§ 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
Für den Rechtsverkehr
(für Nichtjuristen)
zum Expertenteil (für Juristen)
Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle
1
2Schuldverhältnis
3Pflichtverletzung
Für die Anwendung des
4Vertreten müssen
Der Schuldner haftet nur dann, wenn er eine Pflichtverletzung zu vertreten hat. Was der Schuldner zu vertreten hat, bestimmt sich nach §
Aus der Formulierung des
5Schaden
Der Schuldner muss für sämtliche – unmittelbaren und mittelbaren - Nachteile seiner Pflichtverletzung einstehen. Ausgenommen werden mittelbare Nachteile, die nicht in den Schutzbereich der verletzten Pflicht fallen.
6Da
7Die Schadensersatzpflicht ist umfassend. Führt etwa eine unzutreffende anwaltliche Beratung zum Abschluss eines nachteiligen Vertrags, so muss der Schuldner den Gläubiger so stellen, als hätte er die nachteilige Vereinbarung nicht geschlossen.BGH vom 18.12.1981, V ZR 207/80, NJW 1982, 1145, 1146; BGH vom 13.01.2004, XI ZR 355/02, NJW 2004, 1868, 1689 f.; BGH vom 15.1.2009, III ZR 28/08, NJW-RR 09, 603, 604 Bei der Zeichnung eines Fondsanteils infolge einer Verletzung von Beratungspflichten kann daher der Zeichner in der Regel im Rahmen des Schadensersatzes seine Fondsbeteiligung an den Berater gegen Erstattung der von ihm aufgewendeten Beträge übertragen.BGH vom 10.07.2012, XI ZR 272/10, NJW 2012, 2952; BGH vom 13.01.2004, XI ZR 355/02, NJW 2004, 1686, 1689 f
8Kausalität
Die Pflichtverletzung muss ursächlich für den eingetretenen Schaden sein. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trägt zwar regelmäßig der Gläubiger. In Fällen grober Berufspflichtverletzungen, etwa bei Ärzten, Steuerberatern oder Rechtsanwälten, hilft die Rechtsprechung aber mit Darlegungs- und Beweiserleichterungen. Bei der Verletzung von Aufklärungspflichten wird vermutet, dass sich der Geschädigte bei einer pflichtgemäßen Aufklärung aufklärungsgemäß verhalten hätte.
9Rechtsfolge
Der Schuldner muss sämtliche Schäden ersetzen, die auf die Pflichtverletzung zurückzuführen sind und vom Schutzzweck der Norm umfasst werden.
Expertenhinweise
(für Juristen)
1) Allgemeines
Normzweck
10
2) Definitionen
16a) Sonderrechtsbeziehung
3) Abgrenzungen, Kasuistik
22Einzelfälle
Ärzte: Die Pflichten aus dem Behandlungsvertrag sind in
Der auf den Arzt anzuwendende Sorgfaltsmaßstab richtet sich nicht nach seinen individuellen Fähigkeiten. Vielmehr ist maßgeblich, was von einem gewissenhaften, aufmerksamen Angehörigen dieses Berufsstandes, insbesondere der jeweiligen Facharztgruppe erwartet werden darf.BGH vom 6.5.2003, VI ZR 259/02, NJW 2003, 2311, 2312 f.; BGH vom 13.2.2001, VI ZR 34/00, 2001, 1786, 1787; BGH vom 19.10.2010, VI ZR 241/09, NJW 2011, 375
Der Arzt kann sich daher nicht durch persönliche Überforderung entschuldigen. Entscheidend sind die zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden allgemeinen fachlichen Standards. Der objektive Facharztstandard gilt als Mindeststandard und ist auch bei Berufsanfängern, etwa Einsatz von Assistenzärzten, geschuldet.OLG Koblenz vom 13.06.1990, 5 U 860/88, OLGZ 1991, 114, 116 f.; BGH vom 12.07.1994, VI ZR 299/93, NJW 1994, 3008, 3009 für den Arzt in Weiterbildung
