Schliessen
von Göler (Hrsg.) / Benjamin Haßelbach / § 622

§ 622 Kündigungsfristen bei Arbeitsverhältnissen

(1) Das Arbeitsverhältnis eines Arbeiters oder eines Angestellten (Arbeitnehmers) kann mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden.

(2) Für eine Kündigung durch den Arbeitgeber beträgt die Kündigungsfrist, wenn das Arbeitsverhältnis in dem Betrieb oder Unternehmen

  • 1. zwei Jahre bestanden hat, einen Monat zum Ende eines Kalendermonats,
  • 2. fünf Jahre bestanden hat, zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
  • 3. acht Jahre bestanden hat, drei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
  • 4. zehn Jahre bestanden hat, vier Monate zum Ende eines Kalendermonats,
  • 5. zwölf Jahre bestanden hat, fünf Monate zum Ende eines Kalendermonats,
  • 6. 15 Jahre bestanden hat, sechs Monate zum Ende eines Kalendermonats,
  • 7. 20 Jahre bestanden hat, sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats.

(3) Während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.

(4) Von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Regelungen können durch Tarifvertrag vereinbart werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags gelten die abweichenden tarifvertraglichen Bestimmungen zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, wenn ihre Anwendung zwischen ihnen vereinbart ist.

(5) Einzelvertraglich kann eine kürzere als die in Absatz 1 genannte Kündigungsfrist nur vereinbart werden,

  • 1. wenn ein Arbeitnehmer zur vorübergehenden Aushilfe eingestellt ist; dies gilt nicht, wenn das Arbeitsverhältnis über die Zeit von drei Monaten hinaus fortgesetzt wird;
  • 2. wenn der Arbeitgeber in der Regel nicht mehr als 20 Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt und die Kündigungsfrist vier Wochen nicht unterschreitet.

Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen. Die einzelvertragliche Vereinbarung längerer als der in den Absätzen 1 bis 3 genannten Kündigungsfristen bleibt hiervon unberührt.

(6) Für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer darf keine längere Frist vereinbart werden als für die Kündigung durch den Arbeitgeber.

Für den Rechtsverkehr

(für Nichtjuristen)

zum Expertenteil (für Juristen)

Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle

§ 622 BGB regelt die gesetzliche Kündigungsfrist für unbefristete Arbeitsverhältnisse aller Art und legt in Abs. 1 eine vierwöchige Grundkündigungsfrist zum 15. oder zum Monatsende innerhalb der ersten zwei Beschäftigungsjahre für beide Vertragsparteien fest. Gemäß § 622 Abs. 2 BGB verlängert sich diese Frist bei zunehmender Beschäftigungsdauer (nur) für die arbeitgeberseitige Kündigung stufenweise auf bis zu sieben Monate zum Monatsende. Durch die Regelung wird die Privatautonomie der Parteien in Bezug auf die Vertragsbeendigung zum Schutz des Vertragspartners, der sich rechtzeitig auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses einstellen können soll, eingeschränkt und ein zeitlich limitierter Kündigungsschutz bewirkt.Erman/Riesenhuber, BGB § 622 Rn. 3; ErfK/Müller-Glöge BGB § 622 Rn. 1.

Expertenhinweise

(für Juristen)

1) Allgemeines

a) Anwendungsvoraussetzungen

aa) Persönlicher Anwendungsbereich

1§ 622 BGB gilt für alle Arbeitsverhältnisse, einschließlich Teilzeitbeschäftigten (und damit auch für die geringfügig Beschäftigten), nicht jedoch für Verträge mit arbeitnehmerähnlichen Personen (s. die Kommentierung zu § 621 BGB).jurisPK-BGB, § 622 Rn. 4; Henssler/Willemsen/Kalb/Bittner/Tiedemann, ArbR, § 622 Rn. 11; BAG, Urt. v. 08.05.2007 - 9 AZR 777/06 – juris Während Absatz 1 sowohl auf die arbeitgeber- als auch die arbeitnehmerseitige Kündigung Anwendung findet, gilt Absatz 2 nur für Kündigungen durch den Arbeitgeber. 

Auf Hausangestellte und -gehilfen ist lediglich die Grundkündigungsfrist nach § 622 Abs. 1 BGB anwendbar. Die verlängerten Fristen nach Absatz 2 gelten nicht, da der Haushalt kein Unternehmen und keinen Betrieb im Sinne der Vorschrift darstellt.BAG, Urt. v. 11.06.2020 – 2 AZR 660/19, NZA 2020, 1241, Ascheid/Preis/Schmidt/Linck BGB § 622 Rn. 10. Die hierdurch entstehende Differenzierung ist auch verfassungsrechtlich gerechtfertigt, da sich die Arbeitsleistung von Hausangestellten regelmäßig durch eine besondere Nähe zur privaten Lebensführung des Arbeitgebers -sowie ggf. dessen Familie- auszeichnet, indem diese vertragsgemäß in dem (höchst-)persönlichen, zur Wahrung der Menschenwürde besonders wichtigen -dem Kernbereichsschutz des Art. 13 Abs. 1 GG unterliegenden- Rückzugsraum des Arbeitgebers tätig werden.BAG, Urt. v. 11.06.2020 – 2 AZR 660/19, NZA 2020, 1241; Henssler/Willemsen/Kalb/Bittner/Tiede-mann, ArbR, § 622 Rn. 13; a.A. LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 26.06.2015 – 8 Sa 5/15, NZA-RR 2016, 17; jurisPK-BGB, § 622 Rn. 9 

§ 622 BGB gilt -mit Ausnahme des Abs. 5 S. 1- auch für Leiharbeitsverhältnisse. Durch die Nichtanwendung des § 622 Abs. 5 S. 1 BGB soll verhindert werden, dass die Vereinbarung kürzerer als der gesetzlichen Fristen zu einer Umgehung des Lohnfortzahlungsrisikos bei fehlender Einsatzmöglichkeit führt. Kürzere Fristen sind im Leiharbeitsverhältnis daher nur möglich, sofern der anwendbare Tarifvertrag dies vorsieht. Der Verleiher ist zudem nach § 11 Abs. 1 AÜG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 9 NachwG verpflichtet, die Kündigungsfristen in eine von ihm unterzeichnete Urkunde aufzunehmen, wofür der Verweis auf die gesetzlichen/tarifvertraglichen Fristen genügt.Ascheid/Preis/Schmidt/Linck BGB § 622 Rn. 13; ErfK/Müller-Glöge BGB § 622 Rn. 6b Sonderregelungen, die in ihrer Anwendung § 622 BGB vorgehen, bestehen dagegen für Arbeitnehmer in Elternzeit, schwerbehinderte Menschen, Auszubildende, Heimarbeiter, Seeleute und in der Insolvenz (im Einzelnen hierzu unter 2. Abgrenzung). 

Zur umstrittenen Frage der einschlägigen Kündigungsfrist für Dienstverträge mit GmbH-Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern von Aktiengesellschaften s. die Kommentierung zu § 621 BGB.

bb) Sachlicher/Gegenständlicher Anwendungsbereich

2Die Vorschrift regelt die einzuhaltenden Fristen und Termine für die ordentlichen Kündigung eines auf unbestimmte Dauer geschlossenen Arbeitsverhältnisses (§ 620 Abs. 2 BGB) - unabhängig davon, ob es sich um eine Beendigungs- oder Änderungskündigung handelt.MüKo/BGB/Hesse, § 622 Rn. 11; Ascheid/Preis/Schmidt/Linck BGB § 622 Rn. 20; BAG, Urt. v. 12.1.1994 - 4 AZR 152/93 – juris. 

Bei befristeten und auflösend bedingten Arbeitsverhältnissen findet § 622 BGB gemäß §§ 15 Abs. 3, 21 TzBfG nur dann Anwendung, wenn und soweit die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung einzelvertraglich oder im anwendbaren Tarifvertrag vereinbart ist.

Für die außerordentliche Kündigung gilt dagegen § 626 BGB

cc) Form

3Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses bedarf -unabhängig davon, ob es sich um eine Beendigungs- oder Änderungskündigung handelt- gem. § 623 BGB zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Diese wird nach § 126 Abs. 1 BGB dadurch gewahrt, dass alle Erklärenden die Urkunde eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels eines notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnen. Handelt ein Vertreter für eine Vertragspartei, so muss dies durch einen das Vertretungsverhältnis anzeigenden Zusatz hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen.BAG, Urt. v. 21.04.2005 – 2 AZR 162/04 – juris 

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts muss zudem, damit eine hinreichend bestimmte Kündigung vorliegt, der Erklärungsempfänger aus dem Wortlaut und den Begleitumständen der Kündigungserklärung erkennen können, ob der Kündigende von seinem Recht zur ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung Gebrauch macht und wann das Arbeitsverhältnis enden soll.Ascheid/Preis/Schmidt/Linck BGB § 622 Rn. 15; BAG, Urt. v. 20.01.2016 – 6 AZR 782/14, NZA 2016, 485 Während für Ersteres insbesondere die Bezeichnung und die angegebene Begründung der Kündigung von Bedeutung sind, genügt für die hinreichende Bestimmtheit des Endtermins im Fall einer ordentlichen Kündigung regelmäßig die Angabe des Kündigungstermins oder der Kündigungsfrist. Auch ein Hinweis auf die maßgeblichen gesetzlichen oder tariflichen Regelungen genügt, wenn der Erklärungsempfänger dadurch unschwer ermitteln kann, zu welchem Termin das Arbeitsverhältnis enden soll. Ebenso ist eine Kündigung „zum nächstzulässigen Termin“ möglich, wenn dem Empfänger die Dauer der Kündigungsfrist bei Zugang der Kündigung bekannt oder für ihn bestimmbar ist.BAG, Urt. v. 20.01.2016 – 6 AZR 782/14, NZA 2016, 485; Ascheid/Preis/Schmidt/Linck BGB § 622 Rn. 15 

