Schliessen
von Göler (Hrsg.) / Dorothee Höcker / § 1383

§ 1383 Übertragung von Vermögensgegenständen

(1) Das Familiengericht kann auf Antrag des Gläubigers anordnen, dass der Schuldner bestimmte Gegenstände seines Vermögens dem Gläubiger unter Anrechnung auf die Ausgleichsforderung zu übertragen hat, wenn dies erforderlich ist, um eine grobe Unbilligkeit für den Gläubiger zu vermeiden, und wenn dies dem Schuldner zugemutet werden kann; in der Entscheidung ist der Betrag festzusetzen, der auf die Ausgleichsforderung angerechnet wird.

(2) Der Gläubiger muss die Gegenstände, deren Übertragung er begehrt, in dem Antrag bezeichnen.

(3) § 1382 Abs. 5 gilt entsprechend.

Für den Rechtsverkehr

(für Nichtjuristen)

zum Expertenteil (für Juristen)

Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle

1In der Praxis findet die Regelung des § 1383 BGB regelmäßig in Form einer außergerichtlichen Einigung, nicht jedoch so sehr im Rahmen eines Gerichtsverfahrens Anwendung.

Sie sieht vor, dass der grundsätzlich in Geld bestehende Zugewinnausgleichsanspruch teilweise nicht in Geld, sondern vielmehr in Form der Übertragung eines bestimmten Vermögensgegenstandes oder Vermögenswertes des Zugewinnausgleichsverpflichteten an den Zugewinnausgleichsberechtigten abgegolten wird. Notgedrungen kann dies nur Vermögensgegenstände oder –werte betreffen, die bislang im Alleineigentum des Zugewinnausgleichsverpflichteten standen. Der Zugewinnausgleichsberechtigte hat hieran ein besonderes, schützenswertes Interesse, während der zur Zugewinnausgleichszahlung Verpflichtete in keiner engeren Sachbeziehung zu dem betreffenden Vermögenswert steht. Beispielhaft sei hier der Fall genannt, in dem die Ehefrau während der Ehe durchgängig das im Alleineigentum des Ehemannes stehende Fahrzeug genutzt hat, da der Ehemann ein eigenes anderes Fahrzeug, etwa einen Dienstwagen, fuhr. Der Wert des von der Ehefrau genutzten Fahrzeugs erhöht ihren Zugewinnausgleichsanspruch gegenüber dem Ehemann. Will die Ehefrau jedoch statt eines höheren Ausgleichsbetrages das Fahrzeug als ihr Alleineigentum auf sich übertragen haben, um damit auch noch weiter fahren zu können, kann sie einen entsprechenden Antrag nach § 1383 BGB stellen.

Es leuchtet allerdings unmittelbar ein, dass in den meisten Fällen dieser Art kein gerichtlicher Antrag nach § 1383 BGB erforderlich sein wird. Entweder den Eheleuten ist ohnehin klar, dass ein bestimmter Vermögensgegenstand, wie hier der Pkw, sinnvoller Weise durch die Ehefrau auch weiter genutzt wird und damit ihr zugeschrieben werden soll. Im Zweifel wird der Ehemann hieran kein Interesse haben, da er bereits ein anderes Fahrzeug fährt. Sollte dann die Ehefrau auf ihn zukommen und bitten, statt eines höheren Geldbetrages zum Zugewinnausgleich den Pkw übertragen zu erhalten, wird er sich hiergegen schon in eigenem Interesse kaum zur Wehr setzen. Oder aber die Interessenlage ist nicht derart eindeutig, weil auf beiden Seiten ein enger Sachbezug zu dem Vermögensgegenstand besteht. Dies kann etwa bei Hausratsgegenständen der Fall sein, die im Alleineigentum des Ausgleichsverpflichteten stehen und während der Ehe von beiden Eheleuten gleichermaßen genutzt wurden. In diesen Fällen wird es bereits regelmäßig an einer „groben Unbilligkeit“ für den Zugewinnausgleichsberechtigten fehlen, wenn er den Vermögenswert nicht erhält. Zumindest wird er kaum das Risiko eines Prozesses eingehen, mit dem er die Übertragung eines im Alleineigentum des anderen Ehegatten stehenden Gegenstandes auf sich verlangt, zumal er stattdessen einen entsprechend höheren Geldbetrag erhält, der es ihm erlaubt, den Gegenstand nochmals für sich anzuschaffen. Der ideelle Wert des in Frage stehenden Gegenstandes müsste für den Ausgleichsberechtigten schon derart hoch sein, dass er sich auf einen solchen Prozess mit äußerst unsicherem Ausgang einließe. Im Zweifel wird dem Gegenstand ein solcher Wert nicht zukommen.