Besonders geregelt ist die ärztliche Aufklärungspflicht in
Eine unterlassene oder mangelhafte Aufklärung stellt zwar keinen Behandlungsfehler dar. Sie führt aber dazu, dass die Einwilligung des Patienten in die medizinische Maßnahme unwirksam ist, so dass die medizinische Maßnahme selbst ein Behandlungsfehler ist.BGH vom 14.02.1989, VI ZR 65/88, NJW 1989, 1533;BGH vom 14.03.2006, VI ZR 279/04, NJW 2006, 2108 f.; BGH vom 17.5.2011, VI ZR 69/10, NJW-RR 2011, 1173, 1174
Der Arzt haftet daher grundsätzlich für alle Schäden, die aus dieser Behandlung folgen.BGH vom 14.02.1989, VI ZR 65/88, NJW 1989, 1533, 1535
Wird bei mehreren Risiken nur über einzelne nicht ordnungsgemäß aufgeklärt, so kann in Einzelfällen der Zurechnungszusammenhang zwischen dem eingetretenen Schaden und der Aufklärungspflichtverletzung fehlen, wenn der Schaden nicht dem Risiko zuzuordnen ist, bei dem der Aufklärungsmangel besteht, die Risiken nicht vergleichbar sind und der Patient über den allgemeinen Schweregrad des Eingriffs informiert war.BGH vom 14.02.1989, VI ZR 65/88, NJW 1989, 1533, 1535
Die Beweislastverteilung ist in § 630h gesondert für die Arzthaftung geregelt und weicht teilweise von der des
23Anlageberatung und -vermittlung: Ausreichend für den Abschluss eines Anlageberatungsvertrages ist, dass der Kunde zu erkennen gibt, seine Anlageentscheidung von dem Ergebnis der Beratung abhängig zu machen bzw. wenn im Zusammenhang mit der Anlageentscheidung eine Beratung stattfindet.BGH vom 13.01.2004, XI ZR 355/02, NJW 2004, 1868, 1869
Dabei richtet sich der Beratungsvertrag darauf, dass dem Kunden eine Anlage empfohlen wird, die seinen Anlagezielen entspricht. Die Empfehlung muss daher anlegergerecht und objektgerecht sein.BGH vom 16.10.2012, XI ZR 367/11, NJW-RR 2013, 244, 245; BGH vom 6.7.1993, XI ZR 12/93, NJW 1993, 2433
Der Anlagevermittlungsvertrag ist demgegenüber ein Auskunftsvertrag. Er ist dadurch gekennzeichnet, dass der Interessent zwar nicht beraten wird, aber erkennbar die besonderen Erfahrungen und Kenntnisse des Vermittlers in Anspruch nehmen will und dieser mit der Tätigkeit beginnt.BGH vom 11.9.2003, III ZR 381/02, ZfBR 2004, 50, 51;BGH vom 12.5.2005, III ZR 413/04, WM 2005, 1219; BGH vom 22.3.2007, III ZR 218/06, BKR 2007, 254; BGH vom 7.10.2008, XI ZR 89/07, NJW 2008, 3700, 3701 mwN
Typischerweise fragt der Kunde ein bestimmtes Produkt nach und verlangt zu diesem Produkt bestimmte Auskünfte. Der Anlagevermittler steht im Lager des Kapitalsuchenden und ist dem nachfragenden Anleger gegenüber verpflichtet, wahrheitsgemäße Auskünfte zu erteilen. Bei einem konkludenten Vertragsschluss kann die Abgrenzung zwischen einem Anlageberatungsvertrag und einem Anlagevermittlungsvertrag problematisch sein.
