Schliessen
von Göler (Hrsg.) / Vera Knatz / § 1937

§ 1937 Erbeinsetzung durch letztwillige Verfügung

Der Erblasser kann durch einseitige Verfügung von Todes wegen (Testament, letztwillige Verfügung) den Erben bestimmen.

Für den Rechtsverkehr

(für Nichtjuristen)

zum Expertenteil (für Juristen)

Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle

1a)    Normzweck

Mit dieser Norm wird bestimmt, dass der Erblasser seine Erbfolge und die Verteilung seines Vermögens einseitig, und vor allem frei, bestimmen kann.

MIt dieser Norm wird auch bestimmt, dass die gewillkürte Erbfolge Vorrang vor der gesetzlichen Erbfolge hat. Diese Testierfreiheit wird nur durch das Pflichtteilsrecht begrenzt, welches den direkten Abkömmlingen, den Eltern des Erblassers und dem Ehegatten des Erblassers zusteht sowie durch das Verbot sittenwidriger Rechtsgeschäfte.

2b) Begriffserklärungen

Bei einer Verfügung von Todes wegen handelt es sich um eine rechtsgeschäftliche Anordnung, welche erst beim Tod des Erblassers wirksam wird und welche in einer bestimmten erbrechtlichen Form erfolgt. Dazu gehören also nicht die Rechtsgeschäfte unter Lebenden, welche erst mit dem Tod eines Beteiligten eintreten sollen, vgl. § 2301 BGB.

Die in § 1937 BGB begründete Testierfreiheit bezieht sich nur auf eine einseitige letztwillige Verfügung, somit auf ein Testament.

Das Testament stellt die einseitige, nicht empfangsbedürftige Willenserklärung des Erblassers dar und kann jederzeit von dem Erblasser widerrufen werden. Es gilt dann der, jeweils zeitlich gesehen, letzte erklärte Wille, soweit dieser in der erforderlichen Form erklärt wurde.
Als Sonderform des Testaments gibt es das gemeinschaftliche Testament von Ehegatten bzw. das Ehegattentestament, vgl. § 2265 BGB. Dieses Ehegattentestament kann durch eine gemeinsame Erklärung der Ehegatten ebenfalls jederzeit widerrufen werden. Ein einseitiger Widerruf eines der Ehegatten zu Lebzeiten beider Ehegatten ist möglich, erfordert aber die Einhaltung der strengen Formvorschriften für die Protokollierung und die Zustellung des Widerrufes.
Nach dem Tod eines der Ehegatten entfaltet das Ehegattentestament in der Regel eine Bindungswirkung, welche den einseitigen Widerruf oder eine Neutestierung des überlebenden Ehegatten nicht mehr zulässt - es sei denn, die Ehegatten hätten in dem Testament die Bindungswirkung begrenzt oder dem überlebenden Ehegatten ein Neutestierung erlaubt.

Letztwillige Verfügungen, welche der Erblasser dagegen in einem Erbvertrag regelt, stellen eine vertragliche Regelung dar. Diese Regelungen sind nicht einseitig, da der Erblasser diesen Vertrag mit mindestens einer weiteren Person abschließt - siehe hierzu § 1941 BGB.

3c) Inhalt eines Testaments

- Ein Testament kann neben erbrechtlichen Erklärungen auch andere z.B. familienrechtliche Erklärungen enthalten.
- Der Erblasser kann eine oder mehrere Personen zu seinem bzw. seinen Erben einsetzen.
- Er kann bestimmte Personen von der Erbfolge ausschließen, ohne explizit einen Erben zu benennen.
- Der Erblasser kann Vorerben und Nacherben bestimmen.
- Er kann Ersatzerben benennen.
- Der Erblasser kann zusammen mit seinem Ehegatten ein gemeinschaftliches Testament errichten und damit einen zwischen ihnen geschlossenen Erbvertrag aufheben, § 2292 BGB.
- In bestimmen Konstellationen kann der Erblasser einem Pflichtteilsberechtigten den Pflichtteil testamentarisch entziehen oder das Pflichtteilsrecht eines Abkömmlings beschränken.
- Er kann Vermächtnisse oder Auflagen anordnen.
- Der Erblasser kann dem überlebenden Ehegatten den Voraus testamentarisch zusprechen oder ihm diesen entziehen.

