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von Göler (Hrsg.) / Jörn Vinnen / § 2318

§ 2318 Pflichtteilslast bei Vermächtnissen und Auflagen

(1) Der Erbe kann die Erfüllung eines ihm auferlegten Vermächtnisses soweit verweigern, dass die Pflichtteilslast von ihm und dem Vermächtnisnehmer verhältnismäßig getragen wird. Das Gleiche gilt von einer Auflage.

(2) Einem pflichtteilsberechtigten Vermächtnisnehmer gegenüber ist die Kürzung nur soweit zulässig, dass ihm der Pflichtteil verbleibt.

(3) Ist der Erbe selbst pflichtteilsberechtigt, so kann er wegen der Pflichtteilslast das Vermächtnis und die Auflage soweit kürzen, dass ihm sein eigener Pflichtteil verbleibt.

Für den Rechtsverkehr

(für Nichtjuristen)

zum Expertenteil (für Juristen)

Bedeutung für den Rechtsverkehr, häufige Anwendungsfälle

1In den §§ 2318 – 2324 BGB ist die gesetzliche Regelung über die Verteilung der Pflichtteilslast im Innenverhältnis zwischen den einzelnen begünstigten Nachlassbeteiligten geregelt. Im Außenverhältnis haftet der Erbe allerdings allein. Für die Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs muss sich der Berechtigte direkt an den oder die Erben wenden. Bei der Berechnung von Pflichtteilsansprüchen verbleiben Ansprüche auf Vermächtnisse und Auflagen unberücksichtigt und schmälern daher nicht den Anspruch des Pflichtteilsberechtigten. Der Erbe würde damit aber aufgrund der Verpflichtung der Erfüllung von Vermächtnissen und Auflagen doppelt belastet werden, weshalb das Gesetz hier grundsätzlich eine Beteiligung des Vermächtnisnehmers oder Auflagenbegünstigten über eine verhältnismäßige Kürzung vorsieht. 

Expertenhinweise

(für Juristen)

1) Allgemeines

2Die Regelung des § 2318 BGB betrifft die Verteilung der Pflichtteilslast und gibt dem Erben eine peremptorische EinredeLange in Münchner Kommentar, 5. Auflage, § 2318 Rn. 2. . Der Erbe kann bei Leistung von den übrigen Nachlassbeteiligten eine verhältnismäßige Erstattung verlangen oder vor der Leistung eine verhältnismäßige Befreiung von der Verbindlichkeit fordern. Weiterhin gilt es zu beachten, dass die Regelung gemäß § 2324 BGB teilweise abdingbar ist. Der Erblasser kann durch Verfügung von Todes wegen anordnen, dass den Vermächtnisnehmer bzw. Auflagenbegünstigten keine Verkürzung trifft.Lange in Münchner Kommentar, 5. Auflage, § 2318 Rn. 2. 

3Leistet der Erbe in Unkenntnis seines Kürzungsrechtes bereits an den Vermächtnisnehmer oder Auflagenbegünstigten, kann er die erbrachte Leistung nach § 813 Abs. S.1 BGB zurückfordern.KG FamRZ 1977, 267, 269; Tanck ZEV 1998, 132, 133 

4Die Regelung findet auf den ordentlichen Pflichtteil und den Pflichtteilsergänzungsanspruch Anwendung.Dieckmann in Soergel, BGB Kommentar, § 2318, RN 1. 

2) Definitionen

a) Kürzungsrecht des Abs. 1

aa) Grundgedanke

5Der Grundgedanke des § 2318 Abs. 1 BGB ist, dass der im Außenverhältnis alleinhaftende Erbe im Innenverhältnis die Pflichtteilslast zusammen mit den Vermächtnisnehmern und Auflagenberechtigten im Verhältnis ihrer Beteiligungen trägt, wenn sich aus den §§ 2321, 2322 BGB nichts abweichendes ergibt und der Erblasser keine anderweitige Anordnung gemäß § 2334 BGB verfügt hat.

3) Abgrenzungen, Kasuistik

a) Berechnung des Kürzungsbetrages gemäß Abs. 1

(1) Martin´sche Formel

15Grundsätzlich wird der Kürzungsbetrag nach der sogenannte Martin´schen Formel berechnetMartin, ZBIFG 14, 789, 790. :

16Kürzungsbetrag = ( Pflichtteilslast x Vermächtnis/ Auflage ) : Ungekürzten Nachlass

17Beispiel: Der Nachlasswert beträgt 90.000,- €.

4) Zusammenfassung der Rechtsprechung

5) Literaturstimmen

  • Palandt, BGB-Kommentar, 73. Auflage, 2014
  • Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch: BGB Band 5, Erbrecht, §§ 1922 – 2385 BGB §§ 27-35 BeurkG
  • Soergel, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch: Band 22, Erbrecht 1, 13. Auflage.
  • Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wälzholz, Handbuch zum Pflichtteilsrecht, 3. Auflage 2013

6) Häufige Paragraphenketten

§ 426, § 813, § 1371, § 1963 § 1969, § 2038, § 2047, § 2188, § 2189, § 2311, § 2306, § 2307, § 2318, § 2319, § 2321, § 2322, § 2324 , § 2334

§§ 72 ZPO

§ 6 Abs. 2 S. 4 LPartG

7) Prozessuales

29Für die Kürzungsvoraussetzungen des Pflichtteilsanspruchs trägt der Erbe die Darlegungs- und Beweislast. Daher ist es ratsam, in einem Prozess gegen den Pflichtteilsberechtigten auch bereits dem Vermächtnisnehmer bzw. Auflagenbegünstigten gemäß §§ 72 ff. ZPO den Streit zu verkünden, da das Urteil ansonsten keine Wirkung gegenüber dem Vermächtnisnehmer oder Auflagenbegünstigten entfaltet.vgl. Damrau, ZErb 2009, 145-150. 

8) Anmerkungen

30Den Rechtsberater trifft grundsätzlich eine Aufklärungsverpflichtung über die vorliegende Verpflichtung zur Beteiligung des Vermächtnisnehmers oder Auflagenbegünstigen an der Pflichtteilslast zu dem Zeitpunkt, zu dem der Pflichtteil feststeht. Der Beginn der Verjährung richtet sich nach der Anspruchsentstehung, wofür wiederum eine Fälligkeit Voraussetzung ist. Eine Fälligkeit ist aber erst zu dem Zeitpunkt gegeben, in dem die Höhe des Pflichtteils feststeht.LG Düsseldorf, NJW-RR 2008, 678-679. 


Fußnoten