Beachte: Nicht jede Kündigung unter Ausspruch einer Frist ist zwingend eine ordentliche Kündigung. Der Arbeitgeber hat auch die Möglichkeit, eine außerordentliche Kündigung -etwa aus sozialen Gesichtspunkten oder aufgrund Personalmangels- mit einer Auslauffrist zu versehen. Von einer solchen ist allerdings in der Regel nur auszugehen, wenn der Kündigende hinreichend deutlich macht, dass es sich trotz der Fristsetzung um eine außerordentliche Kündigung handeln soll.BAG, Urt. v. 13.05.2015 – 2 AZR 531/14 – juris; Ascheid/Preis/Schmidt/Linck BGB § 622 Rn. 16 Maßgeblich im Rahmen der Abgrenzung ist allein, wie der Gekündigte den aus der Kündigungserklärung erkennbaren Willen des Kündigenden nach dem objektiven Empfängerhorizont verstehen durfte (§§ 133, 157 BGB) und nicht ob tatsächlich ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung gegeben ist und der Kündigende nach den Umständen des Einzelfalles die außerordentliche Kündigung hätte aussprechen können.Ascheid/Preis/Schmidt/Linck BGB § 622 Rn. 17; BAG, Urt. v. 13.05.2015 – 2 AZR 531/14 – juris Liegt eine außerordentliche Kündigung mit „sozialer“ Auslauffrist vor, ist der Kündigende nicht an die Fristen des § 622 BGB gebunden, sondern kann die Dauer der Auslauffrist frei bestimmen.Staudinger/Preis, BGB § 622 Rn. 9; Ascheid/Preis/Schmidt/Linck BGB § 622 Rn. 17 Eine Ausnahme von dem Vorstehenden gilt nur im Falle einer sog. „Orlando-Kündigung“, wenn der ordentlich unkündbare Arbeitnehmer ausnahmsweise außerordentlich aus betriebsbedingten (z.B. vollständige Betriebsschließung) oder personenbedingten (z.B. Dauererkrankung) Gründen gekündigt werden darf. In diesen Fällen hat der Arbeitgeber -um den besonderen Kündigungsschutz nicht zu unterlaufen- eine der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende Auslauffrist zu wahren.MüKo/BGB/Hesse, § 622 Rn. 13; Ascheid/Preis/Schmidt/Linck BGB § 622 Rn. 18; BAG, Urt. v. 25.04.2018 – 2 AZR 6/18, NZA 2018, 1056; BAG, Urt. v. 13.05.2015 – 2 AZR 531/14 – juris 

dd) Abdingbarkeit

4Die Grundkündigungsfrist nach § 622 Abs. 1 BGB ist eine Mindestfrist, die individualvertraglich grundsätzlich nicht verkürzt, sondern nur verlängert werden kann (s. § 622 Abs. 5 S. 3 BGB). Eine Ausnahme hiervon gilt nur während einer vereinbarten Probezeit und in den Fällen von Abs. 5 S. 1. Dabei können nicht nur die Fristen verlängert, sondern auch weniger Kündigungstermine -beispielsweise nur zum Ende des Monats oder Quartals- vereinbart werden.Ascheid/Preis/Schmidt/Linck BGB § 622 Rn. 114; Staudinger/Preis, BGB § 622 Rn. 5; Erman/Riesenhuber, BGB § 622 Rn. 43; Laber/Santon, ArbRB 2018, 57 Der Kündigungstermin zum Monatsende bei länger bestehenden Arbeitsverhältnissen im Sinne des § 622 Abs. 2 BGB, ist der Parteidisposition -zum Schutz des betriebstreuen Arbeitnehmers- hingegen vollständig entzogen.BAG, Urt. v. 12.07.2007 – 2 AZR 492/05, NZA 2008, 476; Staudinger/Preis, BGB § 622 Rn. 29 

Individualvertragliche Verlängerung der gesetzlichen Kündigungsfrist

Die grundsätzliche Zulässigkeit der Verlängerung der gesetzlichen Kündigungsfristen durch einzelvertragliche Vereinbarung folgt aus § 622 Abs. 5 S. 3 BGB. Ob im Einzelfall tatsächlich eine „längere“ Kündigungsfrist festgelegt wurde, die zu einer späteren Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt, ist durch einen Günstigkeitsvergleich zu ermitteln, bei dem Kündigungsfrist und -termin regelmäßig als Einheit zu betrachten sind – es ist ein Gesamtvergleich durchzuführen.Staudinger/Preis, BGB § 622 Rn. 49; BAG, Urt. v. 29.01.2015 - 2 AZR 280/14, NZW 2015, 2205 

Auch die Verlängerung der gesetzlichen Fristen unterliegt bei arbeitnehmerseitigen Kündigungen jedoch Grenzen. So folgt aus § 624 S. 1, 2 BGB bzw. § 15 Abs. 4 TzBfG für den Arbeitnehmer eine zulässige Höchstbindungsdauer von fünfeinhalb Jahren.MüKo/BGB/Hesse, § 622 Rn. 96; Ascheid/Preis/Schmidt/Linck BGB § 622 Rn. 115 Dies bedeutet im Umkehrschluss allerdings nicht, dass Fristen unterhalb dieser Bindungsdauer immer zulässig sind. Erforderlich ist stets eine Abwägung der widerstreitenden Interessen anhand des konkreten Einzelfalls. Insbesondere ist zu fragen, ob eine sittenwidrige Beschränkung der wirtschaftlichen oder beruflichen Handlungsfreiheit des Arbeitnehmers gem. § 138 Abs. 1 BGB oder seines Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl gem. Art. 12 Abs. 1 GG vorliegt. Dabei ist zu prüfen, wie komplex und kompliziert die mit dem konkreten Arbeitsplatz verbundenen Aufgaben sind und ob der in der Fristverlängerung liegende Nachteil durch einen sachlich damit zusammenhängenden Vorteil aufgewogen wird.Erman/Riesenhuber, BGB § 622 Rn. 43; jurisPK-BGB, § 622 Rn. 25; ErfK/Müller-Glöge BGB § 622 Rn. 42 Die Festlegung einer bestimmten Kündigungsfrist, die als zulässig/unzulässig anzusehen ist, ist aufgrund der vorzunehmenden Einzelfallbetrachtung nicht möglich. Als Faustformel lässt sich jedoch festhalten, dass mit der Komplexität des Arbeitsplatzes bzw. der mit ihm verbundenen Tätigkeit auch die Größe des vertraglichen Gestaltungsspielraums, und damit die Möglichkeit, längere Kündigungsfristen zu vereinbaren, wächst.Staudinger/Preis, BGB § 622 Rn. 50 

Möglich bleibt allerdings eine nach der Kündigung getroffene Vereinbarung (Abwicklungsvertrag) dahingehend, dass der Arbeitnehmer das Recht hat, das Arbeitsverhältnis vor dem vorgesehenen Datum gegen eine Erhöhung des Abfindungsbetrags zu beenden (sog. Turbo-/Sprinterklausel), weil insofern keine Partei des Schutzes bedarf und die Situation mit der des § 12 KSchG vergleichbar ist.Ascheid/Preis/Schmidt/Linck BGB § 622 Rn. 101; ErfK/Müller-Glöge BGB § 622 Rn. 34; BAG, Urt. v. 17.12.2015 – 6 AZR 709/14, NZA 2016, 361 

Verbot einseitig längerer Fristen für die Kündigung durch den Arbeitnehmer, § 622 Abs. 6 BGB

5§ 622 Abs. 6 BGB statuiert den Grundsatz der Fristenparität, also des Verbotes einseitig längerer Fristen für eine arbeitnehmerseitige Kündigung (Benachteiligungsverbot). Die Regelung ist sowohl bei einer einzelvertraglichen als auch bei einer tarifvertraglichen Vereinbarung zu beachten und gilt gleichfalls für die Kündigungstermine.Henssler/Willemsen/Kalb/Bittner/Tiedemann, ArbR, § 622 Rn. 109; Staudinger/Preis, BGB § 622 Rn. 52 Dagegen können für arbeitgeberseitige Kündigungen durchaus längere Kündigungsfristen oder weniger Kündigungstermine vereinbart werden.jurisPK-BGB, § 622 Rn. 27; ErfK/Müller-Glöge BGB § 622 Rn. 43; Laber/Santon, ArbRB 2018, 57 Möglich ist auch die (individual- oder formularvertragliche) Vereinbarung einer sog. Gleichstellungsabrede, durch die die verlängerten Kündigungsfristen des § 622 Abs. 2 BGB auch für den Arbeitnehmer gelten. Hierdurch tritt keine unzulässige Benachteiligung des Arbeitnehmers im Vergleich zum Arbeitgeber ein, da er nicht schlechter, sondern diesem nur gleichgestellt wird.Staudinger/Preis, BGB § 622 Rn. 55; Henssler/Willemsen/Kalb/Bittner/Tiedemann, ArbR, § 622 Rn. 110 

