Schliessen
von Göler (Hrsg.) / Benjamin Haßelbach / § 621
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§ 621 Kündigungsfristen bei Dienstverhältnissen

Bei einem Dienstverhältnis, das kein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 622 ist, ist die Kündigung zulässig,

  • 1. wenn die Vergütung nach Tagen bemessen ist, an jedem Tag für den Ablauf des folgenden Tages;
  • 2. wenn die Vergütung nach Wochen bemessen ist, spätestens am ersten Werktag einer Woche für den Ablauf des folgenden Sonnabends;
  • 3. wenn die Vergütung nach Monaten bemessen ist, spätestens am 15. eines Monats für den Schluss des Kalendermonats;
  • 4. wenn die Vergütung nach Vierteljahren oder längeren Zeitabschnitten bemessen ist, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Wochen für den Schluss eines Kalendervierteljahrs;
  • 5. wenn die Vergütung nicht nach Zeitabschnitten bemessen ist, jederzeit; bei einem die Erwerbstätigkeit des Verpflichteten vollständig oder hauptsächlich in Anspruch nehmenden Dienstverhältnis ist jedoch eine Kündigungsfrist von zwei Wochen einzuhalten.

Für den Rechtsverkehr

(für Nichtjuristen)

zum Expertenteil (für Juristen)

Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle

1§ 621 BGB bestimmt, welche Fristen bei der ordentlichen Kündigung eines Dienstverhältnisses - das kein Arbeitsverhältnis ist - zu beachten sind. Dies betrifft insbesondere Dienstleistungen von Freiberuflern und Selbstständigen, wie Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Ärzte oder Wirtschaftsprüfer. Die Vorschrift ist nur auf unbefristete Dienstverhältnisse anwendbar, also solche, deren Dauer weder bestimmt, noch aus der Beschaffenheit oder dem Zweck der Dienste zu entnehmen ist (vgl. § 620 Abs. 2 BGB). Die Kündigungsfrist soll vor allem den entlassenen Dienstverpflichteten vor finanziellen Einbußen schützen und es den Vertragspartnern ermöglichen, sich auf das Ende des Dienstvertrages einzustellen. Die einzelnen Fristen richten sich dabei nach dem Bemessungszeitraum der Vergütung und tragen damit dem mutmaßlichen Parteiwillen Rechnung, angebrochene Vergütungszeiträume zu vermeiden.Ermann/Riesenhuber, BGB § 621 Rn. 3; Staudinger/Preis, BGB § 621 Rn. 4. 

Die Fristen der ordentlichen Kündigung eines Arbeitsvertrages regelt dagegen § 622 BGB.

Expertenhinweise

(für Juristen)

1) Allgemeines

a) Anwendungsvoraussetzungen

aa) Persönlicher Anwendungsbereich

2In § 621 BGB sind die Kündigungsfristen für selbstständige Dienstverträge geregelt, während § 622 BGB auf Arbeitsverträge Anwendung findet. 

Soweit vertraglich nicht anders vereinbart, bedarf es bei Dienstverträgen, die keine Arbeitsverträge sind, keines Kündigungsgrundes.

2) Abgrenzungen, Kasuistik

21Für die ordentliche Kündigung des Handelsvertretervertrages ist § 89 HGB lex specialis zu § 621; § 89a HGB findet auf die außerordentliche Kündigung Anwendung. Die Vorschriften im HGB werden mittlerweile, aufgrund der bestehenden Ähnlichkeit, insbesondere im Hinblick auf die wirtschaftliche Abhängigkeit, zudem entsprechend auf Vertragshändler-Rahmenverhältnisse (nicht die separaten Dienstverträge) und überwiegend auch Franchise-Verträge angewendet.MüKoBGB/Hesse, BGB § 621 Rn. 14; ErfK/Müller-Glöge, BGB § 621 Rn. 2; Henssler/Willemsen/Kalb/Bittner/ Tiedemann, ArbR § 621 Rn. 14.  Die Kündigung des Heuerverhältnisses ist dagegen in §§ 65, 66 SeeArbG besonders geregelt und das Heimarbeitsverhältnis ist nach der Sondervorschrift des § 29 HAG kündbar. 

