§ 1381 Leistungsverweigerung wegen grober Unbilligkeit
(1) Der Schuldner kann die Erfüllung der Ausgleichsforderung verweigern, soweit der Ausgleich des Zugewinns nach den Umständen des Falles grob unbillig wäre.
(2) Grobe Unbilligkeit kann insbesondere dann vorliegen, wenn der Ehegatte, der den geringeren Zugewinn erzielt hat, längere Zeit hindurch die wirtschaftlichen Verpflichtungen, die sich aus dem ehelichen Verhältnis ergeben, schuldhaft nicht erfüllt hat.
Für den Rechtsverkehr
(für Nichtjuristen)
zum Expertenteil (für Juristen)
Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle
1
Keine Höchstpersönlichkeit; Geltendmachung durch Rechtsnachfolger
Die Einrede der groben Unbilligkeit gemäß
Fallgruppen
2
Ein typischer Anwendungsfall einer Pflichtverletzung im wirtschaftlichen Bereich stellt eine hartnäckige Unterhaltspflichtverletzung oder die bewusste Herbeiführung wirtschaftlicher Nachteile etwa durch Verrat von Geschäftsgeheimnissen dar. Auch die Überbürdung von Unterhaltspflichten für ein scheineheliches Kind kann eine Verletzung der aus der Ehe resultierenden wirtschaftlichen Verpflichtungen darstellen.
Die Pflichtverletzung muss während der Dauer des Güterstandes über einen längeren Zeitraum hinweg erfolgt sein. Fehlverhalten nach Beendigung des Güterstandes bleibt grundsätzlich unbeachtlich, sodass auch eine Unterhaltspflichtverletzung nach der Scheidung regelmäßig keine Rolle spielt. Im Rahmen der Gesamtabwägung sind jedoch auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Beteiligten zu berücksichtigen.
Die unzureichende, d.h. mangelhafte Verwaltung des eigenen Vermögens unter Verletzung der hierauf gerichteten Verpflichtung gemäß
Nur in extrem gelagerten Ausnahmefällen wird der Anwendungsbereich von
Auch wenn eine "Scheidungsstrafe"vgl. Johannsen/Hinrich-Jäger,
Verschulden
3Bei der Verletzung wirtschaftlicher Verpflichtungen setzt
Expertenhinweise
(für Juristen)
1) Allgemeines
4
Es handelt sich um eine Ausnahmevorschrift, die nicht geeignet und bestimmt ist, jede sich aus der schematischen Anwendung der güterrechtlichen Vorschriften ergebende systemimmanente subjektive Ungerechtigkeit zu hinterfragen. Vielmehr ist eine einzelfallbezogene Gesamtbetrachtung erforderlich, die eine allgemein gültige Definition der groben Unbilligkeit erschwert bzw. ausschließt. Folgerichtig ist die Kasuistik ebenso umfangreich wie vielgestaltig. Nachdem der Anwendungsbereich so eng ist, liegen insbesondere nicht so viele streitige Entscheidungen vor, dass sich eine eindeutige Linie der Behandlung in der Rechtsprechung ableiten ließe. Die Bewertung der Lebenssachverhalte weicht deshalb in den einzelnen Entscheidungen spürbar voneinander ab. Dies ist für die einzelfallbezogene Betrachtung typisch.