Über den Wortlaut hinaus folgt aus Sinn und Zweck des Benachteiligungsverbots auch, dass die ordentliche Kündigung durch den Arbeitnehmer, gegenüber der durch den Arbeitgeber, nicht erschwert werden darf, d.h. keine Regelungen vorgesehen werden dürfen, die auf den Kündigungsentschluss des Arbeitnehmers (auch nur faktisch) kündigungsbeschränkenden Einfluss nehmen können.Henssler/Willemsen/Kalb/Bittner/Tiedemann, ArbR, § 622 Rn. 111; ErfK/Müller-Glöge BGB § 622 Rn. 44 Dies wäre etwa der Fall, wenn für die ordentliche Kündigung durch den Arbeitnehmer eine Vertragsstrafe, der Verfall eines bereits verdienten Arbeitsentgelts bzw. einer durch ihn gestellten Kaution vorgesehen wird.ErfK/Müller-Glöge BGB § 622 Rn. 44; MüKo/BGB/Hesse, § 622 Rn. 113; BAG, Urt. v. 09.03.1972 – 5 AZR 246/71 – juris (Vertragsstrafe); BAG, Urt. v. 11.03.1971 – 5 AZR 349/70 – juris (Kaution) Gleiches gilt, wenn ein Arbeitnehmer bei Ausübung des Kündigungsrechts zum Ende des ersten Halbjahres wegen der Höhe der Jahressollvergabe keine Provisionsansprüche erwirbt oder eine Provision nur jahresbezogen berechnet wird; da der Arbeitnehmer in einem solchen Fall ohne erhebliche Vermögenseinbußen praktisch nur einmal jährlich kündigen könnte.ErfK/Müller-Glöge BGB § 622 Rn. 44; MüKo/BGB/Hesse, § 622 Rn. 113; BAG, Urt. v. 20.08.1996 – 9 AZR 471/95, NJW 1997, 541 Sieht dagegen ein Sozialplan eine Abfindung für Mitarbeiter vor, die anlässlich einer Betriebsänderung zu einem anderen, nicht tarifgebundenen Arbeitgeber wechseln und ordnet zugleich eine zeitanteilige Rückzahlung für den Fall an, dass ein Arbeitnehmer das Folgearbeitsverhältnis durch Eigenkündigung beendet, so ist dies nicht zu beanstanden.MüKo/BGB/Hesse, § 622 Rn. 113 Ebenso, wenn der Arbeitnehmer bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine ihm übertragene Minderheitsbeteiligung zurückzugeben hat (sog. Mitarbeitermodell).Erman/Riesenhuber, BGB § 622 Rn. 44; jurisPK-BGB, § 622 Rn. 27 

Formularvertragliche Abweichung von den gesetzlichen Kündigungsfristen

6Vertraglich vereinbarte Kündigungserschwerungen zu Lasten des Arbeitnehmers und verlängerte Kündigungsfristen können zudem als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) unwirksam sein. Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung ist der Arbeitnehmer Verbraucher i.S.d. § 13 BGB, so dass auch der vom Arbeitgeber nur zur einmaligen Verwendung bestimmte, vorformulierte Arbeitsvertrag der AGB-Kontrolle und damit etwa der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB und dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unterliegt. Zwar ist die Verlängerung der Fristen für die ordentliche Kündigung des Arbeitnehmers wegen ihrer weiten Verbreitung nicht überraschend i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB und grundsätzlich keine ungewöhnliche, benachteiligende Regelung. Allerdings ist nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts eine dreijährige Kündigungsfrist zum Monatsende unangemessen benachteiligend (§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB), auch wenn die Frist für den Arbeitgeber in gleicher Weise verlängert wird, weil der Arbeitgeber in diesem Fall eigene Interessen missbräuchlich auf Kosten seines Vertragspartners durchsetzt, indem er dessen freie Berufswahl bei der Beendigung seines Berufes erheblich beschränkt.Henssler/Willemsen/Kalb/Bittner/Tiedemann, ArbR, § 622 Rn. 86; Erman/Riesenhuber, BGB § 622 Rn. 3; BAG, Urt. v. 26.10.2017 – 6 AZR 158/16, NZA 2018, 297; BAG, Urt. v. 24.02.2016 – 5 AZR 258/14, NZA 2016, 762  

Rechtsfolgen unwirksamer Vereinbarungen

7Die Vereinbarung gesetzeswidriger Kündigungsfristen und/oder -termine ist gem. § 134 BGB nichtig. Da nach § 139 BGB aber in der Regel davon auszugehen ist, dass die Vertragspartner das Arbeitsverhältnis auch ohne den nichtigen Teil geschlossen hätten, bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam.jurisPK-BGB, § 622 Rn. 27; MüKo/BGB/Hesse, § 622 Rn. 116 Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Fristenparität nach § 622 Abs. 6 BGB hat nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Folge, dass auch für die arbeitnehmerseitige Kündigung die für den Arbeitgeber maßgeblichen Fristen und Termine gelten. Eine analoge Anwendung des § 89 Abs. 2 S. 2 HGB und damit eine „Heraufsetzung“ der Frist für den Arbeitgeber auf die -nach § 134 BGB nichtige und damit rechtlich nicht existente- Kündigungsfrist des Arbeitnehmers, scheidet nach Auffassung des BAG aus.BAG, Urt. v. 18.10.2018 - 2 AZR 374/18, NZA 2019, 246; Ascheid/Preis/Schmidt/Linck BGB § 622 Rn. 121; MüKo/BGB/Hesse, § 622 Rn. 115; krit. ErfK/Müller-Glöge BGB § 622 Rn. 43 Vorstehendes gilt zudem entsprechend, sofern die Parteien für die Kündigung des Arbeitnehmers weniger Kündigungstermine vereinbart haben, als für die arbeitgeberseitige Kündigung.Ascheid/Preis/Schmidt/Linck BGB § 622 Rn. 121

b) Kündigungsfristen

aa) Grundkündigungsfrist (Abs. 1) 

Sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer können das Arbeitsverhältnis mit einer Kündigungsfrist von vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats kündigen. Vier Wochen meint 28 Kalendertage, keinen ganzen Monat.

Berechnung der Kündigungsfrist

8Für die Fristberechnung gelten die §§ 186 ff. BGB, insbesondere § 187 Abs. 1 BGB wonach die Frist erst am Tag nach Zugang der Kündigung zu laufen beginnt. Der Fristbeginn kann auch individualvertraglich nicht wirksam etwa bereits auf den Tag der Absendung der Kündigung vorverlegt werden.ErfK/Müller-Glöge BGB § 622 Rn. 11; MüKo/BGB/Hesse, § 622 Rn. 40; BAG, Urt. v. 13.10.1976 – 5 AZR 638/75 – juris Eine -auch nur entsprechende- Anwendung des § 193 BGB auf die Kündigungsfristen des § 622 BGB scheidet aus, da dem Gekündigten in jedem Fall die gesetzliche Frist voll erhalten bleiben muss.Henssler/Willemsen/Kalb/Bittner/Tiedemann, ArbR, § 622 Rn. 118; Staudinger/Preis, § 622 Rn. 23; BGH, Urt. v. 17.02.2005 – III ZR 172/04, NJW 2005, 1354 Es ist daher unerheblich, wenn der letzte Tag, an dem die Kündigung erklärt werden kann oder der Tag, an dem das Arbeitsverhältnis durch Kündigung enden soll, auf einen Samstag, Sonntag oder staatlich anerkannten Feiertag fällt. 

9Eine verspätet zugegangene Kündigung wirkt im Zweifel zum nächstzulässigen Kündigungstermin, sofern sich nicht aus den Umständen ausnahmsweise etwas anderes ergibt.jurisPK-BGB, § 622 Rn. 6 f.; Henssler/Willemsen/Kalb/Bittner/Tiedemann, ArbR, § 622 Rn. 121 Eine Auslegung zum rechtlich zutreffenden späteren Kündigungstermin scheitert aber regelmäßig, wenn in der Erklärung ein konkreter Beendigungszeitpunkt angegeben ist und nicht die Kündigung selbst oder außerhalb der Erklärung liegende Umstände -wie ersichtliche Verzögerungen im Postlauf- für den Arbeitnehmer erkennbare Anhaltspunkte dafür enthalten, der Arbeitgeber habe die Kündigung zum rechtlich zulässigen Termin erklären wollen. Lässt sich die Kündigung nicht entsprechend auslegen, ist die Kündigung zu dem angegebenen Termin unwirksam und es bedarf der Umdeutung in eine Kündigung zum nächstmöglichen Termin (§ 140 BGB).Ascheid/Preis/Schmidt/Linck BGB § 622 Rn. 44; BAG, Urt. v. 01.09.2010 – 5 AZR 700/09, NZA 2010, 1409; BAG, Urt. v. 15.12.2016 – 6 AZR 430/15, NZA 2017, 502 Nur wenn eine Auslegung nicht möglich und daher eine Umdeutung geboten ist, hat der gekündigte Arbeitnehmer trotz der Nichteinhaltung der Kündigungsfrist bzw. des Kündigungstermins fristgerecht Kündigungsschutzklage gem. § 4 KSchG zu erheben, da die Kündigung mit zu kurzer Frist ansonsten nach § 7 KSchG zum darin genannten Termin als wirksam gilt.ErfK/Müller-Glöge BGB § 622 Rn. 12; Ascheid/Preis/Schmidt/Linck BGB § 622 Rn. 46; BAG, Urt. v. 01.09.2010 – 5 AZR 700/09, NZA 2010, 1409; BAG, Urt. v. 15.12.2016 – 6 AZR 430/15, NZA 2017, 502 