- Er kann die Verpflichtung des Erben nach § 1969 BGB, den Angehörigen des Erblassers für den Zeitraum von 30 Tagen nach dem Todesfall Unterhalt im gleichen Umfang wie von dem Erblasser geleistet wurde zu gewähren, modifizieren oder aufheben.
- Er kann Anordnungen treffen zur Auseinandersetzung des Nachlasses, zum Ausschluss der Auseinandersetzung des Nachlasses für einen von ihm zu bestimmenden Zeitraum.
- Er kann Teilungsanordnungen gem. § 2048 BGB treffen.

- Er kann eine Testamentsvollstreckung anordnen.

- Der Erblasser kann eine Rechtswahl nach § Art. 22 Abs. 2 EuErbVO bzw. Art. 25 EGBGB treffen.
- Er kann einen Vormund für seine minderjährigen Kinder benennen oder nach § 1782 BGB bestimmten Personen vom Amt des Vormunds ausschließen.
- Hat der Erblasser Minderjährige als Erben bestimmt, kann er den Eltern dieses Kindes die Vermögenssorge bezogen auf den zu vererbenden Nachlass entziehen und kann einen Ergänzungspfleger bestimmen. Ferner kann er dem Pfleger Verwaltungsanordnungen bezüglich des vererbten Nachlasses erteilen.
- Der Erblasser kann Testamentsvollstreckung anordnen.
- In dem Testament kann der Erblasser Personen, die einer Schweigepflicht unterliegen, von dieser entbinden. Dies können der behandelnde Arzt, ein Rechtsanwalt oder auch ein Psychologe sein.
- Die Anordnung einer Schiedsgerichtsklausel wird allgemein als zulässig erachtet unter Verweis auf die Bestimmung des § 1066 ZPO.

Expertenhinweise

(für Juristen)

1) Allgemeines

4Normzweck

Mit dieser Norm wird bestimmt, dass der Erblasser seine Erbfolge und die Verteilung seines Vermögens frei bestimmen kann. Durch diese Testierfreiheit, welche als solche expressis verbis im Gesetz nicht genannt wird, welche sich aber aus der Erbrechtsgarantie ergibt und damit durch Art. 1 GG geschützt ist, erhält die gewillkürte Erbfolge Vorrang vor der gesetzlichen Erbfolge. Dieser Testierfreiheit sind nur Grenzen gesetzt durch das Pflichtteilsrecht der direkten Abkömmlinge, der Eltern des Erblassers und seines Ehegatten sowie durch das Verbot sittenwidriger Rechtsgeschäfte.

In § 1937 BGB definiert das Gesetz, dass eine gewillkürten Erbfolge durch ein Testament, eine letztwillige Verfügung oder eine Verfügung von Todes wegen erfolgen kann.

2) Definitionen

5a) Verfügung von Todes wegen als Oberbegriff

Der Begriff Verfügung von Todes wegen stellt den Oberbegriff von Testament und Erbvertrag dar, welcher in § 1941 BGB definiert wird.

Bei einer Verfügung von Todes wegen handelt es sich um eine rechtsgeschäftliche Anordnung, welche erst beim Tod des Erblassers wirksam wird und welche in einer bestimmten erbrechtlichen Form erfolgt.

