Schliessen
von Göler (Hrsg.) / Nicola Sommer / § 2276

§ 2276 Form

(1) Ein Erbvertrag kann nur zur Niederschrift eines Notars bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile geschlossen werden. Die Vorschriften der § 2231 Nr. 1 und der §§ 2232, 2233 sind anzuwenden; was nach diesen Vorschriften für den Erblasser gilt, gilt für jeden der Vertragschließenden.

(2) Für einen Erbvertrag zwischen Ehegatten oder zwischen Verlobten, der mit einem Ehevertrag in derselben Urkunde verbunden wird, genügt die für den Ehevertrag vorgeschriebene Form.

Für den Rechtsverkehr

(für Nichtjuristen)

zum Expertenteil (für Juristen)

Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle

1Aufgrund der Bedeutung und rechtlichen Tragweite eines Erbvertrages schreibt das Gesetz die notarielle Beurkundung vor. Dadurch soll sichergestellt werden, dass der festgehaltene Wille des Erblassers authentisch und vollständig wiedergegeben ist. Auch die Beweisbarkeit des Willens wird durch die notarielle Beurkundung gewährleistet. Die Beteiligung des Notars dient ferner einer sachkundigen Beratung, zu der der Notar verpflichtet ist.

Formgültig kann der Erbvertrag daher nur durch mündliche Erklärung zur Niederschrift vor einem Notar oder durch Übergabe einer offenen oder verschlossenen Schrift errichtet werden, wobei die Beteiligten Kenntnis vom Inhalt der Schrift haben müssen. Weiterhin gibt es die Möglichkeit der Protokollierung vor Gericht. Im Ausland ersetzt der Konsularbeamte den Notar.

Beide Vertragsschließende müssen anwesend sein. Die Anwesenheit des Erblassers ist zwingend. Der Vertragspartner kann sich vertreten lassen, sofern er keine eigenen letztwilligen Verfügungen trifft.

In Absatz 2 ist geregelt, dass eine Verbindung mit einem Ehevertrag möglich ist und dann die für den Ehevertrag geltende Form ausreichend ist. In der Praxis ist diese Vorschrift kaum von Bedeutung, da die formellen Voraussetzungen zwischenzeitlich nahezu gleich sind. Beide Verträge sind unabhängig voneinander, müssen aber in einer notariellen Niederschrift beurkundet werden.

Ein Verstoß gegen die vorgeschriebene Form führt zur Nichtigkeit des Vertrages. Es bleibt dann im Ausnahmefall noch die Umdeutung in ein Testament.

Expertenhinweise

(für Juristen)

1) Allgemeines

2Normzweck

Die Vorschrift ist zurückzuführen auf den Grundsatz der Formstrenge im Erbrecht. Der Erblasserwille soll geschützt werden, indem Beweisbarkeit, Authentizität und Vollständigkeit der Erklärung durch die vorgeschriebene Form sichergestellt werden.

Da dieselben Grundsätze wie beim Ehevertrag zugrunde gelegt werden, hat Abs. 2 zwischenzeitlich eine geringe Bedeutung.

Die zugrundeliegenden Erwägungen entsprechen im Übrigen denen in § 2274 BGB.

2) Definitionen

a) Wesentlicher Inhalt

3aa) Form

Durch die Verweisung auf § 2231 Nr. 1 BGB und §§ 2232 und 2233 BGB wird klargestellt, dass der Erbvertrag gleich einem Testament durch mündliche Erklärung zur Niederschrift eines Notars sowie durch Übergabe einer offenen oder verschlossenen Schrift errichtet werden kann. Es besteht auch die Möglichkeit, dass der Erblasser seinen Willen durch Gebärden und Zeichen dem Notar gegenüber kundtut.OLG Koblenz Urt. v. 15.11.2018 – 1 U 1198/17, ErbR 2019, 584 ff. 

Im Ausland kann die Erklärung zur Niederschrift des Konsularbeamten erfolgen (§§ 2, 10, 11 Abs. 1 KonsularG).

Die notarielle Form kann gem. § 127a BGB durch die Aufnahme der Erklärungen beider Vertragsteile in ein gerichtliches Protokoll ersetzt werden.

4bb) Art der Erklärungen

Bei mündlicher Erklärung vor dem Notar müssen beide Vertragsschließenden zugegen sein.