Der Kündigende ist aber nicht verpflichtet, mit dem Ausspruch der Kündigung bis zum letzten Tag, an dem die Kündigung fristgerecht erklärt werden kann, zu warten. Ihm steht es vielmehr frei, eine längere als die gesetzliche Mindestfrist setzen; hierdurch wird der Kündigungsempfänger nicht unzulässig beeinträchtigt. Liegen zwischen dem vom Arbeitgeber gesetzten Endtermin weitere Möglichkeiten zum Ausspruch einer -zu einem früheren Termin wirkenden- ordentlichen Kündigung, kann in der vorzeitig ausgesprochenen Kündigung regelmäßig ein konkludenter Verzicht auf den Ausspruch weiterer ordentlicher -nicht jedoch außerordentlicher- Kündigungen zu einem früheren Termin gesehen werden.MüKo/BGB/Hesse, § 622 Rn. 44; Erman/Riesenhuber, BGB § 622 Rn. 15 Die Kündigung muss in einem solchen Fall trotzdem endgültig erklärt sein, der Kündigende darf sich nicht vorbehalten, ob und zu welchem Termin sie wirksam werden soll.ErfK/Müller-Glöge BGB § 622 Rn. 13; BAG, Urt. v. 22.02.2018 – 6 AZR 50/17, NZA 2018, 575 Missbraucht der Arbeitgeber das Recht zur vorzeitigen Kündigung zu dem Zweck, einen später eintretenden Bestandsschutz zu vereiteln (s. etwa bei der Kündigung kurz vor Ablauf der Probezeit), muss er sich nach dem Rechtsgedanken des § 162 BGB so behandeln lassen, als hätte er unter Einhaltung der kürzest möglichen Frist die Kündigung ausgesprochen.Henssler/Willemsen/Kalb/Bittner/Tiedemann, ArbR, § 622 Rn. 122; Staudinger/Preis, § 622 Rn. 26; BAG, Urt. v. 22.02.2018 – 6 AZR 50/17, NZA 2018, 575 

10Streitig ist der Beginn der Kündigungsfrist im Falle einer ordentlichen Kündigung vor Dienstantritt – die ohne entgegenstehende Vereinbarung grundsätzlich zulässig ist.MüKo/BGB/Hesse, § 622 Rn. 45; Ascheid/Preis/Schmidt/Linck BGB § 622 Rn. 49; BAG, Urt. v. 25.03.2004 - 2 AZR 324/03, NJW 2004, 3444 Eine solche liegt vor, wenn die Kündigung zwar nach Abschluss des Arbeitsvertrages, aber noch vor der vereinbarten Arbeitsaufnahme ausgesprochen wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts soll in erster Linie maßgeblich sein, ob die Frist nach der Parteivereinbarung bereits mit Zugang der Kündigung oder erst an dem Tag beginnen soll, an dem die Arbeit vertragsgemäß aufzunehmen ist. Nur wenn eine solche Vereinbarung fehlt, ist die jeweilige Interessenlage unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, wie z.B. die Länge der Kündigungsfrist oder Art und Zweck der Beschäftigung, für den Beginn der Kündigungsfrist maßgebend. Im Zweifel haben die Parteien wohl eher ein Interesse daran, das Arbeitsverhältnis mit Zugang der Kündigung zu beenden.Erman/Riesenhuber, BGB § 622 Rn. 9; MüKo/BGB/Hesse, § 622 Rn. 45; Ascheid/Preis/Schmidt/Linck BGB § 622 Rn. 58; BAG, Urt. v. 25.03.2004 - 2 AZR 324/03, NJW 2004, 3444 

Exkurs: Zugang der Kündigungserklärung

11Der Zugang der Kündigungserklärung bestimmt sich nach den allgemeinen Grundsätzen über den Zugang von Willenserklärungen (§§ 130132 BGB). Der Zugang ist danach stets bewirkt, wenn das Kündigungsschreiben dem Arbeitnehmer persönlich übergeben wird, so dass dieser in der Lage ist, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen.Ascheid/Preis/Schmidt/Linck BGB § 622 Rn. 23; BAG, Versäumnisurt. v. 26.03.2015 – 2 AZR 483/14, NZA 2015, 1183 

12Eine schriftliche Kündigung unter Abwesenden im Sinne des § 130 Abs. 1 S. 1 BGB geht zu, wenn sie in verkehrsüblicher Weise so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass dieser unter gewöhnlichen Umständen davon Kenntnis nehmen kann.Ascheid/Preis/Schmidt/Linck BGB § 622 Rn. 23; BAG, Versäumnisurt. v. 26.03.2015 – 2 AZR 483/14, NZA 2015, 1183 Unerheblich ist, ob und wann der Empfänger die Erklärung tatsächlich zur Kenntnis nimmt und ob er daran zeitweilig durch besondere Umstände gehindert war. Daher geht eine an die Heimatanschrift des Arbeitnehmers gerichtete Kündigung grundsätzlich auch dann mit Einwurf in den Briefkasten zu, wenn dieser -was dem Arbeitgeber bekannt ist- verreist ist,BAG 25.04.18 - 2 AZR 493/17, NZA 2018, 1157; BAG, Urt. v. 24.06.2004 – 2 AZR 461/03, NZA 2004, 1330 stationär im Krankenhaus behandelt wirdAscheid/Preis/Schmidt/Linck BGB § 622 Rn. 25 oder sich in Untersuchungshaft befindetBAG, Urt. v. 25.04.2018 - 2 AZR  72/18, NZA 2018, 1335

13Maßgebend für die Möglichkeit der Kenntnisnahme ist die Verkehrsanschauung, die regional unterschiedlich zu bewerten sein und sich im Laufe der Jahre ändern kann.BAG, Urt. v. 22.08.2019 – 2 AZR 111/19, NZA 2019, 1490 Bei Einwurf der Kündigung in einen Briefkasten gilt diese noch am selben Tag als zugegangen, wenn nach den Gepflogenheiten des Verkehrs -nicht den individuellen Verhältnissen des Empfängers- eine Entnahme durch den Adressaten noch am gleichen Tag zu erwarten war. Ist dies nicht der Fall, geht die Willenserklärung erst zu einem späteren Zeitpunkt zu.BAG, Urt. v. 22.08.2019 – 2 AZR 111/19, NZA 2019, 1490; BGH, Urt. v. 14.02.2019 – IX ZR 181/17, NJW 2019, 1151; BAG, Versäumnisurt. v. 26.03.2015 – 2 AZR 483/14, NZA 2015, 1183 Anders als wenn ein Brief ohne Wissen des Adressaten erst nach den üblichen Postzustellzeiten in dessen Hausbriefkasten eingeworfen wird, ist mit der Kenntnisnahme eines Schreibens, von dem der Empfänger weiß oder annehmen muss, dass es gegen 17:00 Uhr eingeworfen wurde, unter gewöhnlichen Verhältnissen noch am selben Tag zu rechnen.BAG, Versäumnisurt. v. 26.03.2015 – 2 AZR 483/14, NZA 2015, 1183 Ehegatten, die in einer gemeinsamen Wohnung leben, sind nach der Verkehrsanschauung füreinander als Empfangsboten anzusehen, sodass die an einen Ehegatten gerichtete Kündigungserklärung auch in dessen Macht- und Zugriffsbereich gelangt, wenn sie dem anderen Ehegatten außerhalb der gemeinsamen Wohnung übermittelt wird. Der Zugang erfolgt in diesem Fall jedoch nicht bereits mit Aushändigung der Kündigungen an den Boten, sondern erst nach Ablauf der Zeitspanne, die für die Übermittlungstätigkeit an den Empfänger gewöhnlich benötigt wird.Ascheid/Preis/Schmidt/Linck BGB § 622 Rn. 24; BAG, Urt. v. 09.06.2011 – 6 AZR 687/09, NZA 2011, 847 

Bei einer Übermittlung per Einwurfeinschreiben geht die Kündigung bei Abwesenheit des Empfängers auch durch Einlegung in den Briefkasten zu. Erfolgt die Kündigung dagegen mittels Übergabeeinschreiben, hinterlässt der Zusteller bei Abwesenheit des Empfängers lediglich einen Benachrichtigungszettel im Briefkasten, mit dem noch keine Zustellung bewirkt ist. Erforderlich ist vielmehr die persönliche Übergabe des Einschreibens, da durch die Benachrichtigung noch keine Möglichkeit bewirkt ist, vom Inhalt des Schreibens Kenntnis zu nehmen.Ascheid/Preis/Schmidt/Linck BGB § 622 Rn. 26; BAG, Urt. v. 25.04.1996 – 2 AZR 13/95 

14Wird der Zugang einer Kündigung durch das Verhalten des Kündigungsempfängers treuwidrig verzögert, kann § 242 BGB einer Berücksichtigung der Verspätung entgegenstehen.BAG, Urt. v. 25.04.2018 – 2 AZR 493/17, NZA 2018, 1157; BAG, Versäumnisurt. v. 26.03.2015 – 2 AZR 483/14, NZA 2015, 1183; BAG, Urt. v. 22.09.2005 – 2 AZR 366/04, NZA 2006, 204 Dies kann etwa der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer während der Dauer des Arbeitsverhältnisses eine Heimatadresse mitteilt, unter der er nicht erreichbar ist oder wenn ein schwerbehinderter Arbeitnehmer aus dem Verfahren vor dem Integrationsamt weiß, dass der Ausspruch einer fristlosen Kündigung unmittelbar bevorsteht, und er trotz Benachrichtigungsscheins über die Postzustellung des Kündigungsschreibens die Sendung nicht/verspätet bei der Poststelle abholt.Ascheid/Preis/Schmidt/Linck BGB § 622 Rn. 27; BAG, Urt. v. 22.09.2005 – 2 AZR 366/04, NZA 2006, 204; BAG, Urt. v. 07.11.2002 – 2 AZR 475/01, JuS 2003, 1244 

Die Kündigung kann auch an einem Samstag, Sonn- oder Feiertag zugehen, etwa wenn der Arbeitnehmer die Kündigung an dem entsprechenden Tag persönlich in Empfang genommen hat; er kann sie in diesem Fall nicht bloß deshalb zurückweisen, weil sie ihm an einem solchen Tag ausgehändigt wird.Ascheid/Preis/Schmidt/Linck BGB § 622 Rn. 28; BAG, Urt. v. 14.11.1984 - 7 AZR 174/83, NZA 1986, 97 

Zur Wahrung der Kündigungsfrist sind die folgenden Termine zu beachten:

15In Monaten mit 30 Tagen muss die Kündigung spätestens am 2. des Monats für eine Kündigung zum Monatsende oder am 17. des Monats für eine Kündigung zum 15. des Folgemonats zugehen. In Monaten mit 31 Tagen sind es der 3. Tag des Monats zum Monatsende oder der 18. Tag des Monats zum 15. des Folgemonats. Im Februar ist am 31.1. (Schaltjahr 1.2.) zum 28.2. (29.2.) oder 15.2. (Schaltjahr 16.2.) zum 15.3. zu kündigen. 