3) Abgrenzungen, Kasuistik

8 a) Inhalt eines Testaments

Die §§ 1937 bis 1941 BGB geben den Inhalt von möglicher Verfügungen von Todes wegen an, enthalten aber keine abschließende Aufzählung. Daher kann ein Testament auch andere als erbrechtliche Erklärungen enthalten. Es sind aber nur Verfügungen zulässig, die entweder ihrer Art nach ausdrücklich im Gesetz geregelt sind oder solche, die aufgrund Auslegung oder Analogie dem Gesetz als zulässig zu entnehmen sind. So kann der Erblasser aufgrund des Prinzips der Gesamtrechtsnachfolge einen Gegenstand nicht mit dinglicher Wirkung einem anderen, als dem Erben zuwenden. Die Zuwendung eines einzelnen Gegenstandes im Rahmen eines Vermächtnisses kann nur mit obligatorischer Wirkung erfolgen, § 2174 BGB.

9b) Erbrechtliche Anordnungen

Der Erblasser kann eine oder mehrere Personen zu seinem bzw. seinen Erben einsetzen.

Er kann aber auch bestimmte Personen von der Erbfolge ausschließen, ohne explizit einen Erben zu benennen, § 1938 BGB.

Der Erblasser kann Vorerben und Nacherben bestimmen, § 2100 BGB.

Sollte eine der von ihm als Erbe, Vorerbe oder Nacherbe bestimmten Personen nicht zur Erbfolge gelangen, kann er eine Ersatzerbfolge anordnen.

Der Erblasser kann zusammen mit seinem Ehegatten ein gemeinschaftliches Testament errichten und damit einen zwischen ihnen geschlossenen Erbvertrag aufheben, § 2292 BGB.

In bestimmen Konstellationen kann der Erblasser einem Pflichtteilsberechtigten den Pflichtteil testamentarisch entziehen, § 2333 BGB.

Begünstigungen können durch Vermächtnis, § 1939 BGB, oder Auflage, § 1940 BGB, erfolgen.

Der Erblasser kann dem überlebenden Ehegatten den Voraus testamentarisch zusprechen oder ihm diesen entziehen. Er kann auch den sog. „Dreißigsten“ – die Verpflichtung des Erben nach § 1969 BGB, den Angehörigen des Erblassers für den Zeitraum von 30 Tagen nach dem Todesfall Unterhalt im gleichen Umfang wie von dem Erblasser geleistet wurde, zu gewähren -  modifizieren oder aufheben.

Er kann Anordnungen treffen zur Auseinandersetzung des Nachlasses oder zum Ausschluss der Auseinandersetzung des Nachlasses für einen von ihm zu bestimmenden Zeitraum.

Er kann Teilungsanordnungen gem. § 2048 BGB treffen.

Er kann eine Testamentsvollstreckung anordnen.

Der Erblasser kann eine Rechtswahl nach § Art. 22 Abs. 2 EuErbVO bzw. Art. 25 EGBGB treffen. 

10c) Familienrechtliche Anordnungen

Neben erbrechtlichen Anordnungen kann der Erblasser in einem Testament auch familienrechtliche Anordnungen bestimmen.

11aa) Vormundschaft

Eltern können nach § 1777 Abs. 3 BGB in einer letztwilligen Verfügung einen Vormund für ihre minderjährigen Kinder benennen oder nach § 1782 BGB bestimmten Personen vom Amt des Vormunds ausschließen.

12bb) Vermögenssorge

Hat der Erblasser ein minderjähriges Kind zum Erben bestimmt, kann er nach § 1638 BGB die Eltern bzw. einen Elternteil von der Verwaltung des durch den Erbfall erlangten Vermögens ausschließen. Die Verwaltung kann einem Testamentsvollstrecker übertragen werden.

Dem Erblasser steht das Recht zu (§ 1917 BGB), den nach § 1909 Abs. 1 S. 2 BGB erforderlichen Ergänzungspfleger selbst zu benennen. Er kann den Eltern des minderjährigen Erben bzw. dem Ergänzungspfleger Verwaltungsanordnungen bezüglich des vererbten Nachlasses erteilen. Auch Regelungen in Bezug auf das anzufertigende Vermögensverzeichnis durch die Eltern sind möglich, § 1640 Abs. 2 Nr. 2 BGB.

