Schliessen
von Göler (Hrsg.) / Nele Marie Kliemt / § 723
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§ 723 Gründe für das Ausscheiden; Zeitpunkt des Ausscheidens

(1) Folgende Gründe führen zum Ausscheiden eines Gesellschafters aus der Gesellschaft, sofern der Gesellschaftsvertrag für diese Fälle nicht die Auflösung der Gesellschaft vorsieht:

  • 1. Tod des Gesellschafters;
  • 2. Kündigung der Mitgliedschaft durch den Gesellschafter;
  • 3. Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters;
  • 4. Kündigung der Mitgliedschaft durch einen Privatgläubiger des Gesellschafters;
  • 5. Ausschließung des Gesellschafters aus wichtigem Grund.

(2) Im Gesellschaftsvertrag können weitere Gründe für das Ausscheiden eines Gesellschafters vereinbart werden.

(3) Der Gesellschafter scheidet mit Eintritt des ihn betreffenden Ausscheidensgrundes aus, im Fall der Kündigung der Mitgliedschaft aber nicht vor Ablauf der Kündigungsfrist und im Fall der Ausschließung aus wichtigem Grund nicht vor Mitteilung des betreffenden Beschlusses an den auszuschließenden Gesellschafter.

Für den Rechtsverkehr

(für Nichtjuristen)

zum Expertenteil (für Juristen)

Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle

I. Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle

1Mit der Reform des Personengesellschaftsrechts wurde zum 01.01.2024 mit den §§ 723 bis 728b BGB eine übersichtliche Regelung geschaffen, unter welchen Voraussetzungen ein Gesellschafter oder eine Gesellschafterin aus einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ausscheidet und was das für die ausscheidende Person und die Gesellschaft bedeutet.

1. Folgen des Ausscheidens

2Wenn ein Gesellschafter oder eine Gesellschafterin aus der Gesellschaft ausscheidet, wird die Gesellschaft mit den verbliebenen Gesellschaftern oder Gesellschafterinnen fortgesetzt. Ein Fortbestehen ist allerdings nur möglich, wenn mehr als eine Person in der Gesellschaft verbleibt. Denn eine einzelne Person kann keine „Gesellschaft“ in dem Sinne bilden, dafür braucht es stets mindestens zwei oder mehr Personen. Verbleibt nur eine einzelne Person, erlischt die Gesellschaft von Gesetzes wegen (§ 712a Abs. 1 BGB).

3Wie so oft gilt auch hier: Die Gesellschafter und Gesellschafterinnen können im Gesellschaftsvertrag stattdessen regeln, dass sich die GbR auflöst. Das entsprach der alten Rechtslage bis 31.12.2023 und ist auch jetzt noch der gesetzliche Regelfall für die nicht rechtsfähige GbR (eine sog. Innengesellschaft), die nicht im Rechtsverkehr nach außen auftritt. Bei einer solchen Gesellschaft führt das Ausscheiden eines Gesellschafters bzw. einer Gesellschafterin grundsätzlich zur Auflösung der Gesellschaft (§ 740a BGB).

4Beim Tod einer Person kann im Gesellschaftsvertrag stattdessen auch vereinbart werden, dass die Gesellschaft mit den oder dem Erben fortgeführt wird (sog. Nachfolgeklausel, § 711 II BGB).

5Die ausgeschiedene Person (bzw. ihre Erben) hat ggf. Anspruch auf Zahlung einer Abfindung und auf Befreiung von den Verbindlichkeiten der Gesellschaft (§ 728 BGB). Sie haftet ggf. aber auch für einen im Zeitpunkt ihres Ausscheidens bestehende Differenz zwischen den Verbindlichkeiten der Gesellschaft und dem vorhandenen Gesellschaftsvermögen (§ 728a BGB).