Das Arbeitsverhältnis endet an dem jeweiligen Tag um 24 Uhr.

bb) Verlängerte Kündigungsfrist (Abs. 2)

16Die verlängerte Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 2 BGB gilt nur für arbeitgeberseitige Kündigungen. Das bedeutet, dass auch der seit mehreren Jahren beschäftigte Arbeitnehmer -sofern keine abweichende Vereinbarung getroffen ist- gem. § 622 Abs. 1 BGB mit der Grundkündigungsfrist von vier Wochen zum 15. oder zum Ende des Kalendermonats kündigen kann, während der Arbeitgeber die verlängerte Frist des Abs. 2 beachten muss. Die Fristen verlängern sich jeweils mit der Beschäftigungsdauer des Arbeitnehmers von einem Monat bei zweijähriger Beschäftigungsdauer bis zu sieben Monaten bei 20-jähriger Beschäftigungsdauer. Entscheidend ist insofern der Bestand des Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung und nicht zu dem Kündigungstermin, an dem das Arbeitsverhältnis beendet werden soll.ErfK/Müller-Glöge BGB § 622 Rn. 9; MüKo/BGB/Hesse, § 622 Rn. 27 

Im Einzelnen gelten die folgenden Fristen:

BETRIEBSZUGEHÖRIGKEIT KÜNDIGUNGSFRIST ZUM ENDE EINES KALENDERMONATS
AB 2 JAHREN 1 Monat
AB 5 JAHREN 2 Monate
AB 8 JAHREN 3 Monate
AB 10 JAHREN 4 Monate
AB 12 JAHREN 5 Monate
AB 15 JAHREN 6 Monate
AB 20 JAHREN 7 Monate

17Die Kündigung kann in diesen Fällen jeweils nur zum Ende eines Kalendermonats erklärt werden. Dem Arbeitgeber steht es auch dann nicht frei, zu einem anderen Termin als dem Monatsende zu kündigen, wenn er eine längere als die gesetzlich vorgeschriebene Frist setzt und das Arbeitsverhältnis auch zu einem früheren Monatsende hätte beenden können.Ascheid/Preis/Schmidt/Linck BGB § 622 Rn. 31; BAG, Urt. v. 12.7.07 - 2 AZR 492/05, NZA 2008, 476 Für den Kündigungstermin und die Monatsfrist gelten ebenfalls die §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, 3 BGB, so dass die Kündigung spätestens am letzten Tag des Vormonats zugegangen sein muss.Erman/Riesenhuber, BGB § 622 Rn. 16; Ascheid/Preis/Schmidt/Linck BGB § 622 Rn. 29 Wird die Kündigung in der Absicht ausgesprochen, das Eingreifen längerer gesetzlicher Fristen nach § 622 Abs. 2 BGB zu vermeiden, kann im Einzelfall nach dem Rechtsgedanken des § 162 BGB trotzdem die längere Kündigungsfrist anwendbar sein. Allein der Ausspruch der Kündigung kurz vor dem letztmöglichen Termin vermag -ohne das Vorliegen besonderer Umstände- eine solche Umgehungsabsicht noch nicht zu begründen.MüKo/BGB/Hesse, § 622 Rn. 27 

18Die maßgebliche Beschäftigungsdauer richtet sich nach dem rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses bei demselben Arbeitgeber; unabhängig von der tatsächlichen Arbeitsleistung sowie von Krankheit oder Streik. Mitberücksichtigt werden auch Zeiten, in denen das Arbeitsverhältnis geruht hat, etwa während des Wehrdienstes oder der Elternzeit, ebenso im Mutterschutz.Erman/Riesenhuber, BGB § 622 Rn. 13; Henssler/Willemsen/Kalb/Bittner/Tiedemann, ArbR, § 622 Rn. 21 Entscheidend ist das letzte Arbeitsverhältnis der Parteien. Frühere Anstellungen bei demselben Arbeitgeber sind nur zu berücksichtigen, wenn ein enger zeitlicher oder sachlicher Zusammenhang mit dem aktuellen Arbeitsverhältnis besteht, was in der Regel nicht nur dann anzunehmen ist, wenn mehrere Arbeitsverträge -auch mit geändertem Inhalt- unmittelbar aufeinander folgen, sondern auch, wenn das neue an das frühere Arbeitsverhältnis anknüpft und diesem im Charakter und in den Arbeitsbedingungen im Wesentlichen entspricht.Staudinger/Preis, § 622 Rn. 25b; ErfK/Müller-Glöge BGB § 622 Rn. 10; MüKo/BGB/Hesse, § 622 Rn. 30 Abzustellen ist jeweils auf den konkreten Einzelfall, wobei zu beachten ist, dass bei zunehmender zeitlicher Unterbrechung auch die für den sachlichen Zusammenhang sprechenden Umstände umso gewichtiger sein müssen.MüKo/BGB/Hesse, § 622 Rn. 30; Ascheid/Preis/Schmidt/Linck BGB § 622 Rn. 37; vgl. auch BAG, Urt. v. 20.06.2016 – 2 AZR 790/11 – juris Wechselt der Betriebs- bzw. Unternehmensinhaber im Rahmen einer Gesamtrechtsnachfolge oder durch Betriebsübergang nach § 613a BGB, sind die bei dem Rechtsvorgänger abgeleisteten Beschäftigungszeiten -auch im Falle einer kurzfristigen Unterbrechung- auf das Arbeitsverhältnis bei dem Betriebserwerber anzurechnen.MüKo/BGB/Hesse, § 622 Rn. 28; Henssler/Willemsen/Kalb/Bittner/Tiedemann, ArbR, § 622 Rn. 24 Wird ein freies Mitarbeiterverhältnis in ein Arbeitsverhältnis übernommen, sind frühere Beschäftigungen mitzuzählen, sofern sich die Art der Beschäftigung nicht wesentlich verändert hat.ErfK/Müller-Glöge BGB § 622 Rn. 10b; MüKo/BGB/Hesse, § 622 Rn. 31; BAG, Urt. v.  06.12.1978 - 5 AZR 545/77 – juris Auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses ist auch ein Berufsausbildungsverhältnis, aus dem der Auszubildende übernommen wird, anzurechnen; dies gilt dagegen nicht bei einer vorangehenden Beschäftigung als Leiharbeiter.ErfK/Müller-Glöge BGB § 622 Rn. 10b; jurisPK-BGB, § 622 Rn. 10 ff.; Henssler/Willemsen/Kalb/ Bittner/Tiedemann, ArbR, § 622 Rn. 22 f.; BAG, Urt. v. 20.02.2014 – 2AZR 859/11, NZA 2014, 1083 Unabhängig von dem Vorstehenden sind frühere Beschäftigungszeiten anzurechnen, sofern dies arbeits- oder tarifvertraglich vereinbart ist.

cc) Gesetzliche Sonderfälle / Verkürzte Kündigungsfristen

19Ausnahmen von der vorgenannten Grund- bzw. verlängerten Kündigungsfrist bestehen in den Fällen der vereinbarten Probezeit (Abs. 3), der vorübergehenden Aushilfstätigkeit bei entsprechender einzelvertraglicher Vereinbarung (Abs. 5 S. 1 Nr. 1) und bei Kleinunternehmen (Abs. 5 S. 1 Nr. 2).

Probezeit, § 622 Abs. 3 BGB

Haben die Parteien eine -maximal sechsmonatige- Probezeit vereinbart, kann das Beschäftigungsverhältnis von beiden Seiten mit einer zweiwöchigen Frist ohne festen Endtermin gekündigt werden. Insofern ergibt sich die verkürzte Kündigungsfrist bereits aus der Probezeitabrede selbst und bedarf keiner besonderen Vereinbarung.Staudinger/Preis, BGB § 622 Rn. 39; MüKo/BGB/Hesse, § 622 Rn. 34 Die Kündigungsfrist endet in diesem Fall gem. § 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf desjenigen Tages der zweiwöchigen Frist, der durch seine Bezeichnung demjenigen Tag entspricht, an dem die Kündigung zugegangen ist.