Wegen der Abgrenzung zwischen einer Anlageberatung und einer Anlagevermittlung kann auf
24Anlageberater: Der Anlageberater muss anlegergerecht beraten. Hierfür muss er zunächst die Anlageziele seines Kunden (insbesondere dessen Risikobereitschaft) und dessen Fachkenntnisse abfragen.BGH vom 16.10.2012, XI ZR 367/11, NJW-RR 2013, 244, 245
Außerdem muss er einen groben Überblick über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse erlangen. Wegen des erheblichen Haftungsrisikos darf einem Kunden mit einem geringen Einkommen und ohne nennenswertes Vermögen grundsätzlich keine Beteiligung an einer GbR vermittelt werden.OLG Brandenburg vom 8.2.2012, 7 U 46/11, NJW 2012, 2449
Darüber hinaus muss eine Anlageberatung objektgerecht sein. Der Kunde muss über alle wesentlichen Risiken belehrt werden.BGH vom 13.01.2004, XI ZR 355/02, NJW 2004, 1868, 1869
In der Praxis wird über das Produkt häufig durch Aushändigung eines Verkaufsprospektes belehrt. Sofern der Verkaufsprospekt vollständig und richtig über alle wesentlichen Risiken aufklärt, kommt auch der Anlageberater mit der Übergabe des Prospektes seinen Pflichten zu einer objektgerechten Beratung nach. Sofern der Berater allerdings den Anleger dadurch irreführt, dass er Aussagen trifft, die vom Prospekt abweichen oder die Risikohinweise im Prospekt abschwächen,BGH vom 14.4.2011, III ZR 27/10, NJW-RR 2011, 1139; BGH vom 16.10.2012, XI ZR 367/11, NJW-RR 2013, 244, 245; BGH vom 23.03.2021, II ZR 5/20, NZG 2021, 1024verletzt er seine Beratungspflichten. Gleiches gilt, wenn der Anlageberater bei einer Überprüfung des Prospektes mit „üblichem kritischem Sachverstand“ einen aufklärungspflichtigen Fehler hätte feststellen müssen.BGH vom 7.10.2008, XI ZR 89/07, NJW 2008, 3700, 3701; BGH vom 5.3.2009, III ZR 302/07, NZG 2009, 469, 470; BGH vom 15.11.2012, III ZR 55/12, WM 2012, 2375
Anders als der Anlagevermittler muss der Anlageberater einen Prospekt nicht nur auf seine Plausibilität hin prüfen, sondern muss sich darüber hinaus auch aktuelle Informationen zu dem Anlageobjekt verschaffen.BGH vom 1.12.2011, III ZR 56/11, NJW 2012, 380, 381; BGH vom 5.3.2009, III ZR 302/07, NZG 2009, 469, 470
Die Beobachtungspflicht beschränkt sich auf die gängige Wirtschaftspresse; über die Auswahl kann der Anlageberater selbst entscheiden.BGH vom 5.3.2009, III ZR 302/07, NZG 2009, 469, 470 f.; BGH v. 7.10.2008, XI ZR 89/07, NJW 2008, 3700, 3702 f
Wenig verbreitete Veröffentlichungen müssen nicht zur Kenntnis genommen werden. Sind dem Analageberater Fehler des Prospektes bekannt, muss er ebenfalls darauf hinweisen.
Kann der Kunde eine pflichtwidrige Beratung nachweisen, wird vermutet, dass er die Anlage bei einer pflichtgemäßen Beratung nicht erworben hätte.vom 13.01.2004, XI ZR 355/02, NJW 2004, 1868, 1869; BGH vom 14.04.2011, III ZR 27/10, NJW-RR 2011, 1139, 1140; BGH vom 8.5.2012, XI ZR 262/10, NJW 2012, 2427: Beweislastumkehr Die Feststellung der Pflichtwidrigkeit indiziert ein Verschulden des Beraters. Im Rahmen des Schadensersatzes ist der Kunde so zu stellen, als hätte er die Kapitalanlage nie erworben. Daher kann ein Anspruch auf Rückzahlung der aufgewendeten Beträge gegen Übertragung der Kapitalanlage geltend gemacht werden.BGH vom 13.01.2004, XI ZR 355/02, NJW 2004, 1868, 1870; BGH vom 15.01.2009, III ZR 28/08, NJW-RR 2009, 603, 604 Dieser Anspruch kann als Schadensersatzanspruch selbst dann geltend gemacht werden, wenn die Anlage aus anderen Gründen wertlos geworden ist.