2. Gründe für das Ausscheiden eines Gesellschafters bzw. einer Gesellschafterin aus der Gesellschaft

6Das Gesetz zählt die Gründe auf, weshalb eine Person aus einer GbR ausscheidet. Dazu zählen der Tod des Gesellschafters bzw. der Gesellschafterin (Nr. 1) oder seine oder ihre Kündigung (Nr. 2, mehr dazu in § 725 BGB). Dazu zählt aber auch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der betroffenen Person (Nr. 3) und die Kündigung durch einen Privatgläubiger nach Pfändung der Gesellschaftsanteile (Nr. 4, mehr dazu in § 726 BGB). Außerdem besteht die Möglichkeit, jemanden „aus wichtigem Grund“ aus der Gesellschaft auszuschließen (Nr. 5, mehr dazu in § 727 BGB), wenn die Person nicht bereit ist, freiwillig zu gehen. Ein wichtiger Grund in dem Sinne ist z.B. die vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung wesentlicher gesellschaftsvertraglicher Verpflichtungen oder die Unmöglichkeit der Erfüllung solcher Verpflichtungen (z.B. wegen Krankheit).

7Außerdem können durch Gesellschaftsvertrag weitere Gründe für das Ausscheiden einer Person aus der GbR vereinbart werden (§ 723 Abs. 2 BGB).

3. Zeitpunkt des Ausscheidens

8Mit Eintritt des Ausscheidungsgrundes scheidet die betroffene Person aus der Gesellschaft aus (§ 723 III 1. Alt. BGB). Für die Kündigung ist explizit geregelt, dass das Ausscheiden nicht vor Ablauf der Kündigungsfrist eintritt und bei Ausschließung nicht vor Mitteilung des entsprechenden Beschlusses an die betroffene Person.

4. Steuerliche Auswirkungen des Ausscheidens

9Erhält die ausscheidende Person eine Abfindung (§ 728 BGB), stellt dies einen einkommensteuerpflichtigen Gewinn dar.

10Erhält die ausscheidende Person auf Grund der Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag keine Abfindung oder nur eine geringere Abfindung als der Verkehrswert des Gesellschaftsanteils, kann das bei den verbleibenden Gesellschaftern zu einer Erbschafts- bzw. Schenkungssteuerpflicht führen (§ 7 Abs. 7 Erbschaft- und Schenkungssteuergesetz).

11Wird die GbR durch das Ausscheiden einer Person auf Grund einer entsprechenden Regelung im Gesellschaftsvertrag aufgelöst (sog. Auflöseklausel), liegt eine einkommensteuerpflichtige Betriebsaufgabe vor (§ 16 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 EStG). Das heißt, der Verkehrswert des Gesellschaftsanteils wird dem in der Bilanz ausgewiesenen Wert des Gesellschaftsanteils gegenübergestellt, die Differenz wird „aufgedeckt“ (die sogenannten stillen Reserven) und unterliegt als Aufgabegewinn der Einkommensteuer.

 

 

Expertenhinweise

(für Juristen)

1) Allgemeines

12Die Norm regelt die gesetzlichen Gründe, aus denen ein Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) aus der Gesellschaft ausscheidet. Abweichend von der bisherigen gesetzlichen Regelung in § 727 Abs. 1 S. 1 BGB a.F. (bis 31.12.2023 gültig), führt namentlich der Tod eines Gesellschafters gem. Abs. 1 Nr. 1 nun nicht mehr zur Auflösung der Gesellschaft, sondern lediglich zum Ausscheiden des betreffenden Gesellschafters bzw. seiner Erben. Damit wird der stark personalisierten Struktur der GbR insofern Rechnung getragen, als die verbleibenden Gesellschafter nicht gezwungen werden, die Gesellschaft mit den Erben und damit ihnen womöglich völlig fremden Gesellschaftern fortzuführen. Nach der alten Rechtslage musste die GbR beim Tod eines Gesellschafters abgewickelt werden. Das war für werbend tätige Gesellschaften häufig wenig sachgerecht, da gerade der in der Gesellschaft verkörperte Wert nur durch Fortführung der Geschäfte erreicht werden kann. Auch nach altem Recht war es jedoch zulässig, durch Gesellschaftsvertrag die Fortführung der Gesellschaft mit oder ohne die Erben zu vereinbaren. Nunmehr bestimmt Abs. 1 2. Hs. entsprechend, dass im Gesellschaftsvertrag stattdessen die Auflösung der Gesellschaft vereinbart werden kann, wenn ein Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet.

