§ 1938 Enterbung ohne Erbeinsetzung
Der Erblasser kann durch Testament einen Verwandten, den Ehegatten oder den Lebenspartner von der gesetzlichen Erbfolge ausschließen, ohne einen Erben einzusetzen.
Für den Rechtsverkehr
(für Nichtjuristen)
zum Expertenteil (für Juristen)
Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle
1Der Erblasser kann nach dieser Vorschrift gezielt bestimmte Personen oder auch ganze Stämme von der Erbfolge ausschließen. Er muss nicht gleichzeitig anordnen, wer den durch diese Enterbung frei gewordenen Anteil am Nachlass erhält.
21. Form der Enterbung
Die Enterbung kann durch ein einseitiges Testament, durch ein Ehegattentestament und durch einen Erbvertrag erfolgen.
Erfolgt eine Enterbung durch ein Ehegattentestament oder durch einen Erbvertrag, kann eine solche Enterbung aber nicht wechselbezüglich angeordnet werden, d.h. es erfolgt keine Bindungswirkung dieser Verfügung nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten.BayOblG v. 21.07.1992 – 1 Z 62/91 -, FamRZ 1993, 240
32. Umfang der Enterbung
Durch eine letztwillige Verfügung kann das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten, des Lebenspartners und der Verwandten ausgeschlossen werden, nicht aber das gesetzliche Erbrecht des Staates nach
Der Ausschluss kann explizit, aber auch stillschweigend erfolgen. Dann muss jedoch der Ausschlusswille im Testament eindeutig zum Ausdruck kommen.
Der Ausschluss kann in vollem Umfang oder nur auf einen Bruchteil erfolgen. Die Enterbung kann auch bedingt erfolgen.
Im Zweifel ist nur die genannte Person vom Erbrecht ausgeschlossen, nicht dessen Abkömmlinge. Daher sollte zur Vermeidung von Zweifeln von dem Erblasser in seiner Verfügung explizit bestimmt werden, ob auch der Stamm des Enterbten von der Erbfolge ausgeschlossen sein soll.
43. Begründung der Enterbung
Eine Begründung der Enterbung ist nicht erforderlich.
Umgangssprachlich wird mit dem Begriff der „Enterbung“ oftmals gemeint, dass der Enterbte keinerlei Anteil am Nachlass und damit auch seinen Pflichtteil nicht erhalten soll. Da juristisch aber zwischen Enterbung und Pflichtteilsentziehung differenziert wird, sollten die Gründe für die Enterbung genannt werden.
Soll ein gesetzlicher Erbe einen bestimmten Nachlassgegenstand erhalten, bedeutet diese Verfügung nicht gleichzeitig auch eine Enterbung. Denn es kann sich um ein Vermächtnis handeln, welches der Erbe zusätzlich oder in Anrechnung auf sein Erbe erhalten soll. Der Testierende sollte daher möglichst klar verfügen, ob die Zuwendung eines Vermächtnisses auch gleichzeitig eine Enterbung bedeuten soll.
Expertenhinweise
(für Juristen)
1) Allgemeines
4Der Erblasser kann nach dieser Vorschrift gezielt bestimmte Personen oder auch ganze Stämme von der Erbfolge ausschließen. Er muss nicht gleichzeitig anordnen, wer den durch diese Enterbung frei gewordenen Anteil am Nachlass erhält.
Dieser Zulässigkeit dieses Negativtestaments ergibt sich aus der Testierfreiheit.
2) Abgrenzungen, Kasuistik
5a) Form der Enterbung
Die Enterbung kann durch ein einseitiges Testament, durch ein Ehegattentestament und durch Erbvertrag erfolgen.
Erfolgt eine Enterbung in einem Ehegattentestament oder in einem Erbvertrag, kann aber eine solche Enterbung nicht wechselbezüglich angeordnet werden,
6b) Umfang der Enterbung
Durch eine letztwillige Verfügung kann das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten, des Lebenspartners und der Verwandten ausgeschlossen werden, nicht aber das gesetzliche Erbrecht des Staates nach
Der Ausschluss kann explizit, aber auch stillschweigend erfolgen. Dann muss jedoch der Ausschlusswille im Testament eindeutig zum Ausdruck kommen.