13cc) Ausschließung der fortgesetzten Gütergemeinschaft

Sollte der Erblasser mit seinem Ehegatten in dem gewillkürten Güterstand der Gütergemeinschaft gelebt haben, steht ihm gemäß § 1509 BGB das Recht zu, für den Fall, dass die Ehe durch den Tod aufgelöst wird, die Fortsetzung der Gütergemeinschaft durch letztwillige Verfügung auszuschließen, als auch einen gemeinschaftlichen Abkömmling von der fortgesetzten Gütergemeinschaft auszuschließen, § 1511 BGB.

14dd) Vaterschaftsanerkenntnis

Wurde das Testament nicht eigenhändig, sondern notariell protokolliert, kann in dem Testament ein Vaterschaftsanerkenntnis wirksam abgegeben werden, da es dann der Form des § 1597 BGB genügt.

15ee) Errichtung einer Stiftung

Die Errichtung einer Stiftung von Todes wegen ist gem. § 83 BGB gestattet.

16ff) Sonstige Erklärungen

In einem Testament können Anordnungen über die Art und Weise der Bestattung aufgenommen werden. Ebenso können postmortale Vollmachten erteilt werden.

17gg) Entbindung von der Schweigepflicht

In dem Testament kann der Erblasser Personen, die einer Schweigepflicht unterliegen, von dieser entbinden. Dies können z.B. der behandelnde Arzt, ein Rechtsanwalt oder auch ein Psychologe sein.

18hh) Einsetzung eines Schiedsgerichts

Die Anordnung einer Schiedsgerichtsklausel wird allgemein unter Verweis auf die Bestimmung des § 1066 ZPO als zulässig erachtet.

Für welche Streitigkeiten das Schiedsgericht vorgesehen werden kann, sagt das Gesetz aber nicht.

Es besteht insoweit Einigkeit darüber, dass von der Schiedsklausel nicht erfasst wird, was außerhalb der Verfügungsmacht des Erblassers liegt. Auch kann das Schiedsgericht nicht Angelegenheiten regeln, die der Erblasser bewusst nicht geordnet hat oder deren Regelung er Dritten nicht überlassen darf. Insbesondere dürfen die Schranken des § 2065 BGB – die nicht zulässige Bestimmung durch Dritte, ob eine letztwillige Verfügung gelten soll oder nicht - nicht durch die Einschaltung eines Schiedsgerichts umgangen werden.

Für die der Testierfreiheit entzogenen Ansprüche aus dem Pflichtteilsrecht kann der Erblasser ebenfalls nicht bestimmen, dass hierüber ein Schiedsgericht zu entscheiden hat.LG München II, Teilurt. v. 24.2.2017 – 13 O 5937/15, ZEV 2017, 274

Auch Streitigkeiten über die Entlassung eines Testamentsvollstreckers können nicht in einer letztwilligen Verfügung einseitig durch den Erblasser einem Schiedsgericht zugewiesen werden.BGH Beschluss vom 17.5.2017 – IV ZB 25/16, NJW 2017, 2112 Der Erblasser darf aber Streitigkeiten über solche Regelungen der Schiedsgerichtsbarkeit überantworten, deren Inhalt seiner Dispositionsbefugnis und Gestaltungsfreiheit unterliegt. Die Auslegung eines Testaments, auch die ergänzende, fällt ohne weiteres in den Kompetenzbereich des Schiedsgerichts.

4) Zusammenfassung der Rechtsprechung

LG München II, Teilurt. v. 24.2.2017 – 13 O 5937/15, ZEV 2017, 274

BGH Beschluss vom 17.5.2017 – IV ZB 25/16, NJW 2017, 2112


Fußnoten