20Durch die Möglichkeit zur Vereinbarung einer Probezeit, in der der Arbeitgeber die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers und dieser umgekehrt die Arbeitsbedingungen bei seinem Arbeitgeber überprüfen kann, wollte der Gesetzgeber die Bereitschaft zum Abschluss unbefristeter Arbeitsverhältnisse fördern. Die Vereinbarung einer Probezeit von über sechs Monaten entfaltet insoweit keine Wirkung, als das Arbeitsverhältnis nach Ablauf des sechsten Beschäftigungsmonats nur mit der allgemeinen Grundkündigungsfrist von vier Wochen gekündigt werden kann.ErfK/Müller-Glöge BGB § 622 Rn. 14; MüKo/BGB/Hesse, § 622 Rn. 34 Ab diesem Zeitpunkt beginnt auch -aufgrund  Erfüllung der sog. Wartezeit- der allgemeine Kündigungsschutz nach § 1 Abs. 1 KSchG, sofern kein Kleinbetrieb vorliegt (§ 23 Abs. 1 S. 2, 3 KSchG). Entscheidend für die Anwendbarkeit der zweiwöchigen Kündigungsfrist ist der Zeitpunkt, zu dem die Kündigungserklärung zugeht. Daher kann auch am letzten Tag der Probezeit mit der kurzen Frist gekündigt werden, selbst wenn die Kündigung dann erst nach der sechsmonatigen Frist wirksam wird.Erman/Riesenhuber, BGB § 622 Rn. 18; jurisPK-BGB, § 622 Rn. 14 Treuwidrig handelt der Arbeitgeber dagegen, wenn er sich (zumindest vorerst) gar nicht von dem Arbeitnehmer trennen will, sondern mit der Kündigung lediglich die Umgehung des Kündigungsschutzes bezweckt. Davon kann auszugehen sein, wenn die Kündigung nicht zum erstmöglichen Termin nach der Wartezeit, sondern zu einem wesentlich späteren Termin ausgesprochen wird. Ein treuwidriger Einsatz der Wartezeitkündigung ist jedoch dann nicht anzunehmen, wenn dem Arbeitnehmer innerhalb der Probezeit mit einer überschaubar längeren Kündigungsfrist -die zumindest unterhalb der längst möglichen gesetzlichen oder tariflichen Frist liegt- gekündigt und ihm für den Fall seiner Bewährung -im Sinne einer faktischen Verlängerung der Probezeit- die Wiedereinstellung zugesagt wird.BAG, Urt. v. 07.03.2002 – 2 AZR 93/01, NJOZ 2003, 1211; LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 06.05.2015 – 4 Sa 94/14 – juris; Ascheid/Preis/Schmidt/Linck BGB § 622 Rn. 71; von Steinau-Steinrück/Jöris, NJW-Spezial 2020, 498 In einem solchen Fall liegt die Überschreitung der Mindestkündigungsfrist nämlich nicht mehr im ausschließlichen oder überwiegenden im Interesse des Arbeitgebers, sondern nimmt vielmehr (auch) Rücksicht auf die beruflichen und sozialen Belange des Arbeitnehmers.BAG, Urt. v. 07.03.2002 – 2 AZR 93/01, NJOZ 2003, 1211; LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 06.05.2015 – 4 Sa 94/14 – juris 

21Einzelvertraglich ist stets eine Verlängerung -jedoch keine Verkürzung- der zweiwöchigen Kündigungsfrist, unter Beachtung des Benachteiligungsverbots (Abs. 6) und der Grundkündigungsfrist (Abs. 1), möglich. Enthält der vorformulierte Arbeitsvertrag etwa eine Vereinbarung zur Probezeit und eine Klausel, in der eine Kündigungsfrist vorgesehen ist, die nicht unmissverständlich erst nach Ablauf der Probezeit gelten soll, so ist die Klausel dahingehend auszulegen, dass die entsprechende Kündigungsfrist auch innerhalb der Probezeit gilt.Staudinger/Preis, BGB § 622 Rn. 40; ErfK/Müller-Glöge BGB § 622 Rn. 15; BAG, Urt. v. 23.03.2017 – 6 AZR 705/15, NZA 2017, 773 Wirksam kann die Frist nur durch einen Tarifvertrag verkürzt werden (s. hierzu unter dd) Tarifvertragliche Regelungen). In den übrigen Fällen einer unwirksam verkürzten Frist tritt an deren Stelle die gesetzliche Regelung, und damit die zweiwöchige Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 2 BGB.Erman/Riesenhuber, BGB § 622 Rn. 18; Staudinger/Preis, BGB § 622 Rn. 40  

Exkurs: Abgrenzung zur Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG

22Vereinbaren die Parteien ausdrücklich keine Probezeit, findet zwar die Regelung des § 622 Abs. 3 BGB keine Anwendung. Dies bedeutet aber nicht zugleich eine Abbedingung der sechsmonatigen Wartezeit bis zum Eingreifen des allgemeinen Kündigungsschutzes nach § 1 Abs. 1 KSchG.LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 18.06.2019 – 15 Sa 4/19, BeckRS 2019, 35462 Zwar ist der Ausschluss oder die Verkürzung der Wartezeit nach dem KSchG -auch konkludent- möglich, hierfür bedarf es allerdings besonderer Anhaltspunkte.ErfK/Oetker, KSchG § 1 Rn. 34; BAG, Urt. v. 20.02.2014 – 2 AZR 859/11, NZA 2014, 1083 Haben die Parteien daher im Arbeitsvertrag nur auf die Vereinbarung einer Probezeit verzichtet, kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis innerhalb der ersten sechs Monate jederzeit ohne Vorliegen eines Kündigungsgrundes ordentlich beenden. Der Arbeitnehmer ist während dieses Zeitraums nur vor einer sitten- oder treuwidrigen Ausübung des Kündigungsrechts durch den Arbeitgeber geschützt.LAG Baden-Württember, Urt. v. 06.05.2015 – 4 Sa 94/14 – juris Der Arbeitgeber hat in diesem Fall -aufgrund der Unanwendbarkeit der verkürzten Kündigungsfrist des § 622 Abs. 3 BGB- lediglich die vierwöchige Grundkündigungsfrist zum 15. oder zum Monatsende gem. § 622 Abs. 1 BGB zu wahren. Ist dagegen auch ein Verzicht bzw. eine Verkürzung der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG gewollt, empfiehlt es sich aus Gründen der Rechtssicherheit, dies ausdrücklich und schriftlich zu vereinbaren.

23Beachte: Von dem Arbeitsverhältnis mit vorgeschalteter Probezeit ist das befristete Probearbeitsverhältnis zu unterscheiden (vgl. § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 TzBfG). Als befristeter Vertrag kann dieser nur dann ordentlich gekündigt werden, wenn die Parteien diese Möglichkeit gem. § 15 Abs. 3 TzBfG ausdrücklich vereinbart haben und endet ansonsten -abgesehen von der Möglichkeit zur außerordentlichen Kündigung- mit Ablauf der Befristung.MüKoBGB/Hesse § 622 Rn. 33; Staudinger/Preis, BGB § 622 Rn. 37; a.A. Ascheid/Preis/Schmidt/Linck BGB § 622 Rn. 67 f. Grundsätzlich ist die Erprobung nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 TzBfG ein Sachgrund, der die Befristung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigt. Es bedarf hierzu allerdings einer ausdrücklichen, schriftlichen Regelung dahingehend, dass das Arbeitsverhältnis für die Dauer der Erprobung befristet werden soll (§ 14 Abs. 4 TzBfG).Staudinger/Preis, BGB § 622 Rn. 31; jurisPK-BGB, § 622 Rn. 16; Staudinger/Preis, BGB § 622 Rn. 38 

Aushilfsarbeitsverhältnis, § 622 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 BGB

24Innerhalb von Aushilfsarbeitsverhältnissen können die Parteien für die ersten drei Monate einzelvertraglich eine kürzere Kündigungsfrist und andere Kündigungstermine als nach § 622 Abs. 1 BGB vereinbaren.BAG, Urt. v. 22.05.1986 – 2 AZR 392/85 – juris; ErfK/Müller-Glöge BGB § 622 Rn. 17; Ascheid/Preis/Schmidt/Linck BGB § 622 Rn. 106; a.A. hinsichtlich der Kündigungstermine Erman/Riesenhuber, BGB § 622 Rn. 22 Dabei ist keine Mindestkündigungsfrist vorgeschrieben, sodass auch die Vereinbarung einer ordentlichen fristlosen Kündigung möglich ist.Erman/Riesenhuber, BGB § 622 Rn. 20; jurisPK-BGB, § 622 Rn. 20; a.A. Laber/Santon, ArbRB 2018, 57 

Von einem Aushilfsarbeitsverhältnis im Sinne der Vorschrift ist nur auszugehen, wenn ausdrücklich und von vornherein kein Arbeitsverhältnis auf Dauer eingegangen, sondern lediglich ein vorübergehender Bedarf an Arbeitskräften abgedeckt werden soll, der nicht durch den normalen Betriebsablauf, sondern den Ausfall von Stammkräften oder einen zeitlich begrenzten, zusätzlichen Arbeitsanfall begründet ist.Henssler/Willemsen/Kalb/Bittner/Tiedemann, ArbR, § 622 Rn. 92; BAG, Urt. v. 22.05.1986 – 2 AZR 392/85 – juris Der nur vorübergehende Bedarf muss objektiv vorliegen und im Arbeitsvertrag deutlich ausgewiesen sein.Ascheid/Preis/Schmidt/Linck BGB § 622 Rn. 103; BAG, Urt. v. 22.05.1986 – 2 AZR 392/85 – juris Daher werden solche Aushilfsarbeitsverhältnisse in der Regel befristet sein. Da § 622 BGB grundsätzlich nur unbefristete Arbeitsverhältnisse erfasst, ist die Norm nur anwendbar, wenn die Befristung die Höchstdauer der Aushilfe darstellen soll und die ordentliche Kündbarkeit zwischen den Parteien vereinbart wurde.Erman/Riesenhuber, BGB § 622 Rn. 21; jurisPK-BGB, § 622 Rn. 20 

Haben die Parteien dementsprechend eine kürzere Kündigungsfrist vereinbart, gilt diese innerhalb der ersten drei Monate des Arbeitsverhältnisses, auch wenn feststeht, dass die Aushilfstätigkeit über einen längeren Zeitraum andauern wird. Auch in diesem Fall kann die Kündigung noch bis zum letzten Tag vor Ablauf der drei Monate mit der verkürzten Frist zugehen, auch wenn das Fristende nach diesem Zeitpunkt liegt.ErfK/Müller-Glöge BGB § 622 Rn. 16; MüKo/BGB/Hesse, § 622 Rn. 82 Fehlt eine ausdrückliche Regelung über die Abkürzung von Kündigungsfristen, bleibt es bei der gesetzlichen Regelung nach § 622 BGB.Staudinger/Preis, BGB § 622 Rn. 33; Ascheid/Preis/Schmidt/Linck BGB § 622 Rn. 109  

Kleinunternehmen, § 622 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 BGB

