Schliessen

§ 1577 Bedürftigkeit

(1) Der geschiedene Ehegatte kann den Unterhalt nach den §§ 1570 bis 1573, 1575 und 1576 nicht verlangen, solange und soweit er sich aus seinen Einkünften und seinem Vermögen selbst unterhalten kann.

(2) Einkünfte sind nicht anzurechnen, soweit der Verpflichtete nicht den vollen Unterhalt (§§ 1578 und 1578b) leistet. Einkünfte, die den vollen Unterhalt übersteigen, sind insoweit anzurechnen, als dies unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse der Billigkeit entspricht.

(3) Den Stamm des Vermögens braucht der Berechtigte nicht zu verwerten, soweit die Verwertung unwirtschaftlich oder unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse unbillig wäre.

(4) War zum Zeitpunkt der Ehescheidung zu erwarten, dass der Unterhalt des Berechtigten aus seinem Vermögen nachhaltig gesichert sein würde, fällt das Vermögen aber später weg, so besteht kein Anspruch auf Unterhalt. Dies gilt nicht, wenn im Zeitpunkt des Vermögenswegfalls von dem Ehegatten wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann.

Für den Rechtsverkehr

(für Nichtjuristen)

zum Expertenteil (für Juristen)

Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle

Voraussetzung eines jeden nachehelichen Unterhaltsanspruchs ist die Bedürftigkeit des Berechtigten.BGH FamRZ 1989, 487 und ständig; vgl. auch BVerfG FamRZ 2001, 1685

Der geschiedene Ehegatte ist nur bedürftig, wenn und soweit er mit seinen prägenden und nicht prägenden unterhaltsrechtlich bereinigten Einkünften und – soweit geboten – durch Verwertung seines Vermögens seinen an den ehelichen Lebensverhältnissen ausgerichteten Bedarf nicht oder nicht in vollem Umfang zu decken vermag und hierzu auch nicht verpflichtet ist. Wird der Bedarf nicht nach einer Quote vom Einkommen, sondern konkret nach den jeweils maßgeblichen Lebensverhältnissen bestimmt, ist das eigene Einkommen des Berechtigten ungekürzt auf den Bedarf anzurechnen. Ein Erwerbstätigenbonus ist nicht zu berücksichtigen.BGH FamRZ 2011, 192; OLG Frankfurt a.M. FamRZ 2012, 1392

§ 1577 Abs. 1 und 2 BGB beziehen sich auf die Anrechnung eigener Einkünfte einschließlich zuzurechnender Erträge auf das Vermögen. § 1577 Abs. 2 BGB ist im Rahmen des TrennungsunterhaltsBGH FamRZ 1995, 343, des Unterhalts nach § 1615 BGBBGH FamRZ 2005, 442; OLG München FuR 2006, 187 und auch im Rahmen des Verwandtenunterhalts (§§ 1601 ff. BGB)BGH FamRZ 1995, 475 analog anwendbar. Durch das UÄndG 2008 ist der Klammerzusatz in § 1577 Abs. 2 BGB ergänzt. Mit dem Hinweis auch auf § 1578b BGB wird klargestellt, dass der „volle Unterhalt“ im Sinne der Bestimmung, nicht nur der Unterhalt nach Maßgabe der ehelichen Lebensverhältnisse (§ 1578 Abs. 1 BGB), sondern ggf. auch der aus Billigkeitsgründen herabgesetzte Unterhalt nach § 1578b BGB sein kann.

§ 1577 Abs. 3 BGB regelt die Obliegenheit zur Vermögensverwertung und § 1577 Abs. 4 BGB den Wiedereintritt der Bedürftigkeit nach Vermögenswegfall.

Expertenhinweise

(für Juristen)

1) Allgemeines

1Vorraussetzung eines jeden nachehelichen Unterhaltsanspruchs ist die Bedürftigkeit des Berechtigten.BGH FamRZ 1989, 487 und ständig; vgl. auch BVerfG FamRZ 2001, 1685

Der geschiedene Ehegatte ist nur bedürftig, wenn und soweit er mit seinen prägenden und nicht prägenden unterhaltsrechtlich bereinigten Einkünften und – soweit geboten – durch Verwertung seines Vermögens seinen an den ehelichen Lebensverhältnissen ausgerichteten Bedarf nicht oder nicht in vollem Umfang zu decken vermag und hierzu auch nicht verpflichtet ist. Wird der Bedarf nicht nach einer Quote vom Einkommen, sondern konkret nach den jeweils maßgeblichen Lebensverhältnissen bestimmt, ist das eigene Einkommen des Berechtigten ungekürzt auf den Bedarf anzurechnen. Ein Erwerbstätigenbonus ist nicht zu berücksichtigen.BGH FamRZ 2011, 192; OLG Frankfurt a.M. FamRZ 2012, 1392