Fernunterrichtsverträge sind ausschließlich nach Maßgabe des § 5 FernUSG kündbar. Auf Direktunterrichtsverträge ist diese Vorschrift weder direkt noch analog anwendbar, so dass diese grundsätzlich den Kündigungsfristen nach § 621 BGB unterliegen. Allerdings ist in der Praxis häufig eine Befristung für eine bestimmte Unterrichtsperiode vorgesehen, sodass § 621 BGB wegen fehlender ordentlicher Kündbarkeit keine Anwendung findet.MüKoBGB/Hesse, BGB § 621 Rn. 10; ErfK/Müller-Glöge, BGB § 621 Rn. 5; BGH, Urt. v. 04.11.1992, NJW 1993, 326. 

Beide Vertragspartner haben das Recht zur Kündigung des Dienstverhältnisses ohne Rücksicht auf eine vereinbarte Vertragsdauer, wenn sich der Dienstberechtigte in der Insolvenz befindet, § 113 S. 1 InsO. Insofern sieht § 113 S. 2 InsO eine Drei-Monats-Frist vor, die als spezialgesetzliche Regelung allen längeren Kündigungsfristen vorgeht. Umgekehrt ist jedoch § 621 BGB vorrangig anzuwenden, soweit hierdurch regelmäßig kürzere Fristen als der durch § 113 S. 2 InsO angeordneten Drei-Monats-Frist in Gang gesetzt werden.Henssler/Willemsen/Kalb/Bittner/Tiedemann, ArbR § 621 Rn. 16; MükoInsO/Caspers, § 113 Rn. 83. 

3) Zusammenfassung der Rechtsprechung

-       BGH, Urt. v. 29.01.1981, NJW 1981, 1270; BGH, Urt. v. 26.03.1984, NJW 1984, 2528; BGH, Urt. v. 09.03. 1987, GmbHR 1987, 264 (Kündigungsfrist für Geschäftsführer)

-       BAG, Urt. v. 11.06.2020, NZA 2020, 1179 (Kündigungsfrist für Geschäftsführer)

-       BAG, Urt. v. 08.05.2007, BB 2007, 2298 (Kündigungsfrist bei arbeitnehmerähnlichen Personen)

-       BAG, Urt. v. 05.03.1970, NJW 1970, 1470; BGH, Urt. v. 17.02.2005, NJW 2005, 1354 (Grundsätzlich keine Anwendung des § 193 BGB auf Kündigungsfristen)

-       BAG, Urt. v. 01.12.2020, NZA 2021, 552 (Arbeitnehmerstatus eines Crowdworkers)

4) Literaturstimmen

-       Die Kraft des Faktischen – oder: Warum Crowdworker doch Arbeitnehmer sein können, Martin Söller, NZA 2021, 997

-       Koppelungsklauseln in GmbH-Geschäftsführerverträgen auf dem Prüfstand, RA Prof. Dr. Friedrich Graf von Westphalen, NZG 2020, 321

-       Kopplungsklauseln in Geschäftsführeranstellungsverträgen, RA Dr. Christian Koehler, NZG 2019, 1406

-       Kündigungsfristen für Geschäftsführeranstellungsverträge – Rechtsprechungsdivergenz zwischen BGH und BAG, Prof. Dr. Katharina Uffmann, NJW 2020, 3210

-       Vertrag mit einem freien Mitarbeiter, RA Dr. Martin Kock, NJW 2021, 993

-       „Selbstständigkeit versus Scheinselbstständigkeit“ – Abgrenzung anhand der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, 

         https://www.brak.de/w/files/01_ueber_die_brak/aus-der-arbeit-der-ausschuesse/2021_03_02-beitrag-abgrenzung-selbstaendigkeit-scheinselbstaendigkeit.pdf

5) Häufige Paragraphenketten

§§ 620 Abs. 2, 621 BGB

6) Prozessuales

Für die Darlegungs- und Beweislast gelten die allgemeinen Regeln. Deshalb trägt derjenige die Darlegungs- und Beweislast, der Ansprüche gestützt auf § 621 BGB oder auf eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Vereinbarung geltend macht.

7) Anmerkungen

a) Aufhebungsvertrag

22Sind sich die Parteien über die Beendigung des Dienstverhältnisses einig, können sie die gesetzlichen Kündigungsfristen durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages „umgehen“. Dieser ermöglicht eine einvernehmliche Beendigung des Dienstvertrages ohne Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfristen. Die gegenseitigen Rechte und Pflichten erlöschen vielmehr nach Maßgabe des Aufhebungsvertrages.


Fußnoten