25Beschäftigt der Arbeitgeber in der Regel nicht mehr als 20 Arbeitnehmer -ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten-, kann einzelvertraglich eine vierwöchige Kündigungsfrist ohne Bindung an die festen Kündigungstermine des § 622 Abs. 1 BGB vereinbart werden. Nicht abgewichen werden darf hingegen von den verlängerten Fristen nach Abs. 2.Staudinger/Preis, BGB § 622 Rn. 48; ErfK/Müller-Glöge BGB § 622 Rn. 18 Die Zahl der „regelmäßig“ beschäftigten Arbeitnehmer wird dabei durch die Erhebung der Beschäftigtenzahl in der Vergangenheit und einer Einschätzung ihrer voraussichtlichen künftigen Entwicklung ermittelt.MüKo/BGB/Hesse, § 622 Rn. 88; Ascheid/Preis/Schmidt/Linck BGB § 622 Rn. 111 Maßgebend ist insofern die Beschäftigtenzahl im gesamten Unternehmen, nicht im einzelnen Betrieb. Dabei zählen erkrankte Arbeitnehmer und solche, für die ein Beschäftigungsverbot nach dem MuSchG gilt, mit, nicht aber solche, die in Elternzeit nach dem BEEG oder in der Freistellungsphase der Altersteilzeit im Blockmodell sind.Henssler/Willemsen/Kalb/Bittner/Tiedemann, ArbR, § 622 Rn. 98; ErfK/Müller-Glöge BGB § 622 Rn. 18 Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer werden bei der Berechnung nicht voll gezählt, sondern entsprechend ihrer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit mit 0,5 bei max. 20 Stunden bzw. 0,75 bei max. 30 Stunden berücksichtigt (§ 622 Abs. 5 S. 2). Die Voraussetzungen des § 622 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 BGB müssen sowohl im Zeitpunkt der einzelvertraglichen Vereinbarung als auch bei Zugang der Kündigung vorliegen.ErfK/Müller-Glöge BGB § 622 Rn. 18; MüKo/BGB/Hesse, § 622 Rn. 90 Gemäß § 622 Abs. 4 S. 1 BGB sind tarifvertragliche Regelungen zulässig, die für Kleinbetriebe einheitliche Kündigungsfristen und -termine ohne Staffelung nach Betriebszugehörigkeit und Alter vorsehen (s. hierzu unter b) dd) Tarifvertragliche Regelungen).Erman/Riesenhuber, BGB § 622 Rn. 24 f.; jurisPK-BGB, § 622 Rn. 22, 23 

dd) Tarifvertragliche Regelungen (Abs. 4 S. 1)

26Die gesetzliche Regelung des § 622 BGB soll nicht in bestehende Tarifverträge eingreifen, weshalb Abs. 4 S. 1 bestimmt, dass die Grundkündigungsfristen und Kündigungstermine (Abs. 1), die verlängerten Fristen (Abs. 2) und die Probezeitfristen (Abs. 3) in vollem Umfang tarifdispositiv sind. Dabei sind die Tarifvertragsparteien auch nicht verpflichtet, sich bei zu Lasten der Arbeitnehmer abweichenden Kündigungsfristen an die Zielsetzung des § 622 BGB zu halten, indem länger beschäftigten und damit betriebstreuen -typischerweise älteren- Arbeitnehmern ein verbesserter Kündigungsschutz gewährt wird. Ebenso wenig bedarf es für eine abweichende tarifliche Regelung im konkreten Einzelfall einer durch branchenspezifische Besonderheiten bedingte Rechtfertigung oder eines anderweitigen materiellen Ausgleichs.Ascheid/Preis/Schmidt/Linck BGB § 622 Rn. 74; Staudinger/Preis, BGB § 622 Rn. 63; BAG, Urt. v. 24.10.2019 – 2 AZR 158/18, NZA-RR 2020, 199; BAG, Urt. v. 18.10.2018 – 2 AZR 374/18, NZA 2019, 246  Zu beachten ist allerdings, dass auch die Tarifvertragsparteien an das Verbot des § 622 Abs. 6 BGB gebunden sind, wonach für arbeitnehmerseitige Kündigungen keine längeren Fristen vorgesehen werden dürfen, als für Kündigungen durch den Arbeitgeber.ErfK/Müller-Glöge BGB § 622 Rn. 21; Henssler/Willemsen/Kalb/Bittner/Tiedemann, ArbR, § 622 Rn. 58 

Unmittelbar und zwingend gelten die tariflichen Vorschriften über Kündigungsfristen und -termine nur zwischen den beiderseits tarifgebundenen Arbeitnehmern und Arbeitgebern (§§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG). Im Übrigen finden die abweichenden tarifvertraglichen Bestimmungen zwischen den nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern und Arbeitgebern nur Anwendung, wenn dies zwischen ihnen vereinbart ist (s. dazu unten) oder der Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt wird gem. § 5 Abs. 1, 4 TVG.

Fristenverkürzung durch Tarifvertrag

27Eine tarifliche Verkürzung der Kündigungsfristen muss ausdrücklich vereinbart werden, indem die Frist hinreichend bestimmt geregelt wird. Da das Gesetz in § 622 Abs. 4 BGB keine Mindestkündigungsfristen vorsieht, ist es auch möglich, ordentliche entfristete Kündigungen vorzusehen oder die verkürzte Frist auf eine bestimmte Dauer des Arbeitsverhältnisses oder eine bestimmte Art der Tätigkeit zu begrenzen.MüKo/BGB/Hesse, § 622 Rn. 54; jurisPK-BGB, § 622 Rn. 31; Staudinger/Preis, BGB § 622 Rn. 65 § 1 KSchG und die Vorschriften des Mitbestimmungsrechts finden auf eine solche Kündigung jedoch weiterhin Anwendung.jurisPK-BGB, § 622 Rn. 31 

Rechtsfolgen verfassungswidriger Tarifregelungen

28Auch die Tarifvertragsparteien sind bei der Ausgestaltung des Tarifvertrages an höherrangige Rechtsnormen gebunden. Verfassungswidrige tarifliche Kündigungsfristenregelungen sind nichtig, und die dadurch entstehenden Tariflücken durch die Anwendung des § 622 BGB zu schließen. Für eine Lückenschließung durch ergänzende Vertragsauslegung wird es in aller Regel an einem feststellbaren, mutmaßlichen Willen der Tarifvertragsparteien fehlen.Henssler/Willemsen/Kalb/Bittner/Tiedemann, ArbR, § 622 Rn. 75 f.; Staudinger/Preis, BGB § 622 Rn. 85 

Neben dem Verfassungsrecht sind die Tarifvertragsparteien auch an unmittelbar geltendes Unionsrecht sowie an Gesetze, die europäische Richtlinien innerstaatlich umgesetzt haben, gebunden. Damit ist im Rahmen der tarifvertraglichen Regelungen der Kündigungsfristen insbesondere auch das vom EuGH primärrechtlich interpretierte Verbot der Altersdiskriminierung zu beachten.Henssler/Willemsen/Kalb/Bittner/Tiedemann, ArbR, § 622 Rn. 78 

Tarifvertrag und günstigere Einzelabsprache

29Zwar gelten die Tarifnormen in ihrem Geltungsbereich zwischen den beiderseits Tarifgebundenen unmittelbar und zwingend, gleichwohl sind gemäß § 4 Abs. 3 TVG abweichende vertragliche Abreden zulässig, wenn sie für den Arbeitnehmer günstiger sind, als die entsprechenden tariflichen Bestimmungen.

Allerdings gilt auch hier, dass kürzere als die in § 622 Abs. 1 und 2 BGB genannten Fristen oder ein anderer Kündigungstermin einzelvertraglich nur in den Fällen des Abs. 5 S. 1 Nr. 1 und 2 vereinbart werden kann. Die Vereinbarung längerer als der gesetzlich vorgesehenen Fristen ist dagegen -innerhalb des gesetzlichen Rahmens (s. dazu oben unter a) dd) Abdingbarkeit)- stets möglich (§ 622 Abs. 5 S. 2 BGB), sofern die Fristenparität nach § 622 Abs. 6 BGB gewahrt wird. 

Auch wenn längere Kündigungsfristen für den Arbeitnehmer in der Regel günstig sind, ist trotzdem in jedem Fall ein Günstigkeitsvergleich anhand der Umstände des Einzelfalls anzustellen. Dabei dürfen die Kündigungsfristen und -termine nicht getrennt einander gegenübergestellt werden, sondern müssen im Wege eines sog. Sachgruppenvergleichs miteinander verglichen werden, sodass die sich aus den jeweiligen Vorschriften ergebende Gesamtbindungsdauer -aus der Kündigungsfrist unter Berücksichtigung des Kündigungstermins- ausschlaggebend ist.MüKo/BGB/Hesse, § 622 Rn. 97; ErfK/Müller-Glöge BGB § 622 Rn. 38; BAG, Urt. v. 29.01.2015 – 2 AZR 280/14, NZA 2015, 673; BAG, Urt. v. 04.07.2001 -2 AZR 469/00, NZA 2002, 380  Maßgebender Zeitpunkt für diesen Günstigkeitsvergleich ist dabei derjenige des Vertragsschlusses oder spätestens der Eintritt des Arbeitnehmers in die einschlägige „Stufe“ nach § 622 Abs. 2 BGB.BAG, Urt. v. 29.01.2015 – 2 AZR 280/14, NZA 2015, 673 Was für den Arbeitnehmer im Ergebnis günstiger ist, hängt letztlich davon ab, ob bei ihm das Mobilitäts- oder das Bestandsschutzinteresse überwiegt, d.h. ob ihm mehr an der Möglichkeit eines raschen Arbeitsplatzwechsels oder mehr an der Sicherung seines Arbeitsplatzes gelegen ist.Staudinger/Preis, BGB § 622 Rn. 88; Henssler/Willemsen/Kalb/Bittner/Tiedemann, ArbR, § 622 Rn. 89 Lässt sich ein überwiegendes Interesse und damit die Günstigkeit der einzelvertraglichen Regelung im Einzelfall nicht feststellen (günstigkeitsneutrale Regelung), gilt nach § 4 Abs. 3 TVG die tarifvertragliche Regelung.Staudinger/Preis, BGB § 622 Rn. 89; Henssler/Willemsen/Kalb/Bittner/Tiedemann, ArbR, § 622 Rn. 89 