13Weitere Ausscheidensgründe sind die Kündigung der Mitgliedschaft durch den Gesellschafter selbst (Nr. 2), die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters (Nr. 3), die    Kündigung der Mitgliedschaft durch einen Privatgläubiger des Gesellschafters (Nr. 4) und die Ausschließung des Gesellschafters aus wichtigem Grund (Nr. 5).

14Die Norm gilt nur für rechtsfähige GbRs, nicht jedoch für nicht rechtsfähige GbRs, also reine Innengesellschaften. Für diese regelt § 740a BGB, dass sie bei Tod eines Gesellschafters, Kündigung der Gesellschaft durch einen Gesellschafter etc. aufgelöst wird.

15Für die sonstigen Personengesellschaften hat der Gesetzgeber ohnehin Sonderregeln geschaffen. Das Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer OHG oder KG richtet sich nach §§ 130 ff. HGB, wobei es eine Sonderregel für den Tod von KG-Kommanditisten in § 177 HGB gibt. Kündigung und Tod eines stillen Gesellschafters ist in § 234 HGB geregelt. Für Partnerschaftsgesellschaften gilt § 9 Abs. 4 PartGG. Für Kapitalgesellschaften gelten ohnehin eigene Regeln.

16Abweichende Vereinbarungen in Gesellschaftsverträgen sind seit der Gesetzesänderung wohl in den meisten Fällen weniger zwingend, als vor der Gesetzesänderung. Eine individuelle Auseinandersetzung mit der Rechtslage und den Bedürfnissen der Gesellschafter im Einzelfall ist jedoch nach wie vor absolut empfehlenswert. Die häufige Praxis, „keinen Gesellschaftsvertrag“ zu haben – gemeint ist: keinen schriftlich ausformulierten Gesellschaftsvertrag –, ist angesichts der großen Bedeutung von GbRs gerade auch für die daran Beteiligten nicht zu empfehlen.

1.       Nachfolgeklauseln / Gestaltungsfragen

17Mit der Gesetzesänderung zum 01.10.2024 obsolet geworden sind sog. Fortführungsklauseln, mit denen die Fortführung der Gesellschaft bei Tod eines Gesellschafters vereinbart wurde. Nach wie vor erforderlich sind jedoch bei Bedarf sog. Nachfolgeklauseln, also Vereinbarungen, wonach die Gesellschaft mit den Erben des verstorbenen Gesellschafters fortgeführt wird – sofern das erwünscht ist.

18Dabei wird unterschieden, ob die Gesellschaft dabei mit einem oder nur einzelnen Erben des Verstorbenen fortgeführt werden soll. Die einfache Nachfolgeklausel bestimmt, dass die Gesellschaft mit allen Erben fortgesetzt wird, während die qualifizierte Nachfolgeklausel nur bestimmte Erben (z.B. Kinder des Gesellschafters, Ehegatten, Mitgesellschafter) als Nachfolger zulässt. Die „Qualifikation“ kann dabei auch in beruflicher oder sonstiger Qualifikation bestehen, ist häufig aber schlicht eine besondere Nähe zum Gesellschafter, die einen Ausschluss seiner Erben für den Gesellschafter unzumutbar erscheinen lassen. Näher hierzu und zu den Risiken der qualifizierten Nachfolgeklausel siehe Rn 24 ff.

19Eine automatische Nachfolge im Todeszeitpunkt ist auch bei Bestehen einer Nachfolgeklausel nur zu Gunsten der Gesamtrechtsnachfolger des verstorbenen Gesellschafters im Sinne von § 1922 BGB möglich, also zu Gunsten der Erben. Das Recht eines Dritten, im Todesfall statt des Verstorbenen Gesellschafter zu werden, wird durch eine sog. Eintrittsklausel begründet. Diese schafft einen Anspruch des Dritten gegen die Gesellschaft, in die Gesellschaft einzutreten und bedarf nach dem Tod eines Gesellschafters noch des vertraglichen Vollzuges zwischen dem Eintrittsberechtigten und den übrigen Gesellschaftern. Ein automatischer Eintritt im Todesfall kann nur rechtsgeschäftlich verwirklicht werden, indem das spätere Eintrittsrecht, bedingt auf den Todesfall, schon (gesellschafts-)vertraglich zwischen Gesellschaft und Drittem vereinbart wird.