Ist dies dennoch einmal der Fall, setzt ein Antrag nach § 1383 I BGB folgendes voraus:

a) Antragstellung durch Gläubiger

Derjenige Ehegatte, der für sich eine Zugewinnausgleichsforderung gegenüber dem anderen Ehegatten beansprucht, d.h. der Zugewinnausgleichsgläubiger, stellt einen Antrag beim Familiengericht auf Übertragung eines bestimmten Gegenstandes auf sich unter Anrechnung auf den ggfs. noch zu ermittelnden Zugewinnausgleichsbetrag. Der Schuldner der Forderung ist zu einer derartigen Antragstellung nicht berechtigt. Er kann allenfalls etwaige in der Ehe erfolgte Schenkungen an den anderen Ehegatten unter Umständen widerrufen, um einen bestimmten Gegenstand wiederzuerlangen. Im Übrigen hat er hinzunehmen, dass der andere Ehegatte von ihm als Ausgleich für den höheren Zugewinn einen Geldbetrag und keine Ersatzleistung hierfür verlangt. Zur Geltendmachung einer Ersatzleistung kann er ihn nicht zwingen.

b) Bestimmter Gegenstand

Nach § 1383 II BGB ist der herausverlangte Gegenstand in dem Antrag genau zu bezeichnen. Das bedeutet, dass für jedermann erkennbar sein muss, um welchen Gegenstand es sich handelt. Der Wert des Gegenstandes ist demgegenüber nicht anzugeben. Er sollte gleichwohl vorab in etwa geschätzt werden, da er nicht höher liegen darf, als die in Geld beanspruchte Zugewinnausgleichsforderung, inklusive der hierauf anfallenden Zinsen.

c) Interessenabwägung

Das Gericht nimmt bei der Entscheidung darüber, ob der begehrte Gegenstand auf den Antragsteller/Gläubiger übertragen wird, eine Abwägung zwischen den Interessen des Antragstellers auf Übertragung des streitgegenständlichen Vermögenswertes auf sich einerseits, und den Interessen des Antragsgegners/Schuldners auf Einbehalt des Alleineigentums andererseits vor.

Auf Seiten des Antragstellers gilt es dabei, eine „grobe Unbilligkeit“ zu vermeiden. Diese liegt etwa dann vor, wenn bei Nichtübertragung des Vermögenswertes auf ihn das Gerechtigkeitsempfinden unerträglich gestört würde.MüKo/Koch, BGB, 6. Aufl. (2013), § 1383 Rn. 13. Wann dies wiederum der Fall ist, bleibt einer Gesamtabwägung aller Umstände im Einzelfall durch den Richter vorbehalten. Zu Bedenken ist dabei insbesondere, dass die Ungerechtigkeit für den Antragsteller einen Eingriff in das Alleineigentum des Antragsgegners als einem durch das Grundrecht geschützten Recht rechtfertigen muss. Die Anforderungen sind entsprechend hoch. Nur in Ausnahmefällen wird daher eine derartige Ungerechtigkeit anzunehmen sein. Zu denken ist etwa daran, dass der Antragsteller den Vermögenswert für den Antragsgegner angeschafft, d.h. entsprechend Geld investiert hat.MüKo/Koch, BGB, 6. Aufl. (2013), § 1383 Rn. 15. Allerdings werden rein finanzielle Interessen regelmäßig kaum dazu führen, dass ein konkreter Gegenstand herausverlangt wird, da statt dessen ohnehin ein Ausgleichsanspruch in Geld besteht. Zu dem finanziellen Interesse muss mithin ein weiteres Interesse derart hinzutreten, dass es unbillig erscheint, dem Antragsteller die Herausgabe des begehrten Gegenstandes zu verwehren.

Auf Seiten des Antragsgegners ist bei der Interessenabwägung die Zumutbarkeit der Vermögensübertragung zu prüfen. Auch insoweit kommt es auf die Betrachtung des Einzelfalls an. Die Argumente für eine Unzumutbarkeit hat der ausgleichspflichtige Ehegatte vorzubringen.

Stellt sich letztlich heraus, dass die Vermögensübertragung für den ausgleichspflichtigen Ehegatten unzumutbar ist, zugleich aber auch bei Nichtübertragung eine grobe Unbilligkeit für den ausgleichsberechtigten Ehegatten entsteht, verbleibt es bei dem Grundsatz der Ausgleichspflicht in Geld.

Expertenhinweise

(für Juristen)

1) Allgemeines

2§ 1383 BGB bezweckt, unnötige Härten, denen der Zugewinnausgleichsgläubiger durch die Regelungen zum Zugewinnausgleich in Geld ausgesetzt ist, zu vermeiden bzw. abzumildern. Umgekehrt wird der Zugewinnausgleichsschuldner insoweit nicht geschützt bzw. begünstigt. Dies ist auch nicht erforderlich. Denn hierfür stehen die Regelungen in § 1381 BGB und § 1382 BGB zur Verfügung.