Der Ausschluss kann in vollem Umfang oder nur auf einen Bruchteil erfolgen. Die Enterbung kann auch bedingt erfolgen.BeckOGK/Tegelkamp
7c) Begründung der Enterbung
Eine Begründung der Enterbung ist nicht erforderlich. Umgangssprachlich wird mit dem Begriff der „Enterbung“ oftmals gemeint, dass der Enterbte keinerlei Anteil am Nachlass und damit auch seinen Pflichtteil nicht erhalten soll. Da juristisch aber zwischen Enterbung und Pflichtteilsentziehung differenziert wird,OLG Düsseldorf vom 28.04.1995 – 7 U 113/94 - , ZEV 1995, 410 ist die Angabe der Gründe für die Enterbung anzuraten, um auslegen zu können, ob der Erblasser nur die Enterbung oder darüber hinaus auch den Pflichtteilsentzug wollte. Denn während die Enterbung nach
Es ist auch keine explizite Wortwahl einer Enterbung erforderlich, sondern diese kann sich aus der Auslegung der letztwilligen Verfügung ergeben. So kann die Formulierung, dass jegliche Forderungen von Verwandten, mit denen seit Jahrzehnten keinerlei Kontakt bestanden hätte, ausgeschlossen werden sollen, als Enterbung ausgelegt werden.OLG Hamm vom 09.12.2011 – 15 W 701/10 - FamRZ 2012, 1091
Bei der Annahme einer stillschweigenden Enterbung ist Zurückhaltung geboten. Ein solcher Ausschließungswille muss sich mit der notwendigen Sicherheit und damit „unzweideutig“ aus dem Testament ergeben.BayOblG vom 02.03.1992 – 1 Z 46/91-, FamRZ 1992, 986
So kann ein gemeinschaftliches Testament, das keine Regelung für den Tod des zuerst versterbenden Ehegatten enthält, nicht dahingehend ausgelegt werden, dass einzelne gesetzlich erbberechtigte Personen von der Erbfolge nach dem Erstversterbenden ausgeschlossen werden sollen.OLG München vom 19.12.2012 – 31 Wx 434/12, NJW-RR 2013, 329
Typisches Beispiel für eine stillschweigende Enterbung ist die Entziehung des Pflichtteils.BayOblG vom 30.11.1995 – 1 Z BR 86/95, FamRZ 1996, 826; MüKo/Leipold
8In der Zuwendung des Pflichtteils liegt in der Regel zugleich die Ausschließung von der gesetzlichen Erbfolge und damit eine Enterbung.MüKo/Leipold
Gleiches gilt hinsichtlich der Differenz in der Zuwendung eines Erbteils, der hinter dem gesetzlichen zurückbleibt.
9Ob eine Enterbung anzunehmen ist, wenn der Erblasser einem gesetzlichen Erben ein Vermächtnis zugewendet hat, ohne das Erbrecht zu erwähnen, ist Auslegungsfrage.OLG München vom 19.02.2020 – 31 Wx 231/17, ErbR 2020, 404 Denn das Vermächtnis kann auch zusätzlich zu dem gesetzlichen Erbe zugewendet werden in Form des Vorausvermächtnisses, oder das Vermächtnis soll auf den gesetzlichen Erbteil angerechnet werden. In beiden Fällen behält der Erbe sein gesetzliches Erbrecht.
In der Erschöpfung des Nachlasses durch Vermächtnisse und Auflagen liegt nicht zwingend der Ausschluss der gesetzlichen Erben, da die Vermächtnisse noch ausgeschlagen werden können.BayObLG MDR 1979, 847
Andererseits wird im Rahmen der Auslegung von Testamenten regelmäßig angenommen, dass der Testierende eine Erbeinsetzung zugunsten derjenigen Personen bezweckt, welchen er sein überwiegendes Vermögen im Rahmen eines Vermächtnisses zuwendet, womit wiederum die als Erben benannten Personen enterbt werden.OLG München vom 19.02.2020 – 31 Wx 231/17, 31 Wx 502/19, Erb 2020,404
10d) Folgen der Enterbung – Rechte des Enterbten
Durch die Enterbung können Abkömmlinge, Eltern als auch der Ehegatte bzw. Lebenspartner ihren Pflichtteil fordern. Eine über die Enterbung hinausgehende Entziehung des Pflichtteils ist nur unter den Voraussetzungen des
Ist die Anordnung der Pflichtteilsentziehung unwirksam, ist diese Erklärung des Testierenden aber für die Auslegung seines Erblasserwillens maßgeblich, da mit dieser Anordnung in der Regel zum Ausdruck gebracht werden soll, dass der Betroffene zumindest von der Erbfolge ausgeschlossen werden soll.