20Einziehungs- bzw. Abtretungsklauseln regeln, dass der Gesellschaftsanteil im Todesfall zwar auf die Erben übergeht, die Mitgesellschafter aber berechtigt sein sollen, durch Beschluss die Einziehung des Anteils zu bewirken oder stattdessen die Abtretung des Anteils an einen Dritten verlangen können.

21Abfindungsklauseln regeln, ob und in welcher Höhe beim Ausscheiden im Todesfall eine Abfindung an die Erben zu bezahlen ist.  Anders als beim Ausscheiden unter Lebenden ist beim Ausscheiden von Todes wegen der vollständige Ausschluss einer Abfindungszahlung zulässig.vgl. Hölscher ZEV 2010, 609 m.w.N.; Wolf, Abfindungsbeschränkungen bei Familiengesellschaften, MittBayNot 2013, 9, 13; a.A, allerdings unter bloßer Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BGH zum Ausscheiden unter Lebenden: OLG Bremen vom 13.03.2013, ZEV 2013, 460; kritisch zur Entscheidung des OLG Bremen, Hannes/von Oertzen ZEV Report Gesellschaftsrecht, ZEV 2013, 419 

22Anzutreffen sind auch Testamentsvollstreckerklauseln, die bestimmen, ob und in welchem Umfang die Rechte an vererbten Gesellschaftsanteilen durch Testamentsvollstrecker geltend gemacht werden können.

23Ist ein Gesellschaftsanteil (aufgrund einer Nachfolgeklausel) auf mehrere Erben übergegangen, ist die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Sondererbfolge an Personengesellschaftsanteilen zu beachten. Der BGH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass eine Erbengemeinschaft nicht Gesellschafter einer werbenden Personengesellschaft sein kann, da dies dem Prinzip der persönlichkeitsbezogenen Arbeits- und Haftungsgemeinschaft widerspreche.grundlegend BGH vom 22.11.1956, NJW 1957, 180 Um eine Vererblichkeit von Gesellschaftsanteilen gleichwohl zu ermöglichen, hat der BGH daher im Recht der Personengesellschaften das Prinzip der Universalsukzession auf die Erbengemeinschaft als Gesamthand durchbrochen und eine „Sondererbfolge in Anteile an Personengesellschaften“ geschaffen. Ist ein Personengesellschaftsanteil vererblich, geht er danach im Todesfall im Wege einer dinglich wirkenden Teilungsanordnung auf die einzelnen Miterben im Verhältnis ihrer Erbteile über. Entgegen § 1922 BGB findet also bzgl. des entsprechenden Gesellschaftsanteils eine Sonderrechtsnachfolge statt. Sind aufgrund einer qualifizierten Nachfolgeklausel nur einzelne Miterben zur Nachfolge zugelassen, so werden nur die zugelassenen Erben – im Verhältnis ihrer Anteile untereinander – Nachfolger in der Gesellschaft. Diese haben, da insoweit eine Teilungsanordnung vorliegt bzw. fingiert wird, den Wert des zugewiesenen Anteils gegenüber den nicht nachfolgeberechtigten Erben im Rahmen der Erbauseinandersetzung auszugleichen.

24Die Praxis der Nachfolge in Gesellschaftsanteile ist häufig von Gesellschaftsverträgen gekennzeichnet, die entweder nicht ausformuliert oder unbesehen aus dem Internet oder von Dritten übernommen wurden, ohne dass die Nachfolgeregelungen auf die Geeignetheit für die spezifische Situation überprüft wurden. Tatsächlich erfordert gerade die Gestaltung von Nachfolgeklauseln in zivilrechtlicher und steuerlicher Hinsicht besondere Umsicht. Die Herausforderung der Gestaltung liegt dabei zunächst in unvermeidbaren Zielkonflikten. Aus Sicht der Gesellschaft soll das Eindringen gesellschaftsfremder Dritter und gleichzeitig eine Verpflichtung zur Abfindungszahlung vermieden werden. Aus Sicht des Gesellschafters soll seine Beteiligung, zumindest aber der in ihr verkörperte Wert, an seine Erben und nicht an seine Mitgesellschafter gehen. Häufig wird dieser Zielkonflikt durch qualifizierte Nachfolgeklauseln gelöst, die nur dem Gesellschafter besonders nahestehende Personen als Nachfolger zulassen. Dass eine verwandtschaftliche oder sonstige Nähebeziehung zum Erblasser dabei aus Sicht der verbliebenen Gesellschafter keine besondere Qualifikation als Gesellschafter darstellt, liegt auf der Hand.