25Anlagevermittler: Der Anlagevermittler schuldet eine richtige und vollständige Information über jene Umstände, die für seinen Kunden von Bedeutung sind.BGH vom 11.9.2003, III ZR 17/08, WM 2009, 739; BGH vom 22.3.2007, III ZR 218/06, BKR 2007, 254; BGH vom 5.3.2009, III ZR 17/08, WM 2009, 739 Wird ein Prospekt übergeben, ist eine Prüfung des Prospektes hinsichtlich seiner Plausibilität, insbesondere seiner wirtschaftlichen Tragfähigkeit ausreichend.BGH vom 12.5.2005, III ZR 413/04, WM 2005, 1219; BGH vom 22.3.2007, III ZR 218/06, BKR 2007, 254; BGH vom 5.3.2009, III ZR 17/08, WM 2009, 739; BGH vom 30.03.2017, III ZR 139/15, BKR 2017, 340; BGH vom 06.10.2020, XI ZB 28/19, VuR 2021, 78 Hierzu gehört, dass der Anklagevermittler prüft, ob der Prospekt ein schlüssiges Gesamtbild über das Beteiligungskonzept vermittelt und ob die Informationen, soweit dies mit zumutbarem Aufwand festgestellt werden kann, richtig und vollständig sind.BGH vom 1.12.2011, III ZR 56/11, NJW 2012, 380 Unterlässt der Anlagevermittler diese Prüfung, muss er seinen Interessenten darauf hinweisen.BGH vom 5.3.2009, III ZR 17/08, WM 2009, 739 Aufklärungspflichtig sind insbesondere sog. Innenprovisionen ab 15 %. Wird über Innenprovisionen aufgeklärt, müssen die Angaben zutreffend sein.BGH vom 22.3.2007, III ZR 218/06, BKR 2007, 254; BGH vom 15.04.2010, II ZR 196/09, BKR 2010, 247
Banken: Eine Haftung der Banken kommt in den Fällen der Anlageberatung nach den o.g. Grundsätzen in Betracht. Tritt ein Anlageinteressent an eine Bank oder der Anlageberater an einen Kunden heran, um über die Anlage eines Geldbetrags beraten zu werden bzw. zu beraten, so wird das darin liegende Angebot zum Abschluss eines Beratungsvertrages angenommen ständige Rechtsprechung etwa BGB vom 12.12.2017, XI ZR 552/16 Nach der Rechtsprechung muss eine beratende Bank den Kunden über eine von ihr vereinnahmte Rückvergütung aus offen ausgewiesenen Vertriebsprovisionen ungefragt aufklären. Offen war bis zur Entscheidung des BGH vom 03.06.2014 (XI ZR 147/02), ob gleichfalls eine Aufklärungspflicht über versteckte Vertriebsprovisionen, also Provisionen, die an die beratende Bank versteckt aus dem Anlagebetrag gezahlt werden, besteht. Dies hat der BGH nunmehr bejaht, allerdings eine schuldhafte Pflichtverletzung für Beratungsverträge bis zum 31.07.2014 abgelehnt unter Hinweis darauf, dass die Banken bis zu diesem Zeitpunkt in einem entschuldbaren Rechtsirrtum gehandelt hätten (BGH vom 03.06.2014, XI ZR 147/12, NJW 2014, 2947). Im Falle eines Auskunftsvertrages muss die erteilte Auskunft richtig zu sein. Bei einem Kreditgeschäft trägt der Kunde die Risiken aus der geplanten Verwendung. Die Bank ist daher nicht verpflichtet zu prüfen, ob das zu finanzierende Objekt seinen Preis wert ist oder ob umzufinanzierende Darlehen möglicherweise sittenwidrig waren oder ein Widerrufsrecht bestand. Dies gilt auch dann, wenn das Kreditinstitut den Fondsbeitritt eines Anlegers finanziert. Die kreditgebende Bank darf regelmäßig darauf vertrauen, dass die Kunden selbst prüfen, ob das Angebot marktgerecht ist. Aufklärungs- und Hinweispflichten können sich daher nur in besonderen Ausnahmefällen ergeben,BGH vom 26.09.2006, XI ZR 283/03, BeckRS 2006, 14052 insbesondere bei einem konkreten Wissensvorsprung der Bank oder in Fällen einer Interessenkollision.
26Ein konkreter WissensvorsprungEtwa BGH vom 19.3.2013, XI ZR 46/11, NJW 2013, 2015, 2016 f; BGH vom 17.07.2012, XI ZR 198/11, NJW 2012, 3294, 3295 der Bank bezüglich etwaiger Prospektmängel der beworbenen Anlage oder sonstiger Risiken begründet eine Aufklärungspflicht gegenüber ihrem Kreditnehmer. Weiß etwa die Bank aus Gesprächen mit der Vertriebsgesellschaft, dass die Ertragsprognosen ins Blaue hinein aufgestellt wurden, so begründet dies eine Aufklärungspflicht gegenüber den Kreditnehmern.BGH vom 5.7.2011, XI ZR 306/10, BeckRS 2011, 23921, Rn. 17 ff