Der zeitliche Anwendungsbereich entspricht der Dauer des Güterstandes. Damit sind Entwicklungen nach Rechtskraft der Ehescheidung insbesondere in unterhaltsrechtlicher Hinsicht regelmäßig bedeutungslos. Werden für die Beurteilung der groben Unbilligkeit relevante Umstände jedoch erst später bekannt, was insbesondere bei einer Vaterschaftsanfechtung bei Unterschieben eines scheinehelichen Kindes der Fall sein kann, kommt eine Rückforderung des geleisteten Zugewinns gemäß
Ist der Anwendungsbereich von
Im Ergebnis handelt es sich bei
2) Definitionen
a) Grobe Unbilligkeit
5Der Maßstab der groben Unbilligkeit wird eng ausgelegt. Eine grobe Unbilligkeit soll nur vorliegen, wenn die (vollständige) Gewährung des Zugewinnausgleichsanspruchs bei Anwendung der güterrechtlichen Vorschriften dem "Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widerspricht".BGH FamRZ 80, 768 und 877; 92, 787 Die Anforderungen sind strenger als im allgemeinen Anwendungsbereich von
Die Bewertung der groben Unbilligkeit erschöpft sich nicht in einer Momentaufnahme, sondern muss dauerhaft bestehen. Folgerichtig geht der Anwendungsbereich der Stundungsvorschrift gemäß
b) Einrede
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c) Verzicht
7Da es dem Ausgleichspflichtigen frei steht, sich auf die Einrede zu berufen, ist ein Verzicht auch im Rahmen einer einseitigen formlosen Erklärung möglich. Dies gilt jedoch erst nach Beendigung des Güterstandes. Bis dahin ist ein Verzicht lediglich gemäß
3) Abgrenzungen, Kasuistik
8Die Rechtsprechung zum Anwendungsbereich von
- Vermögenszuwachs ohne Ehebezug
Bei Entschädigungen für erlittene Unfallschäden oder Schmerzensgeldansprüche sowie bei einem Vermögenszuwachs
4) Zusammenfassung der Rechtsprechung
OLG Zweibrücken: Keine Anwendung von
Gegenüber der auf eine Unterschlagungshandlung des Ausgleichsberechtigten gestützten Billigkeitseinrede aus
OLG Zweibrücken, Beschluss vom 28.9.2018 – 2 UF 34/18, NJW 2019, 611
Kurz gefasst:
BGH: Bei Unterhaltsüberzahlungen ist nach der Zeitspanne vor und nach dem Stichtag zu differenzieren: vor dem Stichtag haben die Zahlungen bereits das Endvermögen des Überzahlenden gemindert
Ein Anwendungsbereich für
BGH NJW 2018, 2871
Kurz gefasst: Für Unterhaltsüberzahlungen vor dem Stichtag für die Berechnung des Zugewinnausgleichs ist
OLG Brandenburg: Überzahlter Unterhalt ohne Rückforderungsmöglichkeit kann Herabsetzung des Zugewinnausgleichs gem.
1. Zu viel gezahlter Unterhalt kann zur Herabsetzung des Zugewinnausgleichsanspruchs gem.
2. Etwaiges Fehlverhalten des Ausgleichspflichtigen während der Ehe - hier: behauptete sexuelle Übergriffe - sind für die Anwendung des
OLG Brandenburg, NJW-RR 2003, 1083
Kurz gefasst: Nur wenn Unterhaltsüberzahlungen (1) erst nach dem Stichtag für die Berechnung des Zugewinns entstanden sind und (2) ein Rückforderungsanspruch nicht durchsetzbar ist, kann ausnahmsweise
OLG Düsseldorf: Bessere Vermögensverhältnisse des Ausgleichsberechtigten und Wertsteigerung erst nach der Trennung rechtfertigen Anwendung von
1. Allein der Umstand, dass der Ehegatte, dem die Zugewinnausgleichsforderung zusteht, über das wesentlich höhere Vermögen verfügt als der ausgleichspflichtige Ehegatte, begründet nicht die Annahme einer unbilligen Härte im Sinne des
2. Ist die Wertsteigerung bei dem ausgleichspflichtigen Ehegatten erst nach der Trennung eingetreten (hier: Grundstücke wurden zu Bauland), rechtfertigt dies allein nicht die Anwendung des
3. Die Verschwendung von Vermögen durch den zugewinnausgleichsberechtigten Ehegatten bleibt im Rahmen des
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 5.11.2014 – II-5 UF 71/14, NJW 2015, 1535
Kurz gefasst:
OLG Hamburg:
3. Der Wert einer in das Endvermögen der Ehefrau fallenden Lebensversicherung hat bei der Berechnung des Zugewinns gem. §
OLG Hamburg NZFam 2015, 219
Kurz gefasst: Bezieht der Ausgleichsberechtigte Leistungen aus einer Lebensversicherung des Ausgleichspflichtigen, ist deren Wert zum Stichtag nicht noch güterrechtlich zu berücksichtigen.