25Einkommensteuerlich sind bei Gestaltung der Klauseln zunächst die ertragsteuerlichen Folgen zu bedenken, wenn der Gesellschaftsanteil nicht übergeht, da das Ausscheiden zu einem steuerpflichtigen Aufgabegewinn führen kann, da die stillen Reserven aufgedeckt werden. Gerade bei der qualifizierten Nachfolgeklausel können ungewollte Einkommensteuerfolgen eintreten, da das zivilrechtliche Eigentum am Gesellschaftsanteil und an dem sonstigen Erblasservermögen aufgrund der Sondererbfolge in Personengesellschaftsanteile (Rn. 23) zu Entnahmetatbeständen führen kann, wenn zivilrechtliches Privatvermögen des Erblassers, das steuerlich als Betriebsvermögen behandelt wird (das betrieblichen Zwecken der Gesellschaft diente, die vom Einkommensteuerrecht fingierte Betriebsvermögenseigenschaft (Sonderbetriebsvermögen, Betriebsaufspaltung) verliert.

26Erbschaftsteuerlich führen Abfindungsbeschränkungsregelungen dazu, dass die Mitgesellschafter den Unterschiedsbetrag zwischen dem Verkehrswert und der zu zahlenden Abfindung als Schenkung zu versteuern haben (§§ 3 Abs. 1 Nr. 2 S. 2, 7 Abs. 7, 10 Abs. 10 S. 1 ErbStG).

27Muster gesellschaftsvertraglicher Nachfolgeklauseln:

ACHTUNG: Es ist keinesfalls ratsam, nachfolgende (oder andere Muster) unbesehen zu übernehmen. Ähnlich wie bei Kleidungstücken gibt es zwar objektiv schlechte, aber auch unter den guten „passende“ oder „unpassende“ Muster. Schon wegen der (steuerlich nicht rückwirkend zu beseitigenden) gravierenden Folgen der Nachfolgeklauseln sollten jegliche Muster nicht ohne fachkundige Beratung in einen Gesellschaftsvertrag übernommen werden. Keinesfalls dürfen Muster übernommen werden, deren Inhalt und Wirkung der Verwender nicht versteht.

1.     Muster für eine einfache erbrechtliche Nachfolgeklausel (Regelungsziel: Die Gesellschaft soll beim Tod eines Gesellschafters mit allen Erben (die dann als Einzelpersonen, nicht in Erbengemeinschaft Gesellschafter werden, sog. Sondererbfolge) fortgeführt werden.

§ .. Tod eines Gesellschafters

Beim Tod eines Gesellschafters wird die Gesellschaft mit den Erben fortgesetzt.

2.     Muster für eine qualifizierte erbrechtliche Nachfolgeklausel mit Abfindungsausschluss: (Regelungsziel: Nur bestimmte, besonders „qualifizierte“ Erben, sollen berechtig sein, Gesellschafter zu werden; ist kein qualifizierter Erbe vorhanden, scheiden die Erben aus und erhalten keine Abfindung.)

§ .. Tod eines Gesellschafters

(1) Beim Tod eines Gesellschafters wird die Gesellschaft fortgesetzt, mit den Erben jedoch nur, sofern diese nachfolgeberechtigt sind.

(2) Nachfolgeberechtigt sind nur die Mitgesellschafter sowie leibliche Abkömmlinge der Gesellschafter.

§ .. Abfindung

Scheidet ein Gesellschafter von Todes wegen aus, ohne dass ein Erbe nachfolgeberechtigt ist, so erhalten seine Erben keine Abfindung.

