§ 2318 Pflichtteilslast bei Vermächtnissen und Auflagen
(1) Der Erbe kann die Erfüllung eines ihm auferlegten Vermächtnisses soweit verweigern, dass die Pflichtteilslast von ihm und dem Vermächtnisnehmer verhältnismäßig getragen wird. Das Gleiche gilt von einer Auflage.
(2) Einem pflichtteilsberechtigten Vermächtnisnehmer gegenüber ist die Kürzung nur soweit zulässig, dass ihm der Pflichtteil verbleibt.
(3) Ist der Erbe selbst pflichtteilsberechtigt, so kann er wegen der Pflichtteilslast das Vermächtnis und die Auflage soweit kürzen, dass ihm sein eigener Pflichtteil verbleibt.
Für den Rechtsverkehr
(für Nichtjuristen)
zum Expertenteil (für Juristen)
Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle
1In den §
Expertenhinweise
(für Juristen)
1) Allgemeines
2Die Regelung des
3Leistet der Erbe in Unkenntnis seines Kürzungsrechtes bereits an den Vermächtnisnehmer oder Auflagenbegünstigten, kann er die erbrachte Leistung nach
4Die Regelung findet auf den ordentlichen Pflichtteil und den Pflichtteilsergänzungsanspruch Anwendung.Dieckmann in Soergel, BGB Kommentar, § 2318, RN 1.
2) Definitionen
a) Kürzungsrecht des Abs. 1
aa) Grundgedanke
5Der Grundgedanke des
3) Abgrenzungen, Kasuistik
a) Berechnung des Kürzungsbetrages gemäß Abs. 1
(1) Martin´sche Formel
15Grundsätzlich wird der Kürzungsbetrag nach der sogenannte Martin´schen Formel berechnetMartin, ZBIFG 14, 789, 790. :
16Kürzungsbetrag = ( Pflichtteilslast x Vermächtnis/ Auflage ) : Ungekürzten Nachlass
17Beispiel: Der Nachlasswert beträgt 90.000,- €. Die einzige Tochter T wurde enterbt und die Lebensgefährtin L testamentarisch als Alleinerbin eingesetzt. Der Freund F soll ein Vermächtnis von 15.000,- € erhalten.
18Der Pflichtteilsanspruch der T beläuft sich auf 45.000,- €, für den die L im Außenverhältnis als Alleinerbin der T gegenüber voll haftet. Mangels abweichender Anordnung des Erblassers haben sich T und F im Innenverhältnis die Pflichtteilslast verhältnismäßig zu teilen, wobei sich der Kürzungsbetrag nach der Martin´schen Fromel auf 7.500,- € (45.000,- € x 15.000,- € : 90.000,- € ) errechnet, die die L dem F gegenüber mittels einer peremtorischen Einrede vom Vermächtnisbetrag von 15.000,- € kürzen kann.
(2) Berechnung gemäß prozentualer Quote
19In einfachen Fällen, in denen weder Anrechnungs- oder Ausgleichspflichten vorliegen, kann der Kürzungsbetrag auch einfacher errechnet werden, indem das Vermächtnis bzw. die Auflage um den Pflichtteilsanteil des Berechtigten am Nachlass ausgedrückt durch Prozente gekürzt wird.Dieckmann in Soergel, BGB Kommentar,
20Dem obigen Beispiel folgend ergibt sich folgende Berechnung:
21Pflichtteilsanspruch der T = 50 %
22Vermächtnis 15.000,- € x 50 % = 7.500,- €
b) Beispielrechnung bei eingeschränktem Kürzungsrecht des Abs. 2
23Der Nachlass beträgt 400.000,- €. Der Erblasser setzt seine Lebensgefährtin L zur Alleinerbin ein. Seinen Sohn S enterbt er. Seine Tochter T bedenkt er mit einem Vermächtnis von 100.000,- €. Seinem langjährigen Freund F möchte er ebenfalls ein Vermächtnis von 100.000,- € zukommen lassen.
24Die gesetzlichen Abkömmlinge S und T haben jeweils einen Pflichtteilsanspruch in Höhe von 100.000,- € entsprechend
c) Beispielrechnung bei der erweiterten Kürzung nach Abs. 3
25Der Nachlass beträgt 60.000,- €. Der Sohn S ist Alleinerbe. Die Tochter T enterbt. Die Lebensgefährtin L erhält ein Vermächtnis von 50.000,- €. S nimmt das Erbe an.
26S hat demnach das Vermächtnis zu leisten, womit ihm nur noch 10.000,- € verblieben. Sein Pflichtteilanspruch würde sich aber auf 15.000,- € belaufen;
d) Konkurrenzen
27Treffen Abs. 2 und Abs. 3 zusammen, so geht die hA davon aus, dass dem Erben der Vorrang einzuräumen ist.h.M. Weidlich in Palandt, BGB Kommentar, 73. Aufl. 2014,
28Das Kürzungsrecht besteht auch gegenüber Miterben. Die Regelung des
4) Zusammenfassung der Rechtsprechung
- OLG Koblenz, 02.12.2013 – 3 W 658/13https://beck-online.beck.de/Default.aspx?vpath=bibdata/zeits/zev/2014/cont/zev.2014.117.7.htm&pos=0&hlwords=#xhlhit
- OLG Koblenz, 02.12.2013 -3 W 358/13https://beck-online.beck.de/Default.aspx?vpath=bibdata/ents/beckrs/2013/cont/beckrs.2013.21753.htm&pos=3&hlwords=#xhlhit
- LG Düsseldorf, 09.01.2008, 11 O 290/07https://beck-online.beck.de/?vpath=bibdata/ents/lsk/2008/1500/lsk.2008.15.0147.htm&pos=5&hlwords=#xhlhit
5) Literaturstimmen
- Palandt, BGB-Kommentar, 73. Auflage, 2014
- Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch: BGB Band 5, Erbrecht, §
§ 1922 – 2385 BGB §§ 27-35 BeurkG - Soergel, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch: Band 22, Erbrecht 1, 13. Auflage.
- Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wälzholz, Handbuch zum Pflichtteilsrecht, 3. Auflage 2013
6) Häufige Paragraphenketten
§ 426, § 813, § 1371,
§
7) Prozessuales
29Für die Kürzungsvoraussetzungen des Pflichtteilsanspruchs trägt der Erbe die Darlegungs- und Beweislast. Daher ist es ratsam, in einem Prozess gegen den Pflichtteilsberechtigten auch bereits dem Vermächtnisnehmer bzw. Auflagenbegünstigten gemäß §
8) Anmerkungen
30Den Rechtsberater trifft grundsätzlich eine Aufklärungsverpflichtung über die vorliegende Verpflichtung zur Beteiligung des Vermächtnisnehmers oder Auflagenbegünstigen an der Pflichtteilslast zu dem Zeitpunkt, zu dem der Pflichtteil feststeht. Der Beginn der Verjährung richtet sich nach der Anspruchsentstehung, wofür wiederum eine Fälligkeit Voraussetzung ist. Eine Fälligkeit ist aber erst zu dem Zeitpunkt gegeben, in dem die Höhe des Pflichtteils feststeht.LG Düsseldorf, NJW-RR 2008, 678-679.