§ 1384 Berechnungszeitpunkt des Zugewinns und Höhe der Ausgleichsforderung bei Scheidung
Wird die Ehe geschieden, so tritt für die Berechnung des Zugewinns und für die Höhe der Ausgleichsforderung an die Stelle der Beendigung des Güterstandes der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags.
Für den Rechtsverkehr
(für Nichtjuristen)
zum Expertenteil (für Juristen)
Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle
Maßgeblich für die Berechnung des Zugewinns und die Höhe der Ausgleichsforderung ist nach
a) Beendigung des Güterstandes
Im Falle der Scheidung endet der Güterstand mit Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses.
b) Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages
Der Scheidungsantrag wird mit dem Tag rechtshängig, mit dem er dem anderen Ehepartner förmlich zugestellt wird oder aber in einer mündlichen Verhandlung geltend gemacht wird.
Wird der Scheidungsantrag später im Laufe des Verfahrens zurückgenommen, so entfällt die Rechtshängigkeit und damit auch der maßgebliche Stichtag. Etwas anderes gilt lediglich für den Fall, dass im Rahmen des beantragten laufenden Scheidungsverfahrens der andere Ehegatte mittlerweile selbst einen eigenen Scheidungsantrag gestellt hat. Es bleibt dann bei dem ursprünglich durch den ersten Scheidungsantrag festgelegten ursprünglichen Stichtag.BGH, FamRZ 1996, 1142; Palandt/Brudermüller, BGB, 73. Aufl., 2014,
Wird der Scheidungsantrag nicht zurückgenommen, ist es unerheblich, wie lange das Scheidungsverfahren andauert. Dies gilt selbst dann, wenn das Scheidungsverfahren jahrelang nicht weiter betrieben wird.BGH, NJW-RR 1993, 898 Ebenfalls unerheblich ist grundsätzlich, wenn sich die Eheleute zwischenzeitlich wieder versöhnen, das Scheidungsverfahren jedoch weiterlaufen lassen. Erfolgt dabei allerdings eine ausdrückliche Einigung darüber, das Scheidungsverfahren nicht aktiv weiterbetreiben zu wollen, wird dies teilweise auch anders bewertet.Hierzu ausführlich: MüKo/Koch, BGB, 6. Aufl., 2013,
c) Wirkungen
Mit Festlegung des Stichtages für die Berechnung des Zugewinns auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags sind spätere Vermögensverfügungen der Eheleute grundsätzlich irrelevant. Seit dem 01.09.2009 spielen Vermögensveränderungen nach Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages zudem deshalb keine Rolle mehr, weil neben der Festlegung des Stichtages für die Berechnung des Zugewinns nun auch die Höhe der letztlich zu berechnenden Ausgleichsforderung auf diesen Zeitpunkt ermittelt wird. Hiervon zu unterscheiden ist die Fälligkeit des Anspruchs, die nach wie vor erst im Zeitpunkt der Beendigung des Güterstandes, also mit Rechtskraft der Scheidung, eintritt.
Diese Neuregelung wirkt sowohl zulasten als auch zugunsten des ausgleichsberechtigten Ehegatten. Das bedeutet, dass nach Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags weder vermögensmindernde noch vermögensmehrende Vermögensverschiebungen für die Berechnung der Ausgleichsforderung von Relevanz sind.
Expertenhinweise
(für Juristen)
1) Allgemeines
2
2) Definitionen
3a) Rechtshängigkeit
Wann Rechtshängigkeit eintritt, wird in
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es zu einer sog. Rechtshängigkeitssperre kommen kann, sollten bei ausländischen oder auch gemischt-nationalen Ehen Scheidungsanträge in den jeweils unterschiedlichen Ländern gestellt werden. Das Gericht, bei dem das Scheidungsverfahren später anhängig gemacht wurde, hat dann gem. Artikel 19 I EuEheVOEuEheVO: Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27.11.2003 „über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der VO (EG) 134772000. das Scheidungsverfahren von Amts wegen auszusetzen, bis das zuerst angerufene Gericht seine Zuständigkeit rechtskräftig bejaht oder auch verneint hat. Sollte Ersteres der Fall sein, wird das später angerufene Gericht wegen doppelter Rechtshängigkeit den Scheidungsantrag zurückweisen.Ausführlich hierzu: Gerhardt/v. Heintschel-Heinegg/Klein, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 9. Auflage (2013) 15. Kapitel Rn. 61.
b) Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses
Der Scheidungsbeschluss ist rechtskräftig, wenn er den Eheleuten bzw. deren Verfahrensbevollmächtigten zugestellt und die Rechtsmittelfrist (Beschwerdefrist) von einem Monat ab Zustellung des Scheidungsbeschlusses abgelaufen ist, ohne dass einer der Ehegatten Beschwerde eingelegt hat.
Es besteht die Möglichkeit, dass bei anwaltlicher Vertretung beider Ehegatten noch im Scheidungstermin nach Verkündung des Scheidungsbeschlusses von beiden Seiten ein sog. Rechtsmittelverzicht gegen den Scheidungsausspruch erklärt wird. Hierdurch tritt die Rechtskraft der Scheidung bereits im Scheidungstermin ein.
3) Abgrenzungen, Kasuistik
4Während
Damit wird auf den ersten Blick der Sinn und Zweck des
4) Zusammenfassung der Rechtsprechung
- 5OLG Karlsruhe, Urteil vom 19.07.2013
- OLG Celle, Beschluss vom 07.08.2012
- BGH, Urteil vom 04.07.2012
5) Literaturstimmen
- 6Palandt, BGB Kommentar, 23. Auflage 2014
- Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 7: Familienrecht I, §§ 1297-1588, GewSchG, VersAusglG, LPartG, 6. Auflage, 2013
- Prütting/Wegen/Weinreich, BGB Kommentar, 1. Auflage, 2006
6) Prozessuales
7Ist der Stichtag, zu dem der Zugewinn und die Höhe der Ausgleichsforderung berechnet werden soll, streitig, kann hierüber kein gesondertes Gerichtsverfahren angestrengt werden. Vielmehr ist derjenige Ehegatte, der einen anderen Stichtag als den durch die Zustellung des Scheidungsantrages festgelegten, behauptet, hierfür darlegungs- und beweisbelastet.Palandt/Brudermüller, BGB, 73. Aufl., 2014,
7) Anmerkungen
8Zwar führt der Umstand, dass Vermögensveränderungen nach Zustellung des Scheidungsantrages keine Rolle mehr spielen, dazu, dass Manipulationen betreffend das aktive Vermögen verhindert werden bzw. irrelevant sind. Gleichwohl können so auch unverschuldete finanzielle Schwierigkeiten mit Ausnahme der Fälle, in denen die teleologische Reduktion greift, grundsätzlich keine Berücksichtigung mehr finden. Sollte mithin ein Ehegatte nach der Zugewinnausgleichsberechnung einen bestimmten Betrag zahlen müssen, ist hierzu im Zeitpunkt der Fälligkeit des Anspruches, d.h. mit Rechtskraft der Scheidung, jedoch finanziell nicht mehr in der Lage, kann er sich grundsätzlich nicht auf grobe Unbilligkeit im Sinne des