§ 1577 Abs. 1 und 2 BGB beziehen sich auf die Anrechnung eigener Einkünfte einschließlich zuzurechnender Erträge auf das Vermögen. § 1577 Abs. 2 BGB ist im Rahmen des Trennungsunterhalts,BGH FamRZ 1995, 343 des Unterhalts nach § 1615 BGBBGH FamRZ 2005, 442; OLG München FuR 2006, 187 und auch im Rahmen des Verwandtenunterhalts (§§ 1601 ff. BGB)BGH FamRZ 1995, 475 analog anwendbar. Durch das UÄndG 2008 ist der Klammerzusatz in § 1577 Abs. 2 BGB ergänzt. Mit dem Hinweis auch auf § 1578b BGB wird klargestellt, dass der „volle Unterhalt“ im Sinne der Bestimmung, nicht nur der Unterhalt nach Maßgabe der ehelichen Lebensverhältnisse (§ 1578 Abs. 1 BGB), sondern ggf. auch der aus Billigkeitsgründen herabgesetzte Unterhalt nach § 1578b BGB sein kann.

§ 1577 Abs. 3 BGB regelt die Obliegenheit zur Vermögensverwertung und § 1577 Abs. 4 BGB den Wiedereintritt der Bedürftigkeit nach Vermögenswegfall.

2) Definitionen

a) Bedürftigkeit

2Die Bedürftigkeit richtet sich allein nach unterhaltsrechtlichen Kriterien.

Der Bedarf bestimmt sich nach §§ 1578, 1578b BGB. Bei begründetem Mehrbedarf besteht der volle Unterhalt aus Quotenunterhalt und ungedecktem Mehrbedarf.

Die Bedürftigkeit ist nach dem konkreten Unterhaltszeitraum zu beurteilen (zeitliche Kongruenz).

3) Abgrenzungen, Kasuistik

a) Einkünfte aus Erwerbstätigkeit.

Ausgangspunkt sind die um Steuern, Vorsorgeaufwendungen und Werbungskosten verminderten Einnahmen. Wird der Unterhalt nach einer Quote vom Einkommen bemessen, ist auch beim Berechtigten ein Erwerbstätigenbonus zu berücksichtigen. Dies gilt nicht beim konkret berechneten Bedarf.

b) Geldwerte Vorteile.

4) Zusammenfassung der Rechtsprechung

Leistungen mit Lohnersatzfunktion:

• Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
• Krankengeld
• Krankenhaustagegeld
• Kurzarbeitergeld
• Schlechtwettergeld
• Streikgeld
• Wartegeld
• Übergangsgeld
• Überganggebürnisse
• Arbeitslosengeld I
• Wohngeld
• Elterngeld hinsichtlich des 300,- € (bei verlängerter Bezugsdauer: 150,- €) übersteigenden Betrages. Das Gleiche   gilt für das Betreuungsgeld.

5) Prozessuales

Darlegungs- und Beweislast

11Der Unterhaltsgläubiger hat alle seine Bedürftigkeit berührenden Tatsachen darzulegen und ggf. zu beweisen BGH FamRZ 2013, 274; FamRZ 1980, 126, insbesondere

  • die Höhe seiner Einkünfte aus Erwerbstätigkeit
  • vergebliche Bemühungen um den Erhalt einer Arbeitsstelle einschließlich einer fehlenden Beschäftigungschance auf dem Arbeitsmarkt
  • alle der Ausübung oder Ausweitung einer Erwerbstätigkeit entgegenstehenden Gründe
  • die Unzumutbarkeit einer tatsächlich ausgeübten Erwerbstätigkeit
  • den Umfang des Vermögens und daraus erzielter Erträge
  • die Unwirtschaftlichkeit und Unbilligkeit beim Einsatz des Vermögensstamms
  • die nicht nachhaltige Sicherung des Unterhalts durch weggefallenes Vermögen
  • das Nichtbestehen einer neuen Partnerschaft und das aus einer solchen keine Leistungen keine Leistungen bezogen werden.

Der Grundsatz der Eigenverantwortung aus § 1569 BGB etabliert hohe Anforderungen an die Nachweispflicht des Berechtigten, sich um eine eigene Erwerbstätigkeit zu bemühen.BGH FamRZ 1991, 416


Fußnoten