Schliessen
von Göler (Hrsg.) / Lennart Matzke, Christine Behrens / § 727
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§ 727 Ausschließung aus wichtigem Grund

Tritt in der Person eines Gesellschafters ein wichtiger Grund ein, kann er durch Beschluss der anderen Gesellschafter aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn der Gesellschafter eine ihm nach dem Gesellschaftsvertrag obliegende wesentliche Verpflichtung vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat oder wenn ihm die Erfüllung einer solchen Verpflichtung unmöglich wird. Dem Beschluss steht nicht entgegen, dass nach der Ausschließung nur ein Gesellschafter verbleibt.

Für den Rechtsverkehr

(für Nichtjuristen)

zum Expertenteil (für Juristen)

Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle

1Seit geraumer Zeit wird eine Reform des Personengesellschaftsrechts, insbesondere das Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) als notwendig erachtet. Der Gesetzgeber hat nun mit dem Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrecht (MoPeG) den Reformgedanken aufgegriffen und in Gesetzesform gebracht. Das MoPeG, beschlossen am 10.08.2021, bringt bedeutende Veränderungen mit sich und integriert teilweise schon länger in der Rechtsprechung und Literatur verbreitete Ansichten in das Gesetz. 

2§ 727 BGB nF ersetzt zwar § 737 BGB aF, allerdings wird der Normzweck als solcher beibehalten. § 727 BGB nF bildet ein Verteidigungsrecht der Gesellschaft, um einen „störendenden“ Gesellschafter bei vorliegenden eines wichtigen Grundes auszuschließen.BeckOK BGB/Schöne, 68. Ed. 1.1.2024, BGBnF § 727 Rn. 2

3Das Vorliegen eines wichtigen Grundes ist nach den bereits bestehenden Maßstäben zu bemessen. Mit „wichtiger Grund“ ist ein Umstand in der Person eines Gesellschafters gemeint, der die Fortsetzung der Gesellschaft mit ihm unzumutbar macht. Dabei sind einige Konstellationen denkbar, wie die vorsätzliche oder grobfahrlässige Verletzung einer wesentlichen Vertragspflicht. Auch objektive Gründe, wie eine längere Unfähigkeit der Wahrnehmung von Gesellschafterrechten können ausreichen, wenn diese zur Unmöglichkeit der Erfüllung von wesentlichen Vertragspflichten führen. Wichtig ist, dass das pflichtwidrige Verhalten einen Bezug zur Gesellschaft haben muss.MüKoBGB/Schäfer, BGB § 727 Rn. 5; BeckOK BGB/Schöne, BGBnF § 727 Rn. 4; Servatius BGB § 711 Rn. 11, 12

4Trotz alledem ist die Bewertung des Vorliegens eines wichtigen Grundes stets eine Einzelfallabwägung und voll gerichtlich überprüfbar.MüKoBGB/Schäfer, BGB § 727 Rn. 5, 12; BeckOK BGB/Schöne, BGBnF § 727 Rn. 5 Beispielsweise ist davon auszugehen, dass die Gesellschaft auch mit dem „Störer“ fortgesetzt werden kann, wenn bisheriges Fehlverhalten geduldet wurde oder die übrigen Gesellschafter ebenfalls pflichtwidrig gehandelt haben.Servatius BGB § 727 Rn. 15; MüKoBGB/Schäfer, BGB § 727 Rn. 5 Ein Verschulden ist indes nicht zwingend notwendig.Servatius BGB § 727 Rn. 13; MüKoBGB/Schäfer, BGB § 727 Rn. 5

5Die Beurteilung erfolgt aus der Sicht eines objektiven Dritten und zielt auf eine objektive Prognose ab. Eine solche Prognose soll aufzeigen, ob es geboten ist, dass der Gesellschafter weiterhin Gesellschafterrechte innehat.Servatius BGB § 727 Rn. 15 Bei der Beurteilung ist zu beachten, dass der Ausschluss eines Gesellschafters nur das letzte Mittel (ultima ratio) darstellt. Bei einem vorsätzlichen Verhalten ist der Ausschluss damit wahrscheinlicher, als bei einer grobfahrlässigen Pflichtverletzung, bei der es auf die objektive Schwere und seine Auswirkungen auf das Vertrauensverhältnis in der Gesellschaft ankommt.MüKoBGB/Schäfer, BGB § 727 Rn. 6, 8; BeckOK BGB/Schöne, BGBnF § 727 Rn. 5

6Im Liquidationsstadium kommt ein Ausschluss hingegen nur in Betracht, wenn die Mitwirkung des „störenden“ Gesellschafters unzumutbar ist oder die Durchführung der Liquidation gefährdet.MüKoBGB/Schäfer, BGB § 727 Rn.10; Servatius BGB § 727 Rn. 16

7Ebenfalls regelt die Neufassung, dass der Ausschluss eines „störenden“ Gesellschafters keine Fortsetzungsklausel mehr benötigt.MüKoBGB/Schäfer, BGB § 727 Rn. 1; vgl. Servatius BGB § 727 Rn. 8