2) Definitionen

3a) Übertragungsgegenstände

Übertragungsgegenstand kann jedes geldwerte Objekt, d.h. jede Sache und jedes Recht sein, über das rechtsgeschäftlich verfügt werden kann.MüKo/Koch, BGB, 6. Aufl. (2013), § 1383 Rn. 6. Hierzu zählen grundsätzlich auch Sach- und Rechtsgesamtheiten wie Unternehmen.MüKo/Koch, BGB, 6. Aufl. (2013), § 1383 Rn. 8. Auf Geldzahlung gerichtete Rechte wie Wertpapiere und ähnliche Anlagen werden demgegenüber von § 1383 BGB nicht erfasst.Johannsen-Henrich/Jaeger, Familienrecht-Kommentar, 5. Aufl. (2010), § 1383 Rn. 3. 

b) Bestimmtheit

Der zu übertragende Vermögensgegenstand ist ausreichend bestimmt bezeichnet, wenn er so konkret wie möglich in Form, Farbe, Material und sonstigen ihn kennzeichnenden Faktoren beschrieben ist, ihn der ausgleichsverpflichtete Ehegatte genau identifizieren kann und sich damit ggfs. erschöpfend gegen den Antrag des anderen Ehegatten verteidigen kann und schließlich eine Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss ohne weiteres möglich wäre. Insoweit können die Maßstäbe, die auch § 253 II Nr. 2 ZPO an die Bestimmtheit eines Klageantrags anlegt, herangezogen werden.

c) Grobe Unbilligkeit, § 1381 Absatz 2 BGB

Grobe Unbilligkeit liegt vor, wenn im Einzelfall bei Nichtübertragung des betreffenden Vermögenswertes auf den ausgleichsberechtigten Ehegatten ein dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widersprechender Zustand einträte.BGH, FamRZ 1992, 787; 2002, 606. 

d) Zumutbarkeit

Die Vermögensübertragung ist dem ausgleichspflichtigen Ehegatten zumutbar, wenn er an dem in Frage stehenden Vermögenswert kein konkretes eigenes Interesse geltend machen kann. Ein konkretes eigenes Interesse kann vorliegen, wenn eine besondere emotionale Beziehung zu dem Vermögenswert besteht, z.B. weil der ausgleichspflichtige Ehegatte den betreffenden Vermögensgegenstand geerbt hat. Gleiches gilt, wenn der Gegenstand derart in eine Sachgesamtheit eingebunden ist, dass eine Trennung nicht oder nur unter Aufwendung erheblicher finanzieller Mittel möglich ist.MüKo/Koch, BGB, 6. Aufl. (2013), § 1383 Rn. 17. 

3) Abgrenzungen, Kasuistik

4Umstritten ist, ob § 1383 BGB auch in den Fällen Anwendung findet, in denen ein bestimmter im Miteigentum beider Eheleute stehender Hausratsgegenstand herausverlangt wird. TeilweisePrütting-Wegen-Weinreich, BGB, 2006, § 1383 Rn. 2. wird dies bejaht, teilweisePalandt/Brudermüller, BGB, 74. Aufl. (2015), § 1383 Rn. 2. verneint. Letzteres ist zu befürworten, da in diesen Fällen das Hausratsteilungsverfahren zur Verfügung steht und das Zugewinnausgleichsverfahren auf gemeinsamen Hausrat grundsätzlich keine Anwendung findet.

4) Zusammenfassung der Rechtsprechung

5LG Frankfurt (Oder), Beschl. v. 28.09.2007 - 19 T 270/07 = FamRZ 2008, 293-295

5) Literaturstimmen

  • 6Palandt, BGB-Kommentar, 74. Auflage, 2015
  • Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 7: Familienrecht I, §§ 1297-1588, VersAusgl, GewSchG, LPartG, 6. Auflage, 2013
  • Johannsen/Henrich, Familienrecht, Kommentar, 5. Auflage, 2010
  • Prütting/Wegen/Weinreich, BGB Kommentar, 9. Auflage, 2014

6) Häufige Paragraphenketten

7§ 1383 III i.V.m. § 1382 V BGB

7) Prozessuales

8Stellt der ausgleichsberechtigte Ehegatte einen Antrag nach § 1383 BGB beim Familiengericht, gilt nach § 1383 III BGB die Regelung in § 1382 V BGB entsprechend. Danach ist zu unterscheiden, ob bereits ein Rechtsstreit über die Zugewinnausgleichsforderung anhängig ist oder nicht. Ist Ersteres der Fall, kann der Antrag nach § 1383 BGB nur in dem bereits anhängigen Rechtsstreit gestellt werden.

8) Anmerkungen

9Die Regelung des § 1383 BGB ist zwingend und steht damit nicht zur Disposition der Eheleute.Palandt/Brudermüller, BGB, 74. Aufl. (2015), § 1383 Rn. 3. Der durch die Regelung geschützte Ehegatte läuft mithin nicht Gefahr, sich ggfs. unter Druck des anderen Ehegatten seines Rechtes aus § 1383 BGB zu begeben. Unabhängig davon haben die Eheleute die Möglichkeit, in Form eines Ehevertrages den Zugewinnausgleich auch bezüglich der Übertragung einzelner Vermögenswerte abschließend zu regeln.Palandt/Brudermüller, BGB, 74. Aufl. (2015), § 1383 Rn. 3. Grundlage hierfür sind § 1378 III S. 2 BGB bzw. § 1408 BGB. Wie bei allen Eheverträgen zu beachten bleibt hierbei § 138 BGB, wonach der Vertrag nicht sittenwidrig sein darf. Andernfalls ist er nichtig.


Fußnoten