Einzelvertragliche Bezugnahme auf tarifliche Bestimmungen § 622 Abs. 4 S. 2 BGB

30Im Geltungsbereich eines Tarifvertrages nach § 622 Abs. 4 S. 1 BGB gelten die abweichenden tarifvertraglichen Bestimmungen auch zwischen nichttarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, wenn ihre Anwendung zwischen ihnen einzelvertraglich vereinbart ist (§ 622 Abs. 4 S. 2 BGB). In diesem Fall hat die vereinbarte tarifliche Regelung gegenüber den gesetzlichen Mindestbedingungen den gleichen Vorrang, wie der Tarifvertrag selbst. Ist der Tarifvertrag allerdings wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht unwirksam, gilt gleiches auch für die darauf verweisende Individualvereinbarung.Henssler/Willemsen/Kalb/Bittner/Tiedemann, ArbR, § 622 Rn. 100, 105; Staudinger/Preis, BGB § 622 Rn. 42; MüKo/BGB/Hesse, § 622 Rn. 70 Die fehlende Tarifgebundenheit einer der Vertragsparteien ist für die Anwendbarkeit von Abs. 4 S. 2 ausreichend. Zum einen sollen die Arbeitsvertragsparteien die tarifliche Regelung, für die eine „Richtigkeitsgewähr“ spricht, individualvertraglich übernehmen können, zum anderen sollen die Arbeitnehmer gleichgestellt und eine Bevorzugung nicht tarifgebundener Arbeitnehmer, für die u.U. länger Kündigungsfristen gelten könnten als für gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer, vermieden werden.ErfK/Müller-Glöge BGB § 622 Rn. 35; Ascheid/Preis/Schmidt/Linck BGB § 622 Rn. 96 

Nicht notwendig ist, dass die Parteien auf den gesamten Tarifvertrag verweisen; sie können auch allein auf die Vorschriften zur Kündigung Bezug nehmen. Dagegen ist es nicht zulässig, lediglich einzelne Kündigungsfristenregelungen -wie etwa die verkürzten Fristen für Probezeitkündigungen- zu übernehmen, da die Regelung lediglich die fehlende Tarifbindung „überbrücken“ und keine weitergehende Möglichkeit für eigenständige Kündigungsfristenregelungen schaffen soll.Erman/Riesenhuber, BGB § 622 Rn. 27; Henssler/Willemsen/Kalb/Bittner/Tiedemann, ArbR, § 622 Rn. 103 Eine solche Vereinbarung kann ausdrücklich, stillschweigend, konkludent oder auch durch betriebliche Übung erfolgen.Erman/Riesenhuber, BGB § 622 Rn. 27; ErfK/Müller-Glöge BGB § 622 Rn. 21; MüKo/BGB/Hesse, § 622 Rn. 70; a.A. betreffend der betrieblichen Übung Staudinger/Preis, BGB § 622 Rn. 47 Ebenso haben die Arbeitsvertragsparteien jederzeit die Möglichkeit, die Vereinbarung einvernehmlich durch Änderungsvertrag oder einseitig durch Ausspruch einer Änderungskündigung wieder aufzuheben.MüKo/BGB/Hesse, § 622 Rn. 74; Ascheid/Preis/Schmidt/Linck BGB § 622 Rn. 100 Gleichfalls entfällt die Wirkung der Vereinbarung, wenn der in Bezug genommene Tarifvertrag (ohne eine Nachwirkung gem. § 4 Abs. 5 TVG) wegfällt. Wird der Tarifvertrag lediglich geändert oder durch einen zeitlich nachfolgenden ersetzt, wirkt die Vereinbarung fort, sofern die Parteien eine dynamische Verweisung getroffen haben – wovon im Zweifel auszugehen ist.MüKo/BGB/Hesse, § 622 Rn. 75; Kursawe, ArbRAktuell 2010, 110 

Für eine entsprechende Vereinbarung ist jedoch erforderlich, dass das Arbeitsverhältnis im sachlichen, räumlichen und persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages liegt, auf den Bezug genommen wird. Eine Verweisung auf „fremde“ Tarifverträge scheidet aus.ErfK/Müller-Glöge BGB § 622 Rn. 35; Ascheid/Preis/Schmidt/Linck BGB § 622 Rn. 98 

2) Abgrenzungen, Kasuistik

3) Zusammenfassung der Rechtsprechung

-       BAG, Urt. v. 11.06.2020 – 2 AZR 660/19, NZA 2020, 1241 (Ordentliche Kündigung von Hausangestellten)

-       BAG, Urt. v. 29.01.2015 - 2 AZR 280/14, NZW 2015, 2205 (Abweichen von der gesetzlichen Kündigungsfrist – Günstigkeitsvergleich)

-       BAG, Urt. v. 17.12.2015 – 6 AZR 709/14, NZA 2016, 361 (Möglichkeit des vorzeitigen Ausscheidens durch Abwicklungsvertrag)

-       BAG, Urt. v. 26.10.2017 – 6 AZR 158/16, NZA 2018, 297; BAG, Urt. v. 24.02.2016 – 5 AZR 258/14, NZA 2016, 762 (Unangemessene Verlängerung der Kündigungsfrist in AGB)

-       BAG, Urt. v. 18.10.2018 - 2 AZR 374/18, NZA 2019, 246 (Kündigungsfrist für den Arbeitgeber bei Verstoß gegen § 622 Abs. 6 BGB)

-       BAG, Urt. v. 15.12.2016 – 6 AZR 430/15, NZA 2017, 502; BAG, Urt. v. 01.09.2010 – 5 AZR 700/09, NZA 2010, 1409 (Umdeutung einer Kündigung mit zu kurzer Kündigungsfrist)

-       BAG, Urt. v. 25.04.2018 – 2 AZR 493/17, NZA 2018, 1157; BAG, Versäumnisurt. v. 26.03.2015 – 2 AZR 483/14, NZA 2015, 1183; BAG, Urt. v. 22.09.2005 – 2 AZR 366/04, NZA 2006, 204 (Zugang einer Kündigungserklärung – Zugangsvereitelung)

-       BAG, Urt. v. 22.08.2019 – 2 AZR 111/19, NZA 2019, 1490 (Zugang einer Kündigungserklärung – Einwurf in den Hausbriefkasten)

-       BAG, Urt. v. 09.06.2011 – 6 AZR 687/09, NZA 2011, 847 (Zugang der Kündigung – Ehegatte als Empfangsbote)

-       BAG, Urt. v. 25.03.2004 - 2 AZR 324/03, NJW 2004, 3444 (Kündigung vor Dienstantritt – regelmäßiger Beginn der Kündigungsfrist)

-       BAG, Urt. v. 23.03.2017 – 6 AZR 705/15, NZA 2017, 773 (Kündigungsfrist in der Probezeit)

-       BAG, Urt. v. 29.01.2015 – 2 AZR 280/14, NZA 2015, 673; BAG, Urt. v. 04.07.2001 -2 AZR 469/00, NZA 2002, 380 (Günstigkeitsvergleich zwischen einzelvertraglicher bzw. tarifvertraglicher und gesetzlicher Regelung)

-       BAG, Urt. v. 14.12.2016 – 7 AZR 49/15, NZA 2017, 634; BAG, Urt. v. 12.01.2000 – 7 AZR 48/99 – juris (Abgrenzung Befristung/Aufhebungsvereinbarung)

-       LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 06.05.2015 – 4 Sa 94/14 – juris; BAG, Urt. v. 07.03.2002 – 2 AZR 93/01, NJOZ 2003, 1211 (Kündigung zur Probezeitverlängerung)

4) Literaturstimmen

-       Die verlängerten Kündigungsfristen des § 622 Abs. 2 BGB – durch den EuGH zu neuer Relevanz, Kursawe, ArbRAktuell 2010, 110

-       Kündigungsfristen gestalten – Individual- und tarifvertragliche Möglichkeiten zur Abweichung vom gesetzlichen Fristenregime, Laber/Santon, ArbRB 2018, 57

-       Wie kann die Probezeit verlängert werden? von Steinau-Steinrück/Jöris, NJW-Spezial 2020, 498

-       Kündigungsrechtliche Herausforderungen bei grenzüberschreitenden Arbeitsverträgen, Gumnior/Pfaffenberger, NZA 2019, 1326

-       Das Arbeitsverhältnis im internationalen Kontext – Ein Überblick über das anwendbare Arbeits- und Sozialrecht, die Arbeitnehmerentsendung und das Home-Office im Ausland, Hördt, ArbRAktuell 2020, 485

-       Arbeitsrechtliche Aspekte bei einem Einsatz von Mitarbeitern im Ausland, Deutscher Bundestag (2019) WD 6: Arbeit und Soziales, https://www.bundestag.de/resource/blob/656690/a731a903766607498657921b90f5b12f/WD-6-040-19-pdf-data.pdf

5) Prozessuales

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen verlängerter Kündigungsfristen oder eines Aushilfsarbeitsverhältnisses gem. § 622 Abs. 5 Nr. 1 BGB liegt bei demjenigen, der Rechte hieraus herleitet.

6) Anmerkungen

a) Aufhebungs- / Abwicklungsvertrag 

33Möchte der Arbeitnehmer zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht bis zum Ablauf der Kündigungsfrist abwarten -etwa, weil er bereits eine neue Arbeitsstelle gefunden hat-, besteht die Möglichkeit, die Kündigungsfrist durch den Abschluss eines Aufhebungs- oder Abwicklungsvertrages zu verkürzen.


Fußnoten