BGH: Lottogewinn in der Trennungszeit begründet keine Anwendbarkeit von
1. Der Lottogewinn eines Ehegatten ist bei der Berechnung des Zugewinnausgleichs nicht seinem Anfangsvermögen nach
2. Dass der Lottogewinn längere Zeit nach der Trennung erzielt worden ist, rechtfertigt für sich genommen auch keine grobe Unbilligkeit i. S. von
BGH, Beschluss vom 16. 10. 2013 − XII ZB 277/12, NJW 2013, 3645
Kurz gefasst: Lebensschicksalhafte Entwicklungen sind grundsätzlich auch nach der Trennung zu berücksichtigen und rechtfertigen keine Ergebniskorrektur durch
BGH: Lange Trennungsdauer allein begründet keine Unbillgkeit gem.
Allein eine ungewöhnlich lange Trennungszeit von Ehegatten rechtfertigt nicht die Annahme einer unbilligen Härte der Ausgleichpflicht im Rahmen des Zugewinnausgleichs. Vielmehr müssen weitere Gründe hinzutreten, aus denen sich ein Leistungsverweigerungsrecht ergibt (im Anschluss an Senat, NJW-RR 2002, 865 = FamRZ 2002, 606).
BGH, Urteil vom 9. 10. 2013 − XII ZR 125/12, NJW 2013, 3642
OLG Bremen: Umstände nach der Trennung regelmäßig für
Umstände, die nach Zustellung des Scheidungsantrags liegen, sind in der Regel bei
OLG Bremen v. 30. 1. 1997 5 WF 137/96, FamRZ 1998, 245
OLG Celle: kein Zugewinnausgleich wegen Vermögensentwicklung ohne jeden Ehebezug nach der Trennung
Dem ausgleichspflichtigen Ehegatten kann ein Leistungsverweigerungsrecht gem.
OLG Celle, NJW-RR 1993, 903
Kurz gefasst: Lange Trennungsdauer führt nicht ohne weiteres zur Anwendung von
BGH: unverschuldeter Vermögensverlust nach Endvermögensstichtag zB durch Kursschwankungen begründen Unbilligkeit wegen eindeutiger Stichtagsregelung gem.
Durch die Neuregelung des
BGH, Urteil vom 4. 7. 2012 - XII ZR 80/10, DNotZ 2012, 851
Kurz gefasst: Vermögensveränderungen nach dem Stichtag werden in der Regel nicht über
LG Nürnberg-Fürth: kein Zugewinnausgleich im Todesfall wegen
Ist der Ausgleich des Zugewinns nach den Umständen des Sachverhalts grob unbillig, kann die Erfüllung der Ausgleichsforderung verweigert werden.
LG Nürnberg-Fürth Urt. v. 29.2.2012 – 7 O 8624/11, BeckRS 2012, 8169
OLG Düsseldorf: schwerwiegendes persönliches Fehlverhalten (schwere Misshandlung und Ehebruch) kann Ausschluss des ZGA rechtfertigen, es sei denn Vermögensbildung des Ausgleichspflichtigen wurde maßgeblich vom Ausgleichsberechtigten ermöglicht
Schwerwiegendes persönliches Fehlverhalten, dass sich nicht wirtschaftlich ausgewirkt hat (hier: massive körperliche Misshandlungen und ehebrecherisches Verhalten) kann den Ausschluss des Zugewinnausgleichs nach
Ein Ausschluss scheidet jedoch aus, wenn das Endvermögen des ausgleichspflichtigen Ehegatten von dem ausgleichsberechtigten Ehegatten erwirtschaftet wurde und dieser einseitig Vermögensbildung zugunsten des ausgleichspflichtigen Ehegatten betrieben hat, um eine Alterssicherung für beide Parteien zu schaffen, die bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten seines Unternehmens gegen den Zugriff der Gläubiger abgesichert ist.