Soweit die Bank mit dem Initiator institutionell zusammenarbeitet, wird ein Wissensvorsprung der Bank widerleglich vermutet. Hierfür reicht es nicht, wenn die Bank dem Initiator vorab eine allgemeine Finanzierungszusage erteilt. Erforderlich ist vielmehr, dass zwischen dem Vertrieb und der Bank eine ständige Geschäftsbeziehung besteht und die Finanzierung im Rahmen des Verkaufs mit angeboten wird.BGH vom 26.09.2006, XI ZR 283/03, BeckRS 2006, 14052, Rn. 30
Die Vermutung setzt außerdem voraus, dass der Kreditnehmer durch unrichtige Angaben bezüglich des Anlageobjekts arglistig getäuscht worden ist und die Unrichtigkeit der Angaben offensichtlich ist. Es muss sich der Verdacht aufdrängen, die Bank habe sich der Kenntnis von der arglistigen Täuschung verschlossen.BGH vom 16.05.2006, XI ZR 6/04, EuZW 2006, 440; BGH vom 26.09.2006, XI ZR 283/03, BeckRS 2006, 14052, Rn. 29
27Rechtsanwälte/Steuerberater/Wirtschaftsprüfer: Durch eine genaue Analyse des Auftragsverhältnisses ist bei rechtlichen Beratern der Pflichtenumfang zu bestimmen. Auch jenseits des Auftrags können Hinweispflichten bestehen, wenn eine Gefahr unschwer zu erkennen ist.BGH vom 26.01.2995, IX ZR 10/94, NJW 1995, 958 f.; BGH vom 13.3.2008, IX ZR 136/07, NJW-RR 2008, 1235, 1236; OLG Hamburg vom 23.05.2017, 9 U 51/14, DStRE 2019, 1169
Grundsätzlich sind rechtliche Berater zu einer umfassenden und erschöpfenden Beratung verpflichtet.BGH vom 13.3.2008, IX ZR 136/07, NJW-RR 2008, 1235, 1236; BGH vom 10.5.2012, IX ZR 125/10, NJW 2012, 2435, 2437; BGH vom 19.01.2006, IX ZR 232/01, WM 2006, 927
Im Rahmen der Steuerberatung besteht die Verpflichtung, auch auf die Möglichkeit einer Steuerersparnis hinzuweisen. Bei einem Dauermandat eines Steuerberaters muss außerdem ungefragt über steuerlich bedeutsame Fragen belehrt werden.BGH vom 23.2.2012, IC ZR 92/08, DStR 2012, 1202, 1203
Die Übersendung allgemein gehaltener News-Letter genügt nicht. Dabei gilt das Gebot des sichersten Wegs.BGH vom 19.01.2006, IX ZR 232/01, WM 2006, 927; BGH vom 10.5.2012, IX ZR 125/10, NJW 2012, 2435, 2437; BGH vom 13.06.2013, IX ZR 155/11, WM 2013, 1754
Der Berater muss den für die rechtliche oder steuerrechtliche Beurteilung wesentlichen Sachverhalt klärenBGH vom 13.6.2013, IX ZR 155/11, WM 2013, 1754 und sich die wesentlichen Unterlagen vorlegen lassen und auswerten.BGH vom 28.09.1982. VI ZR 221/80, BeckRS 1982, 30404792; OLG Düsseldorf vom 11.2.1971, NJW 1971, 1614, 1615
Der Berater muss die notwendige Rechtskenntnis besitzen oder sich verschaffen.BGH vom 15.7.2004, IX ZR 472/00, DStR 2004, 1677, 1678 mwN
Er ist verpflichtet, sich insbesondere im Hinblick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung fortzubilden und sich an ihr bei der Fallbearbeitung zu orientieren.BGH vom 23.9.2010, IX ZR 26/09, DStRE 2011, 191, 192
Auch eine sich abzeichnende Änderung der Rechtsprechung oder der gesetzlichen RahmenbedingungenBGH vom 15.7.2004, IX ZR 472/00, DStR 2004, 1677, 1678 muss der Berater berücksichtigen. Weisungen des Mandanten sind zwar grundsätzlich verbindlich. Der Berater muss sie allerdings prüfenBGH vom 10.5.2012, IX ZR 125/10, NJW 2012, 2435, 2437 und bei Bedenken hierauf hinweisen.OLG Düsseldorf vom 18.10.2005, 24 U 24/05, NJW-RR 2006, 343, 344
Bei einem Prozessauftrag sind die Risiken genau zu analysieren und der Mandant ist hierüber zu informieren.BGH vom 10.5.2012, IX ZR 125/10, NJW 2012, 2435, 2437
