall eine andere Willensrichtung feststellbar sei. Im entschiedenen Fall bejahte er eine Schenkung, da anwachsungsberechtigte Mitgesellschafterin die Ehefrau war, die als Alleinerbin ohnehin Gesellschafterin geworden wäre und es sich zudem um eine verwögensverwaltende Gesellschaft handele, bei der Gesichtspunkte des Unternehmerrisikos keine Rolle spielten.


Fußnoten