§ 1933 Ausschluss des Ehegattenerbrechts
Das Erbrecht des überlebenden Ehegatten sowie das Recht auf den Voraus ist ausgeschlossen, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte. Das Gleiche gilt, wenn der Erblasser berechtigt war, die Aufhebung der Ehe zu beantragen, und den Antrag gestellt hatte. In diesen Fällen ist der Ehegatte nach Maßgabe der §§ 1569 bis 1586b unterhaltsberechtigt.
Für den Rechtsverkehr
(für Nichtjuristen)
zum Expertenteil (für Juristen)
Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle
1Mit dieser Vorschrift wird der Zeitpunkt für den Ausschluss des gesetzlichen Erbrechts des Ehegatten vor den Zeitpunkt des Ausspruches der rechtskräftigen Scheidung gelegt.
Das Erbrecht des überlebenden Ehegatten ist nämlich nicht erst dann ausgschlossen, wenn er rechtskräftig von dem Erblasser geschieden wurde. Sondern es ist bereits dann ausgeschlossen, wenn zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers ein Scheidungsverfahren rechtshängig war.
2Voraussetzung ist jedoch, dass der Erblasser die Scheidung beantragt hat, der Scheidungsantrag dem anderen Ehegatten bereits zugestellt wurde und dass zum Zeitpunkt des Todes die Voraussetzungen für eine Scheidung vorgelegen haben, d.h. dass das Trennungsjahr abgelaufen und die Ehe nachweislich zerrüttet war.
Ebenso ist das Erbrecht des überlebenden Ehegatten ausgeschlossen, wenn dieser selbst den Scheidungsantrag gestellt hat, der Scheidungsantrag dem Erblasser zugestellt worden ist und der Erblasser der Scheidung zugestimmt hat.
Dieser Verlust des Erbrechts führt auch zum Verlust des Voraus nach § 1932 als auch zum Verlust etwaiger Pflichtteils-, Pflichtteilsrest-, und Pflichtteilsergänzungsansprüche.
3Die sich bei Scheitern einer Ehe ergebenden Ansprüche bleiben dagegen bestehen. Der überlebende Ehegatte behält somit seinen Anspruch auf Zugewinnausgleich, sollten die Eheleute im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt haben. Dieser Anspruch ist dann gegen die Erben des Erblassers geltend zu machen nach den gleichen Regeln, mit denen ein Zugewinnausgleichsanspruch im Rahmen einer Scheidung eingefordert wird.
Der Versorgungsausgleich wird bei Versterben eines der Ehegatten während eines laufenden Scheidungsverfahrens nicht mehr durchgeführt, vielmehr verbleibt dem überlebenden Ehegatten seine eigenen Rente ungeteilt, und er erhält zusätzlich noch einen Anspruch auf Zahlung einer Witwen- bzw. Witwerrente.
Ebenso behält der überlebende Ehegatte einen Unterhaltsanspruch, sollte er zu Lebzeiten des Erblassers unterhaltsberechtigt gewesen sein. Dieser Unterhaltsanspruch wird nach dem Tod des unterhaltspflichtigen Ehegatten ebenfalls gegen die Erben gerichtet. Bei der Berechnung des Unterhaltsanspruches wird das von dem Erblasser zuletzt erzielte Einkommen herangezogen.
Dieser Unterhaltsanspruch ist jedoch begrenzt auf die Höhe des Pflichtteilsanspruches, welcher dem Ehegatten zugestanden hätte, wenn er noch ein Pflichttteilsrecht gehabt hätte. D.h. die Erben müssen nicht unbefristet, sondern nur solange den geschuldeten Ehegattenunterhalt zahlen, bis die Summe der geleisteten Zahlungen die Höhe dieses fiktiven Pflichtteilsanspruches erreicht hat.
Expertenhinweise
(für Juristen)
1) Allgemeines
4Die Vorverlegung des Ausschlusses des Ehegattenerbrechts auf den Zeitpunkt der Einreichung und Zustellung eines begründeten Scheidungsantrages durch den Erblasser bzw. der Zustimmung des Erblassers zu dem Scheidungsantrag des anderen Ehegatten erfolgte aufgrund der Wertung des Gesetzgebers, dass das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten nicht mehr dem Interesse des Erblassers entsprechen würde.