Erkennbare Fehler des Gerichts entlasten den Anwalt nicht. Er muss vielmehr rechtzeitig auf eine Berichtigung hinwirken. Der Mandant muss rechtzeitig über die möglichen Rechtsmittel informiert werden.BGH vom 17.9.2009, IX ZR 74/08, NJW 2010, 73, 74
Bei einer rechtsgestaltenden Beratung muss über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Möglichkeiten informiert werden.BGH vom 10.12.1998, IX ZR 358/97, DStRE 1999, 935
Rechtliche Berater können sich auf einen Rechtsirrtum nicht berufen. Sie haben vielmehr jede fehlerhafte rechtliche Beurteilung zu vertreten.BGH vom 13.06.2013, IX ZR 155/11, WM 2013, 175
Bei einer unklaren Rechtslage müssen sie über die bestehenden Risiken belehren. Auf die Verfassungsmäßigkeit einer Norm darf aber grundsätzlich vertraut werden. In Ausnahmefällen, etwa wenn eine Norm im konkreten Normenkontrollverfahren dem BVerfG zur Überprüfung vorgelegt worden ist, muss der Berater zur Einlegung von Rechtsmitteln raten.BGH vom 6.11.2008, IX ZR 140/07, NJW 2009, 1593, 1594
Veranlasst der Berater, dass sein Mandant ein Vertrag mit einem Dritten schließt, etwa über eine Vermögensanlage, so ist der Berater verpflichtet zu offenbaren, wenn er im Zusammenhang mit diesem Vertrag wirtschaftliche Vorteile, etwa eine Provision, erhält BGH vom 6.12.2018 - IX ZR 176/16, NJW-RR 2019, 373
Auch bei rechtlichen Beratern gilt die Vermutung des aufklärungsrichtigen Verhaltens.BGH vom 10.5.2012, IX ZR 125/10, NJW 2012, 2435, 2439; OLG Düsseldorf vom 18.10.2005, 24 U 24/05, NJW-RR 2006, 343, 344 Anders als bei der Anlagevermittlung oder -beratung greift diese Vermutung allerdings nur, wenn es nur eine vernünftige Handlungsalternative gegeben hätte.BGH vom 10.12.1998, IX ZR 358/97, DStRE 1999, 935.BGH vom 13.3.2008, IX ZR 136/07, NJW-RR 2008, 1235, 1236; BGH vom 10.5.2012, IX ZR 125/10, NJW 2012, 2435, 243 Hätte es hingegen mehrere vernünftige Handlungsalternativen gegeben, muss der Mandant darlegen und ggfls. beweisen, für welche Handlungsalternative er sich entschieden hätte.
Der Schadensersatz kann sich auf Strafen und Bußgelder erstrecken.BGH vom 14.11.1996, IX ZR 215/95, NJW 1997, 518
28Bei Wirtschaftsprüfern spielt neben der Haftung für eine falsche rechtliche oder steuerrechtliche Beratung insbesondere auch eine Haftung für fehlerhafte Testate in der Rechtspraxis eine erhebliche Rolle. Nach
Während bei der Jahresabschlussprüfung damit ein Drittschutz grundsätzlich ausscheidet, tritt bei einer Prospektprüfung ein Schadensersatzanspruch aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter grundsätzlich neben den Prospekthaftungsanspruch im engeren Sinn.BGH vom 8.6.2004, X ZR 283/02, NJW 2004, 3420, 3421
29Prospekthaftung: Zu unterscheiden sind im Ausgangspunkt die Prospekthaftung im engeren Sinn, also die Haftung für einen fehlerhaften Prospekt, und die Prospekthaftung im weiteren Sinn, also die Haftung jener Personen, denen Aufklärungspflichten aufgrund vertraglicher oder quasivertraglicher Grundlage obliegen. Bei der Prospekthaftung im engeren Sinn wird das typisierte Vertrauen der Anleger auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der im Prospekt gemachten Angaben geschützt.BGH vom 7.9.2000, VII ZR 443/99, NJW 2001, 436, 437 f.; BGH vom 17.4.2008, III ZR 227/06, NJOZ 2008, 2685, 2686 Bei der Prospekthaftung im weiteren Sinn geht es darum, dass der Anleger in seinem Vertrauen darauf geschützt wird, dass ihm jene Personen, mit denen er im Rahmen der Vermögensanlage in Kontakt getreten ist, ein zutreffendes und vollständiges Bild von der Vermögensanlage vermitteln, ihm also insbesondere auch alle Nachteile und Risiken zutreffend dargestellt werden.
Bei der Prospekthaftung im engeren Sinn ist zwischen der gesetzlichen Prospekthaftung und der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung zu unterscheiden.