OLG Düsseldorf FD-FamR 2009, 278203
OLG Bamberg: Herabsetzung des Zugewinnausgleichs um über 40% wegen jahrzehntelanger Misshandlung durch den Ausgleichsberechtigten
Zur Herabsetzung des Zugewinnausgleichsanspruchs des Ehemannes wegen grober Unbilligkeit infolge jahrzehntelanger Unterdrückung und Mißhandlung der Ehefrau.
OLG Bamberg, Urteil vom 05.12.1996 - 2 UF 181/96, NJW-RR 1997, 1435
BGH: keine Herabsetzung des Zugewinnausgleichs gem.
Zur Herabsetzung des Zugewinnausgleichsanspruchs wegen wirtschaftlichen Fehlverhaltens des Ausgleichsberechtigten. (Leitsatz der Redaktion)
BGH, Urteil vom 18-03-1992 - XII ZR 262/90 (KG), NJW-RR 1992, 900
Kurz gefasst: schwerwiegendes persönliches Fehlverhalten kann Anwendungsbereich von
OLG Köln: Leistungsverweigerung wegen grober Unbilligkeit bei Erwerb des Grundstücks durch den Ausgleichsberechtigten in Teilungsversteigerung weit unter Wert
Erwirbt ein Ehegatte ein im hälftigen Miteigentum der Eheleute stehendes Grundstück im Rahmen einer Teilungsversteigerung nach Beendigung des Güterstands weit unter Wert, steht dem anderen Ehegatten im Zugewinnausgleichsverfahren ein Leistungsverweigerungsrecht wegen grober Unbilligkeit zu.
OLG Köln, NJW-Spezial 2009, 534
OLG Brandenburg: Einrede gem.
Die Einrede des
OLG Brandenburg, FamRZ 2009, 1067
Kurz gefasst: Der güterrechtliche Auskunftsanspruch besteht grundsätzlich auch wenn
AG Hersbruck: nach der Trennung zugeflossenes Schmerzensgeld kann gem.
1. Schmerzensgeld, das einem der Ehepartner durch ein Ereignis während intakter Ehe zufließt, ist in die Bilanz für die Berechnung des Zugewinnausgleichs einzustellen.
2. Ist der Schmerzensgeldanspruch erst Jahre nach der Trennung der Eheleute entstanden, so ist - zumindest bei Hinzutreten weiterer Umstände (hier: Verlust des Arbeitsplatzes durch das das Schmerzensgeld auslösende Ereignis mit der Folge, dass das Schmerzensgeld zumindest teilweise zum Schutz der wirtschaftlichen Existenz des Berechtigten verwendet wurde) - das Schmerzensgeld aus dem Gesichtspunkt der groben Unbilligkeit nicht dem Endvermögen des Schmerzensgeldberechtigten hinzuzurechnen
AG - FamG - Hersbruck, Urteil vom 23. 1. 2002 - 2 F 1082/01, JuS 2003, 94
OLG Stuttgart: Ausgleich von Abfindung für Schadensersatzansprüche kann unbillig iSv
Beruht der Zugewinn des Ausgleichspflichtigen auf einer Abfindung für materielle oder immaterielle Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall, so kann es im Hinblick auf den Gesichtspunkt der längerfristigen Absicherung der Versorgungslage des Ausgleichspflichtigen angemessen sein, ihm gem.
OLG Stuttgart Urt. v. 29.3.2001 – 11 UF 331/00, BeckRS 2001, 12947
Kurz gefasst: Schmerzensgeld und Schadensersatzansprüche können wegen
OLG Schleswig: Unbilligkeit bei Zugewinnausgleich allein wegen Wertsteigerung an Anfangsvermögen denkbar bei psychisch erkrankter Ausgleichspflichtiger, die Lebensunterhalt durch Substanzabbau bestreiten muss
Hat der ausgleichspflichtige Ehegatte keine Berufsausbildung und besteht sein Zugewinn allein in der Wertsteigerung der im Wege vorweggenommener Erbfolge erworbenen ideellen Haushälfte, kommt gem.
OLG Schleswig, Urteil vom 30. 5. 1997 - 10 UF 56–96, NJW-RR 1998, 1225
5) Häufige Paragraphenketten
§§ 1381, 1372 BGB
6) Prozessuales
10Die negative Billigkeitsklausel gem.