8Der Ausschluss erfolgt durch einstimmigen Gesellschaftsbeschluss oder durch gesellschaftsvertraglich vereinbarte Mehrheitsentscheidung. Dem Auszuschließenden steht dabei kein Stimmrecht zu. Der Beschluss wird durch Mitteilung an den Betroffenen wirksam, denn es bedarf des Zugangs.MüKoBGB/Schäfer, BGB § 727 Rn. 14; Servatius BGB § 727 Rn. 17, 20 Dies entfällt, wenn der Auszuschließende bei der Beschlussfassung anwesend war. Ein Recht auf rechtliches Gehör kommt dem Betroffenen nicht zu.MüKoBGB/Schäfer, BGB § 727 Rn. 15; Servatius BGB § 727 Rn. 17; andere Ansicht: BeckOK BGB/Schöne, BGBnF § 727 Rn. 8 Ebenfalls ist zu beachten, dass das gesamte Beschlussverfahren auf Rechtsmissbräuchlichkeit gerichtlich überprüfbar ist.Servatius BGB § 727 Rn. 18

Expertenhinweise

(für Juristen)

1) Allgemeines

a) Einleitung

9Durch die Neugestaltung des § 727 BGB erhalten die Gesellschafter das Recht, einen Gesellschafter auszuschließen, wenn in seiner Person ein wichtiger Grund für seinen Ausschluss aus der Gesellschaft liegt. Insofern ändert sich nichts an der aktuellen Rechtslage, da ein solcher Ausschluss zuvor auch schon nach § 737 BGB aF möglich war.MüKoBGB/Schäfer, BGB § 727 Rn. 1; Servatius BGB § 727 Rn. 1; BeckOK BGB/Schöne,  BGBnF § 727 Rn. 1

2) Abgrenzungen, Kasuistik

70Zu der Abgrenzung von § 727 BGB nF zu § 725 II BGB nF und § 731 BGB nF siehe oben.

71§ 727 BGB nF ist lex specialis gegenüber § 314 BGB.

3) Zusammenfassung der Rechtsprechung

BGH, Urteil v. 15.9.2020 – II ZR 20/19

BGH, Urteil v. 04.04.1951 - II ZR 10/50

BGH, Urteil v. 31.03.2003 - II ZR 8/01

BGH, Urteil v. 24.09.2013 - II ZR 216/11

BGH, Urteil v. 30.11.1951 - II ZR 109/51

OLG Hamm, Urteil v. 08.06.1999 – 27 U 18/99

BGH, Urteil v. 27.02.1954 – II ZR 17/53

OLG Karlsruhe, Urteil v. 20.12.2018 – 7 U 149/18

BGH, Urteil v. 15.01.2007 – II ZR 245/05

BGH, Urteil v. 24.11.2008 – II ZR 116/08

BGH, Urteil v. 28.4.1975 – II ZR 16/73

BGH, Urteil v. 15.01.2007 – II ZR 245/05

BGH, Urteil v. 02.07.1990 – II ZR 243/89

OLG Karlsruhe, Beschluss v. 14.05.1996 – 11 Wx 86/95

BGH, Urteil v. 01.03.2011 - II ZR 83/09

4) Literaturstimmen

Prof. Dr. Servatius, Wolfgang, in: Kommentar zur Bürgerlichen Gesellschaft, Dr. Wolfgang Servatius (Hrsg.), 1. Aufl. 2023, (zitiert: Servatius GbR/Servatius).

Dr. Schäfer, Carsten, in: Kommentar zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts und Partnergesellschaft, Dr. Carsten Schäfer (Hrsg.), Dr. Dr. h.c. mult. Peter Ulmer (Hrsg.), Sonderausgabe aus Band 7 des Kommentars zum Bürgerlichen Gesetzbuch der 9. Auflage, 9. Auflage, München 2023, (zitiert: MüKoBGB/Schäfer).

Dr. Schäfer, Carsten, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Dr. Dr. Dres. h.c. Franz. Jürgen Säcker (Hrsg.), Dr. Roland Rixecker (Hrsg.), Dr. Hartmut Oetker (Hrsg.), Bettina Limperg (Hrsg.), Band 7, 8. Aufl., München 2022, (zitiert: MüKoBGB/Schäfer, 8. Aufl. 2020).

Dr. Dr. h.c. Holger Fleischer, LL.M. (Univ. of Michigan), Dipl.-Kfm., in: Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Dr. Ingo Dreschner (Hrsg.), Dr. Dr. h.c. Holger Fleischer, LL.M. (Univ. of Michigan), Dipl.-Kfm. (Hrsg.), Dr. Dr. h. c. mult. Karsten Schmidt (Hrsg.), Band 2, 5. Aufl., München 2022, (zitiert: MüKoHGB/Fleischer, 5. Aufl. 2022).

Dr. Schöne, Thorsten, in: Beck´sche Online-Kommentare BGB, Dr. Wolfgang Hau (Hrsg.), Dr. Roman Poseck (Hrsg.), 66. Edition, München, (zitiert: BeckOK BGB/Schöne, 66. Ed. 1.5.2023).

Prof. Dr. Dres. h.c. Stürner, Rolf, in: Jauernig Bürgerliches Gesetzbuch, Prof. Dr. Dres. h.c. Rolf Stürner (Hrsg.), Dr. Christian Berger (Bearb.), Dr. Christine Budzikiewicz (Bearb.), Dr. Hans-Peter Mansel (Bearb.), Dr. Astrid Stadler (Bearb.), Dr. Arndt Teichmann (Bearb.), 18. Aufl., München 2021, (zitiert: Jauernig/Stürner, 18. Aufl. 2021).

5) Prozessuales

72Zu den Beweis- und Darlegungslasten siehe oben.


Fußnoten