Persönliche Anwesenheit ist für den Erblasser zwingend vorgeschrieben (vgl. § 2274 BGB). Trifft der Vertragspartner keine eigenen letztwilligen Verfügungen, kann er sich vertreten lassen. Sofern in der Urkunde jedoch genehmigungsfähige und nicht genehmigungsfähige Handlungen verknüpft werden, kann dies zur Nichtigkeit des gesamten Vertrages führen.OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. 6. 2011 - 3 Wx 56/11, NJW-RR 2012, 458 ff. 

Bei vollmachtloser Vertretung bleibt der Vertrag weiterhin bis zur Genehmigung schwebend unwirksam. Die Genehmigung muss bis zum Tod des Erblassers vorliegen. Ansonsten ist der Vertrag nicht formgültig zustande gekommen.

Die Vertragsbeteiligten dürfen sich unterschiedlicher Formen der Erklärung bedienen.

Erfolgt die Errichtung durch Übergabe einer verschlossenen Schrift, muss der Vertragspartner aber den Inhalt kennen, was in die notarielle Urkunde aufzunehmen ist. Der Notar hat sich auch davon zu überzeugen, dass der Erblasser imstande ist, die Schrift zu lesen, da demjenigen andernfalls diese Form der Errichtung gem. § 2233 BGB verwehrt ist.

Im Fall der Protokollierung vor Gericht ist zu beachten, dass der Erblasser seiner Anwesenheitspflicht sowie der Pflicht zur persönlichen Abgabe der Erklärung vor Gericht nachkommen muss, indem er persönlich die Erklärung genehmigt. Herrscht für das Verfahren Anwaltszwang wird die notarielle Form gem. § 127a BGB nur dann ersetzt, wenn Erblasser und Verfahrensbevollmächtigter die Erklärung abgeben.OLG Frankfurt a. M. Beschl. v. 20.3.2014 – 20 W 520/11, BeckRS 2015, 6817 (FamRZ 2015, 1318ff.); OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. 10. 2006 - 3 Wx 185/06, NJW 2007, 1290 ff. Eine formwirksame Protokollierung ist auch im schriftlichen Verfahren gem. § 278 Abs. 6 ZPO, analog § 127a BGB möglich.BGH, Beschluss vom 1.2.2017 – XII ZB 71/16, NJW 2017, 1946 ff. 

5b) Verbindung mit einem Ehevertrag

Nach früherem Recht waren verschiedene Personengruppen (wie z.B. schreib- oder sprechunfähige) von der Errichtung eines Testaments faktisch ausgeschlossen. Ihnen kam dann die Erleichterung der Form des § 1410 BGB zugute, so dass die Errichtung eines Erbvertrages im Zusammenhang mit einem Ehevertrag durch Verheiratete oder Verlobte ermöglicht wurde.

Nach der Gesetzesreform hat die Vorschrift praktisch keine Bedeutung mehr, da die Voraussetzungen nahezu gleich sind. Es verbleiben nur Unterschiede im Beurkundungsrecht.

Die beiden Verträge sind zwingend in einer Urkunde zu erfassen, obwohl zwei getrennte Verträge vorliegen. Der ehevertragliche Teil kann allerdings nicht durch Übergabe einer offenen oder verschlossenen Schrift abgeschlossen werden, da § 1410 BGB dies nicht vorsieht.

c) Rechtsfolge

Sofern die Formvorschriften nicht eingehalten wurden, ist der Erbvertrag nichtig. Sind einzelne Regelungen im Erbvertrag auslegungsbedürftig, richtet sich dies nach den Vorschriften der §§ 133, 2084 BGB und führt nicht zur Formnichtigkeit des Vertrages.KG, Beschl. v. 21.08.2015 – 6 W 164/14, ErbR 2016, 522 ff.; LG Düsseldorf, Urt. v. 11.11.2014 – 1 O 215/12, ErbR 2015, 275 ff. Der Vertrag kann auch ausnahmsweise gem. § 140 BGB in ein Testament umgedeutet werden, falls dies den Formvorschriften entspricht.OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.12.1996 - 3 Wx 335/96, FamRZ 1997, 771 ff. 

 

3) Literaturstimmen

  • Palandt, 79. Auflage 2020 
  • Münchner Kommentar zu BGB, 8. Auflage 2020 
  • Burandt/Rojahn, Erbrecht, 3. Auflage 2019 
  • Kroiß/Ann/Mayer, BGB, Erbrecht, 5. Auflage 2018 
  • Firsching /Graf, Nachlassrecht, § 12 Der Erbvertrag, 11. Auflage 2019

4) Häufige Paragraphenketten


Fußnoten