3.     Muster für eine qualifizierte Einziehungs- und Abtretungsklausel im Gesellschaftsvertrag: (Regelungsziel: Werden Personen Erben eines Gesellschafters, die für die übrigen Gesellschafter potenziell unerwünscht sind, sollen die verbleibenden Gesellschafter die Wahl haben, ob die Erben Gesellschafter werden (und dafür keine Abfindung bekommen) oder Ausscheiden müssen und dafür eine Abfindung bekommen. Namentlich aus erbschaftsteuerlichen Gründen ist vorgesehen, dass statt der Einziehung auch die Abtretung verlangt werden kann.

§ .. Einziehung im Todesfall

Geht ein Geschäftsanteil von Todes wegen auf eine oder mehrere Personen über, die nicht Gesellschafter, Ehegatte, eingetragener Lebenspartner oder Abkömmlinge des Gesellschafters sind, ist die Gesellschafterversammlung berechtigt, innerhalb von sechs Monaten nach Eintritt des Erbfalls die Einziehung des Geschäftsanteils zu beschließen. Der oder die betroffenen Erben sind hierbei nicht stimmberechtigt. Sie erhalten als Abfindung (...). Die Einziehung wird mit der Beschlussfassung wirksam. Die Gesellschaft kann statt der Einziehung beschließen, dass der bzw. die Erben verpflichtet sind, den Gesellschaftsanteil gegen Zahlung der Abfindung an eine oder mehrere von der Gesellschaft bestimmte Person abzutreten. Im Innenverhältnis sind die verbliebenen Gesellschafter dabei berechtigt, die Abtretung an jeden der bisherigen Gesellschafter im Verhältnis der bisherigen Anteile zu verlangen.

4.     Muster für eine gesellschaftsvertragliche Testamentsvollstreckerklausel mit Beschränkung auf Mitgesellschafter (Regelungsziel: Bei Anordnung von Testamentsvollstreckung soll dieser nur unter bestimmten Umständen berechtigt sein, statt des Erben die Rechte des Gesellschafters in der Gesellschafterversammlung geltend zu machen.)

§ .. Testamentsvollstreckung

Für den Fall, dass ein verstorbener Gesellschafter Testamentsvollstreckung angeordnet hat, ist der Testamentsvollstrecker, und nur dieser, auch gegenüber der Gesellschaft berechtigt, die Gesellschafterrechte wahrzunehmen. Dies gilt nur, sofern der Testamentsvollstrecker ein Mitgesellschafter (oder: Verwandter des Erblassers, berufliche Qualifikation, etc.) ist.

                  

2) Zusammenfassung der Rechtsprechung

Pflichtteilsergänzungsansprüche bei Abfindungsausschluss bzw. Abfindungsbeschränkung

Bislang sah der Bundesgerichtshof in dem Ausschluss der Vererblichkeit von Gesellschaftsanteilen, auch verbunden mit einem Ausschluss der Abfindung für die Erben, i.d.R. keine Schenkung, da sie nicht zur Bereicherung der Mitgestellschafter erfolge, sondern zum Schutz der Gesellschaft. Bei wechselseitigen Ausschluss liege zudem ein aleatorisches Geschäft vor, das nicht als unentgeltlich zu qualifizieren sei (BGH v. 26.3.1981 – IVa ZR 154/80, NJW 1981, 1956 unter 2.b; v. 20.12.1965 – II ZR 145/64, WM 1966, 367; obiter dictum zu § 2301 BGB: BGH v. 22.11.1956 – II ZR 222/55, BGHZ 22, 186, NJW 1957, 180 unter II.6 u. 7; offengelassen in BGH v. 14.7.1971 – III ZR 91/70, WM 1971, 1338, BeckRS 1971, 31081173 unter B.2). Diese Rechtsprechung hat der BGH in einer aktuellen Entscheidung (Urteil vom 03.06.2020 - IV ZR 16/19) zwar einerseits bestätigt, andrerseits aber klargestellt, dass dies einer Prüfung nicht entgegenstehe, ob im Einzelfall eine andere Willensrichtung feststellbar sei. Im entschiedenen Fall bejahte er eine Schenkung, da anwachsungsberechtigte Mitgesellschafterin die Ehefrau war, die als Alleinerbin ohnehin Gesellschafterin geworden wäre und es sich zudem um eine vermögensverwaltende Gesellschaft handele, bei der Gesichtspunkte des Unternehmerrisikos keine Rolle spielten.


Fußnoten