Ursprung der gesetzlichen Prospekthaftung war
30Die bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung wurde von der Rechtsprechung zu einer Zeit entwickelt, als spezialgesetzliche Regelungen für die Anlageprodukte des grauen Kapitalmarktes fehlten. Bereits 1978 hat der BGH eine bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung angenommen und sie darauf gestützt, dass der einzelne Anleger einer Publikumsgesellschaft auf die Angaben des ihm überlassenen Prospektes vertraut und die Initiatoren, Gründer und Gestalter daher bei fehlerhaften Prospektangaben haften müssen.BGH vom 7.9.2000, VII ZR 443/99, NJW 2001, 436,437; BGH vom 8.12.2005, VII ZR 372/03, NJW-RR 2006, 610 f
Neben diesen Personen haften im Rahmen der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung auch sog. Garanten, nämlich Personen, die in anderer Weise in die Gestaltung des Prospekts einbezogen sind und durch ihr nach außen in Erscheinung tretendes Mitwirken einen besonderen Vertrauenstatbestand schaffen und Erklärungen abgeben. Dies können insbesondere solche Personen sein, die eine allgemein anerkannte und herausgehobene berufliche und wirtschaftliche Stellung einnehmen.BGH vom 21.11.1983, II ZR 27/83, NJW 1984, 865, 866; BGH vom 17.4.2008, III ZR 227/06, NJOZ 2008, 2685, 2688
Dogmatisch wurde die Haftung aus den Grundsätzen der culpa in contrahendo abgeleitet.BGH vom 21.11.1983, II ZR 27/83, NJW 1984, 865, 866
Während jedoch in den anderen Fällen der culpa in contrahendo das persönliche Vertrauen entscheidend ist, ist für die bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung ein typisiertes Vertrauen in die Vollständigkeit und Richtigkeit der Prospektangaben maßgeblich.BGH vom 8.6.2004, X ZR 283/02, NJW 2004, 3420, 3421
Da mittlerweile die typischen Fälle der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung spezialgesetzlich, nämlich in
Die Frage nach dem Konkurrenzverhältnis zwischen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung und der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung ist von Bedeutung, weil der Verschuldensmaßstab und der Kreis der Verantwortlichen unterschiedlich sind. Für die bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung genügt leichte Fahrlässigkeit, für die spezialgesetzliche Prospekthaftung setzt
Entschieden ist, dass ein Wirtschaftsprüfer, der die in den Emissionsprospekten veröffentlichten Jahresabschlüsse testiert hat, insoweit nicht aus einer Prospekthaftung ieS haftet etwa BGH vom 21.11.2018, VII ZR 232/17, NZI 2019, 395 mwN Abzugrenzen hiervon sind jene Fälle, in denen ein Wirtschaftsprüfer den Prospekt selbst prüft und damit die Gewähr für die Richtigkeit seines Prüfvermerks im Hinblick auf den Prospekt übernimmt. Die Einstandspflicht des Wirtschaftsprüfers beschränkt sich in letzteren Fällen auf jene Prospektaussagen, die ihm zuzurechnen sindBGH v. 21. 2. 2013 – III ZR 139/12, NJW 2013, 1877; BGH v. 17. 11. 2011 − III ZR 103/10, NJW 2012, 758.
31Die Prospekthaftung im weiteren Sinn ist eine Haftung aus culpa in contrahendo (
Diese Personen haben regelmäßig die Pflicht, die Anleger über alle wesentlichen Punkte, insbesondere auch regelwidrige Umstände aufzuklären, die ihnen bekannt sind oder bei gehöriger Prüfung bekannt sein müssen und die für die Anleger von Bedeutung sind.BGH vom 14.01.2002, II ZR 40/00, NJW 2002, 1711; BGH vom 7.4.2003, II ZR 160/02, NJW-RR 2003, 1054, 1055
Notare: Anders als Rechtsanwälte üben Notare ein öffentliches Amt aus. Dennoch haften sie – vergleichbar den anderen Berufsträgern – aus
Bei der Notarhaftung besteht eine Besonderheit, auf die an dieser Stelle kurz hingewiesen werden soll. Im Falle einfacher Fahrlässigkeit im Rahmen der Urkundstätigkeit haftet der Notar nur subsidiär. Falls also der Anspruchsteller anwaltlich beraten war und sein Anwalt ebenfalls fehlerhaft beraten hat, haftet der Notar grundsätzlich nicht.
4) Zusammenfassung der Rechtsprechung
BGH, 13.01.2004 - XI ZR 355/02http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=8568ce041c8ce185a8b7cd22867bfde6&nr=28326&pos=0&anz=1
BGH, 24.01.2006 - XI ZR 384/03http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=a5f2268f1cca6f0bacd3a54c0447b1aa&nr=35317&pos=0&anz=1
BGH, 28.