11In der Regel erstreckt sich die Enterbung eines Abkömmlings nicht auf dessen Abkömmlinge.BGH vom 13.04.2011 – IV ZR 204/09 -, NJW 2011, 1878, OLG Köln FamRZ 2015, 1529
Diese erben kraft selbständigen eigenen Rechts nach §
Soll sich die Enterbung auch auf diese Abkömmlinge und damit den gesamten Stamm des Enterbten erstrecken, bedarf es daher besonderer Anhaltspunkte.BayOblG FamRZ 1989, 1006, LG Neubrandenburg MDR 1995, 1238, NK-BGB/Kroiß
12Der Ehegatte des Testierenden verliert durch die Enterbung seinen Anspruch auf den Voraus nach
Haben die Eheleute im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt, behält der enterbte Ehegatte neben seinem kleinen Pflichtteil den Anspruch auf den güterrechtlichen Zugewinnausgleichsanspruch nach
13e) Enterbung bei unwirksamer Erbeinsetzung
Da in der positiven Erbeinsetzung bereits ein Ausschluss der gesetzlichen Erbfolge liegt, braucht diese nicht gesondert angeordnet zu werden.
Ist jedoch die gewillkürte Erbeinsetzung unwirksam, stellt sich die Frage, ob es dennoch bei der Ausschließung der gesetzlichen Erben bleibt. Diese Frage kann nach einer Ansicht nicht über
Nach einer anderen Meinung soll
Eine solche selbständige Verfügung darf aber nicht im Zweifel angenommen werden, auch nicht schon dann, wenn die Ausschließung ausdrücklich ins Testament aufgenommen wurde. Sondern es müssen dafür besondere Anhaltspunkte für eine solche selbständige Verfügung im Testament bestehen.
Kann aber eine selbständige Ausschließung zweifelsfrei bejaht werden, ist ein Rückgriff auf die Auslegungsregel des
Im Ergebnis kommen daher beide Auffassungen zu dem Ergebnis, dass sich die Zweifelsregel nicht auswirkt.So auch MüKo/Leipold
3) Zusammenfassung der Rechtsprechung
RGZ 134, 277
BGH vom 13.04.2011 – IV ZR 204/09, NJW 2011, 1878
BayObLG MDR 1979, 847
BayObLG FamRZ 1989, 1006
BayObLG vom 02.03.1992 – 1 Z 46/91, FamRZ 1992, 986
BayObLG v. 21.07.1992 – 1 Z 62/91, FamRZ 1993, 240
BayObLG vom 30.11.1995 – 1 Z BR 86/95, FamRZ 1996, 826
BayObLG vom 18.01.2000 – 1Z BR 133/99, ZEV 2000, 280
BayObLG vom 19.04.2000 – 1 Z BR 43/99, ZEV 2001, 24
OLG Düsseldorf vom 28.04.1995 – 7 U 113/94, ZEV 1995, 410
OLG Frankfurt FamRZ 1997, 1433
OLG Hamm vom 09.12.2011 – 15 W 701/10, FamRZ 2012, 1091
OLG Karlsruhe FamRZ 1967, 691
OLG Köln FamRZ 2015, 1529
OLG München vom 13.09.2005 – 31 Wx 64/05, NJW-RR 2006
OLG München vom 19.12.2012 – 31 Wx 434/12, NJW-RR 2013, 329
OLG München vom 19.02.2020 – 31 Wx 231/17, ErbR 2020, 404
OLG München vom 19.02.2020 – 31 Wx 231/17, 31 Wx 502/19, Erb 2020,404
OLG Stuttgart vom 09.08.2017 – 8 W 336/15, ZEV 2017, 708
OLG Zweibrücken FGPrax 1996, 152
LG Neubrandenburg MDR 1995, 1238