5Die Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift wird aber nach wie vor in Zweifel gezogen.Battes FamRZ 1977, 437; Dieckmann FamRZ 1979, 389 (396); Dieckmann FS Schwab, 2005, 473 (481);MüKo/Leipold
6Das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 15.02.1995 zu 1 BvR 71/93 ausgeführt, dass
Es würde keine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG vorliegen würde, wenn beide Ehegatten durch begründeten Scheidungsantrag und Zustimmung zu erkennen gegeben haben, dass sie an der Ehe nicht mehr festhalten wollen. Da dieser Ausschluss des Ehegattenerbrechts das Vorliegen der Scheidungsvoraussetzungen und die Scheidungsabsicht beider Ehepartner voraussetzt, ist auch Art. 6 Abs. 1 GG weder in seiner Bedeutung als Institutsgarantie noch als Freiheitsrecht beeinträchtigt. Die in dem entschiedenen Fall entscheidungserhebliche Alternative des
Explizit hat das Bundesverfassungsgericht aber keine Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des einseitigen Erbrechtsverlusts des Scheidungsgegners aufgrund eines begründeten Scheidungsantrags (
7Die Kritiker halten aber an den verfassungsrechtlichen Bedenken fest. Denn dem Prinzip der Gegenseitigkeit der Erbberechtigung könne nur ein beiderseitiger Verlust der Erbberechtigung entsprechen oder der Erbrechtsverlust bei von beiden Ehegatten betriebener Scheidung.Battes, FamRZ 1977, 433; Dieckmann, FamRZ 1979, 389; MüKo/Leipold
8Dieser Kritik ist zuzustimmen. Soweit nach dieser Vorschrift der Zeitpunkt für den Wegfall des Erbrechts vorverlegt werden soll auf den Zeitpunkt, zu dem ein begründeter Scheidungsantrag bei Gericht eingereicht und dem Scheidungsgegner zugestellt worden ist, und diese zeitliche Vorverlegung begründet wird mit dem fehlenden Interesse des scheidungswilligen Ehegatten an einem fortbestehenden Erbrecht des anderen Ehegatten, wäre es nur konsequent, wenn das Erbrecht für beide Ehegatten wegfallen würde - unabhängig von der Scheidungswilligkeit und der Scheidungsunwilligkeit eines Ehegatten. Denn es ist auch zu unterstellen, dass der scheidungsunwillige Ehegatte während des laufenden Scheidungsverfahrens die Erbenstellung des Ehegatten, welcher sich von ihm scheiden lassen möchte, nicht bestehen lassen will, wenn er selbst durch den ihm zugestellten Scheidungsantrag sein Erbrecht verloren hätte.
Die Vorschrift des
2) Definitionen
9Voraussetzungen
- Beim Erbfall muss ein Antrag auf Scheidung oder Aufhebung der Ehe gestellt worden sein.
10Variante I. Scheidungs- bzw. Aufhebungsantrag durch den Erblasser
Vor seinem Tod muss der Erblasser die Scheidung beantragt haben, der Scheidungsantrag muss zulässig und begründet sein, und er muss alle nach
- Namen und
3) Abgrenzungen, Kasuistik
Rechtsfolgen
13Der Verlust des Ehegattenerbrechts bedingt auch den Verlust des Voraus nach
14Liegt eine Verfügung von Todes wegen vor, ist zu prüfen, ob diese bestehen bleiben soll. Handelt es sich um ein gemeinschaftliches Testament, ist die Wirksamkeit nach den Auslegungsregeln der
15Dem überlebenden Ehegatten verbleibt der Anspruch auf Zugewinnausgleich gem.
16Der Versorgungsausgleich kann nicht mehr durchgeführt werden, da die Ehe zum Zeitpunkt des Erbfalles noch bestand. Der überlebende Ehegatte behält seine eigenen Rentenanwartschaften und erhält darüber hinaus auch die Versorgungsansprüche seines verstorbenen Ehegatten.
17Auch behält der überlebende Ehegatte seine Ansprüche auf Ehegattenunterhalt. Diese sind jedoch der Höhe nach gemäß
Bei Gütertrennung und einem Kind des Erblassers würde sich der Pflichtteil auf ¼ beziffern, da die gesetzliche Erbquote sich auf ½ berechnet hätte. Bei Gütertrennung und zwei Kindern des Erblassers würde sich der Pflichtteil auf 1/6 beziffern, bezogen auf eine Erbquote von 1/3.
4) Zusammenfassung der Rechtsprechung
BVerfG vom 12.05.1995 - 1 BvR 71/93 -, NJW-RR 1995, 769
BGH vom 14-01-1987 - IVb ZR 46/85 -, NJW 1987, 1764
BGH vom 06.06.1990 - IV ZR 88/89 -, NJW 1990, 2382
OLG Köln vom 11. 3. 2013 – 2 Wx 64/13, NJW 2013, 2831
OLG Saarbrücken vom 24.08.2010 - 5 W 185/10, FamRZ 2011, 760
OLG Zweibrücken Zerb 2011, 21 ff
5) Literaturstimmen
Battes FamRZ 1977, 433
Bergschneider FamRZ 2011, 268
Dieckmann FamRZ 1979, 389 (396)
Dieckmann FS Schwab, 2005, 473 (481)
Keim: Tagungsbericht: Rechtspolitisches Forum Erbrecht der Bundesnotarkammer am 9. 11. 2000 in Berlin, DNotZ 2001, 436 f.
MüKo/Leipold
Soergel/Stein