§ 2303 Pflichtteilsberechtigte; Höhe des Pflichtteils
(1) Ist ein Abkömmling des Erblassers durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen, so kann er von dem Erben den Pflichtteil verlangen. Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils.
(2) Das gleiche Recht steht den Eltern und dem Ehegatten des Erblassers zu, wenn sie durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen sind. Die Vorschrift des § 1371 bleibt unberührt.
Für den Rechtsverkehr
(für Nichtjuristen)
zum Expertenteil (für Juristen)
Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle
1Das Pflichtteilsrecht hat innerhalb der erbrechtlichen Normen die größte praktische Bedeutung. Der weitaus größte Anteil erbrechtlicher Auseinandersetzungen, insbesondere auch der Gerichtsverfahren beschäftigt sich mit Fragen des Pflichtteilsrechts. Die besondere Problematik entsteht u.a. daraus, dass für die Ermittlung pflichtteilsrechtlicher Ansprüche Vermögensverfügungen, insbesondere Schenkungen bzw. Ausstattungen des Erblassers zu Lebzeiten Relevanz erhalten können und entsprechend schwer aufklärbar sind. Die Ermittlung der Nachlasswerte, die für die Pflichtteilsberechnung relevant sind, bringt ebenfalls Streitpotential.
Expertenhinweise
(für Juristen)
1) Allgemeines
2Die hohe Streitbarkeit des Pflichtteilsrechts geht u.a. auch auf die als konflikthaft empfundene Begrenzung der Testierfreiheit des Erblassers zurück. Obwohl die erbrechtliche Mindestbeteiligung, wie sie das Pflichtteilsrecht vorsieht, im Vergleich mit ausländischen Regelungen keine überdurchschnittlich große Eingriffstiefe mit sich bringt, ist das Pflichtteilsrecht auch verfassungsrechtlich bereits intensiv diskutiert worden.
2) Definitionen
a) Abkömmlinge
7Der Kreis der Abkömmlinge umfasst alle mit dem Erblasser in absteigender gerader Linie gemäß
Die Behandlung nichtehelicher Abkömmlinge bringt nach einer gesetzlichen Neuregelung keine Probleme mehr. Nichteheliche Kinder sind ehelichen in erbrechtlicher Hinsicht mittlerweile vollständig gleichgestellt. Lediglich für vor dem 01.07.1949 geborene nichteheliche Kinder gab es eine rechtliche Möglichkeit, durch die Erfüllung eines Erbersatzanspruchs auf einseitige Initiative des Elternteils abzufinden. Das Recht der DDR setzte die vollständige Gleichstellung bereits seit 1979 um. Nachdem es für die Frage der Pflichtteilsberechtigung ausschließlich auf die tatsächliche Abstammung ankommt, stellt die Vaterschaft eine Vorfrage dar, deren Klärung familienrechtlichen Vorgaben insbesondere bei rechtlicher Ehelichkeit des pflichtteilsberechtigten Kindes folgt. Von der Feststellung hängt nicht nur der Pflichtteilsanspruch des nichtehelichen Kindes, sondern die Quote der weiteren, d.h. ehelichen Abkömmlinge ab.vgl. detaillierter BeckOK
b) Adoptivkinder
8Hat der Erblasser ein Kind adoptiert, steht dieses einem leiblichen bzw. ehelichen Kind vollständig gleich. Bei der Annahme eines Minderjährigen gemäß §§ 1741 bis 1766 BGB erlöschen durch die Annahme alle bisher bestehenden Verwandtschaftsverhältnisse zu der Herkunftsfamilie und es werden zu der Familie des Annehmenden ausschließlich neue Verwandtschaftsverhältnisse begründet, so als wäre das angenommene Kind schon immer leiblicher Abkömmling des Annehmenden gewesen (sogenannte Volladoption). Der Angenommene erwirbt mithin ein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht auch gegenüber den Eltern des Annehmenden (Adoptivgroßeltern), obwohl diese an der Adoption nicht beteiligt waren. Wird das Kind des Ehegatten adoptiert, bleibt die Verwandtschaft zu diesem gemäß
Von der Minderjährigenadoption mit der starken Wirkung einer Volladoption zu unterscheiden ist die Annahme eines Volljährigen. Durch diese werden grundsätzlich die Verwandtschaftsverhältnisse des Volljährigen gemäß
c) Eltern
9Die Eltern sind gemäß
d) Ehegatten
10Pflichtteilsberechtigt ist ein Ehegatte, wenn er mit dem Erblasser in rechtsgültiger Ehe gelebt hat und der Erblasser weder einen begründeten Scheidungsantrag gestellt noch die Zustimmung zu einem solchen Antrag des anderen Ehegatten erklärt hat. Das Ehegattenerbrecht erlischt mithin lediglich dann, wenn der Ehegatte selbst Veranlassungen gerichtet auf Scheidung oder auch Aufhebung der Ehe unternommen hat. Ein langes Getrenntleben ohne eigenen Scheidungsantrag des Erblassers ist bedeutungslos. Auch reicht die Antragstellung allein für den Wegfall des Ehegattenerbrechts gemäß
e) Lebenspartner
11Gemäß
f) Ausschluss von der Erbfolge
12Die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs setzt voraus, dass der Berechtigte von der Erbfolge testamentarisch bzw. durch letztwillige Verfügung ausgeschlossen wurde. Dabei ist unerheblich, ob ihm ein Erbanteil oder ein Vermächtnis zugewandt wurde. Erhält der Pflichtteilsberechtigte durch letztwillige Verfügung weniger, als seiner Pflichtteilsquote entsprechen würde, kann er einen Ergänzungspflichtteil gemäß
Ist der Pflichtteilsberechtigte z.B. als Nacherbe nicht enterbt, muss er die Erbschaft zunächst ausschlagen. Gleiches gilt für die Zuwendung eines Vermächtnisses. Schlägt der Begünstigte nicht aus, kann er lediglich den Ergänzungspflichtteil geltend machen, auf den der Wert der Zuwendung bzw. des Erbanteils angerechnet werden muss. Durch die Ausschlagung erlischt regelmäßig nicht nur das Erb-, sondern auch das Pflichtteilsrecht. Es gibt lediglich zwei gesetzlich vorgesehene Ausnahmefälle, in denen eine Ausschlagung erfolgen kann, um einen Pflichtteilsanspruch geltend zu machen: Im Fall der Wahl der güterrechtlichen Lösung ermöglicht
3) Abgrenzungen, Kasuistik
a) Pflichtteilsschuldner
13Pflichtteilsschuldner ist der Erbe bzw. die Miterben als Gesamtschuldner. Der Pflichtteilsanspruch ist gemäß
Ist Testamentsvollstreckung angeordnet, ist der Testamentsvollstrecker weder Schuldner des Pflichtteilsanspruchs, noch der auf dessen Ermittlung gerichteten Auskunft.
4) Zusammenfassung der Rechtsprechung
19Ein pflichtteilsberechtigter Abkömmling kann einen Auskunftsanspruch über den Nachlasswert erst geltend machen, wenn er eine Nacherbschaft ausgeschlagen hat. Die bloße Absicht, die Nacherbschaft auszuschlagen, rechtfertigt einen Auskunftsanspruch nicht.vgl. OLG Karlsruhe BeckRS 2014, 13795
Der gem.