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von Göler (Hrsg.) / Andreas Gerhardinger / § 612a

§ 612a Maßregelungsverbot

Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.

Für den Rechtsverkehr

(für Nichtjuristen)

zum Expertenteil (für Juristen)

Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle

1Als Ausdruck eines allgemeinen Benachteiligungsverbots und Sonderfall der Sittenwidrigkeit schützt § 612a BGB den Arbeitnehmer vor wirtschaftlichen oder sonstigen Nachteilen bei der Wahrnehmung seiner legitimen Rechte. Damit soll zugleich die Willensfreiheit des Arbeitnehmers gesichert und die Wirksamkeit seiner Rechtspositionen gewährleistet werden. Praktische Bedeutung kommt der Vorschrift vor allem bei Kündigungen von Arbeitsverhältnissen zu, die nicht unter den Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) fallen.

Expertenhinweise

(für Juristen)

1) Allgemeines

2Zum geschützten Personenkreis zählen Arbeitnehmer einschließlich der leitenden Angestellten und Auszubildenden (§ 10 Abs. 2 BBiG), nicht jedoch sonstige freie Dienstleistende. Für letztere besteht in § 16 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) eine Sonderregelung. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) werden arbeitnehmerähnliche Personen nicht erfasst.BAG, Urteil v. 14.12.2004 – Gz. 9 AZR 23/04 (= NZA 2005, 637 ff.), http://lexetius.com/2004,3674; a.A. MüKo/Müller-Glöge, Rdnr. 4 zu § 612a BGB § 612a BGB ist darüber hinaus Anspruchsgrundlage für zu Unrecht vorenthaltene Leistungen und zugleich Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB.

2) Definitionen

a) Vereinbarung

3Vereinbarungen im Sinne des § 612a BGB sind einzel- oder kollektivrechtliche Verträge, insbesondere der Arbeitsvertrag oder dessen Änderung.

b) Maßnahme

4Maßnahmen im Sinne der Vorschrift sind alle Handlungen oder Unterlassungen tatsächlicher oder rechtsgeschäftlicher Art mit konkretem Bezug zum Arbeitsverhältnis. Hierzu zählen die Gewährung von Leistungen bzw.

3) Abgrenzungen, Kasuistik

a)                                  

9Die klageweise Geltendmachung von Rechten gegenüber dem Arbeitgeber ist vom Schutz des § 612a BGB grundsätzlich gedeckt, und zwar unabhängig von der Berechtigung des zu Grunde liegenden Anspruchs,BAG, Urteil v. 09.02.1995 – Gz. 2 AZR 389/94 (= NJW 1996, 1299 ff.), http://www.iww.de/quellenmaterial/id/100496

4) Zusammenfassung der Rechtsprechung

5) Literaturstimmen

17§ 612a BGB ist als zwingende Schutzvorschrift zu Gunsten des Arbeitnehmers nicht abdingbar, da die Hinnahme einer Benachteiligung in jedem Fall unzumutbar istMüKo/Müller-Glöge, Rdnr. 2 zu § 612a BGB .

Hinsichtlich der Frage, ob die Rechtsausübung des Arbeitnehmers zulässig ist, kommt es auf die objektive Rechtslage und nicht auf die subjektive Einschätzung des Arbeitnehmers anMüKo/Müller-Glöge, Rdnr. 10 zu § 612a BGB .

6) Häufige Paragraphenketten

18§ 612a BGB i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB, als Anspruchsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers bei schuldhaftem Verhalten des Arbeitgebers.

§ 612a BGB i.V.m. § 134 BGB, Unwirksamkeit einer Kündigung außerhalb der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes wegen Verstoß gegen Benachteiligungsverbot.

7) Prozessuales

8) Anmerkungen

19Spezielle Maßregelungsverbote finden sich in anderen Vorschriften, wie z.B. in § 20 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) betreffend das aktive und passive Wahlrecht, in § 84 Abs. 3 BetrVG (Beschwerderecht), § 78 S. 2 BetrVG (Betriebsratsmitglieder), § 26 S. 2 Mitbestimmungsgesetz (MitbestG) für Arbeitnehmer in Aufsichtsräten, § 5 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) für Teilzeitarbeitsverhältnisse.

Ein instruktives Prüfungsschema zu § 612a BGB mit umfangreichen Rechtsprechungsnachweisen enthält die Entscheidung Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 01.10.2012 – 5 Sa 268/12.http://www3.mjv.rlp.de/rechtspr/DisplayUrteil_neu.asp?rowguid={E22CA715-6944-457B-8558-CC9280233A44}


Fußnoten