5) Literaturstimmen
Palandt, BGB-Kommentar, 78. Aufl. (2019)
Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch; BGB Band 2; Schuldrecht Allgemeiner Teil, §
6) Prozessuales
32Beweislast
Für die Pflichtverletzung, die Kausalität und den Schaden trägt grundsätzlich der Geschädigte die Darlegungs- und Beweislast. Demgegenüber trägt der Schädiger die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er und seine Erfüllungsgehilfen nicht schuldhaft gehandelt haben.
Da die Abgrenzung zwischen Pflichtverletzung und Verschulden schwierig ist, ist in Einzelfällen auch schwierig zu ermitteln, wer was darlegen und beweisen muss. Handelt es sich um eine erfolgsbezogene Pflicht, also etwa die Übergabe und Übereignung einer bestimmten Sache, so ergibt sich die Pflichtverletzung bereits daraus, dass der Schuldner nicht oder mangelhaft geliefert hat. Der Gläubiger muss daher im Zusammenhang mit der Pflichtverletzung nur darlegen und ggfls. beweisen, dass der geschuldete Leistungserfolg nicht eingetreten ist. Der Schuldner muss dann im Rahmen seiner Exculpation darlegen und beweisen, dass diese Pflichtverletzung nicht von ihm verschuldet wurde. Bei verhaltensbezogenen Pflichten (etwa Beratungs- oder Auskunftspflichten), kann man die Frage der Pflichtverletzung und die des Verschuldens regelmäßig nicht voneinander zu trennen. Hier muss der Gläubiger im Rahmen der Pflichtverletzung darlegen und beweisen, dass sich aus dem Schuldverhältnis bestimmte Pflichten ergeben, die vom Schuldner verletzt worden sind. Gelingt dem Gläubiger dies, so kann beim Verschulden nur noch ein Rechtsirrtum und fehlende Zurechnungsfähigkeit eingewendet werden.
Diese Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ist insbesondere bei der Expertenhaftung zu beachten. Wird etwa ein Arzt oder ein rechtlicher Berater wegen einer unzureichenden Aufklärung in Anspruch genommen, so muss der Patient/Mandant im Ausgangspunkt darlegen und beweisen, dass der Arzt/Berater pflichtwidrig gehandelt hat. Da dem Patienten/Mandanten aber häufig eine genaue Darlegung nicht möglich ist, weil er die Interna nicht kennt, billigt ihm die Rechtsprechung eine Erleichterung der Darlegungslast – nicht der Beweislast – zu. Ausgangspunkt ist der Umstand, dass negative Tatsachen weder konkret dargelegt noch bewiesen werden können. Behauptet der Patient/Mandant daher, nicht aufgeklärt worden zu sein, muss der Schuldner zunächst darlegen, was und wie er aufgeklärt hat. Der Patient/Mandant muss dann ggfls. nachweisen, dass der Schuldner insoweit unzutreffend vorträgt.
Diese Grundsätze sind insbesondere auch bei einer fehlerhaften Beratung von Anlegern zu beachten. Typischerweise ergibt sich der Inhalt der überlassenen Informationen aus einem Prospekt, der dem Anleger vor Zeichnung ausgehändigt worden ist. Ist der Prospekt unvollständig oder fehlerhaft, so wird der Anleger unzureichend informiert. Der Anlageberater handelt hierbei pflichtwidrig, wenn er den/die Prospektfehler erkannt hat oder bei einer sorgfältigen Prüfung des Prospektes hätte bemerken müssen. Da es sich um die Verletzung einer verhaltensbezogenen Pflicht handelt, indiziert die Pflichtverletzung bereits das Verschulden. Eine Exculpation scheidet daher regelmäßig aus. Für den Anleger streitet außerdem eine Beweislastumkehr bzgl. der Kausalität der Pflichtverletzung für den Schaden. Der Berater muss beweisen, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich pflichtgemäß verhalten hätte, der Anleger also bei einer ordnungsgemäßen und vollständigen Aufklärung über alle Risiken ebenfalls die Kapitalanlage gezeichnet hätteBGH vom 8.5.2012, XI ZR 262/10, NJW 2012, 2427
Der Anleger kann im Rahmen des Schadensersatzes vom Anlageberater vollständigen Ersatz seiner Aufwendungen gegen Übertragung der Beteiligung verlangen.